Rn 15

In allen zuvor abgehandelten Fallkonstellationen erklärt das Gesetz eine gleichwohl erklärte Aufrechnung für unzulässig. Damit soll jedoch nicht in die allgemeinen zivilrechtlichen Aufrechnungsvoraussetzungen oder Forderungszuständigkeiten eingegriffen werden, vielmehr soll lediglich der Aufrechnungserklärung die Tilgungswirkung genommen werden.[67] Es geht wie auch bei der früheren Regelung in § 55 KO nur um den Ausschluss der Wirkungen einer Aufrechnungserklärung für die Dauer des Insolvenzverfahrens mit Bezug zur Insolvenzmasse.[68] Im Fall des § 96 Abs. 1 Nr. 3 gilt dies auch für Aufrechnungserklärungen, die bereits vor Eröffnung des Verfahrens abgegeben wurden. Diese werden mit Verfahrenseröffnung unwirksam. Die Formulierung, die vor Verfahrenseröffnung erklärte Aufrechnung werde "rückwirkend" unwirksam,[69] sollte man tunlichst vermeiden. Denn sie könnte zu dem (Fehl-)Schluss verleiten, in der Zeit zwischen der Aufrechnungserklärung und der Verfahrenseröffnung sei die Verjährung der beiderseitigen Ansprüche weitergelaufen, was ein unhaltbares Resultat wäre, da ja die Ansprüche in dieser Zeit ebenso wenig mit Aussicht auf Erfolg geltend gemacht werden konnten wie ein noch nicht entstandener Anspruch (dazu § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB) oder ein Anspruch, dem ein Leistungsverweigerungsrecht entgegensteht (dazu § 205 BGB). Wenn die Aufrechnungserklärung nicht die in § 389 BGB geregelten Wirkungen nach sich zieht, entsteht demnach für die Beteiligten ein Zwang zur wechselseitigen Abwicklung der Leistungsverhältnisse. Der Insolvenzgläubiger als gleichzeitiger Schuldner der Insolvenzmasse muss seine Leistung uneingeschränkt zur Masse erbringen und hat seinerseits mangels Zulässigkeit der Aufrechnung nur die Möglichkeit, seine Insolvenzforderung im Verfahren durch Anmeldung zur Tabelle nach den §§ 174 ff. bis zu einer eventuellen Verteilung nach den §§ 187 ff. zu verfolgen, und muss sich damit wie die übrigen Insolvenzgläubiger behandeln lassen.

[67] Häsemeyer, Rn. 19.10; Kübler/Prütting-Lüke, § 96 Rn. 60. – Hat der spätere Insolvenzschuldner einem seiner Geldgläubiger in der Krise z.B. Waren verkauft und diesem damit die Möglichkeit zur Aufrechnung gegen seine Kaufpreisschuld verschafft, so bedarf es zur Beseitigung dieser Aufrechnungsmöglichkeit entgegen einer Meinung, die der BGH zur KO einst vertreten (BGH ZIP 1998, 2165 [BGH 12.11.1998 - IX ZR 199/97] [2166]), später aber zu Recht aufgegeben hat (BGHZ 145, 245 [254 f.]; 147, 233 [236 f.]; BGH NJW-RR 2004, 846 f. = ZInsO 2003, 1101 [1102] = ZIP 2003, 2370 [BGH 09.10.2003 - IX ZR 28/03] [2371]), nicht einer Anfechtung des Kaufvertrags. Vielmehr ist die Aufrechnung trotz Fortbestands des Kaufvertrags nach § 96 Abs. 1 Nr. 3 unwirksam.
[68] Kübler/Prütting-Lüke, § 96 Rn. 60; MünchKomm-Brandes/Lohmann, § 96 Rn. 3; Uhlenbruck/ Sinz, § 96 Rn. 69. Doch wird die Forderung bei Beendigung des Insolvenzverfahrens i. d. R. bereits eingezogen oder durch Abtretung verwertet sein. Im Fall der Abtretung muss das Aufrechnungsverbot zugunsten des Zessionars fortbestehen, weil andernfalls eine solche Verwertung praktisch ausgeschlossen wäre (RGZ 140, 43 [47]; MünchKomm-Brandes/Lohmann, § 96 Rn. 3).
[69] So BegrRegE, BT-Drs. 12/2443, S. 141; BGH NJW-RR 2004, 846 (847) = ZIP 2003, 2370 (2371) [BGH 09.10.2003 - IX ZR 28/03]; MünchKomm-Brandes/Lohmann, § 96 Rn. 37; auch hier Lfg. Juli 2003, § 96 Rn. 6.

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