Leitsatz (amtlich)

a) Öffentliche Abgaben sind nur dann öffentliche Grundstückslasten im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG, wenn sie in dem für die Abgabe maßgebenden Bundes- oder Landesgesetz als öffentliche Last bezeichnet sind oder aus der gesetzlichen Regelung eindeutig hervorgeht, daß die Abgabenschuld auf dem Grundstück lastet und mithin nicht nur eine persönliche Haftung des Abgabenschuldners, sondern auch die dingliche Haftung des Grundstücks besteht (im Anschluß an BGH, Urt. v. 22. Mai 1981 – V ZR 69/80, WM 1981, 910).

b) Eine kommunale Abgabensatzung kann eine Kommunalabgabe nur dann wirksam als öffentliche Grundstückslast ausgestalten, wenn eine entsprechende gesetzliche Ermächtigung vorhanden ist.

c) Die in Art. 2 (preuß.) AG ZVG bezeichneten öffentlich-rechtlichen Abgaben gehören nur dann zu den gemeinen Lasten im Sinne des Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 (preuß.) AG ZVG und damit zu den öffentlichen Lasten im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG, wenn sie nach Gesetz oder Verfassung auf dem Grundstück haften.

d) Recht des Landes Schleswig-Holstein ist in der Regel nicht revisibel.

 

Normenkette

ZVG § 10 Abs. 1 Nr. 3; PrAG ZVG Art. 1; PrAG ZVG Art. 2; ZPO § 549

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches OLG (Urteil vom 15.06.1987)

LG Kiel

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 16. (Hilfs-)Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 15. Juni 1987 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin betrieb aus einer Grundschuld von 200.000 DM die Zwangsversteigerung des den Eheleuten B. (Schuldner) gehörenden Grundstücks Ge.straße … in R. und erhielt den Zuschlag zu einem Bargebot von 12.000 DM. Die beklagte Stadt hatte zum Versteigerungstermin u.a. einen Anspruch auf einen Beitrag für den Ausbau der Ge.straße nebst Stundungszinsen und Säumniszuschlägen in Höhe von insgesamt 7.157,95 DM angemeldet, den sie aufgrund ihrer Satzung über die Erhebung von Beiträgen für den Ausbau von vorhandenen Straßen, Wegen und Plätzen bestandskräftig gegen die Schuldner festgesetzt hatte. Im Verteilungsplan wurde dieser Betrag der Beklagten aus dem Versteigerungserlös zugeteilt, während die Ansprüche der Klägerin aus der Grundschuld erst im Rang danach mit einem Teilbetrag von 1.974,86 DM berücksichtigt wurden. Auf den Widerspruch der Klägerin gegen die vorrangige Berücksichtigung der Beitragsforderung ergänzte das Versteigerungsgericht den Teilungsplan dahin, daß die umstrittenen 7.157,95 DM der Klägerin zugeteilt werden, wenn und soweit ihr Widerspruch begründet sei, und hinterlegte den Betrag.

Das Landgericht wies die fristgerecht erhobene Widerspruchsklage ab. Das Berufungsgericht erklärte den Widerspruch für begründet und verurteilte die Beklagte, in die Auszahlung des hinterlegten Betrages an die Klägerin einzuwilligen. Mit der zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Die Beitragsforderung der Beklagten nebst Stundungszinsen und Säumniszuschlägen wäre vor den Ansprüchen der Klägerin aus dem Versteigerungserlös zu befriedigen, wenn sie ihnen gemäß § 10 ZVG im Rang vorginge. Die Ansprüche der Klägerin aus der Grundschuld gehören zur Rangklasse 4 (§ 10 Abs. 1 Nr. 4 ZVG). Den Ansprüchen der Beklagten käme demgemäß der Vorrang nur zu, wenn sie gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG zur Rangklasse 3 gehörten; eine Zuordnung zur Rangklasse 1 oder 2 (vgl. § 10 Abs. 1 Nr. 1 und 2 ZVG) kommt nicht in Betracht. Zur Rangklasse 3 gehören die Ansprüche auf Entrichtung der öffentlichen Lasten des Grundstücks wegen der aus den letzten vier Jahren rückständigen Beträge; wiederkehrende Leistungen, wie Zinsen und Zuschläge, genießen dieses Vorrecht nur für die laufenden Beträge und für die Rückstände aus den letzten zwei Jahren. Die Entscheidung, ob der Beitragsforderung der Beklagten einschließlich der Stundungszinsen und der Säumniszuschläge der Vorrang vor den Ansprüchen der Klägerin gebührt, hängt danach davon ab, ob sie zu den öffentlichen Grundstückslasten im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG gehört. Das Berufungsgericht hat das verneint. Dagegen wendet sich die Revision im Ergebnis ohne Erfolg.

1. Das Zwangsversteigerungsgesetz enthält keine Begriffsbestimmung der öffentlichen Grundstückslast. Ob eine Abgabenverpflichtung diese Eigenschaft hat, beurteilt sich nach der gesetzlichen Regelung, auf der die Verpflichtung beruht. Es muß sich um eine Abgabenverpflichtung handeln, welche auf öffentlichem Recht beruht, durch wiederkehrende oder einmalige Geldleistungen zu erfüllen ist und nicht nur die persönliche Haftung des Schuldners, sondern auch die dingliche Haftung des Grundstücks voraussetzt. Das für die Abgabe maßgebende öffentliche Bundes- oder Landesrecht entscheidet mithin darüber, ob die Abgabenverpflichtung zu den öffentlichen Grundstückslasten im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG gehört. Dabei muß die Verpflichtung in dem Abgabengesetz nicht unbedingt als öffentliche Last bezeichnet sein; es genügt vielmehr, wenn sich diese Eigenschaft aus der rechtlichen Ausgestaltung der Zahlungspflicht und aus ihrer Beziehung zum Grundstück ergibt. Im letzteren Fall muß jedoch aus Gründen der Klarheit und Rechtssicherheit aus der gesetzlichen Regelung eindeutig hervorgehen, daß die Abgabenverpflichtung auf dem Grundstück lastet und mithin nicht nur eine persönliche Haftung des Abgabenschuldners, sondern auch die dingliche Haftung des Grundstücks besteht. Zweifel in dieser Hinsicht schließen eine Berücksichtigung der Zahlungspflicht als öffentliche Last aus. Von diesen Grundsätzen (vgl. dazu BGH, Urt. v. 27. November 1970 – V ZR 52/68, WM 1971, 194, 195; v. 22. Mai 1981 – V ZR 69/80, WM 1981, 910, 911) geht das Berufungsgericht zutreffend aus.

2. Nach dem bestandskräftigen Beitragsbescheid der Beklagten vom 13. September 1982 gründet sich ihre Forderung auf ihre Satzung über die Erhebung von Beiträgen für den Ausbau von vorhandenen Straßen, Wegen und Plätzen vom 19. August 1975 in der bei Erlaß des Beitragsbescheids gültigen Fassung, die aufgrund der §§ 1, 2 und 8 des Kommunalabgabengesetzes für Schleswig-Holstein vom 10. März 1970 (GVOBl S. 44) und dessen späteren Änderungen erlassen worden ist. Diese Vorschriften ermächtigen die Gemeinden des Landes, Beiträge zur Deckung des Aufwands für die Herstellung sowie den Ausbau und Umbau der notwendigen öffentlichen Einrichtungen von denjenigen Grundeigentümern, zur Nutzung von Grundstücken dinglich Berechtigten und Gewerbetreibenden zu erheben, denen durch solche Maßnahmen Vorteile erwachsen. Demgemäß bestimmt § 1 der Beitragssatzung, daß die Beklagte zur Deckung des Aufwandes für die Herstellung sowie den Ausbau und Umbau (Ausbau) von vorhandenen Straßen, Wegen und Plätzen, auch wenn sie nicht zum Anbau bestimmt sind, Beiträge nach Maßgabe der Satzung von den Grundstückseigentümern oder an deren Stelle von den zur Nutzung an diesen Grundstücken dinglich Berechtigten erhebt, denen der Ausbau Vorteile bringt. Weder das Kommunalabgabengesetz für Schleswig-Holstein noch die Satzung der Beklagten bestimmt ausdrücklich, daß diese Beiträge öffentliche Grundstückslasten sind.

Das Berufungsgericht führt dazu aus, auch aus der rechtlichen Ausgestaltung der Beiträge durch § 8 des Kommunalabgabengesetzes ergebe sich nicht mit hinreichender Deutlichkeit, daß eine dingliche Grundstückshaftung für diese Beitragsverpflichtungen bestehen solle. Diese Auffassung beruht auf der Anwendung und Auslegung schleswig-holsteinischen Landesrechts, dessen Geltungsbereich sich nicht über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus erstreckt. Sie kann gemäß § 549 Abs. 1 ZPO vom Bundesgerichtshof nicht überprüft werden, bindet vielmehr das Revisionsgericht (§ 562 ZPO). Der Umstand, daß die Kommunalabgabengesetze anderer Bundesländer vergleichbare Vorschriften enthalten, genügt nicht, die Nachprüfbarkeit des schleswig-holsteinischen Landesgesetzes zu begründen (vgl. BGHZ 7, 299, 300; BGH, Urt. v. 28. Juni 1951 – III ZR 6/50, LM DBG § 35 Nr. 2).

Das Berufungsgericht erörtert nicht, ob die rechtliche Ausgestaltung der Beitragsverpflichtung durch die Satzung der Beklagten mit hinreichender Deutlichkeit ergibt, daß eine dingliche Haftung der Anliegergrundstücke für die Beitragsschuld bestehen solle. Das ist jedoch unschädlich. Selbst wenn nämlich die Satzung der Beklagten die Beitragsverpflichtung als öffentliche Grundstückslast ausgestaltet hätte, würde das nicht genügen, um der Beitragsforderung der Beklagten den Vorrang vor den Ansprüchen der Klägerin zu verschaffen. Rechtswirksam ist die Satzung der Beklagten nämlich nur insoweit, wie sie sich im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung hält. Aus dieser muß sich zumindest im Grundsatz ergeben, daß die Beitragsverpflichtung als dingliche Grundstückslast ausgestaltet werden kann. Fehlt es an einer solchen gesetzlichen Ermächtigung, dann ist eine Satzungsregelung der Gemeinde, durch die eine dingliche Grundstückshaftung begründet werden soll, ungültig (vgl. BGH, Urt. v. 22. Mai 1981 – V ZR 69/80, WM 1981, 910, 911 ff; Lüttich, Gemeindeabgaben in der Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung, Archiv für bürgerliches Recht 37, 299, 315). Nach der bindenden Auslegung durch das Berufungsgericht ermächtigt aber der § 8 des Kommunalabgabengesetzes für Schleswig-Holstein die Gemeinden nicht dazu, die aufgrund dieser Vorschrift erhobenen Beiträge als öffentliche Grundstückslasten auszugestalten. Eine in diesem Punkt über die gesetzliche Ermächtigung hinausgehende Satzungsregelung der Beklagten hätte deshalb keine rechtlichen Wirkungen.

3. Das Berufungsgericht legt weiter dar, auch aus Art. 1 und 2 des Ausführungsgesetzes zum Zwangsversteigerungsgesetz (AGZVG) vom 23. September 1899 ergebe sich nicht, daß die Beitragsforderung der Beklagten als öffentliche Grundstückslast anzusehen sei. Auch das hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Die Anwendung und Auslegung der genannten Vorschriften durch das Berufungsgericht kann vom Bundesgerichtshof nachgeprüft werden. Es handelt sich um Vorschriften des früheren Preußischen Ausführungsgesetzes zum Reichsgesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung vom 23. September 1899 (Pr.GS. S. 291), die in dem hier betroffenen Landesteil von Schleswig-Holstein als Landesrecht fortgelten (vgl. GS Schl.-H. II Nr. B 310-2). Sie gelten aber auch in den ehemals preußischen Gebieten von Berlin (GVBl. Sonderbd. I Nr. 3210-2), Niedersachsen (GVBl. Sb III S. 172), Nordrhein-Westfalen (Pr.GS. NW S. 94 u. SGV.NW Nr. 321) sowie des Saarlandes (BS Saar Bd. III Nr. 310-5) als Landesrecht weiter. Ihr Geltungsbereich reicht also über den Bezirk eines Oberlandesgerichts hinaus (§ 549 Abs. 1 ZPO). Unerheblich ist, daß die Vorschriften jetzt zum jeweiligen Landesrecht des Bundeslandes gehören, in dem sie fortgelten. Für die Revisibilität der Vorschriften genügt es, daß ihre Geltung auf demselben Gesetzgebungsakt beruht (vgl. BGHZ 24, 253, 256; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO 20. Aufl. § 549 Rdnr. 55; Wieczorek/Rössler, ZPO 2. Aufl. § 549 Anm. B I b 1). Diese Voraussetzung ist hier erfüllt.

b) Aus Art. 1 Abs. 1 AGZVG ergibt sich nicht, daß die Beitragsforderung der Beklagten eine öffentliche Grundstückslast ist. Nr. 1 der Vorschrift betrifft die zur Erfüllung der Deichpflicht erforderlichen Beiträge und Leistungen, kommt hier also nicht in Betracht. Nach Nr. 2 der Vorschrift gehören zu den öffentlichen Lasten eines Grundstücks i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG die auf einem nicht privatrechtlichen Titel beruhenden Abgaben und Leistungen, die auf dem Grundstück nach Gesetz oder Verfassung haften (gemeine Lasten). Diese gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt die Beitragsforderung der Beklagten nicht. Es handelt sich zwar um eine auf nicht privatrechtlichem Titel beruhende Abgabe. Sie haftet jedoch nicht „nach Gesetz oder Verfassung” auf dem Grundstücke. Art. 1 Nr. 2 AGZVG bestimmt nicht selbst die dingliche Grundstückshaftung für die Abgabenverpflichtung, setzt vielmehr eine anderweitige Regelung durch „Gesetz oder Verfassung” voraus. Unter Verfassung ist dabei entsprechend dem Sprachgebrauch bei Erlaß des Gesetzes das Satzungsrecht des Kommunalverbandes zu verstehen, der die Abgabe erhebt (vgl. Lüttich a.a.O.; Korintenberg/Wenz, ZVG 6. Aufl. Art. 1 Pr. AGZVG Anm. 3; Jäckel/Güthe, ZVG 7. Aufl. Art. 1 Pr. AGZVG Anm. c). Aus dem Abgabengesetz, aufgrund dessen die Beklagte den hier geforderten Beitrag erhebt, ergibt sich nach der bindenden Auslegung durch das Berufungsgericht nicht, daß die Beitragsschuld dinglich auf dem Grundstück haftet. Ob die Beitragssatzung der Beklagten die Haftung der Anliegergrundstücke vorsieht, bedarf auch in diesem Zusammenhang keiner Feststellung. Art. 1 Nr. 2 AGZVG setzt eine gültige ortsrechtliche Regelung der dinglichen Grundstückshaftung voraus, die auf einer entsprechenden gesetzlichen Ermächtigung beruht. Diese fehlt im vorliegenden Fall, wie bereits dargelegt wurde.

c) Aus Art. 2 AGZVG folgt ebenfalls nicht, daß die Beitragsforderung der Beklagten zu den öffentlichen Lasten eines Grundstücks i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG gehört. Die Vorschrift enthält eine nicht erschöpfende Zusammenstellung von gemeinen Lasten i.S.d. Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 AGZVG. Von den dort bezeichneten Tatbeständen kommen im vorliegenden Fall nur die Nrn. 1 und 2 in Betracht. Danach gehören zu den gemeinen Lasten u.a. Abgaben, die aus dem Kommunalverband entspringen (Nr. 1), sowie Beiträge, die aus der Verpflichtung zu öffentlichen Wegebauten entstehen (Nr. 2). Die von der Beklagten erhobenen Beiträge für den Ausbau von vorhandenen Straßen, Wegen und Plätzen lassen sich dem Wortlaut der Vorschrift nach beiden Fallgruppen zuordnen. Art. 2 AGZVG kann jedoch nicht in der Weise verstanden werden, daß die dort bezeichneten öffentlichen Abgaben schlechthin zu gemeinen Lasten i.S.d. Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 AGZVG erklärt seien, ohne Rücksicht darauf, ob sie die in dieser Vorschrift bezeichneten gesetzlichen Voraussetzungen einer gemeinen Last erfüllen. Andernfalls wären nämlich sämtliche Kommunalabgaben gemäß Art. 2 Nr. 1 AGZVG den gemeinen Lasten zuzurechnen. Das widerspricht indessen sowohl der Absicht des Gesetzgebers wie auch der einhelligen Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum.

Durch Art. 1 und 2 AGZVG sollten im wesentlichen die Regelungen übernommen werden, die schon vorher nach den §§ 25, 27, 28 und 147 des Preußischen Gesetzes vom 13. Juli 1883 betreffend die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen für bestimmte öffentliche Abgaben galten (vgl. Materialien des Pr. AGZVG S. 14). § 28 Abs. 2 dieses Gesetzes rechnete zu den in der Zwangsversteigerung bevorrechtigten gemeinen Lasten „namentlich alle nach Gesetz oder Verfassung auf dem Grundstücke haftenden Abgaben und Leistungen, welche aus dem Kommunal-, Amts-, Kreis- und Provinzialverbande … entspringen, … sowie die Beiträge, welche aus der Verpflichtung zu öffentlichen Wege-, Wasser- oder Uferbauten entstehen …”. Hier ergab sich also bereits aus dem Gesetzeswortlaut, daß nur solche Kommunalabgaben zu den gemeinen Lasten rechneten, die auf dem Grundstück hafteten. Demgemäß bestätigte bei der Beratung des Ausführungsgesetzes zum Zwangsversteigerungsgesetz in der Kommission des Preußischen Abgeordnetenhauses der Regierungsvertreter dem Berichterstatter, „daß die Kommunalabgaben u. dergl. nur so weit liquidirt werden können, als sie Lasten des Grundstücks sind d.h. auf dem Grundstück lasten bezw. als Grund- oder Gebäudesteuer erhoben werden” (vgl. Materialien des Pr. AGZVG S. 39). Rechtsprechung und Schrifttum haben demzufolge auch stets nur die Kommunalabgaben zu den gemeinen Lasten gerechnet, bei denen sich aus dem Abgabengesetz die dingliche Haftung des Grundstücks für die Abgabenschuld entnehmen ließ (vgl. Nöll/Freund, Pr. KAG 8. Aufl. § 90 Anm. 3; Surén, Pr. KAG § 90 Anm. 10; Lüttich a.a.O. S. 314 ff; Jackel/Güthe a.a.O.; vgl. ferner die Zusammenstellung bei Steiner/Hagemann, ZVG 9. Aufl. § 10 Rdnr. 69). Art. 2 AGZVG ist danach dahin auszulegen, daß die dort bezeichneten öffentlich-rechtlichen Abgaben nur dann zu den gemeinen Lasten i.S.d. Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 AGZVG und damit zu den öffentlichen Lasten i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG gehören, wenn sie nach Gesetz oder Verfassung auf dem Grundstück haften.

Diese Voraussetzung ist aber nach der das Revisionsgericht bindenden Auslegung des schleswig-holsteinischen Abgabenrechts durch das Berufungsgericht für die hier streitige Beitragsverpflichtung nicht erfüllt. Der Revision ist zuzugeben, daß nach herrschender Auffassung nicht nur die Anliegerbeiträge nach § 15 des Preußischen Fluchtliniengesetzes, die in etwa den heutigen Erschließungsbeiträgen i.S.d. §§ 127 ff BBauG entsprachen, den öffentlichen Grundstückslasten zugerechnet wurden (vgl. RGZ 86, 357, 361 m.w.N.), sondern auch die Beiträge der Grundstückseigentümer nach § 9 des Preußischen Kommunalabgabengesetzes (vgl. dazu Nöll/Freund a.a.O.; Surén a.a.O.; Jäckel/Güthe a.a.O.; Lüttich a.a.O. S. 318 ff; Odenkirchen, Interessentenbeiträge S. 116 ff), dem § 8 des Kommunalabgabengesetzes für Schleswig-Holstein nachgebildet ist. Indessen zwingt diese zu § 9 des Preußischen Kommunalabgabengesetzes vertretene Auffassung nicht dazu, den § 8 des Kommunalabgabengesetzes für Schleswig-Holstein im gleichen Sinne auszulegen. Die zu § 8 des Kommunalabgabengesetzes für Rheinland-Pfalz ergangene Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 22. Mai 1981 (V ZR 69/80, WM 1981, 910) zeigt, daß sich die Auslegung des § 9 des Preußischen Kommunalabgabengesetzes nicht ohne weiteres auf die entsprechenden Nachfolgevorschriften in den heutigen Kommunalabgabengesetzen der Länder übertragen läßt. Im vorliegenden Fall steht die bindende Auslegung des § 8 des Kommunalabgabengesetzes für Schleswig-Holstein durch das Berufungsgericht einer Einordnung der hier streitigen Beitragsforderung unter die gemeinen Grundstückslasten i.S.d. Art. 1, 2 AGZVG entgegen.

 

Unterschriften

Merz, Henkel, Fuchs, Gärtner, Winter

 

Fundstellen

Haufe-Index 1530770

NJW 1989, 107

Nachschlagewerk BGH

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge