Rn 21

Sowohl in der Fachliteratur als auch in der Rechtsprechung ist die Frage umstritten, ob die EuInsVO auch für nicht-europäische Gesellschaften anwendbar ist. Unbestritten ist jedenfalls, dass ein Auslandsbezug erforderlich, denn sonst – bei rein nationalen Sachverhalten – kommt die EuInsVO nicht zur Anwendung. Die Meinungen teilen sich jedoch über diese Frage, ob ein so genannter einfacher Auslandsbezug[39] (Auslandsbezug nur zu einem beliebigen Drittstaat) oder aber ein qualifizierter Auslandsbezug[40] (Auslandsbezug zu einem anderen EU-Mitgliedstaat und eventuell zu einem Drittstatt) vorliegen muss. In diesem Zusammenhang ist auf die Rechtsprechung in Sachen "BRAC Rent-A-Car"[41] und "Ci4net"[42] hinzuweisen. Danach kann man in den EU-Mitgliedstaaten auch über außereuropäische Scheinauslandsgesellschaften mit tatsächlichem Verwaltungssitz in der EU ein Hauptinsolvenzverfahren i.S. der EuInsVO eröffnen. Dies wird unter anderem damit begründet, dass Art. 3 Abs. 1 EuInsVO für die Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens keine weitere Voraussetzung enthält neben dem Vorliegen des COMI. Ein einfacher Auslandsbezug sichere des Weiteren die Gleichbehandlung europäischer und nichteuropäischer Gesellschaften.[43]

 

Rn 22

Da die EuInsVO keine Regelung bezüglich grenzüberschreitender Insolvenzverfahren mit Drittstaaten enthält, kann aus dem Wortlaut der Verordnung keine Antwort entnommen werden. Mehrere Überlegungen sprechen indes zugunsten der Erforderlichkeit eines qualifizierten Auslandsbezuges. Zunächst regelt Art. 3 EuInsVO lediglich die internationale Zuständigkeit und nicht den territorialen Anwendungsbereich der EuInsVO. Es wäre somit bedenklich, die Anwendbarkeit der EuInsVO in Bezug auf Drittstaaten nur gestützt auf Art. 3 EuInsVO zu bejahen. Art. 65 EGV, welcher der Gemeinschaft eine Regelungskompetenz nur insoweit zuschreibt, als dies für ein reibungsloses Funktionieren des Binnenmarktes erforderlich ist, spricht ferner für den qualifizierten Auslandsbezug. Schließlich soll aus Gründen der Rechtssicherheit ein Bezug zu einem anderen Mitgliedstaat vorhanden sein.

 

Rn 23

Aus diesen Gründen kann die Anwendbarkeit der EuInsVO nur dann angenommen werden, wenn sich der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen in einem Mitgliedstaat befindet und wenn ein Bezug zu einem anderen Mitgliedstaat besteht.

[39] Huber, ZZP 114 (2001), 136 (138 f.); Krebber, IPRax 2004, 540 ff.; Hauboldt, IPRax 2003, 34; Haß/Huber/Gruber/Heiderhoff-Huber, Art. 1 EuInsVO Rn. 19 f.
[40] Balz, ZIP 1996, 948 (949); Pannen/Pannen, EuInsVO, Art. 3 Rn. 64 ff.; Ehricke/Ries, JuS 2003, 313; D-K/D/Ch-Duursma-Kepplinger, Art. 1 Rn. 3; Smid, Komm-EuInsVO, Art. 3 Rn. 6a.
[41] High Court of Justice Chancery Division Companies Court, ZIP 2003, 813 f. Vgl. hierzu Pannen/Pannen, EuInsVO, Rechtsprechungsübersicht Art. 3 Anhang A Rn. 3; siehe auch Krebber, IPRax 2004, 540 ff.
[42] High Court of Justice Leeds, Urteil v. 20.5.2004, No. 556 und 557/2004, ZIP 2004, 1769 f. Vgl. hierzu Pannen/Pannen, EuInsVO, Rechtsprechungsübersicht Art. 3 Anhang A Rn. 4.
[43] Vgl. High Court of Justice Brac Rent-A-Car, ZIP 2003, 813.

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