Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 6. November 1985 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger ist Kommanditist, die Beklagte persönlich haftende Gesellschafterin der Hotel Goldener Hirsch W… S… KG in R…. Weiterer Kommanditist der Gesellschaft ist ein Herr H…. Die Beteiligung des Klägers und des Kommanditisten H… an der Gesellschaft beträgt jeweils 40%, die der Beklagten 20%. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung von 45.727,16 DM nebst Zinsen an die Gesellschaft in Anspruch. Diesen Betrag soll sie in der Zeit vom 13. Oktober 1980 bis Ende 1982 zu Unrecht als Vorausvergütung aus der Gesellschaftskasse entnommen haben.

W… S… das Hotel Goldener Hirsch bis Ende 1968 als Einzelunternehmen geführt. Ab 1. Januar 1969 betrieben er und seine Ehefrau das Hotel in der Rechtsform einer Offenen Handelsgesellschaft bei jeweils hälftiger Beteiligung. „Gewinn, Verlust und Entnahmen” sind in § 8 des Gesellschaftsvertrages vom 30. Januar 1969 geregelt. In § 8 Abs. 3 des Vertrages heißt es:

„Sobald einer der gegenwärtigen Gesellschafter aus der Gesellschaft ausgeschieden ist, gebührt den persönlich haftenden Gesellschaftern für ihre Geschäftsführung … und für die Übernahme der persönlichen Haftung eine angemessene Vorausvergütung, die von Fall zu Fall durch einen Beschluß der volljährigen Gesellschafter festgesetzt wird. Nach gegenwärtigen Geschäfts- und Währungsverhältnissen würde jetzt eine Vorausvergütung von 2.000 DM angemessen sein. Die Gewinnverteilung … findet aus dem Betrag statt, der nach Abzug der Vorausvergütung, der … bleibt.”

W… S… ist am 23. Januar 1971 verstorben. Er hat seinen hälftigen Anteil an der Gesellschaft dem Kläger, dem Pflegesohn der Eheleute S… zu 40%, der Beklagten, einer langjährigen Mitarbeiterin, zu 20% und Herrn H, der ebenfalls indem Hotel angestellt war, zu 40% vermacht. Diese traten als Kommanditisten in die Gesellschaft ein. Frau S… verblieb persönlich haftende Gesellschafterin. Sie bezog bis zu ihrem Tode am 12. Oktober 1980 neben ihrem Gewinnanteil von 50% die in § 8 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages vorgesehene Vorausvergütung von 2.000 DM monatlich. Zum Zeitpunkt ihres Ablebens betrugen die Gehälter der Beklagten und H… jeweils 3.500 DM monatlich. Der Anteil von Frau S… an der Gesellschaft ging ebenfalls im Vermächtniswege auf den Kläger und Herrn H… zu jeweils 40% sowie auf die Beklagte zu 20% über. Sie wurde auf Grund testamentarischer Verfügung des W… S… nunmehr persönlich haftende Gesellschafterin.

Nach der Behauptung des Klägers hat die Beklagte in der Zeit vom 13. Oktober 1980 bis 31. Dezember 1982 der Gesellschaftskasse als monatliche Vorausvergütung nicht lediglich den in § 8 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages genannten Betrag von 2.000 DM, also insgesamt 54.000 DM entnommen, sondern weitere 45.727,16 DM; diesen Betrag habe sie deshalb an die Gesellschaft zurückzuzahlen.

Demgegenüber hat die Beklagte vorgetragen: Sie sei mit dem Kommanditisten H… darüber einig gewesen, daß ihre Vorausvergütung jeweils dessen Gehalt entsprechen solle. Damit sollte ihre Vergütung nicht unter dem Entgelt liegen, das sie zuvor als angestellte Kommanditistin bezogen habe. Die Vorausvergütung für ihre Mitarbeit als persönlich haftende Gesellschafterin sei jeweils in den Bilanzen ausgewiesen worden. Bedenken dagegen habe der Kläger nicht erhoben. Überdies sei in der Gesellschafterversammlung vom 11. März 1985 die Vorausvergütung, die übrigens für die Zeit vom 13. Oktober 1980 bis Ende 1982 nur 89.991,63 DM betragen habe, mit ihrer Stimme und der des Kommanditisten H… genehmigt worden.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat den Klageanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Mit der Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat keinen Erfolg.

1. Entgegen ihrer Ansicht war die Gesellschaft schon nach § 242 BGB verpflichtet, an die Beklagten nach ihrem Eintritt als persönlich haftende Gesellschafterin das bisher an sie als Angestellte gezahlte Gehalt weiterzuentrichten, „um ihre Existenz bis zur Regelung der Geschäftsführervergütung zu sichern”. Mit dem Ausscheiden der Beklagten aus dem Angestelltenverhältnis endete ihr arbeitsvertraglicher Anspruch auf Zahlung des vereinbarten Gehalts. Mit dem Eintritt als persönlich haftende Gesellschafterin erwarb sie einen gesellschaftsvertraglichen Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Vorausvergütung. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Deshalb kann der Wegfall des Gehaltsanspruchs auch nicht unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben einen entsprechenden Vorausvergütungsanspruch der Beklagten begründen. Im übrigen ergibt der Vortrag der Parteien in den Vorinstanzen, daß es einhellige Auffassung der Gesellschafter war, daß der Beklagten jedenfalls dieselbe Vorausvergütung zustand, wie sie Frau S… als persönlich haftende Gesellschafterin seit 1971 bis zu ihrem Tode bezogen hatte. Danach kann ohnehin von einer Gefährdung der Existenz der Beklagten nicht die Rede sein, zumal sie nach § 8 Abs. 4 Satz 2 des Gesellschaftsvertrages jedenfalls den Betrag entnehmen durfte, der unter Berücksichtigung ihrer sonstigen Einkünfte zur Bestreitung des notwendigen Unterhalts erforderlich war.

2. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Ansicht des Berufungsgerichts, die Gesellschafter hätten vor der Gesellschafterversammlung vom 11. März 1985 keinen Beschluß gefaßt, die Vorausvergütung der Beklagten dem Gehalt des angestellten Kommanditisten H… anzupassen. Allerdings sieht der Gesellschaftsvertrag das Einhalten bestimmter Formalien für Gesellschafterbeschlüsse nicht vor. Auch werden diese„mit einfacher Mehrheit gefaßt, sofern das Gesetz nicht zwingend eine andere Mehrheit vorschreibt” (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Gesellschaftsvertrag). Indes hat die Beklagte nicht vortragen können, daß die Gesellschafter vor der Gesellschafterversammlung vom 11. März 1985 eine Erhöhung ihrer Vorausvergütung entsprechend dem jeweiligen Gehalt H…s beschlossen haben. Sie will lediglich mit H… „einig” gewesen sein, daß sie als persönlich haftende Gesellschafterin eine Vorausvergütung entsprechend seinem Gehalt bekommt. Daß auch der Kläger zu diesem Punkt seine Stimme hat abgeben können oder abgegeben hat, hat sie nicht darzutun vermocht. Darauf hat das Berufungsgericht mit Recht hingewiesen. Soweit die Revision eine „ausreichende Beschlußfassung durch Festsetzung der Bilanzen” für 1980 bis 1982, welche die vollständige Vergütung der Beklagten ausgewiesen hätten, annimmt, übersieht sie, daß der Kläger offensichtlich keine der Bilanzen, wie in § 16 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages vorgesehen, unterschrieben hat, außerdem aus der Bilanz von 1980 die Höhe der Vorausvergütung der Beklagten ab 13. Oktober 19810 nicht zu erkennen war und der Kläger nach Zugang der Bilanz für 1981 mit Anwaltsschreiben vom 27. Oktober 1982 die ausgewiesene Vorausvergütung der Beklagten wegen Fehlens eines entsprechenden Gesellschafterbeschlusses nach § 8 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages beanstandet hat.

3. Das Berufungsgericht hält den Beschluß der Gesellschafterversammlung vom 11. März 1985, die Entnahme einer erhöhten Vorausvergütung durch die Beklagte in der Zeit vom 13. Oktober 1980 bis Ende 1982 zu genehmigen, mangels Zustimmung des Klägers für unwirksam. Auch dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg.

a) Es ist richtig, daß 5 8 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrags die Höhe der Vorausvergütung der persönlich haftenden Gesellschafter nicht festlegt. Das geschieht erst durch den in der genannten Bestimmung vorgesehenen Beschluß der Gesellschafter. Insoweit füllt er die Regelung des § 8 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages aus. Ist ein solcher Beschluß ergangen, so steht bis zu seiner Änderung gesellschaftsvertraglich fest, mit welchem Betrag bei der Berechnung der Höhe des Gewinnanteils der einzelnen Gesellschafter die Vorausvergütung der persönlich haftenden Gesellschafter anzusetzen ist. Diese Regelung kann nicht nachträglich zu Lasten eines Gesellschafters ohne dessen Zustimmung geändert werden, mag auch § 7 Abs. 1 Satz 1 des Gesellschaftsvertrages generell vorsehen, daß Gesellschafterbeschlüsse mit einfacher Mehrheit gefaßt werden. Die rückwirkende Änderung der Berechnung der Höhe des Gewinnanteils zum Nachteil einzelner Gesellschafter ist außergewöhnlich und greift erheblich in deren gesellschaftsrechtliche Position ein. Es kann aber nicht angenommen werden, der einzelne Gesellschafter wolle sich mit der Zustimmung zu einer Klausel, die allgemein Mehrheitsbeschlüsse zuläßt, uneingeschränkt dem Willen der Mehrheit auch für derartige Fälle unterwerfen. Danach wäre der Gesellschafterbeschluß vom 11. März 1985 nur wirksam, wenn auch der Kläger ihm zugestimmt hätte.

b) Nach Ansicht des Berufungsgerichts spricht zwar alles dafür, daß eine rückwirkende Anhebung der Vorausvergütung der Beklagten sachlich berechtigt und der Kläger deshalb verpflichtet ist, einer solchen zuzustimmen. Jedoch ändere das, so meint das Berufungsgericht weiter, nichts an der Unwirksamkeit des Beschlusses vom 11. März 1985. Vielmehr müßten die Mitgesellschafter den Kläger unter Berufung auf seine gesellschaftliche Treupflicht auf Zustimmung zu dem Beschluß verklagen. Das bezweifelt die Revision zu Unrecht.

Lehnt es ein Gesellschafter pflichtwidrig ab, einem Gesellschafterbeschluß zuzustimmen, so wird er grundsätzlich nicht so behandelt, als ob er entsprechend seiner gesellschaftlichen Verpflichtung seine Zustimmung gegeben hätte; vielmehr sind die übrigen Gesellschafter gehalten, seine Zustimmung im Wege der Leistungsklage über § 894 ZPO zu erzwingen (Fischer in Großkomm. HGB § 119 Anm. 32; Ulmer in Münch-Komm. 2. Aufl. § 705 Rn. 197; A. Hueck, Das Recht der OHG 4. Aufl. S. 175 sowie in ZGR 1972, 239; Senatsurt. v. 12. Oktober 1959 – II ZR 237/57, LM BGB § 709 Nr. 2/3). An diesem Grundsatz hat der Senat allerdings nicht ausnahmslos festgehalten. Für den Bereich der Publikumsgesellschaft hat er ausgesprochen, daß ein Gesellschafter, der entgegen seiner Treupflicht einem Gesellschafterbeschluß nicht zustimmt, in Fällen, in denen es um die Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Gesellschaft geht, sich so behandeln lassen muß, als ob er dem Beschluß zugestimmt hätte (Urt. v. 5. November 1984, WM 1985, 195, 196 = ZIP 1985, 407, 408; Urt. v. 19. November 1984 – II ZR 109/84, WM 1985, 256, 257). Auch außerhalb dieses Bereiches hat er einen Kommanditisten aus dem Gesichtspunkt der gesellschaftlichen Treupflicht an einen Beschluß der übrigen Kommanditisten für gebunden erachtet, mit dem diese – gegen seine Stimme – anstelle des ausscheidenden einzigen persönlich haftenden Gesellschafters einen neuen persönlich haftenden Gesellschafter aufgenommen haben, damit die ohne eine solche Maßnahme unmittelbar bevorstehende Auflösung der Gesellschaft vermieden wird und sie als werbendes Unternehmen fortgeführt werden kann (Urt. v. 28. Mai 1979 – II ZR 172/78, WM 1979, 1058, 1059/1060). Indes ist der vorliegende Sachverhalt mit diesen Fällen nicht vergleichbar. Hier geht es nicht um die fehlende Zustimmung des Klägers zu einem Gesellschafterbeschluß, der notwendig ist, um die Funktionsfähigkeit der Gesellschaft zu erhalten oder ihre werbende Tätigkeit fortzusetzen, der also für die Gesellschaft von existentieller Bedeutung ist. Vielmehr streiten die Parteien im Rahmen der Zahlungsklage des Klägers um die Wirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses, der die von der Beklagten aus der Gesellschaftskasse entnommene erhöhte Vorausvergütung nachträglich genehmigt und dem der Kläger, wie das Berufungsgericht rechtlich fehlerfrei ausgeführt hat, pflichtwidrig nicht zugestimmt hat. In diesem Fall sind aber keine derart gewichtigen Interessen der Gesellschaft oder der anderen Gesellschafter im Spiel, die dazu nötigen könnten, davon abzugehen, daß die fehlende Zustimmung des Klägers zu dem Gesellschafterbeschluß vom 11. März 1985 von den übrigen Gesellschaftern im Wege der Leistungsklage Über § 894 ZPO erzwungen werden muß. Das kann um so weniger angenommen werden, als es die Beklagte nach ihrem Eintritt als persönlich haftende Gesellschafterin in der Hand hatte, einen Beschluß der Gesellschafter über eine angemessene Vorausvergütung gemäß § 8 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrags oder – gegebenenfalls – eine gerichtliche Entscheidung darüber nach § 315 Abs. 3 BGB herbeizuführen (vgl. Senatsurt. v. 4. Juni 1977 – II ZR 91/76, LM HGB § 114 Nr. 5).

4. Danach hat das Berufungsgericht den Klageanspruch zutreffend dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 609485

NJW 1987, 1020

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