Leitsatz (amtlich)

Auch wenn die geschuldete Leistung in einem Unterlassen besteht, verwirkt der Schuldner die Vertragsstrafe nur, sofern nichts anderes vereinbart ist, wenn er die Zuwiderhandlung zu vertreten hat (Aufgabe der abweichenden Auffassung in LM Nr. 3 zu § 407 BGB).

 

Normenkette

BGB § 339

 

Verfahrensgang

OLG Köln (Urteil vom 14.05.1970)

LG Köln

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln von 14. Mai 1970 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der beklagte Verband vertreibt zusammen mit ihm angeschlossenen Organisationen Rabattsparmarken mit dem Zeichen „K.” an Einzelhändler. Der Kläger hat dieses auf seinen Namen in der Zeichenrolle eingetragene Zeichen durchgesetzt.

Im Jahre 1961 hatte sich bei dem Beklagten ein Fehlbetrag von 110.763 DM ergeben. Der Beklagte hielt den Kläger, der damals dem Vorstand angehörte und für ihn als Generalvertreter tätig war, dafür verantwortlich. Der Kläger erkannte den Betrag als eigene Schuld an und trat von allen seinen Ämtern zurück. In den zwei Verträgen vom 9. Juni 1961 verpflichtete er sich, nicht auf die Angelegenheiten des Verbandes einzuwirken. Er übertrug dem Beklagten seine Forderungen aus seiner Tätigkeit für ihn und die ihm angeschlossenen Verbände. Auch überließ er dem Beklagten unwiderruflich alle Rechte, die sich aus dem Namen K., dem K.-Zeichen und der K.-Sparmarke ergeben. Als Gegenleistung sollte der Kläger für je 1.000 verwertete Sparmarken 0,20 DM erhalten. Diese sollten teils mit dem Fehlbetrag verrechnet, teils ausgezahlt werden. Nach weiteren Verhandlungen verzichtete der Kläger am 26. August 1961 auf weitere Einkünfte aus bestehenden oder neuen K.- oder sonstigen dem Beklagten angeschlossenen Verbänden und unterwarf sich „freiwillig folgendem Verzicht:

Wenn ich gegen den Vertrag 1. und 2. vom 9.6.61 und gegen diese Erklärung in irgendeiner Form verstoße, sollen alle mir zugesicherten Einkünfte sofort fortfallen und vom Zentral-Verband der K. zur Markengeld-Aufstockung oder nach freiem Ermessen verwendet werden können.”

Bis zum Ende des Jahres 1963 hatte sich die Schuld des Klägers durch Gutschriften nach Darstellung des Beklagten auf rund 72.000 DM, nach Darstellung des Klägers auf rund 62.000 DM verringert. Am 16. März 1964 teilte der Beklagte dem Kläger mit, er mache von seinen Rechten aus der Verwirkungsklausel Gebrauch und stelle seine Zahlungen für die Zeit nach dem 1. Januar 1964 ein, weil er inzwischen erfahren habe, daß der Kläger im Sommer 1961 von zwei Kunden Beträge kassiert und nicht abgeführt, ferner auch Quittungsblocks nicht abgeliefert habe. Am 18. Juni 1964 reichte der Kläger eine Klageschrift gegen den K.-Kundendienstverband K.-S. e. V. auf Zahlung rückständiger Lizenzgebühren für die Benutzung von K.-Warenzeichen in Höhe von 10.000 DM ein. Die Klage wurde zwar abgewiesen, weil der Kläger den Bestand eines Lizenzvertrages nicht nachweisen konnte. Der Beklagte erblickte aber auch hierin einen Verstoß des Klägers gegen seine vertraglichen Pflichten.

Der Kläger ist der Ansicht, er habe seine Rechte aus den Verträgen vom 9. Juni 1961 nicht verwirkt. Seine Beziehungen zum K. Kreisverband und der gegen diesen geführte Prozeß berührten die Abmachungen mit dem Beklagten nicht. Die von zwei Kunden im Sommer 1961 auf sein Konto überwiesenen Gelder seien in dem festgestellten Fehlbetrag enthalten. Die Quittungsblocks habe er abgeliefert. Er habe somit nicht gegen seine vertraglichen Pflichten verstoßen. Zumindest habe er sich bei der Klage gegen den Kreisverband Kö. in einem entschuldbaren Rechtsirrtum befunden, wenn er gegen seine vertraglichen Pflichten verstoßen haben sollte. Der Kläger hat daher beantragt, den Beklagten zu verurteilen, über den Nettogewinn aus dem Markenumsatz seit dem 1. Januar 1964 Rechnung zu legen, hilfsweise festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet sei, auch über den 1. Januar 1964 hinaus Zahlungen nach den Verträgen vom 9. Juni 1961 zu leisten.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat dem Hauptantrag für die Zeit bis zum 18. Juni 1964 stattgegeben und die Klage im übrigen abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine bisherigen Anträge weiter, soweit ihnen nicht stattgegeben worden ist. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Das Berufungsgericht weist die Klage für die Zeit nach dem 18. Juni 1964 ab, weil der Kläger mit dem an diesem Tag angestrengten Prozeß gegen den K.-Kreisverband Kö. seine Pflichten aus den Verträgen vom 9. Juni 1961 verletzt und der Beklagte sich deshalb mit Recht auf die Verwirkungsklausel in der vom Kläger am 26. August 1961 unterzeichneten „Erklärung” berufen habe.

Die hiergegen gerichtete Revision des Klägers ist begründet.

1. Das Berufungsgericht legt die Verwirkungsklausel anhand ihres Wortlauts und der Interessenlage der Parteien dahin aus, die dem Kläger in den Verträgen vom 9. Juni 1961 versprochenen Leistungen hätten sofort für die Zukunft entfallen sollen, wenn er gegen die darin und in der Erklärung vom 26. August 1961 enthaltenen Verpflichtungen verstoße. Diese Auslegung läßt keinen Rechtsfehler erkennen. Die Parteien haben danach die Verwirkungsklausel nicht als Rücktrittsgrund mit der Folge einer Abwicklung der Verträge nach § 346 BGB, sondern als das Versprechen einer Vertragsstrafe ausgestaltet. Das ist zulässig. § 360 BGB kann abbedungen werden. Es bedurfte daher keiner – von der Revision vermißten – Rückstrittserklärung des Beklagten, um die Folgen der Verwirkungsklausel auszulösen.

Gegenstand einer Vertragsstrafe kann auch die Verwirkung von Rechten sein (Ermann/Westermann BGB, 4. Aufl. zu § 342). Die zumindest entsprechende Anwendung der Vorschriften über die Vertragsstrafe rechtfertigt sich, weil sich die Verfallklausel für den Kläger bei einem Verstoß gegen seine vertraglichen Pflichten ebenso als Vermögensnachteil auswirkt, als ob er eine zusätzliche Leistung versprochen hätte (BGH LM Nr. 6 zu § 339 BGB).

2. Den Verstoß des Klägers gegen seine vertraglichen Pflichten erblickt das Berufungsgericht darin, der Kläger habe die Rechte an dem Namen und dem Zeichen K. in der Klage gegen den Kreisverband Kö. für sich in Anspruch genommen, nachdem er diese Rechte dem Beklagten in Nr. VII des 1. Vertrages vom 9. Juni 1961 (offenbar versehentlich nennt das Berufungsgericht eine andere Ziffer des 2. Vertrages von diesem Tage) überlassen habe. Da das Berufungsgericht offen läßt, ob der Kreisverband Kö. zu den dem Beklagten angeschlossenen Regionalverbänden gehört, ist für das Revisionsverfahren davon auszugehen, daß dieser Verband dem Beklagten nicht angeschlossen war. Der Kläger hatte danach die fraglichen Rechte nur dann vertragswidrig für sich beansprucht, wenn darunter auch Ansprüche aus früher von ihm selbst abgeschlossenen Verträgen über das Zeichen „K.” zu verstehen waren und er dem Beklagten Ansprüche dieser Art auch soweit überlassen hatte, als sie gegen Verbände gerichtet waren, die diesem nicht angeschlossen sind. Das Berufungsgericht nimmt dies an, weil der Kläger in Nr. VII des 1. Vertrages vom 9. Juni 1961 dem Beklagten „alle” hier interessierenden Rechte „unwiderruflich” überlassen habe. Diese Auslegung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden und daher für das Revisionsgericht bindend. Sie ist auch mit dem Warenzeichenrecht vereinbar. Nach § 8 Abs. 1 Satz 4 WZG konnten die Zeichenrechte selbst auch ohne Eintragung in der Warenzeichenrolle auf den Beklagten übergehen; es ist daher unerheblich, daß der Kläger noch als Inhaber der Rechte in der Zeichenrolle geführt wird. Warenzeichen dürfen zwar nur mit dem Geschäftsbetrieb übergehen, zu dem sie gehören (§ 8 Abs. 1 Satz 2, 3 WZG). Auch das steht aber der vom Berufungsgericht vorgenommenen Auslegung nicht entgegen. Denn der Kläger hat auch seine Generalvertretung, die ihn – soweit ersichtlich treuhänderisch – zur Haltung der Zeichenrechte im eigenen Namen berechtigte, zugunsten des Beklagten aufgegeben (vgl. dazu Reimer, Wettbewerbs- und. Warenzeichenrecht Band 1, 4. Aufl. S. 35).

3. Mit der unberechtigten Geltendmachung der Warenzeichenrechte gegen den Kreisverband Kö. verwirkte der Kläger seine Rechte aus den Verträgen vom 9. Juni 1961 aber nur dann, wenn er die Zuwiderhandlung zu vertreten hatte oder vereinbart worden war, die Rechte sollten unabhängig davon bei jeder Zuwiderhandlung verfallen.

a) Nach der gesetzlichen Regelung wird die Vertragsstrafe nur verwirkt, wenn der Schuldner die Zuwiderhandlung zu vertreten hat. In der Rechtsprechung und im Schrifttum wird das ganz allgemein angenommen, wenn die Vornahme einer Handlung geschuldet wird (vgl. u.a. BGH LM Nr. 14 zu § 339 BGB). Denn nach § 339 Satz 1 BGB ist die Strafe verwirkt, wenn der Schuldner in Verzug gerät. Das geschieht nach § 285 BGB nur, wenn die Leistung infolge eines Umstandes unterbleibt, den der Schuldner zu vertreten hat.

Im vorliegenden Falle sollte der Kläger allerdings seine Rechte bei einem Verstoß gegen Unterlassungspflichten verlieren. Nach dem Wortlaut von § 339 Satz 2 BGB tritt die Verwirkung, wenn die geschuldete Leistung in einem Unterlassen besteht, „mit der Zuwiderhandlung” ein. Ob dazu kommen muß, daß der Schuldner die Pflichtwidrigkeit zu vertreten hat, ist hier nicht ausdrücklich erwähnt. Das hat das Reichsgericht veranlaßt, insoweit die Zuwiderhandlung allein ohne Rücksicht auf ein Verschulden genügen zu lassen (RGZ 147, 228, 232; vgl. auch Motive zum BGB II 278). Der erkennende Senat hat sich dem, ohne sich mit der Frage näher auseinanderzusetzen, in einer Hilfsbegründung unter Hinweis auf RGRK – BGB 9. Aufl. § 339 Anm. 2 angeschlossen (LM Nr. 3 zu § 407 BGB). Hieran hält der Senat übereinstimmend mit der heute im Schrifttum ganz überwiegend vertretenen gegenteiligen Auffassung (Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts 10. Aufl. I. Band S. 227 m.w.N.) nicht fest. Der gegenüber Satz 1 engere Wortlaut des § 339 Satz 2 BGB läßt sich ohne weiteres damit erklären, daß bei der Zuwiderhandlung gegen eine Unterlassungspflicht von einem „eigentlichen” Verzug nicht gesprochen werden kann. Deshalb mußte insoweit für den Zeitpunkt des Verfalls der Strafe ein anderer Anknüpfungspunkt bestimmt werden.

Für die Ansicht, bei Verstößen gegen Unterlassungspflichten komme es nicht darauf an, ob der Schuldner die Pflichtwidrigkeit zu vertreten habe, wäre daher nur Raum, wenn sachliche Gründe für einen solchen Unterschied im Verhältnis zu den Verstößen gegen Handlungspflichten zu finden wären. Solche Gründe sind nicht ersichtlich. Schuldhaftes wie schuldloses Verhalten ist in gleichem Umfang denkbar, ob nun der Schuldner ein Tun oder ein Unterlassen versprochen hat. Ein von der Art der geschuldeten Leistung abhängiges unterschiedliches Schutzbedürfnis des Gläubigers – in dem einen oder dem anderen Fall ist nicht erkennbar. Den §§ 339 ff BGB liegt das allgemeine Bestreben zugrunde, den Schuldner, für den eine Vertragsstrafe leicht unverhältnismäßig hohe Nachteile bringen kann, gegen solche Folgen zu schützen. Diesem Schutzbedürfnis entspricht es allein, daß die Vertragsstrafe bei dem Verstoß gegen Unterlassungspflichten ebenso wie bei allen anderen Vertragsverletzungen nur verfällt, wenn der Schuldner die Zuwiderhandlung zu vertreten hat.

Der Senat kann seine frühere Ansicht aufgeben, ohne den Großen Senat für Zivilsachen anzurufen. Der VI. Zivilsenat ist zwar im Urteil vom 23. März 1971 – VI ZR 199/69 – jener Entscheidung des II. Zivilsenats gefolgt (NJW 1971, 1126); das ist aber nur mit einem Hinweis geschehen, der nicht zu den tragenden Gründen des Urteils gehört.

b) Das Berufungsgericht hat allerdings in seiner Hauptbegründung nicht auf ein Verschulden des Klägers abgestellt, weil es dessen „Erklärung” vom 26. August 1961 dahin verstanden hat, daß bereits ein objektiver Verstoß des Klägers gegen die von ihm übernommene Verpflichtung, sich jeglicher in Verbindung mit den getroffenen Abmachungen stehenden Aktivität gegen den Beklagten zu enthalten, die Folgen der Verwirkungsklausel habe auslösen sollen; der Kläger könne daher insbesondere nicht mit der Einwendung zum Zuge kommen, er habe die Verträge anders ausgelegt oder aus Rechtsunkenntnis gehandelt. Hiergegen wendet sich die Revision mit Erfolg.

Rechtlich ist es zwar möglich, das Versprechen einer Vertragsstrafe garantieähnlich auszugestalten. Dann verfällt die Strafe, auch wenn der Schuldner die Zuwiderhandlung nicht zu vertreten hat (BGH NJW 1958, 1483). Das Berufungsgericht hat aber seine Ansicht, hier sei das vereinbart worden, im wesentlichen damit begründet, daß der Beklagte mit dem Verzicht auf eine Strafanzeige dem Kläger außergewöhnlich entgegengekommen und, nachdem er sich wiederholt von ihm getäuscht und geschädigt gesehen habe, ganz besonders daran interessiert gewesen sei, für die Zukunft schädigende Handlungen des Klägers zu unterbinden. Diesem habe der drohende Rechtsverlust klar vor Augen geführt werden sollen, weil mit der Zeit die Gründe für den Abschluß der Verträge vom 9. Juni 1961 in der Erinnerung der Beteiligten verblassen und etwaige Verstöße wegen der Größe und des Umfangs des Verbandes schlecht würden verfolgt werden könnten. Eine weitgehende Erklärung des Klägers sei dem Beklagten daher besonders wichtig gewesen. Der Beklagte habe Wert auf eine abschreckende Wirkung der Klausel legen müssen.

Diese Vertragsauslegung ist aus Rechtsgründen nicht haltbar. Sie ist denkgesetzlich nicht möglich, soweit das Berufungsgericht meint, eine Verwirkungsklausel, die eine bloß objektive Zuwiderhandlung voraussetze, schrecke stärker ab, und entspreche aus diesem Grunde besser dem Interesse des Beklagten. Denn „abgeschreckt” von bestimmten Handlungen kann nur werden, wer sie als vertragswidrig erkennt, Zweifel an ihrer Vertragsmäßigkeit hegt oder solche Zweifel unterdrückt, sich also anschickt, seine Pflichten vorsätzlich oder fahrlässig zu verletzen. Die übrigen Ausführungen des Berufungsgerichts laufen darauf hinaus, der Beklagte habe unter den gegebenen Umständen ein berechtigtes Interesse an einer folgenschweren und für den Kläger ohne weiteres als besonders hart erkennbaren Vertragsstrafe gehabt. Das war die vom Kläger angenommene Verfallklausel auch dann, wenn sie nur eingriff, falls er eine Zuwiderhandlung zu vertreten hatte. Ihm verblieb es dann, den schwierigen Beweis zu führen, sich unverschuldet vertragswidrig verhalten zu haben. Vor allem hatte er aber bei Verfall nicht nur sofort die anerkannte Schuld von abgerundet DM 110.000 zu bezahlen, sondern er verlor auch seine Gegenansprüche, mit denen seine Schuld getilgt werden sollte und die für ihn darüber hinaus bei günstiger wirtschaftlicher Entwicklung des Beklagten eine beachtliche Einnahmequelle sein konnten.

Da die Verwirkungsklausel selbst keinen Hinweis enthält, eine bloß objektive Zuwiderhandlung solle genügen, kommt bei dieser Sachlage dem vom Berufungsgericht nicht berücksichtigten, sich aus den Ausführungen zu 3 a ergebenden Grundsatz entscheidende Bedeutung zu, wonach das Versprechen einer Vertragsstrafe im Zweifel so auszulegen ist, daß die Strafe nur verfällt, wenn der Schuldner die Pflichtwidrigkeit zu vertreten hat. Dem Kläger ist daher entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht die Möglichkeit verschlossen, sich darauf zu berufen, er habe die Klage gegen den Kreisverband Kö. in entschuldbarem Rechtsirrtum erhoben.

c) Mit der Frage des Rechtsirrtums hat sich das Berufungsgericht zwar in einer Hilfserwägung auseinandergesetzt, aber gemeint, nach seinem eigenen Vortrag hierzu entlaste sich der Kläger insoweit nicht hinreichend. Sein Antrag, Rechtsanwalt Dr. Sch. dazu zu hören, daß auch dieser nicht erwogen habe, die Klage gegen den Kö. Kreisverband könne gegen die Verträge vom 9. Juni 1961 verstoßen, sei zurückzuweisen, weil der Kläger nicht substantiiert vorgetragen habe, inwieweit er seinen Anwalt über die für die Auslegung der Verwirkungsklausel wesentlichen Umstände und über die Abmahnung des Beklagten vom 9. Februar 1965 unterrichtet habe.

Demgegenüber greift die auf § 286 ZPO gestützte Rüge der Revision durch. Der Beweis hätte erhoben werden müssen. Das Berufungsgericht hat die Substantiierungspflicht überspannt. Der als Zeuge benannte Rechtsanwalt Dr. Sch. vertrat den Kläger nicht nur in diesem Rechtsstreit, sondern auch in dem erst während des ersten Rechtszuges begonnenen Prozeß gegen den Kreisverband Kö. und in einem schon länger anhängigen Verfahren gegen einen Herrn D., das ebenfalls mit Ansprüchen des Klägers gegen den Beklagten aus seinen Beziehungen zu den K.-Verbänden zusammenhing. Das ergibt sich aus den vom Berufungsgericht herangezogenen Akten. Unter diesen Umständen drängte es sich auf, daß der Anwalt über die hier interessierenden Vorfälle unterrichtet war. Der Kläger brauchte dies deshalb nicht besonders vorzutragen. Auch war die Abmahnung des Beklagten, auf die das Berufungsgericht Wert gelegt hat, im Schriftsatz vom 16. Juni 1965 S. 2 (65, 66 GA) ausdrücklich erwähnt worden.

Der Zeuge muß daher noch vernommen werden. Erst dann ist eine abschließende Würdigung möglich, ob der Kläger den Kö. Kreisverband aufgrund eines von ihm nicht zu vertretenden Rechtsirrtums über seine Pflichten nach den Verträgen vom 9. Juni 1961 in Anspruch genommen hat.

Hierzu kann bedeutsam sein, daß der Kläger in Nr. IV des 1. Vertrages vom 9. Juni 1961 nur Forderungen an den Beklagten abgetreten hatte, die aus seiner Tätigkeit für ihn und die ihm angeschlossenen Verbände herrührten. In Nr. 5 der „Erklärung” vom 26. August 1961 hatte der Kläger auf alle Einkünfte aus bestehenden oder künftigen K.-Verbänden oder sonstigen dem Beklagten angeschlossenen Verbänden verzichtet, abgesehen von den ihm in den Verträgen vom 9. Juni 1961 zugesagten Leistungen. Es ist danach, je nach dem Ergebnis der Vernehmung des Zeugen Dr. Sch., nicht ausgeschlossen, daß der Kläger Nr. VII des 1. Vertrages vom 9. Juni 1961 vertretbar dahin verstanden hat, er habe damit nicht auf alte damals schon begründete Ansprüche gegen dem Beklagten nicht angehörende K.-Verbände verzichtet. Unter diesem Gesichtspunkt wird es auch darauf ankommen, ob der Kö. Kreisverband und auch der Landesverband Bayern, von dem der Kläger angeblich unbeanstandet vom Beklagten noch Einkünfte aus dem K.-Zeichen zieht, dem Beklagten angeschlossen waren oder nicht. War der Rechtsirrtum des Klägers zwar nicht unentschuldbar, aber verständlich oder, anders ausgedrückt, wog er nicht schwer, so erhebt sich die weitere Frage, ob der Verstoß des Klägers die Anwendung der Verwirkungsklausel rechtfertigte (§ 242 BGB).

4. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, soweit dieses der Klage nicht bereits stattgegeben hat.

 

Unterschriften

Stimpel, Liesecke, Bundesrichter Dr. Schulze ist beurlaubt und deshalb verhindert zu unterschreiben. Simpel, Dr. Bauer, Dr. Tidow

 

Fundstellen

Haufe-Index 1237599

NJW 1972, 1893

NJW 1972, 2264

Nachschlagewerk BGH

DNotZ 1973, 19

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