Rn 1

Die Norm wurde durch das Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen eingeführt.[1] Zugrunde lag ein Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 30.01.2014.[2] Erst unter dem 09.03.2017 wurde es im Bundestag verabschiedet.[3] Aufgrund der langen Zeitspanne zwischen dem ersten Entwurf und der tatsächlichen Verabschiedung, wird das Gesetz auch als "verfassungsrechtliches Unikat"[4] betitelt. Es stellt die letzte der drei Stufen der Insolvenzrechtsreform (insolvenzrechtliche Novellierungstrias[5]) dar und schafft primär ein Konzerninsolvenzverfahrensrecht.[6] Das Insolvenzrecht in der Ausprägung der InsO ist auf die Bewältigung der Insolvenz einzelner Rechtsträger zugeschnitten. Für jeden insolventen Rechtsträger ist ein Insolvenzverfahren zu eröffnen, in dessen Rahmen ein Insolvenzverwalter das Vermögen zugunsten der Gläubiger dieses Rechtsträgers verwertet. Geraten in einem Konzern mehrere Unternehmen in wirtschaftliche Schwierigkeiten, müsste folglich für jeden Unternehmensträger ein Insolvenzverfahren eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt werden. Dies kann insbesondere in den Fällen zu Nachteilen führen, in denen die zu dem Konzern zusammengeschlossenen Unternehmen eine wirtschaftliche Einheit bilden, weil betriebs- und finanzwirtschaftliche Funktionen der insgesamt verfolgten unternehmerischen Tätigkeit auf unterschiedliche Unternehmensträger verteilt sind. Durch die Dezentralisierung der – ehemals durch die Ausübung der Konzernleitungsmacht aufeinander abgestimmten – Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die konzernweit verfügbaren Ressourcen, d.h. durch deren Verteilung auf mehrere Insolvenzverwalter, wird es schwieriger, die wirtschaftliche Einheit des Konzerns als solche zu erhalten und ihren vollen Wert für die Gläubiger zu realisieren. Ineffizienzen drohen in Gestalt suboptimaler Verwertungsergebnisse insbesondere dann, wenn die Insolvenzverwalter unterschiedliche und nicht aufeinander abgestimmte Verwertungsstrategien verfolgen oder wenn sie wegen konzerninterner Transaktionen – aus Sicht der Summe der Einzelmassen – unproduktive und kostenträchtige Rechtsstreitigkeiten führen.[7]

 

Rn 2

In dem Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen wird an die Praxis unter dem bis dato geltenden Recht angeknüpft und werden die noch nicht oder nur unzulänglich vorhandenen Rechtsgrundlagen, die für eine koordinierte Insolvenzabwicklung im Konzernkontext benötigt werden, geschaffen.

Hierzu gehören Gerichtsstandsregelungen, die es ermöglichen sollen, dass sämtliche Verfahren an einem Insolvenzgericht anhängig gemacht werden können. Für den Fall, dass Verfahren an mehreren Gerichten geführt werden, wird die Möglichkeit einer Verweisung an ein einziges Gericht geschaffen. Diese Zuständigkeitskonzentration wird durch eine einheitliche Richterzuständigkeit ergänzt. Damit wird eine gesetzliche Regelung geschaffen, die auch auf Kritik gestoßen ist.[8]

 

Rn 3

Neu sind Regelungen für die Fälle, in denen Verfahren an mehreren Gerichten geführt werden oder in denen mehrere Verwalter bestellt worden sind. Hier schafft das Gesetz Rechtsgrundlagen für die Zusammenarbeit zwischen den Verwaltern (§ 269a) und den Gerichten (§ 269b). Das Gesetz erkennt damit die schon nach geltendem Recht bestehenden Kooperationspflichten der Verwalter an und schafft Grundlagen für die zwischengerichtliche Zusammenarbeit. Insbesondere sollen die Gerichte verpflichtet werden, sich in der Frage abzustimmen, ob zur Minimierung von Reibungsverlusten im Zuge von Abstimmungserfordernissen eine Person in mehreren oder allen Verfahren zum Verwalter bestellt werden kann. Zum anderen geht das Gesetz mit der Schaffung eines Koordinationsverfahrens gem. §§ 269d ff. neue Wege. Das Koordinationsverfahren soll die Abstimmung der Einzelverfahren verbessern, ohne die Selbstständigkeit der Einzelverfahren infrage zu stellen.

 

Rn 4

In all den vorbezeichneten Konstellationen wird eine Vereinheitlichung durch die Schaffung des sog. Gruppen-Gerichtsstand gem. § 3a erreicht, der auf Antrag eines gruppenangehörigen Schuldners durch das jeweils angerufene Insolvenzgericht nach § 13a bestimmt werden kann.

 

Rn 5

Charakteristisch für die Bewertung der Probleme der sog. Konzerninsolvenz, d.h. der simultanen oder sukzessiven Insolvenz einer Mehrzahl von Unternehmen, die demselben Konzern angehören, war in früheren Jahren noch die Feststellung, dass dies als "fern liegende Ausnahmeerscheinung" abgetan[9] und insoweit vom Gesetzgeber zurückgestellt wurde. Die Insolvenzgerichte und die Literatur erkannten die Problemlage und schufen im Rahmen der geltenden Regelungen Fallgestaltungen, die zur Konzerninsolvenz passen sollten. Allerdings war der Erfolg dieser Bemühungen mangels einer hinreichenden Rechtsgrundlage im geltenden Recht bisweilen unsicher. So konnte der einheitlichen Verwalterbestellung in der Praxis der Umstand entgegenstehen, dass in Ermangelung eines einheitlichen Gerichtsstands für sämtliche betroffene Konzerngesellschaften e...

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