Rn 41

Kommt eine Einigung zwischen den Betriebsparteien nicht zustande, so entscheidet gemäß § 112 Abs. 4 Satz 1 BetrVG die Einigungsstelle über die Aufstellung eines Sozialplans. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt dann die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat (§ 112 Abs. 4 Satz 2 BetrVG).

 

Rn 42

Wegen der Begrenzung ihrer Zuständigkeit auf die Aufstellung eines Sozialplans nach der Legaldefinition in § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG kann die Einigungsstelle nur wirtschaftliche Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge der geplanten Betriebsänderung entstehen, ausgleichen oder mildern.[54] Soweit der Sozialplan danach erzwungen werden kann, entscheidet die Einigungsstelle – ebenso wie die Betriebsparteien – nach pflichtgemäßem Ermessen und unter Berücksichtigung des Gleichbehandlungsgrundsatzes in § 75 Abs. 1 BetrVG darüber, ob und welche Nachteile ausgeglichen oder gemildert werden sollen.[55]

 

Rn 43

Neben diesen Grenzen der Regelungsbefugnis sind der Einigungsstelle in § 112 Abs. 5 BetrVG Ermessensgrenzen gesetzt. Werden diese verletzt, liegt ein Ermessensverstoß im Sinne des § 76 Abs. 5 Satz 3 BetrVG vor, der von den Betriebsparteien im Beschlussverfahren innerhalb einer Zweiwochenfrist bei dem Arbeitsgericht geltend gemacht werden kann.[56] Im Einzelnen sind für die Einigungsstelle folgende Grundsätze maßgebend:

[54] Richardi, § 112 Rn. 108.
[55] BAG 28.9.1988 AP Nr. 47 zu § 112 BetrVG 1972; BAG 14.9.1994 AP Nr. 87 zu § 112 BetrVG 1972.
[56] BAG 14.9.1994 AP Nr. 87 zu § 112 BetrVG 1972.

7.1 Ermessensrichtlinien

 

Rn 44

Nach Maßgabe des § 112 Abs. 5 Satz 1 BetrVG hat die Einigungsstelle bei der Aufstellung des Sozialplans sowohl die sozialen Belange der betroffenen Arbeitnehmer zu berücksichtigen als auch auf die wirtschaftliche Vertretbarkeit ihrer Entscheidung für das Unternehmen zu achten.

 

Rn 45

Die sozialen Belange der betroffenen Arbeitnehmer beziehen sich auf den Ausgleich der Nachteile, die ihnen infolge der geplanten Betriebsänderung nach § 111 BetrVG entstehen. Diese Nachteile bestimmen den Sozialplanbedarf. Nach diesem Bedarf orientiert sich das Sozialplanvolumen, das seinerseits durch die wirtschaftliche Vertretbarkeit für das Unternehmen begrenzt wird.

7.2 Gegebenheiten des Einzelfalls

 

Rn 46

In § 112 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BetrVG werden beispielhaft einige wirtschaftliche Nachteile aufgezählt, die von der Einigungsstelle bei der Aufstellung des Sozialplans berücksichtigt werden sollen. Wirtschaftliche Nachteile bestehen danach insbesondere in Einkommensminderungen, dem Wegfall von Sonderleistungen oder dem Verlust von Anwartschaften von betrieblicher Altersversorgung, Umzugskosten oder erhöhten Fahrtkosten.[57]

 

Rn 47

Da die Einigungsstelle entsprechend der gesetzlichen Vorgabe den Gegebenheiten des Einzelfalls Rechnung zu tragen hat, muss sie feststellen, welche Nachteile einzelnen Arbeitnehmern tatsächlich entstehen. Da sich zum Zeitpunkt der Aufstellung des Sozialplans jedoch regelmäßig nicht beurteilen lässt, welche Nachteile der einzelne Arbeitnehmer zu erwarten hat, ist es zulässig, Ausgleichsleistungen für typischerweise zu erwartende Nachteile zu pauschalieren (vgl. oben Rn. 21).

[57] Weitere mögliche Nachteile finden sich in Berenz, NZA 1993, 538.

7.3 Aussichten auf dem Arbeitsmarkt und Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten

 

Rn 48

Gemäß § 112 Abs. 5 Nr. 2 Satz 1 BetrVG hat die Einigungsstelle des Weiteren die Aussichten der betroffenen Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt zu berücksichtigen. Da bei der Aufstellung des Sozialplans regelmäßig nicht feststeht, ob Arbeitslosigkeit eintreten wird, muss die Einigungsstelle für die von der Entlassung betroffenen Arbeitnehmer eine Prognose aufstellen. Bei dieser Voraussage der Vermittlungsmöglichkeiten sind arbeitsmarktbedingte Besonderheiten (z.B. konjunkturelle oder strukturelle Arbeitslosigkeit in dem Einzugsgebiet, Art und Anzahl der offenen Stellen) ebenso wie individuelle Umstände (Alter, Schwerbehinderteneigenschaft, fachliche Qualifikation) zu berücksichtigen.[58]

 

Rn 49

Nach § 112 Abs. 5 Nr. 2 Satz 2 BetrVG soll die Einigungsstelle die Arbeitnehmer von Leistungen ausschließen, die in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens oder Konzerns weiterbeschäftigt werden können und die Weiterbeschäftigung trotz zumutbarer Arbeitsbedingungen ablehnen. Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit der Arbeitsbedingungen ist nicht auf die Zumutbarkeitskriterien des § 121 SGB III abzustellen, da sich diese Vorschrift allein auf arbeitsmarktspezifische Gesichtspunkte bezieht und die nach dem Betriebsverfassungsgesetz gebotene Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls außer Acht lässt.[59] Allerdings kann die Einigungsstelle im Rahmen ihres Ermessensspielraums selbst festlegen, welche anderen Arbeitsplätze zumutbar sind.[60] Sieht die Einigungsstelle von einer Definition des "zumutbaren Arbeitsverhältnisses" ab, sind nach der Rechtsprechung nur solche Arbeitsverhältnisse zumutbar, die in rechtlicher, finanzieller und beruflicher Hinsicht gleichwertige Arbeitsbedingungen gewährleisten.[61] Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn die neue Tätigkeit der Vorbildung und der Berufserfahrun...

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