Leitsatz (amtlich)

Wer nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) den Ausgleich selbst übernommener Nachteile verlangen kann, muss aus demselben Rechtsgrund das Ausmaß dieser Nachteile so gering wie möglich halten.

Wer die Nachteile ausgeglichen wissen möchte, die aus der Versteuerung einer Unterhaltsleistung entstehen, muss danach jedenfalls diese Unterhaltsleistung so verwenden, dass die auszugleichende Steuerlast möglichst gering bleibt.

Zum Ausgleich der Nachteile, die der Unterhaltsberechtigte übernimmt, damit der Unterhaltspflichtige Steuervorteile für sich in Anspruch nehmen kann, reicht es aus, dass der Pflichtige sich verbindlich zur Erstattung dieser Nachteile bereiterklärt und sodann den Steuermehrbetrag an den Berechtigten erstattet. Ein Freistellungsanspruch steht dem Unterhaltsberechtigten nicht zu.

Ein Anspruch auf Erstattung schon der Steuervorauszahlung und nicht erst des endgültig feststehenden Mehrbetrages kommt nur in Betracht gezogen, wenn die Entrichtung der Vorauszahlungsbeträge die Mittel schmälert, die zum Lebensunterhalt des Unterhaltsberechtigten zur Verfügung stehen.

 

Verfahrensgang

AG Neuruppin (Beschluss vom 17.06.2014; Aktenzeichen 53 F 111/13)

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des AG Neuruppin vom 17.6.2014 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten ihres Rechtsmittels.

Die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird zugelassen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.713,30 Euro festgesetzt.

 

Gründe

Die Beteiligten streiten darum, ob der Nachteilsausgleich nach dem Realsplitting mit der Obliegenheit des Unterhaltsberechtigten verbunden ist, an ihn gezahlten Altersvorsorgeunterhalt steuerbegünstigt zu verwenden.

I.1. Die Beteiligten sind verheiratet. Sie leben getrennt. Der Antragsgegner zahlte seit dem Jahr 2011 an die Antragstellerin Elementar-, Altersvorsorge- und Krankenvorsorgeunterhalt. Die Beteiligten waren darüber einig, dass der Antragsgegner diese Zahlungen bei der Veranlagung zur Einkommensteuer als Sonderausgaben geltend machen und die Antragstellerin sie als Einkommen versteuern solle. Die Antragstellerin verwendete den Altersvorsorgeunterhalt auf eine Art und Weise, die sie nicht als Sonderausgaben bei der Einkommensteuerveranlagung angeben konnte.

2. Die Antragstellerin hat den Ersatz der vollständigen Mehrbeträge verlangt, die sie wegen der Versteuerung des Unterhaltsbetrages habe zahlen müssen. Sie meint, der Antragsgegner schulde ihr zudem die Freistellung von den festgesetzten Vorauszahlungsbeträgen auf die Einkommensteuer und den Solidaritätszuschlag. Sie habe den Altersvorsorgeunterhalt zweckentsprechend verwendet. Eine weiter gehende Pflicht, die Belastung des Antragsgegners so gering wie möglich zu halten, treffe sie nicht.

Die Antragstellerin hat beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, an sie 2.216,80 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszins seit dem 06.11.2013 zu zahlen, sie von ihrer Verpflichtung zur Zahlung von Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer gemäß Steuerbescheid des Finanzamtes K. vom 08.04.2014 (betreffend das Kalenderjahr 2012) in Höhe von 264,60 zuzüglich 2,50 Euro Säumniszuschläge für das 1. Quartal 2014, in Höhe von jeweils 160,00 Euro zum 10.06., 10.09. und 10.12.2014 und jeweils quartalsweise in Höhe von 185,00 Euro ab 10.03.2015 freizustellen, an sie 815,00 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszins seit dem 01.05.2014 zu zahlen.

Der Antragsgegner hat beantragt, den Antrag abzuweisen.

Er hat gemeint, die Antragstellerin habe gegen die Zweckbindung des Altersvorsorge- und des Krankenvorsorgeunterhalts verstoßen.

3. Das AG hat dem Antrag mit dem angefochtenen Beschluss teilweise stattgegeben. Der Antragstellerin stehe ein Erstattungs-, nicht aber ein Freistellungsanspruch zu. Erstattung ihrer Mehrbelastung durch die Versteuerung des vereinnahmten Unterhalts könne die Antragstellerin nur in einer Höhe verlangen, die sich bei einer Verwendung des Altersvorsorgeunterhalts als beschränkt abzugsfähige Sonderausgaben ergeben hätte. Die Anlage des Vorsorgeunterhalts auf einem Sparkonto entspreche der Zweckbestimmung dieses Unterhalts nicht. Die Erstattung auch der Vorauszahlungsbeträge könne die Antragstellerin nicht beanspruchen, weil diese Beträge im Verhältnis zum Unterhalt nicht erheblich seien.

4. Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Antragstellerin den abgewiesenen Teil ihres Antrages weiter. Sie habe selbst entscheiden dürfen, welche Form der Altersvorsorge sie wähle. Ihr Erstattungsanspruch dürfe von dieser Entscheidung nicht abhängen. Welche Altersvorsorgeaufwendungen steuerbegünstigt seien, habe sie als juristischer Laie nicht wissen können. Der Antragsgegner dürfe sich dem vollständigen Nachteilsausgleich nicht verweigern, weil er erhebliche, die Nachteile übersteigende Vorteile aus dem Realsplitting gezogen habe. Auch die Steuervorauszahlungen müsse der Antragsgegner erstatten, weil sie kein weiteres Einkommen als die Unterhaltszahlungen beziehe und die Vorauszahlungen deshalb aus ihrem Lebensunterhalt zu le...

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