Rn 11

Sind die Voraussetzungen des § 22 a Abs. 1 gegeben, ohne dass ein Ausschlusstatbestand des § 22 a Abs. 3 greift, folgt daraus eine Pflicht des Gerichts einen vorläufigen Gläubigerausschuss unmittelbar einzusetzen. Dies ändert aber nichts daran, dass das Gericht für eine repräsentative Besetzung des Ausschusses sorgen muss (s. u. Rdn. 40). Soll also der Ausschuss zeitnah nach der Antragstellung vom Gericht eingesetzt werden, genügt es nicht in den Antragsunterlagen lediglich die Ausschlusstatbestände des § 22 a Abs. 3 auszuräumen, sondern der Antragsteller muss auch insoweit Ausführungen machen. Trotz der gerichtlichen Pflicht zur Einsetzung, führt mithin ein ungenügend vorbereiteter und ausgearbeiteter Insolvenzantrag zu einer beträchtlichen Verzögerung (praktische Hinweise unten: Rdn. 70).[15]

 

Rn 12

In § 22 a Abs. 1 Nr. 1 bis 3 finden sich drei Größenmerkmale, von denen der Schuldner mindestens zwei erreichen muss. Damit soll die Pflicht zur Einsetzung des vorläufigen Gläubigerausschusses auf wirtschaftlich bedeutende Unternehmen begrenzt werden.

Die Größenmerkmale muss der Schuldner im vorangegangenen Geschäftsjahr erfüllt haben. Abzustellen ist also, was im Übrigen auch der Verweis in § 22 a Abs. 1 Nr. 1 auf § 268 Abs. 3 HGB nahelegt, auf das handelsrechtliche Geschäftsjahr im Sinne des § 240 Abs. 2 HGB, das zwölf Monate nicht überschreiten darf und nicht identisch mit dem Kalenderjahr sein muss. Vielmehr kann der Schuldner nach seinen wirtschaftlichen oder organisatorischen Besonderheiten Beginn und Ende des Geschäftsjahres festlegen. Zur Ermittlung der Größenkriterien ist abzustellen auf das vorangegangene Geschäftsjahr des Schuldners, d. h. auf dasjenige Geschäftsjahr, das dem laufenden, noch nicht beendeten Geschäftsjahr unmittelbar vorangeht. Dieser Zeitraum ist zunächst durch das Gericht z. B. unter Berücksichtigung der Satzungsregelungen der schuldnerischen Kapitalgesellschaft zu ermitteln. Will der Antragsteller eine zeitaufwendige Amtsermittlung durch das Gericht vermeiden, muss er also auch hierzu Darlegungen im Antrag machen (s. u. Rdn. 70).

Die Anknüpfung an das vorangegangene Geschäftsjahr ist mit guten Gründen in die Kritik geraten, da zwischen dem Ende des vorangegangenen Geschäftsjahres und dem Zeitpunkt der Antragstellung eine längere Zeit vergangen sein kann (denkbar sind bis zu elf Monate). In dieser Latenzzeit können sich die Größenmerkmale ggf. signifikant verändert haben.[16] Dennoch sind die praktischen Auswirkungen gering. Hat das schuldnerische Unternehmen erst während der Latenzzeit die Größenmerkmale erreicht, ist zwar kein Pflichtausschuss zu bestellen, das gerichtliche Ermessen hinsichtlich der Einsetzung eines Amtsausschusses ist aber dadurch gebunden. Umgekehrt muss zwar ein Pflichtausschuss eingesetzt werden, auch wenn das schuldnerische Unternehmen während der Latenzzeit die Größenmerkmale unterschreitet, doch bietet der Ausschlusstatbestand der Unverhältnismäßigkeit der Einsetzung in Abs. 3 einen Schutz vor schädlichen Folgen der Einsetzungspflicht.

 

Rn 13

Die in Abs. 1 normierten Größenmerkmale entsprechen der Umschreibung der kleinen Kapitalgesellschaft in § 267 Abs. 1 HGB. Der Regierungsentwurf des Gesetzes ist noch von der Empfehlung der Kommission der Europäischen Gemeinschaft vom 06.05.2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen ausgegangen und hat demzufolge die Schwellenwerte deutlich niedriger gesetzt.[17] Weil aber in kleinen Unternehmen die wünschenswerte Gläubigerbeteiligung oft nicht dargestellt werden kann und deswegen heftige Kritik an dem Entwurf geübt wurde, hat man sich im weiteren Gesetzgebungsverfahren an der handelsrechtlichen Abgrenzung orientiert.[18]

Seit der Einführung des ESUG ist in der Praxis durchaus eine langsame Erhöhung der Mitwirkungsbereitschaft von Gläubigern festzustellen. Gleichwohl hängt diese stark von der jeweiligen Struktur des betroffenen Unternehmens ab, insoweit erscheinen die Schwellenwerte für eine zwingende Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses eher zu niedrig angesetzt.[19] Allerdings kommt schon bei den bestehenden Schwellenwerten ein Pflichtausschuss nur für sehr wenige Unternehmen in Betracht.[20]

 

Rn 14

Das erste Merkmal des Pflichtausschusses ist erfüllt, wenn die Bilanzsumme des schuldnerischen Unternehmens mindestens 6 Mio. EUR beträgt. Der Begriff der Bilanzsumme in § 22 a Abs. 1 Nr. 1 bezieht sich auf die Aktivseite einer nach handelsrechtlichen Vorschriften zum Schluss des vorangegangenen Geschäftsjahres aufgestellten Bilanz. Soweit – wie meist in der Insolvenz – das Eigenkapital durch Verluste aufgebraucht ist und die Passivposten die jeweiligen Aktivposten in der Bilanz übersteigen, ist dieser Betrag gem. § 268 Abs. 3 HGB am Schluss der Bilanz auf der Aktivseite gesondert als nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag auszuweisen. Wird diese Darstellung genutzt, ist von der Bilanzsumme dieser auf der Aktivseite ausgewiesene Fehlbetrag abzusetzen. Wir...

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