Rn 65

Die einstweilige Einstellung der Zwangsversteigerung nach Abs. 1 des § 30d ZVG setzt stets einen Antrag des Insolvenzverwalters voraus.

 

Rn 66

Die Einstellungsgründe sind den Nr. 1 bis 4 von Abs. 1 Satz 1 des § 30d ZVG zu entnehmen:

6.2.1.1 Antragstellung vor Berichtstermin (Nr. 1)

 

Rn 67

Stellt der Insolvenzverwalter den Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsversteigerung im Zeitraum zwischen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und dem Berichtstermin (gem. § 29 Abs. 1 Nr. 1 InsO also spätestens drei Monate nach Verfahrenseröffnung), erfolgt die einstweilige Einstellung nach Nr. 1 des § 30d Abs. 1 Satz 1 ZVG, ohne dass der Insolvenzverwalter einen besonderen Grund darlegen müsste. Der Grund für die Einstellung ergibt sich hier allein aus dem Zeitpunkt der Antragstellung zwischen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und dem Berichtstermin. Es genügt also, wenn der Insolvenzverwalter mit seinem Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsversteigerung die Bestimmung des Berichtstermins im Eröffnungsbeschluss (vgl. § 29 Abs. 1 Nr. 1) vorlegt.[151] Denn der Berichtstermin soll als erste Gläubigerversammlung der Gläubigerautonomie Rechnung tragen und gewährleisten, dass die Gläubiger auf Grundlage des Insolvenzverwalterberichts über den Fortgang des Verfahrens, insbesondere die Art und Weise der Verwertung, beschließen kann. Sinn und Zweck des Berichtstermins drohen daher leer zu laufen, wenn einzelne Gläubiger vor dem Berichtstermin durch die Verwertung unbeweglicher Vermögensgegenstände im Wege der Zwangsversteigerungen für den weiteren Verfahrensfortgang unumkehrbare Fakten schaffen.[152] Es können sich freilich Gründe für die Ablehnung des Antrags auf Einstellung der Zwangsversteigerung aus Satz 2 des § 30d Abs. 1 ZVG ergeben (unten Rn. 74).

[151] So auch der Hinweis MünchKomm-Lwowski/Tetzlaff, 2. Aufl. 2008, § 165 Rn. 92.
[152] Vgl. auch Begr. zu § 187 RegE-InsO, BT-Drs. 12/2443, S. 176.

6.2.1.2 Gesamtheit von Gegenständen (Nr. 2)

 

Rn 68

Die Zwangsversteigerung ist nach Nr. 2 des § 30d Abs. 1 Satz 1 ZVG einzustellen, wenn das Grundstück nach dem Ergebnis des Berichtstermins nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 InsO im Insolvenzverfahren für eine Fortführung des Unternehmens oder für die Vorbereitung der Veräußerung eines Betriebs oder für die Vorbereitung der Veräußerung einer anderen Gesamtheit von Gegenständen benötigt wird. Allen drei Varianten geht ein Beschluss der Gläubiger im Berichtstermin über den weiteren Fortgang des Verfahrens voraus.[153]

 

Rn 69

Der Einstellungsgrund der Nr. 2 spiegelt die Ratio der §§ 165 ff. und der §§ 30d, 153b ZVG besonders deutlich wieder, nämlich den Erhalt der Einheit des schuldnerischen Vermögens (dazu Vorbem. zu §§ 165, 166 InsO Rn. 2). Dabei geht die zuletzt genannte Variante des Einstellungsgrundes nach Nr. 2 des § 30d Abs. 1 ZVG, wonach es für die Begründung der Einstellung der Zwangsversteigerung ausreichend ist, wenn das Grundstück für die Vorbereitung der Veräußerung einer "anderen Gesamtheit von Gegenständen" benötigt wird, deutlich über den Erhalt eines technisch-organisatorischen Verbundes des schuldnerischen Vermögens im Zusammenhang mit einer Unternehmensfortführung oder einer Betriebsveräußerung hinaus.[154] Die Möglichkeit der einstweiligen Einstellung der Zwangsversteigerung bleibt mithin nicht auf Unternehmensinsolvenzen beschränkt und erfordert keine organisatorische Zusammenfassung persönlicher und sachlicher Mittel zur Verfolgung eines wirtschaftlichen Zwecks im Sinne des herrschenden Unternehmensbegriffs.[155] Unverzichtbar ist aber auch hier wieder, dass im Berichtstermin die Entscheidung zur Veräußerung einer "Gesamtheit von Gegenständen" getroffen wurde, zu der auch das in Rede stehende Grundstück zählt.

[153] So auch die Klarstellung von Mönning/Zimmermann, NZI 2008, 134, 135.
[154] Ebenso für eine weite Auslegung der Nr. 2 des § 30d Abs. 1 ZVG MünchKomm-Lwowski/Tetzlaff, 2. Aufl. 2008, § 165 Rn. 95; im Ergebnis ebenso Mönning/Zimmermann NZI 2008, 134, 135, die freilich im Ausgangspunkt davon ausgehen, dass die Einstellung nach § 30d Abs. 1 Nr. 2 ZVG "nach bislang unbestrittener Ansicht das Bestehen eines schuldnerischen Unternehmens" voraussetzt.
[155] Vgl. zum Unternehmensbegriff etwa BFH, Urt. v. 11. 5. 1993 – VII R 86/92, BFHE 171, 27 = BStBl II 1993, 700 (freilich zum Unternehmensbegriff i.S.d. AO); siehe auch Uhlenbruck-Hirte, 13. Aufl. 2010, § 35 Rn. 268 (zum Unternehmen als Massebestandteil).

6.2.1.3 Insolvenzplan (Nr. 3)

 

Rn 70

Der Anwendungsbereich des Einstellungsgrundes nach Nr. 3 des § 30d Abs. 1 Satz 1 ZVG, nach dem eine einstweilige Einstellung der Zwangsversteigerung in Betracht kommt, wenn durch die Versteigerung die Durchführung eines vorgelegten Insolvenzplans gefährdet würde, überschneidet sich großteils mit dem Anwendungsbereich des Einstellungsgrundes nach Nr. 2. Denn der Insolvenzplan dient in den allermeisten Fällen der Fortführung eines Unternehmens oder – mittelfristig – der Veräußerung eines Betriebes, seine Durchführung betrifft also regelmäßig schon die Gegenstände nach Nr. 2 des § 30d Abs. 1 ZVG. Ein originärer Anwendungsbereich ergibt sich aber in de...

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