Rn 6

Voraussetzung für die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen ist grundsätzlich das Vorliegen eines zulässigen Insolvenzantrags (vgl. §§ 11 bis 16).[5] Dies folgt bereits aus dem systematischen Zusammenhang mit § 20 Abs. 1 Satz 1. Darüber hinaus ist die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters eine Entscheidung zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Sinne der EuInsVO.[6] Diese setzt nach Art. 4 Abs. 1 EuInsVO die Feststellung der internationalen Zuständigkeit voraus.

Die Zulässigkeit setzt insbesondere die Insolvenzfähigkeit des Schuldners (§§ 11, 12), die Zuständigkeit des angerufenen Insolvenzgerichts (§ 3) und einen ordnungsgemäßen Insolvenzantrag (§§ 13, 14) voraus. Sie kann im Laufe des Verfahrens wieder entfallen und muss daher in jeder Lage des Verfahrens fortlaufend geprüft werden.[7]

 

Rn 7

Ausnahmsweise können Sicherungsmaßnahmen aber auch angeordnet werden, obwohl es an der Gewissheit über die Zulässigkeit eines Insolvenzantrages fehlt, denn Rechtsprechung und Literatur halten aus praktischen Gründen nicht durchgehend am Erfordernis eines zulässigen Antrages fest.[8] So sollen Sicherungsmaßnahmen trotz eines unzulässigen Antrages möglich sein, wenn die Zulässigkeitsvoraussetzungen mit überwiegender und auf gesicherter Grundlage beruhender Wahrscheinlichkeit gegeben sind, insbesondere wenn die unklaren Zulässigkeitsfragen nicht in der Sphäre des Antragstellers wurzeln.[9] Zur Begründung wird zum einen auf die Gesetzgebungsgeschichte abgestellt, zum anderen auf die Sicherungsinteressen der Insolvenzgläubiger. Das Verhältnis von Regel und Ausnahme darf aber auch nicht umgekehrt werden.[10] Da das Insolvenzeröffnungsverfahren als Antragsverfahren ausgestaltet ist, kann die vorzeitige Anordnung von Sicherungsmaßnahmen nicht mit dem bloßen Verweis auf das Interesse der Gläubiger am Erhalt des noch vorhandenen Schuldnervermögens begründet werden. Denn in letzter Konsequenz müsste das Insolvenzgericht dann auch unabhängig vom Vorliegen eines Antrages Maßnahmen ergreifen können, wenn ihm ein Sicherungsbedürfnis bekannt wird. Daher ist richtigerweise – entsprechend den vom BGH aufgestellten Grundsätzen – nach den Gründen für die Unzulässigkeit des Antrages zu differenzieren.[11] So können beispielsweise Sicherungsmaßnahmen angeordnet werden, auch wenn eine – schwierig zu ermittelnde – internationale Zuständigkeit des Gerichts noch nicht feststeht, nicht jedoch wenn der Antragsteller im Rahmen der Antragstellung die formellen Erfordernisse des § 13 Abs. 1 aus Nachlässigkeit nicht erfüllt. Die formell fehlerhafte Antragstellung liegt nämlich in der Sphäre des Antragstellers und kann von diesem selbst leicht behoben werden.[12]

[5] BGH ZInsO 2010, 1013, Tz. 5; LG Stuttgart ZInsO 2019, 2172 (2173); a.A. MünchKomm-Haarmeyer/Schildt, § 21 Rn. 17 (nur Missbrauchsprüfung).
[8] Vgl. BGH ZInsO 2010, 1013, Tz. 5; ZInsO 2007, 440 (441); Entschließung des BAKinso, ZInsO 2013, 2548; HambKomm-Schröder, § 21 Rn. 2; MünchKomm-Haarmeyer/Schildt, § 21 Rn. 16. Nur für Zuständigkeitsfragen bejahend: FK-Schmerbach, § 21 Rn. 34.
[9] BGH ZInsO 2007, 440 (441).
[10] Zu weitgehend bspw. Haarmeyer/Schildt (MünchKomm, § 21 Rn. 16), die statt eines zulässigen Antrags nur den Ausschluss eines offensichtlichen Missbrauchs verlangen.
[11] Beth, NZI 2014, 487 (488 f.).
[12] Dies übersieht der BAKinso in der Entschließung zur Jahrestagung 2013, ZInsO 2013, 2548.

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