Rz. 1

Bei Bosnien und Herzegowina (kurz: BiH) handelt es sich um ein komplexes staatliches Gebilde, das durch eigentümliche föderale, wenn nicht sogar konföderal zu nennende Merkmale gekennzeichnet ist. Diese sind nicht zuletzt Folge dessen, dass in der Verfassung des Staates (die einen Annex zum Friedensvertrag von Dayton darstellt),[1] Zugeständnisse an durch den Krieg geschaffene Tatsachen gemacht werden mussten. Dadurch entstanden die beiden sog. Entitäten "Föderation Bosnien und Herzegowina" (kurz: FBiH) und "Republika Srpska" (kurz: RS),[2] die weitgehende eigene Gesetzgebungskompetenz, beispielsweise auch im Bereich des Familienrechts, besitzen.

 

Rz. 2

Neben den Entitäten besteht noch der Distrikt Brčko als Gebiet sui generis, der – ebenso wie die Entitäten – eine eigene familien- und damit auch eherechtliche Gesetzgebung besitzt. Diese De-facto-Dreiteilung des Landes Bosnien und Herzegowina macht eine einheitliche Darstellung des dortigen Eherechts unmöglich.

 

Rz. 3

Deshalb wird nachfolgend das Eherecht der beiden Entitäten getrennt dargestellt. Hierbei wird zuerst auf die FBiH als größtem Landesteil eingegangen,[3] dann auf die RS, wobei sich die Darstellung auf die wichtigsten Unterschiede zum Recht der Föderation beschränkt.[4] Von einer Darstellung des Eherechts des Distrikt Brčko, der mit seinen gerade einmal 80.000 Einwohnern kleinster Landesteil ist, wird dagegen abgesehen.

[1] Verfassung von Bosnien und Herzegowina, Annex 4 zum Friedensvertrag von Dayton vom 14.12.1995, offizielle Homepage des OHR, dort http://www.ohr.int/dpa/default.asp?content_id=372.
[2] Die RS ist Bestandteil Bosnien und Herzegowinas und liegt vollständig auf deren Staatsgebiet. Sie ist nicht zu verwechseln mit der Anfang der 1990er Jahre zeitweilig ausgerufenen "Serbischen Republik Krajina", um die es in der Entscheidung OLG Hamm vom 27.7.1995, 4 UF 221/95, FamRZ 1996, 178 f. ging.
[3] Da die FBiH seit 2005 ein neues Familiengesetz besitzt (siehe Rdn 31), sind die Ausführungen zur Gesetzeslage in der FBiH bei Jessel-Holst, FamRZ 2004, 850 durch Zeitablauf überholt. Bezüglich der Republika Srpska sind sie jedoch im Wesentlichen noch zutreffend.
[4] Dies erscheint vertretbar, da es mit der Arbeit von Jessel-Holst (FamRZ 2004, 847 ff.) noch eine weitere deutschsprachige Arbeit über das in der RS geltende Familienrecht gibt (vgl. die vorstehende Anmerkung).

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