Leitsatz (amtlich)

Der Rechtserwerb, der sich nach § 868 Abs. 1 ZPO vollzieht, findet in dieser Vorschrift selbst seine innere Rechtfertigung, so daß dem Gläubiger kein Herausgabeanspruch aus rechtsgrundloser Bereicherung gegen den Grundstückseigentümer zusteht. Ein solcher Anspruch besteht auch dann nicht, wenn das Urteil, das die Zwangsvollstreckung aus dem der Eintragung zugrunde liegen den Titel für unzulässig erklärt, in Unkenntnis der Tatsache ergangen ist, daß die Sicherungshypothek eingetragen worden ist.

 

Normenkette

ZPO § 868 Abs. 1; BGB § 812

 

Verfahrensgang

OLG Hamm

LG Detmold

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 11. Juli 1974 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt ist. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der Zivilkammer I des Landgerichts Detmold vom 28. September 1973 wird vollen Umfangs zurückgewiesen.

Der Kläger hat auch die Kosten des Berufungs- und Revisionsrechtszuges zu tragen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Dem Kläger stand gegen die Firma B… KG eine Forderung zu. Wegen dieser Forderung hatte er den persönlich haftenden Gesellschafter der Firma Bernhard B… in Anspruch genommen und gegen ihn bei dem Amtsgericht Bad Salzuflen am 13. August 1965 einen Vollstreckungsbefehl über 12.502,59 DM nebst Zinsen erwirkt (B 1452/65). Bernhard B… und sein Bruder Gerd B… waren zu jener Zeit je zur Hälfte Miteigentümer des im Grundbuch von S… Band … Blatt … eingetragenen Grundbesitzes. Der Kläger betrieb aus dem vorgenannten Titel die Zwangsvollstreckung und ließ am 30. September 1965 in Abteilung III des bezeichneten Grundbuchblatts hinsichtlich der Miteigentumshälfte des Bernhard B… unter Nr. 27 eine Sicherungshypothek über 12.600,18 DM und unter Nr. 28 eine solche über 502,59 DM eintragen.

Über das Vermögen der Firma H… KG ist am 3. Mai 1966 das Konkursverfahren eröffnet worden. Die Gebrüder B… haben am 2. Januar 1969 ihre Miteigentumsanteile an die Beklagten verkauft und aufgelassen. Die Beklagten wurden nach Abschluß eines Zwangsvergleichs im Konkursverfahren (Quote 10%) am 14. Oktober 1970 als Miteigentümer im Grundbuch eingetragen. Sie hatten die vorbezeichneten Zwangssicherungshypotheken durch Ergänzungsvertrag vom 17. August 1970 übernommen.

Die Zwangsvollstreckung aus dem der Eintragung der Sicherungshypotheken zugrundeliegenden Titel ist durch rechtskräftige Urteile (Anerkenntnis-Teilurteil und Schlußurteil) des Amtsgerichts Bad Salzuflen vom 17. Februar 1971 für unzulässig erklärt worden, soweit sie wegen eines 2.662,80 DM übersteigenden Betrage betrieben wurde.

Durch Urteil des Amtsgerichts Pirmasens vom 17. Mai 1972 in Verbindung mit dem Urteil des Landgerichts Zweibrücken vom 3. April 1973 ist der Kläger verurteilt worden, den der Eintragung der Zwangssicherungshypotheken zugrundeliegenden Titel dem persönlichen Schuldner Bernhard B… herauszugeben, nachdem dieser den Betrag von 2.662,80 DM an den Kläger geleistet hatte.

Der Kläger hat behauptet, ihm stehe gegen Bernhard B… jetzt noch eine Forderung in Höhe von insgesamt 18.132,14 DM zu. Er meint, diese Forderung sei durch die genannten Zwangssicherungshypotheken in Höhe von 12.600,18 DM und 502,59 DM gesichert.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagten zu verurteilen, die Zwangsvollstreckung in das vorbezeichnete Grundstück aus den in Abteilung III Nr. 27 und 28 eingetragenen Sicherungshypotheken zu dulden.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

Der Kläger hat Berufung eingelegt, seinen bisherigen (Haupt-)Antrag weiterverfolgt und hilfsweise begehrt, die Beklagten zu verurteilen, ihr Einverständnis zu erklären, daß die beiden genannten Sicherungshypotheken auf den Kläger übergehen.

Das Oberlandesgericht hat unter teilweiser Änderung des landgerichtlichen Urteils die Beklagten auf den Hilfsantrag verurteilt, ihr Einverständnis zu erklären und zu bewilligen, daß jene Zwangssicherungshypotheken auf den Kläger übergehen. Im übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagten haben Revision eingelegt. Sie halten ihr Begehren, die Berufung zurückzuweisen, aufrecht. Der Kläger bittet, die Revision zurückzuweisen. Hilfsweise beantragt er festzustellen, daß die Zwangssicherungshypotheken dem Kläger zustehen.

 

Entscheidungsgründe

A) Das Oberlandesgericht hat zum Hilfsantrag ausgeführt, er sei begründet. Dem Kläger stehe gegen die Beklagten aus ungerechtfertigter Bereicherung der Anspruch zu, ihm die Rechtsstellung wieder einzuräumen, die der Kläger vor Übergang der Zwangssicherungshypotheken auf die Beklagten besessen habe. Auf Grund des Urteilsspruchs des Amtsgerichts Bad Salzuflen, daß die Zwangsvollstreckung ohne Beschränkung auf die persönliche Haftung des Bernhard B… für unzulässig erklärt habe, und der daran anknüpfenden Rechtsfolge des § 868 ZPO (Erwerb der Hypothek durch den Eigentümer) sei unmittelbar bei dem Kläger die Entreicherung und auf seine Kosten bei den Beklagten die Bereicherung eingetreten. Der Miteigentumsanteil des Bernhard B… habe nämlich trotz des Zwangsvergleichs dem Kläger als Gläubiger der Zwangshypotheken Breiter gehaftet, weil der im Zwangsvergleich erlassene Teil der Schuld als – unvollkommenes und nicht mehr durchsetzbare – Verbindlichkeit bestehen geblieben sei.

Da die Beklagten die Zwangssicherungshypotheken in Anrechnung auf den Kaufpreis von 260.000,– DM übernommen hätten, habe sich der Erwerb der Rechte gemäß § 868 ZPO bei den Beklagten „vermögenssteigernd” ausgewirkt.

Durch die Urteile des Amtsgerichts Bad Salzuflen vom 17. Februar 1971 sei ein Rechtsgrund für die Vermögensverschiebung nicht gegeben. In jenem Rechtsstreit sei es nur um die persönliche Haftung des Gesellschaftern Bernhard B… gegangen. Insoweit sei aber der Urteilstenor (Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung) nicht begrenzt worden. Offenbar hätten weder die Parteien jenes Prozesses an die dingliche Haftung des Miteigentumsanteils, der früher Bernhard B… zustand, gedacht, noch habe das Amtsgericht Bad Salzuflen davon gewußt.

B) Die Revision beanstandet u.a. die Auffassung des Berufungsgerichts, der Kläger könne von den Beklagten verlangen, daß die „für sie entstandenen Eigentümergrundschulden auf ihn übergehen”. Die Revision meint, bei einer Zwangssicherungshypothek, die ihrer Natur nach vom Bestehen eines Titels in der Hand des Gläubigers abhängig sei werde die Rechtsfolge der Umwandlung des Grundpfandrechts in eine Eigentümergrundschuld durch § 868 ZPO bestimmt. Diese Vorschrift wolle „endgültigen Rechtsfrieden” schaffen; sie sei als Rechtsgrund im Sinne des § 812 BGB zu beurteilen.

Die Rüge hat im Ergebnis Erfolg.

Die Eintragung einer Sicherungshypothek, die für den Gläubiger auf einem Grundstück des Schuldners gemäß § 867 ZPO erfolgt, ist eine Vollstreckungsmaßregel (vgl. RGZ 78, 398, 406; die Hypothek erhält ihren Inhalt aus dem vollstreckten Titel. Sie verliert deshalb die Berechtigung, als solche fortzubestehen, wenn die Zwangsvollstreckung aus dem Titel für unzulässig erklärt wird. Für diesen Fall sieht § 776 in Verbindung mit § 775 Nr. 1 ZPO grundsätzlich die Aufhebung bereits erfolgter Vollstreckungsmaßregeln vor, was ohne Sonderregelung die Löschung der Sicherungshypothek bedeuten würde. § 868 Abs. 1 ZPO bestimmt jedoch, daß statt dessen der Eigentümer die Hypothek als Eigentümerhypothek erwirbt. Die materiellrechtlichen Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs über den Erwerb der Hypothek durch den Eigentümer werden von der Anwendung auf Zwangssicherungshypotheken nicht durch die Vorschrift des § 868 ZPO ausgeschlossen; sie haben neben dieser Vorschrift auch für die Zwangssicherungshypotheken Geltung (RGZ a.a.O.).

Vom Boden dieser Rechtsauffassung her folgt zunächst, das § 1163 Abs. 1 BGB anwendbar ist und dann, wenn die Forderung des Zwangshypothekengläubigers erlischt, der Eigentümer diese Hypothek erwirbt. Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht festgestellt, daß Bernhard B… 2.662,80 DM auf die titulierte Forderung Vollstreckungsbefehl vom 13. August 1965 an den Kläger geleistet hat und die Beklagten die Zwangssicherungshypotheken in diesem Umfang erworben haben. Soweit der Kläger befriedigt worden ist, fehlt es an seiner „Entreicherung”. § 812 BGB rechtfertigt seinen Anspruch nicht. In diesem Umfang kann die Klage schon aus vorerwähntem Grund keinen Erfolg haben.

Im übrigen ergibt sich aus der oben niedergelegten Rechtsauffassung, daß die Beklagten auch sonst nicht aus § 812 BGB verpflichtet sind, dem Kläger die materielle Rechtsposition wieder einzuräumen, die er vor Übergangs der Zwangshypotheken auf die Beklagten besessen hat. Ein Rechtserwerb, der sich – wie hier – kraft Gesetzes (§ 868 Abs. 1 ZPO) vollzieht, kann in der betreffenden Gesetzesvorschrift seinen „rechtlichen Grund” finden. Entscheidend ist hierfür, ob der (formale) Rechtserwerb von einem inneren Rechtfertigungsgrund getragen wird (vgl. LM BGB § 812 Nr. 25). Im vorliegenden Fall ist ein solcher Grund vorhanden.

Die Urteile des Amtsgerichts Bad Salzuflen haben den Vollstreckungsmaßregeln (Zwangssicherungshypotheken) bis auf die – später – getilgte Schuld von 2.662,80 DM die Berechtigung genommen. Die Zwangssicherungshypotheken konnten insoweit nicht fortbestehen. Entgegen der von dem Oberlandesgericht vertretenen Ansicht kommt es nicht darauf an, ob jene Urteile richtig waren, ob „offenbar” die damaligen Prozeßparteien an die dingliche Haftung des früheren Miteigentumsanteils des Schuldnern nicht gedacht haben und das Amtsgericht Bad Salzuflen nichts davon gewußt hat (vgl. RGZ 78, a.a.O.). Die Unzulässigkeitserklärung der Zwangsvollstreckung hat jedenfalls die Vollstreckbarkeit der Titel, die den Inhalt der Vollstreckungsmaßregeln in Gestalt der Sicherungshypotheken bestimmt haben, in dem genannten Umfang beseitigt. In der Unzulässigkeitserklärung der Zwangsvollstreckung und dem Freiwerden des Vollstreckungsobjekts von den getroffenen Vollstreckungsmaßregeln liegt der innere Rechtfertigungsgrund dafür, daß die Eigentümer (Beklagten) insoweit Rechte an ihrer eigenen Sache erwarben.

C) Hiernach darf das Berufungsurteil nicht bei Bestand bleiben, soweit es von der Revision angegriffen ist. Dem vom Berufungsgericht zuerkannten Hilfsantrag kann auch nicht aus einem anderen Rechtsgrund entsprochen werden.

Dem in der Revisionsinstanz erstmals gestellten weiteren Hilfsantrag (zur Frage seiner Zulässigkeit vgl. BGH NJW 1961, 1467), fehlt nach den vorstehenden Ausführungen ebenfalls die rechtliche Grundlage.

Da die Sache zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat in der Sache selbst zu entscheiden und das Urteil des Landgerichts vollen Umfangs wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 609415

NJW 1977, 48

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