Leitsatz (amtlich)

a) Der Vermieter hat nach Beendigung des Mietvertrages einen Anspruch darauf, daß ihm die Sache zur freien Verfügung zurückgegeben wird; grundsätzlich ist ihm der unmittelbare Besitz einzuräumen.

b) Der Anspruch des Vermieters aus § 556 Abs. 1 BGB setzt nicht voraus, daß der Mieter unmittelbarer oder mittelbarer Besitzer der Mietsache ist.

c) Hat der Mieter die Mietsache einem Dritten überlassen, so genügt er seiner Rückgabepflicht aus § 556 Abs. 1 BGB nicht schon dadurch, daß er etwaige Herausgabeansprüche gegen den Dritten an den Vermieter abtritt. Im Hinblick auf § 283 BGB beseitigt eine solche Abtretung auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis der auf § 556 Abs. 1 BGB gestützten Rückgabeklage.

 

Normenkette

BGB §§ 283, 556

 

Verfahrensgang

LG Braunschweig

OLG Braunschweig

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 12. Juni 1969 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die klagende Stadt führte 1964/65 mit dem Beklagten Verhandlungen über den Verkauf eines Industriegrundstücks. Nachdem der Rat der Klägerin am 3. Juni 1964 dem Verkauf grundsätzlich zugestimmt hatte, setzte sich der Beklagte in den Besitz des Grundstücks, das an verschiedene Gewerbebetriebe vermietet war. Am 23. Dezember 1964 schrieb die Klägerin an den Beklagten:

„In der am 7. d.M. mit Ihnen stattgefundenen Besprechung hat sich herausgestellt, daß der vorbereitete Kaufvertrag entgegen den beiderseitigen Erwartungen in diesem Jahre doch nicht mehr zustande kommen kann.

Eine Verzögerung bis Anfang 1965 ist unvermeidlich geworden.

Da sie das Kaufgrundstück im beiderseitigen Einvernehmen unter der Voraussetzung des Abschlusses eines Kaufvertrages bereits seit Juni d.J. nutzen und die Stadt in Ermangelung einer vertraglichen Grundlage bisher keinerlei Zahlung als Gegenleistung für die Überlassung des Grundstücks gefordert noch erhalten hat, ist eine kurzfristig zu treffende Regelung vor Ablauf des Kalenderjahres unumgänglich. …

Es wäre naheliegend, einen Mietvertrag zur Überbrückung des Zeitraumes von Juni bis zum 31.12.1964 in Betracht zu ziehen und eine Verlängerung bis zu einem im Kaufvertrage noch festzusetzenden Termin vorzusehen. Aus verschiedenen Gründen erscheint mir diese Möglichkeit einer Regelung aber nicht anwendbar. Dagegen glaube ich die Basis für eine Einigung darin zu sehen, daß Sie meinem Vorschlage zustimmen, an die Stadt bis zum 31. d.M. eine Zinszahlung von 5% auf den als Kaufpreis vorgesehenen Betrag von 700.000,– DM = 17.500,– DM für das 2. Halbjahr 1964 anstelle einer Miete zu leisten.

Dieser Betrag wäre als Vorausleistung auf die im § 2 des Kaufvertrages vorgesehene Verzinsung ab 1.7.1964 anzusehen und käme bei Vertragserfüllung in voller Höhe zur Anrechnung.

Dadurch würde Ihnen die Möglichkeit verschafft, sich mit den Betrieben, die Teilflächen des Grundstücks ab 1.7.1964 nutzen oder genutzt haben, über eine unmittelbar an Sie zu zahlende Miete selbst zu einigen. Die Einnahme hieraus würden Ihnen die Aufbringung der Zinsvorauszahlung an die Stadt erheblich erleichtern.

Voraussetzung für diese Regelung wäre allerdings, daß Sie zum gleichen Stichtag, also vom 1.7.1964 an, auch alle Lasten des Grundstücks übernehmen.”

Der Beklagte erklärte sich mit dem Vorschlag der Klägerin einverstanden und zahlte für das zweite Halbjahr 1964 17.500,– DM. Nachdem die bisherigen Mieter abgezogen waren, vermietete der Beklagte an andere Unternehmen Teile des Grundstücks, zuletzt an die Firma …, an die Firma … & Co. KG (im folgenden …), an der der Beklagte selbst beteiligt ist, und an die Firma … GmbH (im folgenden MKV), an der seine Mutter beteiligt ist. … vermietete ihrerseits Grundstücksteile an die Firma … und die Firma … & Co. weiter. Einen Teil der auf dem Grundstück stehenden Räumlichkeiten benutzte der Beklagte selbst. Für 1965 leistete er an die Klägerin keine Zahlungen mehr. Auch der Kaufvertrag kam nicht zustande. Der Rat der Klägerin hob im November 1965 den Verkaufsbeschluß auf. Mit Schreiben vom 24. November 1965 kündigte die Klägerin „das bestehende Nutzungsverhältnis” fristlos.

Der Klage auf Zahlung von 35.000 DM und auf Räumung und Herausgabe des Grundstücks hat das Landgericht stattgegeben. Die Berufung hat das Oberlandesgericht in mehreren rechtskräftig gewordenen Teilurteilen zurückgewiesen, soweit es den Zahlungsanspruch und die Herausgabe der an die Firma … vermieteten und der vom Beklagten selbst benutzten Räume angeht. Durch ein weiteres Teilurteil vom 12. Juni 1969 hat das Oberlandesgericht schließlich auch die Berufung zurückgewiesen, soweit der Beklagte die Verurteilung zur Räumung und Herausgabe der von den Firmen …, …, MKV und … innegehaltenen Grundstücksteile bekämpft. Hiergegen richtet sich die Revision, mit der der Beklagte die Abweisung der Klage anstrebt. Die Klägerin hat beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

I. 1. Die schriftlichen Mietverträge mit … und MKV sind auf der Vermieterseite abgeschlossen von „… (das ist der Beklagte), Hausverwaltung für Stadt …”. Das Berufungsgericht geht wegen dieses Wortlauts davon aus, daß der Beklagte diese Verträge nicht in eigenem Namen, sondern im Namen der Klägerin abgeschlossen hat. Es stellt auf Grund der Beweisaufnahme fest, die Klägerin habe den Beklagten nicht mit der Hausverwaltung betraut und sie habe diese Mietverträge auch nie genehmigt.

Das Berufungsgericht nimmt ferner an, auf Grund des Schreibens der Klägerin vom 23. Dezember 1964 und des vom Beklagten erklärten Einverständnisses mit dessen Inhalt sei zwischen den Parteien ein Vertragsverhältnis entstanden, das, wenn nicht ein Mietverhältnis, so doch einem Mietvertrag sehr ähnlich sei. Deshalb sei auch die Vorschrift des § 556 Abs. 1 BGB anwendbar, wonach der Mieter bei Beendigung des Vertrages zur Rückgabe der Mietsache verpflichtet ist. Auf diese Vorschrift stützt das Berufungsgericht angesichts der Kündigung der Klägerin vom 24. November 1965 die Verurteilung zur Räumung und Herausgabe.

2. Die Revision bestreitet einen Herausgabeanspruch der Klägerin. Jedenfalls, so meint sie, fehle für die vorliegende Blage das Rechtsschutzinteresse. Sie kann damit keinen Erfolg haben.

a) Keinen Bedenken begegnet die Auffassung des Berufungsgerichts, durch das Schreiben der Klägerin vom 23. Dezember 1964 und das Einverständnis des Beklagten mit dessen Inhalt sei zwischen den Parteien ein zumindest mietähnliches Verhältnis begründet worden, auf das § 556 BGB entsprechend anwendbar sei.

b) Der Rückgabeanspruch aus § 556 Abs. 1 BGB geht grundsätzlich auf Einräumung des unmittelbaren Besitzes. Das gilt auch dann, wenn der Mieter selbst niemals unmittelbaren Besitz an der Mietsache gehabt, sondern diese von vornherein einem Dritten überlassen hat. Der Vermieter hat einen schuldrechtlichen Anspruch darauf, daß ihm die Mietsache zur freien Verfügung zurückgegeben wird. Daran fehlt es, wenn diese von Dritten besetzt ist, die auf Veranlassung des Mieters, gleichgültig aus welchem Rechtsgrund, den unmittelbaren Besitz ergriffen haben. Der Vermieter braucht sich vom Mieter nicht darauf verweisen zu lassen, er könne selbst die besitzenden Dritten unmittelbar auf Herausgabe in Anspruch nehmen.

Der Anspruch aus § 556 Abs. 1 BGB setzt auch nicht voraus, daß der Mieter noch Besitzer der Mietsache, sei es mittelbarer, sei es unmittelbarer Besitzer ist. Der Mieter kann diesen schuldrechtlichen Anspruch nicht dadurch zum Erlöschen bringen, daß er den Besitz an der Sache aufgibt. Deshalb ist es hier rechtlich auch bedeutungslos, daß der Beklagte die Mietverträge mit … und MKV namens der Klägerin geschlossen hat, diese deshalb nicht für den Beklagten besitzen und er deswegen nicht mittelbarer Besitzer ist.

Unerheblich ist aber auch, daß der Beklagte, worauf die Revision an sich zutreffend hinweist, seinerseits gegen … und MKV keine Ansprüche aus § 556 Abs. 1 BGB hat, weil es an einem Mietvertrag zwischen den Genannten und ihm fehlt. Denn das hat nicht die Unmöglichkeit der Leistung an die, Klägerin und damit den Untergang des Erfüllungsanspruchs nach §§ 275, 280 BGB zur Folge. Es ist zumindest möglich, daß der Beklagte durch Vereinbarungen mit … und MKV die Freimachung der Grundstücksteile erreicht, zumal er an den genannten Unternehmen unmittelbar oder zumindest mittelbar wirtschaftlich beteiligt ist.

c) der Rückgabeanspruch ist auch nicht etwa weggefallen, weil der Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 9. Mai 1968 seine etwaigen Ansprüche aus den im Namen der Klägerin geschlossenen Verträgen abgetreten hat. Es kann dahinstehen, ob die Klägerin wegen der Unwirksamkeit der von … und MKV geschlossenen Verträge (§ 177 BGB) nicht schon nach § 985 BGB Herausgabeansprüche gegen diese beiden Unternehmen und deren Untermieter hatte. Auch wenn sie erst durch die Abtretung des Beklagten Herausgabeansprüche gegen die unmittelbaren Besitzer des Grundstücks erhielt, hat sie den Zeistungsgegenstand, den der Beklagte ihr aus dem Mietverhältnis nach § 556 Abs. 1 BGB schuldete, nämlich Rückgabe der Sache selbst, nicht bekommen. Der Beklagte hat seiner Leistungspflicht also nicht genügt.

d) Die Revision meint, im Falle der Verurteilung des Beklagten könne die Klägerin bei der Zwangsvollstreckung nur nach §§ 883, 886 ZPO vorgehen. § 883 ZPO komme nicht zur Anwendung, weil der Beklagte nicht unmittelbarer Besitzer sei, § 886 ZPO nicht, weil ihm ein Herausgabeanspruch gegen die unmittelbaren Besitzer … und MKV sowie deren Untermieter nicht zustehe; denn zwischen ihm auf der einen Seite und … sowie MKV andererseits bestehe kein Mietverhältnis (s. oben unter b). Jedenfalls habe die Klägerin einen etwaigen Herausgabeanspruch des Beklagten durch die Abtretung vom 9. Mai 1968 schon erhalten, und da sie im Wege der Zwangsvollstreckung nicht mehr erlangen könne, fehle es an einem Rechtsschutzinteresse für die gegen den Beklagten gerichtete Herausgabeklage.

Dabei übersieht die Revision indessen § 283 BGB, der dem Gläubiger bei Nichterfüllung des titulierten Anspruchs die Möglichkeit gibt, auf vereinfachtem Wege zu Schadenersatz zu kommen. Auf die weitere Voraussetzung dieses Ersatzanspruches, die Preisgabe des Erfüllungsanspruchs (§ 283 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2), kann die Klägerin ohne weiteres eingehen. Sie gibt damit nur ihren Herausgabeanspruch gegen den Beklagten auf und sonst nichts, insbesondere nicht ihre Herausgabeansprüche gegen die jetzigen unmittelbaren Besitzer des Grundstücks (§ 985 BGB).

II. Nicht anders wäre zu entscheiden, wenn entgegen der Annahme des Berufungsgerichts der Beklagte die Verträge mit … und MKV im eigenen Namen geschlossen hätte. Auch für diesen Fall gilt, daß durch die Abtretung vom 9. Mai 1968 der Beklagte den Herausgabeanspruch aus § 556 Abs. 1 BGB nicht erfüllt hat, und daß durch diese Abtretung wegen § 283 BGB das Rechtsschutzinteresse für die vorliegende Blage nicht entfallen ist.

III. Die Revision war deshalb mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 708024

BGHZ

BGHZ, 308

NJW 1971, 2065

NJW 1972, 624

Nachschlagewerk BGH

MDR 1971, 836

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