Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundbuch. Abt. 2 mit Bodenreformgrundstücksvermerk widersprüchlich zu Abt. 1 mit anderem Erwerbsgrund als das Zuteilungsverfahren. Beweispflicht des Besserberechtigten für einen unrichtigen Eintrag in Abt. 1

 

Leitsatz (amtlich)

Stehen die Angabe des Erwerbsgrunds in Abteilung I des Grundbuchs und die in Abteilung II eingetragene Verfügungsbeschränkung miteinander in Widerspruch, obliegt es dem Besserberechtigten, die Unrichtigkeit des eingetragenen Erwerbsgrunds zu beweisen. Gelingt ihm dieser Beweis, genügt die Eintragung in Abteilung II des Grundbuchs für die Feststellung, dass es sich bei dem Grundstück um ein Grundstück aus der Bodenreform handelt.

 

Normenkette

EGBGB Art. 233 § 11 Abs. 1 1986

 

Verfahrensgang

LG Schwerin

OLG Rostock

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des OLG Rostock v. 25.6.2002 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Parteien streiten wegen eines Grundstücks aus der Bodenreform.

Das Grundstück wurde 1945 Georg Rey aus dem Bodenfonds zugewiesen. In Abteilung II des Grundbuchs war vermerkt, dass das Grundstück nach Art. VI Ziff. 1 der Verordnung über die Bodenreform (des Landes Mecklenburg-Vorpommern) weder ganz noch teilweise verkauft oder verpfändet werden dürfe. Georg Rey gab das Grundstück später in den Bodenfonds zurück. Am 12.11.1962 wurde Willi Lautenbach als Eigentümer des Grundstücks in das Grundbuch eingetragen. Hierzu heißt es in Abteilung I des Grundbuchs:

"Auf Antrag des Rates des Bezirkes Schwerin (Umlegungsstelle) v. 23.7.1962 als Abfindungsfläche eingetragen am 12.11.1962".

Der in Abteilung II des Grundbuchs eingetragene Vermerk blieb bestehen. Willi Lautenbach verstarb am 22.4.1986. Er wurde von seiner Frau, Lieselotte Lautenbach, beerbt. Diese verstarb am 17.1.1994. Am 7.12.1995 wurde die Beklagte auf Grund Testaments von Lieselotte Lautenbach als Eigentümerin eingetragen. Sie ließ das Grundstück am 22.4.1998 einer Mehrheit von Erwerbern auf, die am 8.6.1998 eingetragen wurden.

Das klagende Land (Kläger) hat geltend gemacht, bei dem Grundstück handele es sich um Bodenreformland, das ihm die Beklagte zu übertragen gehabt hätte, soweit Lieselotte Lautenbach nicht das Eigentum an dem Grundstück nach Art. 233 § 11 Abs. 5 EGBGB erworben habe.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 290.000 DM zzgl. Zinsen zu verurteilen. Das LG hat der Klage dem Grunde nach stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Abweisung der Klage.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht hält die Beklagte für zahlungspflichtig. Es meint, gemäß der Eintragung in Abteilung II des Grundbuchs handele es sich bei dem Grundstück um ein Bodenreformgrundstück. Die Unrichtigkeit dieser Eintragung habe die Beklagte nicht bewiesen. Mit In-Kraft-Treten des Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes sei Lieselotte Lautenbach Eigentümerin des Grundstücks geworden, zur einen Hälfte gem. Art. 233 § 11 Abs. 5 EGBGB, zur anderen Hälfte gem. Art. 233 § 11 Abs. 2 EGBGB. Insoweit habe sie das Eigentum auf den Kläger als Besserberechtigten zu übertragen gehabt. Nach ihrem Tod sei die Beklagte als in das Grundbuch eingetragene Eigentümerin dem Kläger verantwortlich.

Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

II.

Der geltend gemachte Anspruch gem. Art. 233 § 11 Abs. 3 S. 1 EGBGB, § 280 Abs. 1 BGB a. F. setzt voraus, dass das Grundstück Willi Lautenbach als Bodenreformgrundstück übertragen worden ist. Der Beweis hierfür obliegt dem Kläger.

Wie der Senat mit nach Erlass des Berufungsurteils ergangenem Urteil (BGH, Urt. v. 31.1.2003 - V ZR 229/02, MDR 2003, 621 = BGHReport 2003, 590 = VIZ 2003, 396 ff., entschieden hat, besteht ein Auflassungsanspruch aus Art. 233 § 11 Abs. 3 S. 1, § 12 EGBGB nur hinsichtlich solcher Grundstücke, die im Grundbuch als Grundstücke aus der Bodenreform gekennzeichnet sind. Insoweit ist im Zweifel nicht die Eintragung des Bodenreformvermerks in Abteilung II des Grundbuchs entscheidend, der lediglich das Verbot der Veräußerung und Teilung des Grundstücks betrifft und das Vorhandensein eines Bodenreformgrundstücks voraussetzt. Maßgebend ist vielmehr der Vermerk in Abteilung I des Grundbuchs betreffend die Grundlage der Eintragung des Eigentümers. Weist dieser Vermerk auf einen anderen Erwerbsgrund als das Zuteilungsverfahren nach den Bodenreformvorschriften hin, erlangt die hierzu in Widerspruch stehende Eintragung in Abteilung II erst dann Bedeutung, wenn der Besserberechtigte die Unrichtigkeit des in Abteilung I eingetragenen Erwerbsgrunds bewiesen hat. Denn gelingt dieser Beweis, genügt die Eintragung in Abteilung II des Grundsbuchs für die formale Anknüpfung der Eigenschaft als Grundstück aus der Bodenreform.

Von diesem rechtlichen Ausgangspunkt aus ist das Berufungsurteil aufzuheben, weil nicht die Beklagte die fehlende Bodenreformeigenschaft, sondern der Kläger die Unrichtigkeit der Eintragung in Abteilung I des Grundbuchs nachweisen muss. Ob hierzu die vorgelegten Schreiben des Umlegungsamts v. 29.6.1951 und der Abteilung Bodenreform des Rates des Kreises v. 26.6.1951 ausreichen, wird das Berufungsgericht unter Berücksichtigung des gesamten Parteivorbringens zu prüfen haben. Eine eigene Entscheidung des Senats kommt insoweit nicht in Betracht, weil die Partien Gelegenheit erhalten müssen, im Hinblick auf den neuen rechtlichen Gesichtspunkt ihren Sachvortrag zu ergänzen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1070870

BGHR 2004, 143

VIZ 2004, 77

ZfIR 2004, 37

MDR 2004, 389

NJ 2004, 73

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge