Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenentscheidung: Rücknahme des Scheidungsantrages unter Berücksichtigung einer verspäteten Stellungnahme des Antragsgegners

 

Leitsatz (amtlich)

Die verspätete Erteilung vom Antragsgegner geschuldeter Auskünfte, die die Unbegründetheit des Scheidungsantrages zu Tage treten lässt und zur Rücknahme des Scheidungsantrages führt, stellt keine Prozesssituation dar, die mit der von § 93d ZPO geregelten Prozesslage vergleichbar ist, so dass § 93d ZPO nicht analog angewendet werden kann. Ein besonderer Grund, die Kosten des Ehescheidungsverfahrens ausnahmsweise ganz oder zum Teil dem Antragsgegner aufzuerlegen, liegt daher nicht vor.

 

Normenkette

ZPO §§ 93d, 269 Abs. 3 S. 2; ZPO a.F. § 626

 

Verfahrensgang

AG Neuruppin (Beschluss vom 14.01.2010; Aktenzeichen 52 F 388/08)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde wird der angefochtene Beschluss des AG Neuruppin dahin abgeändert, dass der Antragstellerin die Kosten des Ehescheidungsverfahrens auferlegt werden.

Der Antragstellerin werden die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Beschwerdewert von bis zu 900 EUR auferlegt.

 

Gründe

Die Antragstellerin hat mit Antragschrift vom 18.11.2008 Prozesskostenhilfe für die Durchführung eines Ehescheidungsverfahrens einschließlich der Folgesache Sorgerecht begehrt. Mit Verfügung vom 28.11.2008 hat der Antragsgegner Gelegenheit zur Stellungnahme im Prozesskostenhilfeverfahren erhalten.

Nachdem der Antragsgegner keine Stellung genommen hatte, hat das AG der Antragstellerin mit Beschluss vom 15.1.2009 Prozesskostenhilfe für das Ehescheidungsverfahren bewilligt und gleichzeitig das Sorgerechtsverfahren als Folgesache zum Scheidungsverfahren verbunden. Nach Zustellung der Antragsschrift hat der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 29.1.2009 mitgeteilt, die Ehe der Parteien, die beide mazedonische Staatsangehörige sind, sei mit Urteil des zuständigen mazedonischen Gerichts geschieden worden und dieses Urteil sei seit dem 30.12.2008 rechtskräftig.

Mit Schriftsatz vom 29.10.2009 hat die Antragstellerin den Ehescheidungsantrag zurückgenommen.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das AG die Kosten des Verfahrens dem Antragsgegner unter Hinweis auf § 626 Abs. 1 i.V.m. § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO auferlegt und hierzu ausgeführt, es habe den Antragsgegner oblegen, sich bereits im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren dazu zu äußern, dass er bereits in Mazedonien das Scheidungsverfahren betreibe. Entsprechend sei es unter Berücksichtigung des Sachstandes billig, dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Die gegen den erstinstanzlichen Beschluss gerichtete sofortige Beschwerde ist form- und fristgerecht eingereicht worden und damit zulässig.

Auch in der Sache hat das Rechtsmittel Erfolg und muss zu einer Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung führen.

Gemäß § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO ist der Kläger bzw. im Ehescheidungsverfahren der Antragsteller (§ 626 ZPO verweist auf die Vorschrift des § 269 Abs. 3 bis 5 ZPO) verpflichtet, die Kosten des Ehescheidungsverfahrens zu tragen, soweit nicht bereits rechtskräftig über sie erkannt ist oder sie den Beklagten bzw. Antragsgegner aus einem anderen Grund aufzuerlegen sind.

Die Klagerücknahme hat gem. § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO grundsätzlich zur Folge, dass der Kläger die Kosten des Rechtstreits zu tragen hat. Ein besonderer Grund, die Kosten hier des Ehescheidungsverfahrens ausnahmsweise ganz oder zum Teil dem Antragsgegner aufzuerlegen, liegt entgegen der Ansicht des AG nicht vor.

Die Regelung des § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO ist eine Ausprägung des allgemeinen, den §§ 91, 97 ZPO zugrunde liegenden Prinzips, dass die unterlegene Partei die Kosten des Rechtstreits zu tragen hat. Nimmt der Kläger bzw. Antragsteller seine Klage zurück, begibt er sich freiwillig in die Rolle des Unterliegenden. Ob dieses Ergebnis mit dem materiellen Recht übereinstimmt, ist ohne Bedeutung. Letzteres betrifft allein den materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch, nicht aber die davon zu unterscheidende prozessuale Kostenlast (BGHZ 45, 251, 256 f.).

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin sind die Voraussetzungen des § 269 Abs. 3 S. 2 Halbs. 2 ZPO nicht erfüllt, weil sich eine Kostenlast des Antragsgegners nicht "aus einem anderen Grund" im Sinne dieser Vorschrift ergibt. Anlass für die Ausnahmeregelung war die Neufassung des § 93d ZPO durch das Kindesunterhaltsgesetz vom 6.4.1998. Danach können die Kosten des Rechtstreits abweichend von § 269 Abs. 3 S. 2 Halbs. 1 ZPO der beklagten Partei auferlegt werden, wenn sie zu einem Unterhaltsprozess Anlass gegeben hat, indem sie ihre Auskunftspflicht nicht oder nicht vollständig erfüllt hat. Damit verbunden war eine Ergänzung des § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO dahingehend, dass von der Kostentragungspflicht des Klägers im Falle der Klagerücknahme die Kosten ausgenommen waren, die "dem Beklagten aufzuerlegen waren". Nach der Begründung des Regierungsentwurfs zum Kindesunterhaltsgesetz war damit allein der Fall des § 93d ZPO gemeint (BT-Drucks. 13/7338, S. 33). Eine sachliche Ände...

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