Entscheidungsstichwort (Thema)

Finanzierung einer weiteren Ausbildung bei Vorliegen besonderer Umstände

 

Normenkette

BGB § 1610 Abs. 1-2

 

Verfahrensgang

AG Strausberg (Beschluss vom 25.11.2015; Aktenzeichen 2.2 F 399/15)

 

Tenor

1. Der Beschluss des Amtsgerichts Strausberg vom 25. November 2015 wird, soweit der Beschwerde des Antragstellers nicht durch Beschluss des Amtsgerichts Strausberg vom 27. April 2016 abgeholfen wurde, aufgehoben.

2. Die Sache wird zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.

3. Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

1. Die gemäß §§ 113 Abs. 1, 127 Abs. 2 S. 2 ZPO zulässige Beschwerde führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Entscheidung.

Die sofortige Beschwerde führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Entscheidung. Dem Antragsteller kann Verfahrenskostenhilfe, soweit er monatlichen Unterhalt in Höhe von 247 EUR ab September 2016 begehrt, nicht versagt werden.

Der Antragsgegner ist nach der im Verfahrenskostenhilfeprüfungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung gemäß § 1610 Abs. 2 BGB verpflichtet, sich entsprechend seinen Einkommensverhältnissen an der Finanzierung der von dem Antragsteller im September 2016 aufgenommenen Ausbildung zu beteiligen. Dem steht nicht entgegen, dass der Antragsteller bereits Ausbildungen begonnen, aber nicht beendet hat. Zwar trifft den Antragsteller eine Ausbildungsobliegenheit, die der Verpflichtung der Eltern, ihm eine angemessene Ausbildung zu finanzieren, gegenübersteht (vgl. hierzu Klinkhammer in Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 9. Aufl., § 2 Rn. 77). Dem Antragsteller ist aber aufgrund seines Alters und seiner persönlichen Lebensverhältnisse eine Orientierungsphase zuzubilligen.

Der Unterhaltsantrag eines Kindes, das dem Gericht überzeugend vermitteln kann, es wolle nach etlichen Fehlschlägen endlich eine angemessene Ausbildung beginnen und auch mit Erfolg abschließen, kann kaum noch abgewiesen werden (Klinkhammer in Wendl/Dose, a. a. O. Rn. 93). Die Fehleinschätzung der Begabung geht vielfach mit einem leichteren vorübergehenden Versagen einher. Ist dieses überwunden und erbringt das Kind nunmehr brauchbare Leistungen, werden die Eltern auch eine nicht unerhebliche Verzögerung der Ausbildung hinnehmen müssen (Klinkhammer in Wendl/Dose, a. a. O. Rn. 94).

So liegt der Fall hier. Der Antragsteller hat nach Erlangung des Realschulabschlusses im Alter von 16 Jahren zunächst eine Ausbildung als Kaufmann für Dialogmarketing begonnen, die er im Dezember 2013 aufgegeben hat. Der Antragsteller war noch minderjährig und hat die Trennung vom häuslichen Umfeld als zu früh empfunden. Die Fehleinschätzung seiner Begabung in minderjährigem Alter ist ihm nicht nachteilig zuzurechnen. Der Abbruch der Fachoberschule in Nordhausen im April 2015 war durch den Umzug der Mutter nach Baden-Württemberg bedingt, die der gerade erst volljährig gewordene Antragsteller begleitete. Hierbei sind die schwierigen häuslichen Verhältnisse des Antragstellers zu berücksichtigen, die nach seinem plausiblen Vortrag eine frühere Loslösung vom mütterlichen Haushalt erschwert haben, nämlich die Scheidung der Mutter von dem Mann, den der Antragsteller mehrere Jahre für seinen Vater hielt; das von ihm als Desinteresse erlebte Verhalten des Antragsgegners und die Krebserkrankung der Mutter und Großmutter. Schwierige häusliche Verhältnisse verpflichten die Eltern ausnahmsweise zur Finanzierung einer weiteren Ausbildung, wenn sie sich nachteilig auf die Entwicklung und Ausbildung des Kindes ausgewirkt haben, insbesondere bei einer Verschlechterung der Leistung während der Ausbildung (BGH, FamRZ 2000, 420; FamRZ 2001, 1601).

Die vom Antragsteller am 24.8.2015 aufgenommene und am 15.1.2016 abgebrochene Ausbildung zum Hotelfachangestellten hat sich zwar erneut als Fehlschlag erwiesen. Es war aber die erste Ausbildung, die der Antragsteller im Erwachsenenalter aufgenommen hat, so dass ihm eine Fehleinschätzung seiner Begabung und Neigung nicht mit der Folge eines Verlustes des Unterhaltsanspruchs anzulasten ist. Überdies ist zu seinen Gunsten zu berücksichtigen, dass er sich bemüht hat, seine Eltern finanziell möglichst wenig zu belasten und seinen Unterhaltsbedarf selbst gedeckt hat (vgl. hierzu BGH, FamRZ 2006, 1100, 1103). Ausweislich der vorliegenden Verdienstbescheinigungen (Bl. 140 - 154 d. A.) hat der Antragsteller einen Nettoverdienst von monatlich 542,47 EUR zuzüglich 11,97 EUR anteiliges Weihnachtsgeld (71,79 EUR : 6) zuzüglich 184 EUR Kindergeld bezogen. Unter Abzug von 5% berufsbedingten Aufwendungen ergibt sich ein Nettoverdienst von 526,72 EUR + 184 EUR Kindergeld, mithin 710,72 EUR. Damit hat der Antragsteller seinen Bedarf, der sich gemäß Ziffer 13.1 der Unterhaltsleitlinien des Brandenburgisches Oberlandesgerichts mit Wirkung ab dem 1.8.2015 auf 670 EUR und mit Wirkung ab dem 1.1.2016 auf 735 EUR beläuft, vollständig gedeckt. Da der Antragsteller während der Ausbildung im Ausbildungshaus wohnte und vo...

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