Rn 15

Eine ausdrücklich vorgeschriebene Anhörung kann des Weiteren unterbleiben, wenn der Aufenthalt des Schuldners unbekannt ist.

 

Rn 16

Damit erfolgt eine Rekurrierung auf § 185 ZPO, der bei unbekanntem Aufenthalt einer Prozesspartei die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung zulässt.

Nach der Rechtsprechung zu § 185 ZPO sind an die Bejahung der Unbekanntheit des Aufenthalts einer Person strenge Anforderungen zu stellen. Dies kann generell der Fall sein, wenn der Schuldner untergetaucht oder ein ausländischer Schuldner in das Heimatland zurückgekehrt ist.[9]

In jedem Fall ist der objektive Nachweis der Unbekanntheit des Aufenthalts zu erbringen.[10]

Begründet wird die restriktive Handhabung des § 185 ZPO mit der Gefährlichkeit dieser Zustellungsart, die den Zugang eines Schriftstücks fingiert, unabhängig davon, ob der Empfänger Gelegenheit zur Kenntnisnahme hatte.

 

Rn 17

Dementsprechend werden derjenigen Partei, die eine öffentliche Zustellung gemäß § 185 ZPO begehrt, erhebliche Darlegungspflichten hinsichtlich der Unbekanntheit des Aufenthaltsorts des Zustellungsempfängers auferlegt.[11] Diese Grundsätze können uneingeschränkt jedoch nur im kontradiktorischen Streitverfahren gelten; für das Insolvenzverfahren als ein Amtsverfahren der Gesamtvollstreckung bedarf es Modifizierungen.

Im Hinblick auf die generelle Eilbedürftigkeit des Insolvenzverfahrens sowie die gesetzlich ausdrücklich im Interesse der Verfahrensbeschleunigung geregelten vereinfachten Zustellungsmöglichkeiten gemäß § 8 sowie die Bewirkungsfiktion öffentlicher Bekanntmachungen gemäß § 9 sind die für öffentliche Zustellungen im Parteibetrieb geltenden strengen Anforderungen an die Bejahung der Unbekanntheit des Aufenthalts des Schuldners zu relativieren.

 

Rn 18

Das Insolvenzgericht hat daher im Rahmen der Amtsermittlungen zwar Maßnahmen zu ergreifen, den Aufenthalt des Schuldners zu ermitteln, und auch dem Antragsteller obliegt es jedenfalls im Insolvenzeröffnungsverfahren, in zumutbarer Weise an der Ermittlung des Aufenthalts des Schuldners mitzuwirken, sofern die Beibringung der Adresse des Schuldners nicht sogar eine Frage der Zulässigkeit eines Gläubigerantrags auf Verfahrenseröffnung ist (Zuständigkeit des Insolvenzgerichts).

Soweit es bei der Anhörung maßgeblich um die Gewährung rechtlichen Gehörs für den Schuldner geht, müssen die Anfrage beim Einwohnermeldeamt und ggf. die Einholung von Auskünften beim letzten Vermieter des Schuldners ausreichend sein; ggf. kommt auch die Befragung von Angehörigen des Schuldners in Betracht.

 

Rn 19

Der Aufenthalt des Schuldners ist unbekannt, wenn ihn nicht nur der antragstellende Gläubiger nicht kennt, sondern niemand, auch das Insolvenzgericht nicht.[12]

 

Rn 20

Bereitet die Ermittlung des Aufenthalts des Schuldners im Insolvenzeröffnungsverfahren Schwierigkeiten, liegt die Vermutung nahe, dass der Schuldner sich bewusst der Mitwirkung im möglicherweise bereits erwarteten Insolvenzverfahren entzieht und deshalb seinen Aufenthaltsort bewusst verbirgt.

In diesem Fall hat der Schuldner seinen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verwirkt.[13]

[9] AG Hamburg, Beschl. v. 19.02.2010 – 67g IN 127/06, ZInsO 2010, 444; HambKomm-Rüther, § 10 Rn. 6; Uhlenbruck-Pape, § 10 Rn. 5.
[10] BVerfG, Beschl. v. 26.10.1987, 1 BvR 198/87, NJW 1988, 2361.
[11] Siehe im Einzelnen Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann-Hartmann, § 203 Rn. 4.
[12] Uhlenbruck-Pape, § 10 Rn. 5.

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