Rn 4

Die Vorschrift gewährt dem Schuldner einen Anspruch auf die Mittel aus der Insolvenzmasse. Der Gläubigerversammlung kommt daher abweichend von § 100 Abs. 1 keine Entscheidungsbefugnis oder Ermessen über das Ob und den Umfang der Unterhaltsleistung an den Schuldner zu. Allerdings kann die Gläubigerversammlung frei ausgehandelten Mitarbeitsbedingungen zustimmen[2] und so eine Basis für ein angemessenes Entgelt für die Mitarbeit des Schuldners schaffen.

 

Rn 5

Mittel aus der Insolvenzmasse darf der Schuldner jedoch nur dann entnehmen, wenn er sie zur bescheidenen Lebensführung benötigt und er diese nicht ohnehin zur Verfügung hat, etwa im insolvenzfreien Vermögen.[3] Solches kann beispielsweise aus pfändungsfreiem Arbeitseinkommen nach § 850c ZPO resultieren. Zum insolvenzfreien Vermögen gehört nach § 36 aber auch Einkommen, das nach § 850i ZPO als nicht wiederkehrende Zahlung für persönlich geleistete Arbeit dem Pfändungsschutz für sonstige Einkünfte unterliegt. Dem Wortlaut unterfallen hier auch Zahlungseingänge auf dem allgemeinen Konto des Schuldners während der Eigenverwaltung. Der pfändungsfreie Betrag wäre hiernach unter Berücksichtigung eventuell überwiegender Gläubigerbelange im Einzelfall vom Gericht festzusetzen.[4] Damit kollidiert aber der Grundgedanke des § 278, wonach nicht auf die in § 850i ZPO genannten Grenzen, sondern auf eine bescheidene Lebensführung abzustellen ist. § 850i ZPO hilft im Übrigen dann nicht weiter, wenn die in der Insolvenzmasse eingehenden Zahlungen keine Vergütungen für persönlich geleistete Arbeit des Schuldners selbst, sondern für Arbeit von Mitarbeitern des Schuldners ist. Problematisch ist schließlich, inwiefern es sich bei der Entnahme von über der Pfändungsgrenze liegenden Beträgen durch den Schuldner um Neuerwerb handelt, der ebenfalls wieder in die Masse fiele. Sinnvoll erscheint es daher, § 278 als Ergänzung zu § 36 Abs. 1 zu verstehen, wonach unpfändbare Gegenstände nicht Teil der Insolvenzmasse sind. Dem Schuldner soll gemäß § 278 ein nach dort genannten Kriterien näher zu bestimmender Betrag verbleiben, so dass die Pfändungsvorschriften durch § 278 verdrängt werden und keine weitere Bedeutung mehr haben.

 

Rn 6

Daraus folgt, dass die Höhe des Pfändungsfreibetrages für die Beurteilung im Rahmen des § 278 keine maßgebliche Größe ist, sondern allenfalls einen Anhaltspunkt geben kann. Außerdem folgt daraus, dass nicht nur über den Unterhalt zu entscheiden ist, der über die Pfändungsgrenzen hinausgeht, sondern über den gesamten zu entnehmenden Betrag.[5] Die hier vertretene Sichtweise führt schließlich dazu, dass mit Recht entnommene Beträge wie nach einer erklärten Freigabe nicht mehr Teil der Insolvenzmasse sind.[6]

 

Rn 7

Im konkreten Fall fordert das Gesetz zur Bestimmung des entnehmbaren Betrages die Berücksichtigung der bisherigen Lebensverhältnisse des Schuldners. Daran gemessen soll der dem Schuldner zustehende Betrag eine bescheidene Lebensführung gestatten, was den im Rahmen eines Regelinsolvenzverfahrens nach § 100 Abs. 1 zu gewährenden notwendigen Unterhalt bereits übersteigt. Diese vagen Kriterien führen notwendiger Weise zur Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall. Eine pauschale Festsetzung verbietet sich wegen der unterschiedlichen Dimensionen der Insolvenzverfahren ebenso wie eine reflexartige Bezugnahme auf die Pfändungsgrenzen. Zu berücksichtigen ist einerseits der Umstand der Insolvenz als solcher, andererseits aber auch die Arbeitsbelastung und die Verantwortung für das Unternehmen, die im Fall der Eigenverwaltung über den Grundfall des § 100 hinausgehen. Dass der Schuldner jederzeit die Aufhebung der Eigenverwaltung beantragen kann und insoweit die Zurverfügungstellung seiner Arbeitskraft freiwillig erfolgt, darf dabei ebenso wenig vernachlässigt werden wie der Umstand, dass der Schuldner letztlich deswegen tätig ist, weil er ein eigenes Interesse an der Sanierung seines Unternehmens hat. Die Berücksichtigung der weiteren Berechtigten erfolgt nach den gleichen Maßstäben.

 

Rn 8

Obwohl das Gesetz dem Schuldner lediglich die Mittel für eine bescheidene Lebensführung zugesteht, ist es allgemeine Meinung, dass die Regelung des § 278 einen Anreiz für den Schuldner schaffen soll, zur Mehrung der Insolvenzmasse beizutragen,[7] oder dass sie sogar eine Erfolgsprämie für den Schuldner ermöglicht.[8]

 

Rn 9

Besteht Streit über die Höhe des angemessenen Betrages, ist umstritten, ob das Insolvenzgericht zur Festsetzung berufen ist.[9] Nach hier vertretener Ansicht ist das Insolvenzgericht entsprechend § 36 Abs. 4 für eine Entscheidung zuständig, soweit ein Bedürfnis dafür besteht. Der Sachwalter hat im Rahmen seiner Überwachungstätigkeit auch die Entnahmen des Schuldners zu kontrollieren und ggf. Anzeige nach § 274 Abs. 3 an die Gläubiger und das Insolvenzgericht zu erstatten, wenn die Entnahmen übermäßig sind und zu Nachteilen für die Gläubiger führen. Sodann kann die Aufhebung der Eigenverwaltung gemäß § 272 beantragt werden. Ob auch die Anordnung eines Zustimmungsvo...

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