Entscheidungsstichwort (Thema)

Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge bei erheblichen emotionalen Konflikten der Eltern

 

Verfahrensgang

AG Bad Liebenwerda (Aktenzeichen 22 F 22/12)

 

Tenor

I. Der Kindesmutter wird für das Beschwerdeverfahren ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt ... in ... bewilligt.

II. Der Senat beabsichtigt, das - aus den nachstehend angeführten Gründen keinen Erfolg versprechende - Rechtsmittel im schriftlichen Verfahren nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG zurückzuweisen.

Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen. Der Beschwerdeführer mag innerhalb der genannten Frist ggf. auch eine Rücknahme des Rechtsmittels erklären.

 

Gründe

Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte, mithin zulässige Beschwerde des Antragsgegners gegen die sorgerechtliche Entscheidung in dem (Scheidungsverbund-)Beschluss des AG Bad Liebenwerda vom 10.9.2013 ist unbegründet.

Das AG hat auf den entsprechenden Antrag der Antragstellerin hin mit der Ehe zugleich auch das gemeinsame Sorgerecht der Beteiligten zu 1. und 2. für ihre am ... August 2003 geborene V. R. aufgelöst und auf die Antragstellerin allein übertragen. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers besteht tatsächlich aus Gründen des Kindeswohls kein Raum für die Aufrechterhaltung des gemeinsamen elterlichen Sorgerechts.

Nach § 1671 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist dem Antrag eines Elternteils auf Übertragung der elterlichen Sorge stattzugeben, wenn zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den antragstellenden Elternteil dem Wohl des Kindes am besten entspricht.

Eine das Kindeswohl wahrende gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung setzt neben einem Mindestmaß an Übereinstimmung in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge insbesondere eine insgesamt tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern voraus (BVerfG FamRZ 2004, 354; BGH FamnRZ 2008, 592), die eine Kommunikationsfähigkeit beider Eltern und damit zugleich auch eine objektive und subjektive Kooperationsbereitschaft erfordert. Zwar ist davon auszugehen, dass es für das Wohl eines Kindes grundsätzlich am besten ist, wenn sich die Eltern auch nach Trennung und Scheidung einvernehmlich um sie kümmern und sie in dem sicheren Gefühl aufwachsen können, weiter zwei verlässliche Eltern zu haben, die nicht um sie konkurrieren und sie nicht in Loyalitätskonflikte stürzen. Wenn aber Eltern im Zusammenhang mit oder infolge ihrer Trennung zerstritten sind, emotionale Konflikte offensichtlich nicht lösen können und ihrer Pflicht, eine Einigung zu suchen, nicht mit Erfolg nachkommen können oder wollen, entspricht es dem Kindeswohl selbstverständlich nicht, durch Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge die Eltern in ständige, von ihnen in angemessener oder zumutbarer Weise nicht zu bewältigende Konfliktsituationen zu zwingen, die zwangsläufig nachteilige Auswirkungen mindestens auf die seelisch-emotionale Entwicklung des Kindes haben würden. Vielmehr müssen dann die Konfliktmöglichkeiten, also die Abstimmungserfordernisse so gering wie möglich gehalten werden. Es kann Kindern nicht zugemutet werden, erhebliche emotionale Konflikte der Eltern ertragen zu müssen, die diese schon als Erwachsene nicht lösen können und in die ein Kind zwangsläufig einbezogen wird (vgl. dazu OLG Frankfurt FamRZ 2014, 317; KG FamRZ 2000, 504; erkennender Senat, Beschl. v. 16.10.2013 - 9 UF 75/13).

Im Streitfall hat das AG zu Recht festgestellt werden, dass die Eltern zerstritten sind und prognostisch nicht erwartet werden kann, dass die Eltern in absehbarer Zeit willens und in der Lage sind, eine Gesprächs- und Kooperationsbasis finden zu können, die erwarten ließe, dass sich V. ohne Beeinträchtigungen durch den Elternstreit entwickeln könnte. Im vorliegenden Fall ist deshalb der Alleinsorge der Kindesmutter gegenüber dem Fortbestand der gemeinsamen Sorge der Vorzug zu geben.

Der Antragsgegner hat sowohl bei dem Elterngespräch im Jugendamt als auch insbesondere gelegentlich des Anhörungstermins vor dem AG am 2.9.2013 (auch zum Umgangsverfahren 22 F 142/13) eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass er - acht Jahre nach der räumlichen Trennung der Eltern - nicht willens und in der Lage ist, eigene Befindlichkeiten zurückzustellen und im Wege einer sachorientierten und am Wohl der heute rund 10 ½-jährigen V. orientierten Kommunikation, die für abweichende Vorstellungen und insbesondere auch Kompromisslösungen Raum lässt, zu einvernehmlichen Regelungen in wichtigen das Kind betreffenden Angelegenheiten zu gelangen. Der Antragsgegner war kaum in der Lage, die anderen Verfahrensbeteiligten zu Wort kommen zu lassen, hat diese immer wieder unterbrochen und zwischenzeitlich sogar den Sitzungssaal verlassen. Dieses Verhalten belegt eindrucksvoll, dass der Antragsgegner sich auf eine sachliche Auseinandersetzung nicht einzulassen vermag. Soweit in der Beschwerdeschrift betont wird, dass der Antragsgegner bei/nach anwaltlicher Beratung besonnener aufgetr...

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