Verfahrensgang

OLG Köln (Entscheidung vom 13.07.1967)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 13. Juli 1967 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

Der 1908 geborene Kläger, der im Jahre 1937 bei einem Absturz mit einem Flugzeug einen Schädelbasisbruch erlitten hatte, wurde am 10. Januar 1958 auf einer Fahrt mit seinem Kraftwagen von einem britischen Militärfahrzeug, das auf einer Dienstfahrt war, angefahren und verletzt. Er erlitt eine Brustkorbprellung, eine Gehirnerschütterung sowie ein Schleudertrauma der Halswirbelsäule. Auf diese Verletzungen führt der Kläger es zurück, daß er Ende 1959 in seiner Stellung als Leiter der Personalabteilung bei der Firma Kl.-Hu.-D. AG in K. abgelöst und mit anderen Aufgaben betraut wurde. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Ersatz des Verdienstausfalls in Anspruch, den er angeblich in Zusammenhang mit dem Verlust seiner Stellung als Abteilungsleiter erlitten hat.

Der Kläger meldete seinen Unfallschaden am 20. Februar 1958 bei dem zuständigen Amt für Verteidigungslasten der Stadt K. (AVL) an. Durch Bescheid vom 15. Juli 1965, der dem Kläger am 20. Juli 1965 zugestellt wurde, lehnte das Amt den Anspruch auf Ersatz des Verdienstausfalls ab.

Mit der am 16. September 1965 erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht: Die Gehirnerschütterung habe ein durch die Verletzungen aus dem Flugzeugunfall von 1937 vorgeschädigtes Gehirn getroffen. Deshalb seien die Auswirkungen des Verkehrsunfalls schwerer gewesen als im Regelfall. Sie hätten einen Leistungsabfall bewirkt, der zu seiner Ablösung als Abteilungsleiter geführt habe. Sein Gehalt sei zwar bis 1961 unverändert geblieben und seit November 1961 um 10 % angehoben worden. Er habe aber mit Rücksicht auf seine berufliche Zurücksetzung an der damals, günstigen Gehaltsentwicklung nicht in dem Maß teilgenommen, wie es in seiner bisherigen Stellung der Fall gewesen wäre.

Der Kläger hat für die Zeit von Januar 1959 bis August 1965 einen Mindestschaden von monatlich 200 DM, insgesamt 16.200 DM errechnet, einen darüber hinaus entstandenen und noch entstehenden Schaden behauptet und beantragt,

  • 1.

    die Beklagte zu verurteilen, an ihn 16.200 DM nebst Zinsen zu zahlen,

  • 2.

    die Verpflichtung der Beklagten festzustellen, den Verdienst aus fall zu ersetzen, der ihm seit dem 10. Januar 1958 entstanden sei und in der Zukunft entstehen werde.

Die Beklagte hat um Abweisung der Klage gebeten. Sie hat vorgetragen: Ein etwaiger Abfall der Leistungen des Klägers sei auf die Folgen des Flugzeugunfalls von 1937 in Verbindung mit Alterserscheinungen zurückzuführen. Eine erkennbare zusätzliche Leistungsminderung habe der Verkehrsunfall von 1958 nicht hervorgerufen, insbesondere liege ein hierauf zurückzuführender Dauerschaden nicht vor.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.

Mit der Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Der Kläger bittet, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht hat die Klageforderung aus den Gesichtspunkt der Amtshaftung dem Grunde nach für gerechtfertigt erachtet. Es hat auf Grund der im Anmeldeverfahren von der Beklagten vorgelegten Gutachten des Chefarztes der Neurologischen und Inneren Abteilung des Berufsgenossenschaftlichen Krankenhauses Du.-Bu., Dr. med. B., und des vom Landgericht eingeholten Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. Sch. vom 24. August 1966 bei dem Kläger eine Hirnleistungsschwäche festgestellt und fährt hierauf den Leistungsabfall des Klägers in seinem Beruf, wie er von dem Zeugen I. bekundet worden ist, und seine Ablösung als Leiter der Personalabteilung zurück.

Für diese Hirnleistungsschwäche mit ihren Ausfallerscheinungen war nach der Ansicht des Berufungsgerichts die Gehirnerschütterung adäquat kausal, die der Kläger unstreitig bei dem Verkehrsunfall erlitt. Das Berufungsgericht bezieht sich hierfür auf das Gutachten B. vom 11. April 1961, das zu dem Ergebnis gelangt: Zwar sei die Hirnleistungsschwäche und die Neigung zu Gemüts Schwankungen ganz überwiegend der Schädelverletzung zur Last zu legen, die der Kläger bei seinen Flugzeugabsturz im Jahre 1937 davongetragen habe; gleichwohl habe die Gehirnerschütterung aus dem Verkehrsunfall vom 10. Januar 1958, da sie ein vorgeschädigtes Gehirn getroffen habe, auf das Leiden einen Einfluß. Diesem Einfluß der Gehirnerschütterung aus dem Verkehrsunfall auf die bei dem Kläger festgestellte Hirnleistungsschwäche mißt das Berufungsurteil eine ausschlaggebende Bedeutung für den beruflichen Leistungsabfall des Klägers zu; denn nach der Aussage seines Vorgesetzten, des Zeugen I., habe der Kläger, der seinen kosten seit 1956 bekleidet habe, bald nach dem Verkehrsunfall in seiner Arbeitsintensität und Merkfähigkeit nachgelassen, eine Erscheinung, die vorher nicht zu erkennen gewesen sei. Das Berufungsgericht hat hierzu erwogen: Danach bestehe nunmehr kein Zweifel daran, daß die Hirnleistungsschwäche akut und mit ernsthaften Folgen im Anschluß an den Unfall vom 10. Januar 1958 aufgetreten sei. Die Aussage des Zeugen mache ganz deutlich, daß eine auf Grund des Flugzeugunfalls vorher etwa vorhandene Hirnschädigung die berufliche Leistung des Klägers nicht beeinflußt habe. Seine berufliche Schlechterstellung beruhe also allein auf dem Unfall vom 10. Januar 1958. Wenn das Gehirn des Klägers infolge des Flugzeugunfalls bei dem neuen Unfall besonders schadensanfällig gewesen sei, so sei das für die Haftung der Beklagten ohne Bedeutung.

II.

Das Berufungsurteil kann mit dieser Begründung nicht bestehenbleiben.

1.

Zutreffend ist, daß es die Beklagte nicht entlastet, wenn die Verletzungen des Klägers aus dem Verkehrsunfall von 1958 nur durch die Mitursächlichkeit von Verletzungen aus dem 1937 erlittenen Flugzeugunfall für den Leistungsabfall in seinem Beruf und dem damit verbundenen Verdienstausfall geführt haben. Nach feststehender Rechtsprechung sind dem (Zweit-)Schädiger auch solche schädigenden Auswirkungen zuzurechnen, die sich deshalb ergeben, weil der Betroffene bereits eine Krankheitsanlage oder einen Körperschaden hatte (RGZ 155, 38, 41; 169, 117, 120; HRR 1930, 2142; BGHZ 20, 137, 139 ff; BGH Urteil vom 8. Juli 1953 - VI ZR 137/52 = LM BGB § 249 (Bb) Nr. 2; vom 5. Mai 1959 - VI ZR 26/58 = VersR 1959, 752; vom 22. Oktober 1963 - VI ZR 187/62 = VersR 1964, 49).

2.

Die Feststellung, ob und inwieweit die von dem Kläger unstreitig bei dem Verkehrsunfall von 1958 erlittene Gehirnerschütterung zu einer Hirnleistungsschwäche mit nachteiligen Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit des Klägers in seinem Beruf geführt oder eine bereits vorhandene Hirnschädigung zur Auswirkung gebracht hat, ist nach § 287 ZPO zu treffen, der den Tatsachenrichter bei der Beurteilung der hier betroffenen Fragen einer sogenannten "haftungsausfüllenden" Kausalität ebenso wie bei der Beurteilung des Schadens in der Auswahl der Beweise und ihrer Würdigung freier stellt, als dies sonst nach der allgemeinen Regel des § 286 ZPO der Fall wäre (BGHZ 4, 192; LM ZPO § 287 Nr. 3 und Nr. 13). Das Revisionsgericht kann diese Feststellungen auf entsprechende Rügen nur darauf überprüfen, ob die Entscheidung auf grundsätzlich falschen oder offenbar unsachlichen Erwägungen beruht und ob wesentliche, die Entscheidung bedingende Tatsachen außer acht gelassen worden sind (BGHZ 3, 162, 175; 6, 62, 63).

3.

Die Angriffe der Revision gegen die Feststellungen des Berufungsgerichts, daß die Gehirnerschütterung den Leistungsabfall des Klägers verursacht habe, sind unbegründet, soweit sich die Feststellungen auf die erste Zeit nach dem Verkehrsunfall beziehen.

a)

Die Revision meint: Das Berufungsgericht habe die Frage, ob ein Zusammenhang zwischen dem Verkehrsunfall und der Hirnleistungsschwäche des Klägers vorliege, in unzulässiger Weise mit der Frage vermengt, ob die Hirnleistungsschwäche eine berufliche Schlechterstellung des Klägers zur Folge gehabt habe. Es habe die Aussage des Zeugen I., der sich nur zur Kausalität der Hirnleistungsschwäche für die berufliche Schlechterstellung des Klägers habe äußern können, als Widerlegung des Gutachtens Scheid gewertet, das die Hirnleistungsschwäche als Folge einer unfallunabhängigen, altersbedingten Hirnarteriosklerose werte. Diese gutachtlichen Feststellungen hätten aber nur durch ein Obergutachten, das nicht erholt worden sei, nicht durch die Aussage eines Zeugen widerlegt werden können. Deshalb habe das Berufungsgericht sich in Wahrheit mit dem Gutachten Sch. nicht auseinandergesetzt und in unzulässiger Weise wesentlichen Prozeßstoff übergangen.

Das Berufungsgericht hat entgegen dem Vortrag der Revision jedoch nicht verkannt, daß aus der Aussage des Zeugen I. in diesem Zusammenhang unmittelbar nur Aufschlüsse über das Verhalten und die Leistungsfähigkeit des Klägers in seinem Beruf vor und nach dem Verkehrsunfall gewonnen werden konnten. In dem von dem Zeugen bekundeten Umstand, daß der Kläger bald nach dem Verkehrsunfall von 1958 auffällig in seiner Arbeitsintensität und seiner Merkfähigkeit nachgelassen hat, was vorher nicht der Fall war, durfte das Berufungsgericht ein Anzeichen dafür erblicken, daß dieses zeitliche Zusammentreffen von Verkehrsunfall und Leistungsabfall in einem inneren Zusammenhang mit den Unfallverletzungen des Klägers, insbesondere der bei dem Verkehrsunfall erlittenen Gehirnerschütterung stand. Hinzu kommt, daß nach dem Gutachten B. die Gehirnerschütterung auf die festgestellte Hirnleistungsschwäche und die damit verbundenen Ausfallerscheinungen einen Einfluß gehabt haben. Dieses Gutachten, das auf Veranlassung der Beklagten für das Anmeldeverfahren erstattet worden ist, konnte das Berufungsgericht bei der Schätzung nach § 287 ZPO verwerten, wobei es in diesem Zusammenhang dahinstehen kann, ob es als Privatgutachten der Beklagten anzusehen ist. Wenn das Berufungsgericht auf dieser Grundlage die Überzeugung gewonnen hat, daß der Leistungsabfall des Klägers jedenfalls für die erste Zeit nach dem Verkehrsunfall auf die Unfallverletzungen zurückzuführen ist, so ist das verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden. Damit setzt das Berufungsgericht sich auch nicht in Widerspruch zu dem Gutachten Sch. Dieses Gutachten bezieht sich ersichtlich auf die am 10. Mai und 23. August 1966 in der Universitäts-Nervenklinik K. durchgeführten Untersuchungen. Für diesen mehr als 8 Jahre nach dem Verkehrsunfall liegenden Zeitraum ermittelt der Gutachter als Ursache der noch vorhandenen Hirnleistungsschwäche eine zerebrale Durchblutungsstörung auf dem Boden einer altersbedingten, unfallunabhängigen Hirnarteriosklerose.

Wenn das Gutachten im Anschluß hieran zu dem Ergebnis gelangt, daß sichere Folgeerscheinungen des im Januar 1958 erlittenen Unfalls bei dem Kläger nicht mehr vorliegen und die bei dem Unfall erlittene Gehirnerschütterung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht zu einem dauernden Leistungsabfall geführt hat, so besagt das deshalb nicht, daß auch die Ausfallerscheinungen, die in der ersten Zeit nach dem Verkehrsunfall auftraten und zu der Ablösung des Klägers in seiner Stellung als Abteilungsleiter führten, auf andere Ursachen als den Verkehrsunfall zurückzuführen waren. Hiergegen spricht auch nicht, daß nach dem Gutachten Sch. vegetative Störungen, die im Anschluß an eine Gehirnerschütterung auftreten, sich im Verlauf einiger Monate bis zum Ablauf eines Jahres folgenlos wieder zurückzubilden pflegen; denn der Beginn der von dem Zeugen I. bei dem Kläger beobachteten Ausfallerscheinungen fällt in diesen Zeitraum und der Gutachter unterstellt im übrigen lediglich einen Regelfall, ohne auf die Möglichkeit einer Vorschädigung des Gehirns des Klägers durch den Flugzeugunfall von 1937 einzugehen, die nach dem Gutachten B. Bedeutung auch für den Verlauf der Gehirnerschütterung aus dem Verkehrsunfall von 1958 haben konnte. Wenn deshalb das Berufungsgericht sich nicht näher mit dem Gutachten Sch. auseinandergesetzt hat, so ist das in diesem Zusammenhang nicht zu beanstanden.

b)

Ebenso erfolglos beanstandet die Revision die Feststellung des Berufungsgerichts, daß eine etwaige Vorschädigung des Gehirns durch den Flugzeugunfall von 1937 die berufliche Leistung des Klägers nicht beeinflußt habe. Die Revision meint, das stehe in krassem Widerspruch zu den Gutachten B., nach denen allein die Folgen aus diesem Flugzeugunfall eine beträchtliche Einschränkung der Erwerbsfähigkeit des Klägers mit sich gebracht hätten und die durch den Verkehrsunfall von 1958 bedingte Erwerbsminderung lediglich mit 10 % zu veranschlagen sei.

Das Berufungsgericht stützt seine Feststellung auf die Aussage des Zeugen I., der bekundet hat, daß seit der Einstellung des Klägers als Abteilungsleiter im Jahre 1956 bis zu dem Verkehrsunfall eine Beeinträchtigung in seiner Arbeitsintensität und Merkfähigkeit, wie sie alsbald nach dem Verkehrsunfall aufgetreten sei, nicht in Erscheinung getreten sei. Dieses konkrete Erscheinungsbild des Klägers in der beruflichen Bewährung, wie es der Zeuge bekundet hat, war dem Gutachter bei der Abfassung des Gutachtens nicht bekannt. Er hat vielmehr den Grad der Erwerbsminderung des Klägers allein nach der Schwere der bei den Unfällen erlittenen Verletzungen beurteilt. Diese Art der Beurteilung schließt nicht aus, daß eine auf den Flugzeugunfall von 1937 etwa zurückzuführende Hirnleistungsschwäche sich in der Zeit von 1956 bis zu dem Verkehrsunfall von 1958 für die beruflichen Leistungen des Klägers tatsächlich nicht bemerkbar gemacht hat. Etwas anderes hat das Berufungsgericht mit seinen Ausführungen ersichtlich nicht feststellen wollen. Ebensowenig steht der umstand, daß der Gutachter die auf den Verkehrsunfall von 1958 zurückzuführende Erwerbsminderung abstrakt mit nur 10 % bewertet hat, der Auffassung des Berufungsgerichts entgegen, daß erst die Unfallverletzung aus 1958 - wenn auch möglicherweise nur in Verbindung mit dem früher erlittenen Gesundheitsschaden - den beruflichen Leistungsabfall des Klägers, herbeigeführt habe, zumal auch nach Ansicht des Gutachters die hirnabhängigen Beschwerden traumatischen Ursprungs aus dem Flugzeugunfall auf Grund des Verkehrsunfalls von 1958 stärker in Erscheinung getreten sind. Denn für den ursächlichen Zusammenhang im Rechtssinne kommt es weder auf den abstrakt berechneten Grad der Erwerbsminderung hoch darauf an, ob der bei dem Verkehrsunfall von 1958 erlittene Gesundheitsschaden für sich allein genommen ohne die Vorschädigung des Gehirns zu den festgestellten Ausfallerscheinungen geführt haben würde, da - wie bereits ausgeführt ist - auch solche Krankheitserscheinungen haftungsbegründende Verletzungsfolgen sind, für die Einwirkungen eines früheren Unfalls mitursächlich gewesen sind. Nur wenn der berufliche Leistungsabfall des Klägers in seinem ganzen Ausmaß allein durch die Vorschädigung des Gehirns aus dem Jahre 1937 verursacht worden wäre, würde es an dem erforderlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Verkehrsunfall von 1958 und dem Erwerbsschaden des Klägers fehlen. Zu einer solchen Annahme bestand aber für das Berufungsgericht nach den Gutachten und der Aussage des Zeugen I. kein Anlaß.

4.

Gleichwohl kann das Berufungsurteil nicht bestehenbleiben, Denn es läßt jede Stellungnahme zu der gutachtlichen Äußerung des Sachverständigen Sch. vermissen, daß die Unfallverletzungen aus dem Jahre 1958 mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht zu einem dauernden Leistungsabfall geführt hätten, vielmehr die noch vorliegende Hirnleistungsschwäche mit ihren Ausfallerscheinungen auf einer unfallunabhängigen, altersbedingten Hirnarteriosklerose beruhe. Hierzu hätte das Berufungsgericht zwar nicht, wie die Revision meint, bei der Frage, ob überhaupt ein Ursachenzusammenhang gegeben ist, wohl aber im Rahmen der Prüfung, ob den Kläger durch den Verkehrsunfall der geltend gemachte Dauerschaden erwachsen ist, Stellung nehmen müssen (vgl. BGH LM BGB § 249 Ba Nr. 19).

Nach feststehender Rechtsprechung muß sich der Geschädigte, der laufende Verdienstausfälle ersetzt verlangt, entgegenhalten lassen, daß er die Einkünfte auch ohne das schädigende Ereignis später mit Gewißheit verloren hätte (BGH Urteil vom 13. Mai 1953 - VI ZR 5/52 = BGHZ 10, 6, 9 ff mit weiteren Nachweisen; Urteil vom 5. Mai 1959 - VI ZR 26/58 = VersR 1959, 752; vom 17. November 1959 - VI ZR 190/58 = LM BGB § 249 Ba Nr. 15). Denn nach § 249 BGB ist lediglich der Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Schadensersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Wäre die Zurücksetzung des Klägers in seinem Beruf und die damit verbundene Schlechterstellung in der Gehaltsentwicklung auch ohne den Verkehrsunfall von 1958 eingetreten und hätte das Unfallereignis diese Entwicklung nur vorweggenommen, so würde die Beklagte nur insoweit haften, als das Unfallereignis diese Entwicklung beschleunigt hat, nicht aber für den in aller Zukunft entstehenden Verdienstausfall.

Die Annahme eines solchen, die Haftung der Beklagten begrenzenden Geschehensablaufs ist im vorliegenden Fall jedenfalls nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen, wenn mit dem Gutachten des Sachverständigen Sch. festzustellen wäre, daß die Beschwerden und Ausfallerscheinungen, die zu der beruflichen Zurücksetzung des Klägers führten und die nach dem Gutachten in ganz ähnlicher Weise auch noch bei der Untersuchung in der Universitäts-Nervenklinik K. am 10. Mai und am 23. August 1966 vorhanden waren, für den Untersuchungszeitraum oder gar schon für einen früheren Zeitraum auf eine unfallunabhängige Hirnarteriosklerose zurückzuführen wären. Da die Beklagte mit ihrem Vortrag, der Leistungsabfall des Klägers sei unabhängig von dem Verkehrsunfall von 1958 infolge seines Alters in Verbindung mit der Vorschädigung des Gehirns aus dem Flugzeugunfall von 1937 eingetreten, einen solchen "hypothetischen" Geschehensablauf behauptet, hätte das Berufungsgericht hierauf eingehen müssen, auch wenn es nur über den Grund des geltend gemachten Anspruchs entschieden hat. Denn soweit sich seine Entscheidung auf den Feststellungsantrag bezieht, ist hierin ein dem Feststellungsantrag stattgebendes Teil-Endurteil zu erblicken, da ein Feststellungsanspruch, der keine Summe enthält, nicht dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt werden kann (BGHZ 7, 331, 333). Durch seinen Urteilsausspruch hat das Berufungsgericht deshalb entsprechend dem zeitlich nicht beschränkten Feststellungsbegehren das Bestehen eines Rentenanspruchs ohne zeitliche Begrenzung festgestellt. Würde aber für den Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung vor dem Berufungsgericht festzustellen sein, daß für die Zukunft ein zu ersetzender Schaden überhaupt nicht mehr besteht, so müßte zwar die Feststellungsklage nicht deshalb als unzulässig abgewiesen werden, weil die Schadensentwicklung nunmehr abgeschlossen ist und der Schaden beziffert werden kann. Denn der Kläger braucht regelmäßig nicht von der Feststellungs- zur Leistungsklage übergehen, wenn bei einer zulässig erhobenen Feststellungsklage während des Prozesses die Leistungsklage möglich wird (BGH Urteil vom 31. Januar 1952 - III ZR 131/51 = LM ZPO § 256 Nr. 5; vom 20. März 1956 - III ZR 11/55 - MDR 1956, 541). In einem solchen Fall würde sich aber das zeitlich unbeschränkte Feststellungsbegehren insoweit als unbegründet erweisen, als es über den Zeitraum hinausgeht, für den eine Haftung der Beklagten in Betracht kommen kann. Bei einer solchen Fallgestaltung könnte deshalb der Feststellungsklage nur mit einer entsprechenden zeitlichen Einschränkung stattgegeben werden; dies auch deshalb, damit der Umfang der Rechtskraft klar erkennbar ist (vgl. hierzu auch BGH Urteil vom 3. November 1964 - VI ZR 251/63 = VersR 1965, 84, 85 mit weiteren Nachweisen).

Hat aber das Berufungsgericht nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen im Rahmen des Feststellungsbegehrens über den zeitlichen Umfang des zu erstattenden Erwerbsschadens zu befinden, so ist es schon aus prozeßökonomischen Rücksichten geboten, daß das Berufungsgericht hierüber auch bei der Entscheidung über den Grund des bezifferten Rentenanspruchs befindet und die Entscheidung insoweit nicht - was an sich möglich wäre (BGH Urteil vom 3. November 1964 - VI ZR 251/63 = VersR 1965, 84, 85) - dem Betragsverfahren überläßt, da nicht ohne weiteres ausgeschlossen werden kann, daß auch der bezifferte Rentenanspruch, der für die Zeit von Januar 1959 bis August 1965 geltend gemacht worden ist" dem Grunde nach hinsichtlich der Zeitdauer eingeschränkt werden muß.

Die Frage, ob und in welchem Umfang der zu ersetzende Erwerbsschaden zeitlich zu beschränken ist, kann auf Grund der bisherigen Feststellungen nicht beantwortet werden; sie bedarf vielmehr weiterer tatrichterlicher Erörterungen durch das Berufungsgerichte Inwieweit ein etwaiges unfallunabhängiges Leiden des Klägers die Ersatzpflicht der Beklagten zu beeinflussen vermag, hat das Berufungsgericht nach § 287 ZPO zu beurteilen (BGH VersR 1959, 811, 812), wobei die Beklagte die Beweislast für den behaupteten "hypothetischen" Geschehensablauf hat (BGH Urteil vom 13. Oktober 1966 - II ZR 173/64 = LM BGB § 249 Ba Nr. 19 mit weiteren Nachweisen).

5.

Demzufolge muß das Berufungsurteil auf die Revision der Beklagten aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrechtszuges ist dem Berufungsgericht zu übertragen, weil erst dessen künftige Entscheidung ergeben wird, ob und wieweit dem Rechtsmittel ein sachlicher Erfolg zukommt.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI3018652

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge