Entscheidungsstichwort (Thema)

Nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit entstandene Mietforderungen. Insolvenz des Zwischenvermieters. Neumasseverbindlichkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

Kann der Zwischenvermieter nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit dem Vermieter noch den mittelbaren Besitz an den vermieteten Wohnungen, verbunden mit dem Recht, die von den Endmietern zu zahlende Miete einzuziehen, verschaffen, handelt es sich bei der Mietforderung um Neumasseverbindlichkeiten.

 

Normenkette

InsO § 209 Abs. 2 Nr. 3

 

Verfahrensgang

OLG Düsseldorf (Urteil vom 22.05.2003)

LG Düsseldorf (Urteil vom 07.06.2002)

 

Tenor

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 10. Zivilsenats des OLG Düsseldorf v. 22.5.2003 insoweit aufgehoben, als die Berufung der Kläger zu 1) bis 7), 9) und 10) gegen das Urteil der 15. Zivilkammer des LG Düsseldorf v. 7.6.2002 zurückgewiesen und auf die Berufung des Beklagten das Urteil des LG dahin abgeändert worden ist, dass es sich bei den vom LG zu Gunsten der Kläger zu 1 bis 7, 9 und 10 festgestellten Neumasseverbindlichkeiten (Mietzins jeweils für die Zeit von 16.3.2001 bis 31.5.2001) um Altmasseverbindlichkeiten handele.

Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Kläger machen Mietzinsansprüche aus gewerblichen Zwischenmietverträgen für die Zeit v. 16.3.2001 bis 30.9.2001 als Masseverbindlichkeiten gegen den Beklagten geltend, der Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der B. GmbH (künftig: Schuldnerin) ist. Die Kläger hatten der Schuldnerin Wohnraum vermietet, den diese an Endmieter weitervermietete. Die mit den Endmietern vereinbarten Mieten lagen zum Teil deutlich unter den Zwischenmietzinsen.

Nach dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin am 29.11.2000 und der Bestellung des Beklagten zum vorläufigen Insolvenzverwalter wurden keinerlei Mietzinsen mehr an die Kläger bezahlt. Mit Schreiben v. 29.1.2001 unterrichtete der Beklagte die Kläger über die Möglichkeit der fristlosen Kündigung und des Eintritts in die Verträge mit den Endmietern. Hiervon machten die Kläger keinen Gebrauch.

Mit Beschluss des AG v. 31.1.2001 wurde über das Vermögen der Schuldnerin zum 1.2.2001 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Mit Schreiben v. 27.2.2001 kündigte der Beklagte die Zwischenmietverhältnisse mit den Klägern zum 31.5.2001. Mit bei Gericht am 15.3.2001 eingegangenem Schreiben v. 14.3.2001 zeigte er dem AG Masseunzulänglichkeit an.

Das LG hat die Zahlungsklage abgewiesen, weil den Forderungen jeweils Vollstreckungsverbote entgegenstünden. Dem hilfsweise erhobenen Feststellungsantrag hat es stattgegeben. Für den Zeitraum v. 16.3.2001 bis 31.5.2001 handele es sich um Neumasseverbindlichkeiten i. S. v. § 209 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 3 InsO, für den Zeitraum v. 1.6.2001 bis 30.9.2001 um Altmasseverbindlichkeiten.

Mit der Berufung haben die Kläger für den Zeitraum 16.3.2001 bis 31.5.2001 ihren Zahlungsantrag weiterverfolgt. Der Beklagte hat mit der Berufung geltend gemacht, es lägen insgesamt nur Insolvenzforderungen vor.

Das Berufungsgericht hat die Berufung der Kläger zurückgewiesen. Auf die Berufung des Beklagten hat es festgestellt, dass für den Zeitraum 16.3.2001 bis 30.9.2001 insgesamt Altmasseverbindlichkeiten vorlägen, die im Wege der Feststellungsklage durchsetzbar seien. Die weiter gehende Berufung des Beklagten hat es zurückgewiesen.

Mit der Revision verfolgen die Kläger für die Zeit v. 16.3.2001 bis 31.5.2001 den hierauf entfallenden Mietzins im Wege der Leistungsklage weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision hat Erfolg. Da weitere Feststellungen zu treffen sind, kann der Senat nicht selbst abschließend entscheiden. Das Rechtsmittel führt deshalb zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1, Abs. 3 ZPO).

I.

Das Berufungsgericht hat in seinem veröffentlichten Urteil (OLG Düsseldorf v. 22.5.2003 - I-10 U 108/02, ZIP 2003, 2125) gemeint, die Berufung der Kläger sei unbegründet, die des Beklagten zum Teil unbegründet. Die Leistungsklagen für den Zeitraum 16.3.2001 bis 31.5.2001 seien unzulässig, weil ein Vollstreckungsverbot nach § 210 InsO bestehe. Nachdem der Beklagte am 15.3.2001 Masseunzulänglichkeit angezeigt habe, sei das Prozessgericht hieran gebunden. Es handele sich auch für diesen Zeitraum um Altmasseverbindlichkeiten i. S. d. § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO.

Diese Mietzinsforderungen seien Masseverbindlichkeiten, weil es sich um Ansprüche aus gegenseitigen Verträgen handele, deren Erfüllung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen müsse. Es handele sich aber um Altmasseverbindlichkeiten i. S. d. § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO. Die Ansprüche seien nicht nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit begründet worden (§ 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO). Eine privilegierte Masseforderung nach § 209 Abs. 2 InsO liege nicht vor, weil der Beklagte nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit weder die Erfüllung der Zwischenmietverträge verlangt habe (Nr. 1), noch eine Forderung vorliege für die Zeit nach dem Termin, zu dem der Beklagte als Insolvenzverwalter erstmals habe kündigen können (Nr. 2). Auch eine Neumasseforderung nach § 209 Abs. 2 Nr. 3 InsO liege nicht vor, weil der Beklagte die Leistung nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit nicht in Anspruch genommen habe. Hierfür reiche der Fortbestand der Mietverhältnisse nicht aus. Erforderlich sei vielmehr der erklärte Wille des Insolvenzverwalters, die Gegenleistung - hier die Gebrauchsüberlassung - nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit für die Masse in Anspruch nehmen zu wollen. An einer solchen Willensäußerung fehle es, vielmehr hätten die Kläger entgegen dem Rat des Beklagten sich geweigert, fristlos zu kündigen, und dem Beklagten die Leistung aufgedrängt. Eine Rückgewähr des unmittelbaren Besitzes sei ihm wegen der fortdauernden Untervermietung nicht möglich gewesen.

II.

Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht durchgehend stand.

1. Zutreffend ist die Erwägung des Berufungsgerichts, dass die Anzeige der Masseunzulänglichkeit durch den Insolvenzverwalter für das Prozessgericht bindend ist und Altmasseverbindlichkeiten danach nicht mehr mit einer Leistungsklage verfolgt werden können (BGH, Urt. v. 3.4.2003 - IX ZR 101/02, BGHZ 154, 358 = BGHReport 2003, 759 = MDR 2003, 1015 = ZIP 2003, 914 [915]; Urt. v. 4.12.2003 - IX ZR 222/02, MDR 2004, 594 = BGHReport 2004, 484 = ZIP 2004, 326 [329]).

2. Die Annahme des Berufungsgerichts, es habe für den Zeitraum 16.3.2001 bis 31.5.2001 eine Altmasseverbindlichkeit vorgelegen, trifft nicht zu. Das Berufungsgericht hat eine Neumasseverbindlichkeit rechtsfehlerhaft verneint.

a) Eine Neumasseverbindlichkeit nach § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO hat das Berufungsgericht allerdings zutreffend abgelehnt. Sie liegt nur vor, wenn die Verbindlichkeit nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit begründet worden ist. Für eine "Begründung" in diesem Sinn reichte nicht aus, dass ein vorher abgeschlossenes Dauernutzungsverhältnis i. S. d. § 108 InsO auch noch eine gewisse Zeit lang nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit rechtlich fortbesteht. § 108 Abs. 2 InsO geht grundsätzlich von der Teilbarkeit der Leistungen in einem Dauerschuldverhältnis aus. I.S.v. § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO ist ein Schuldverhältnis (unmittelbar) "begründet" worden, wenn der Insolvenzverwalter den Rechtsgrund dafür erst nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit gelegt hat, insbesondere durch eine Handlung i. S. d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Hierbei handelt es sich jeweils um Verbindlichkeiten, die der Insolvenzverwalter durch selbstbestimmtes Handeln auslöst (BGH, Urt. v. 3.4.2003 - IX ZR 101/02, BGHZ 154, 358 = BGHReport 2003, 759 = MDR 2003, 1015 = ZIP 2003, 914 [916]). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

b) Die Voraussetzungen des § 209 Abs. 2 Nr. 1 InsO liegen ebenfalls nicht vor. Danach gelten als Neumasseverbindlichkeiten auch Verbindlichkeiten aus einem gegenseitigen Vertrag, dessen Erfüllung der Verwalter gewählt hat, nachdem er die Masseunzulänglichkeit angezeigt hatte. Dies entspricht allgemein der ersten Alt. des § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO und knüpft an das Erfüllungswahlrecht des Insolvenzverwalters gem. § 103 InsO an. Darum geht es vorliegend nicht. Das Grundstücksmietverhältnis unterliegt nicht § 103, sondern den §§ 108 bis 111 InsO (BGH, Urt. v. 3.4.2003 - IX ZR 101/02, BGHZ 154, 358 = BGHReport 2003, 759 = MDR 2003, 1015 = ZIP 2003, 914 [916]).

c) Gemäß § 209 Abs. 2 Nr. 2 InsO gelten als Neumasseverbindlichkeiten ferner die Verbindlichkeiten aus einem Dauerschuldverhältnis für die Zeit nach dem ersten Termin, zu dem der Verwalter nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit kündigen konnte. Auch diese Voraussetzungen hat das Berufungsgericht zutreffend verneint. Denn der Beklagte hatte das auf fünf bis zehn Jahre fest abgeschlossene Mietverhältnis mit den Klägern schon durch Schreiben v. 27.2.2001 zum 31.5.2001 gekündigt. Diese Kündigung wurde, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat und zwischen den Parteien nicht mehr im Streit steht, zum 30.9.2001 wirksam, denn die gesetzliche Frist i. S. d. § 109 Abs. 1 S. 1 InsO für die Kündigung von gewerblichen Zwischenmietverträgen wurde durch § 565 Abs. 1a BGB a. F. bestimmt (BGH, Urt. v. 8.5.2002 - XII ZR 323/00, BGHReport 2002, 711 = MDR 2002, 1113 = WM 2002, 1768 [1769]). Danach war die Kündigung spätestens am dritten Werktag eines Kalendervierteljahres für den Ablauf des nächsten Kalendervierteljahres zulässig. Das hiernach nächste Kalendervierteljahr endete am 30.9.2001. Dies war gem. § 109 Abs. 1 S. 1 InsO i. V. m. § 565 Abs. 1a BGB a. F. der frühestmögliche Termin seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zum 1.2.2001. Eine erneute Kündigung nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit hätte die Vertragsbeendigung nicht zu beschleunigen vermocht.

d) Dagegen greift § 209 Abs. 2 Nr. 3 InsO zumindest teilweise ein. Dies hat das Berufungsgericht verkannt.

(1) Die Vorschrift setzt voraus, dass der Insolvenzverwalter nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit für die Insolvenzmasse aus einem Dauerschuldverhältnis die Gegenleistung in Anspruch genommen hat. Das Berufungsgericht meint, aus dem Regelungszusammenhang ergebe sich die Notwendigkeit eines voluntativen Elementes in dem Sinne, dass der Insolvenzverwalter im Falle des § 209 Abs. 2 Nr. 3 InsO die Gegenleistung auf der Grundlage eines erklärten eigenen Willensaktes in Anspruch genommen hat.

Dies trifft nicht zu. Wie der Senat wiederholt entschieden hat, setzt § 209 Abs. 2 Nr. 3 InsO lediglich ein Verhalten des Insolvenzverwalters voraus, mit dem er die Gegenleistung nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit nutzt, obwohl er dies pflichtgemäß hätte verhindern können (BGH, Urt. v. 3.4.2003 - IX ZR 101/02, BGHZ 154, 358 = BGHReport 2003, 759 = MDR 2003, 1015 = ZIP 2003, 914 [916]; Urt. v. 4.12.2003 - IX ZR 222/02, MDR 2004, 594 = BGHReport 2004, 484 = ZIP 2004, 326 [329]). Der Senat hat sich in der ersten Entscheidung auch mit der vom Berufungsgericht vertretenen Auffassung auseinander gesetzt. Hierauf braucht nicht erneut eingegangen werden.

Im Ergebnis ist der Insolvenzverwalter einerseits gehalten, von sich aus alles zu unternehmen, um die weitere Inanspruchnahme der Gegenleistung zu verhindern. Soweit er durch eine noch laufende Kündigungsfrist gebunden ist (s.o. c), hat er den Vermieter im Zusammenhang mit der Anzeige der Masseunzulänglichkeit "freizustellen", indem er ihm die weitere Nutzung der Mietsache anbietet. Ist das Angebot auf Rückgewähr des unmittelbaren Besitzes nicht möglich, weil eine fortdauernde Weiter- oder Untervermietung besteht, so ist die Übergabe des mittelbaren Besitzes anzubieten. Hierzu gehörte das Recht, den Untermietzins einzuziehen.

(2) Wegen der Miete v. 1.4.bis 31.5.2001 handelt es sich demnach um Neumasseverbindlichkeiten i. S. v. § 209 Abs. 2 Nr. 3 InsO. Denn nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit am 15.3.2001 hätte der Beklagte den Klägern noch den mittelbaren Besitz an den vermieteten Wohnungen, verbunden mit dem Recht, die von den Endmietern zu zahlende Miete einzuziehen, verschaffen können. Es ist nicht dargetan, dass die Kläger von einem solchen Angebot, das der Beklagte zu keinem Zeitpunkt unterbreitet hat, keinen Gebrauch gemacht hätten.

Der Beklagte hat insbesondere mit seinem Rundschreiben v. 29.1.2001 gegenüber den Klägern nichts Ausreichendes dafür getan, um ihnen den mittelbaren Besitz zu verschaffen. Er hat in diesem Schreiben lediglich darauf hingewiesen, dass sie gem. § 554 Abs. 1 Nr. 1 BGB a. F. fristlos kündigen und in die Endmietverträge gem. § 549a BGB a. F. eintreten oder mit den Endmietern neue Verträge abschließen könnten. Für den Fall, dass eine größere Zahl von Vermietern an den Zwischenmietverträgen festhalten würde, hat er angekündigt, dass er gegenüber dem Gericht Masseunzulänglichkeit anzeigen müsse. Zu diesem Zeitpunkt war das Insolvenzverfahren noch nicht eröffnet.

Wären die Kläger diesen Vorschlägen gefolgt, hätten sie allerdings ihre vertraglichen Erfüllungsansprüche gegen den Beklagten verloren, die für die Zeit ab 1.2.2001 Masseansprüche waren. Dadurch, dass der Beklagte weiterhin keine Miete an die Kläger bezahlte, obwohl er weiterhin die Miete der Endmieter vereinnahmte, hat er nicht alles getan, um die weitere Inanspruchnahme der Mietsache zu verhindern. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts wurde ihm die Gegenleistung der Kläger ab 16.3.2003 nicht von den Klägern aufgedrängt, ohne dass er dies hätte verhindern können. Durch eine Übersendung der Mietverträge mit den Endmietern und von Schlüsseln konnte er den Klägern lediglich mittelbaren Besitz einräumen; solange er selbst weiter die Miete vereinnahmte, nahm er die Mietsache gleichwohl noch in Anspruch.

Der Beklagte hätte vielmehr den Klägern die Anzeige der Masseunzulänglichkeit mitteilen und ihnen die Einziehung des Mietzinses der Endmieter anbieten müssen. Dies gilt umso mehr, als das Schreiben des Beklagten v. 29.1.2001 bei den Klägern den Eindruck erwecken konnte, die Endmieter hätten jedenfalls an den Beklagten zu zahlen, solange die Mietverträge mit der Schuldnerin fortbestanden. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass die Kläger nicht bereit gewesen wären, nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit den Mietzins von den Endmietern einzuziehen.

(3) Zur Entscheidung der Frage, ob für die Zeit v. 16.3.2001 bis 31.3.2001 Neumasseverbindlichkeiten vorliegen, fehlen die erforderlichen Feststellungen. Nach den streitgegenständlichen Zwischenmietverträgen war der Mietzins monatlich, aber nicht im Voraus zu bezahlen. Er war deshalb nach § 551 Abs. 1 BGB a. F. am Monatsende fällig. Waren die monatlichen Mietzahlungen der Endmieter aber bereits am Monatsanfang bezahlt worden, war die Massebereicherung (§ 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO) bereits vor Anzeige der Masseunzulänglichkeit eingetreten. Dieser Geldbetrag stand dann noch allen bisherigen Massegläubigern zu. Die davon abzusondernde Insolvenzmasse gegenüber den Neugläubigern wurde in diesem Fall nicht angereichert (BGH, Urt. v. 3.4.2003 - IX ZR 101/02, BGHZ 154, 358 = BGHReport 2003, 759 = MDR 2003, 1015 = ZIP 2003, 914 [917]). Der Beklagte konnte dann im Verhältnis zu den Klägern an der weiteren Nutzung durch die Endmieter für diesen Zeitraum nichts mehr ändern.

War die Zahlung der Miete von den Endmietern für die Zeit v. 16.3.2001 bis 31.3.2001 dagegen erst nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit erfolgt, liegen für diese Zeit gegenüber den Klägern ebenfalls Neumasseverbindlichkeiten vor. Der Zeitpunkt der Mietzahlungen durch die Endmieter muss deshalb festgestellt werden.

3. Der Rechtsstreit ist insgesamt nicht zur Endentscheidung reif, weil der Beklagte geltend gemacht hat, die Masse reiche auch nicht zu einer vollständigen Befriedigung aller Neumassegläubiger aus. Das Berufungsgericht hat dies dahingestellt sein lassen. Das LG hatte aus der öffentlichen Bekanntmachung der Masseunzulänglichkeit auch auf eine Masseunzulänglichkeit im Hinblick auf die Neumassegläubiger geschlossen. Deshalb hat es den Klägern die Darlegungs- und Beweislast dafür auferlegt, dass eine Masseunzulänglichkeit im Hinblick auf die Neumassegläubiger nicht gegeben ist. Beide Annahmen treffen nicht zu. Die erforderlichen Feststellungen sind deshalb noch nicht getroffen und müssen nachgeholt werden.

Welche Rechtsfolgen eintreten, wenn nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit (§ 208 InsO) auch die neu zu erwirtschaftende Insolvenzmasse wiederum nicht ausreicht, um alle fälligen Neumasseverbindlichkeiten zu decken, ist gesetzlich nicht geregelt. Der Senat hat jedoch bereits entschieden, dass es auch im Falle der erneuten Masseunzulänglichkeit gegenüber den Neumassegläubigern geboten ist, auf eine entsprechende Einwendung des Insolvenzverwalters hin nur noch die Feststellungsklage zuzulassen. Denn wie in den Fällen des § 208 InsO und des § 60 KO kann der Insolvenzverwalter die Erfüllung von Neumasseverbindlichkeiten verweigern, sobald sich herausstellt, dass die verfügbare Insolvenzmasse nicht zur Befriedigung aller Neumassegläubiger ausreicht. Der Insolvenzverwalter kann in diesem Fall nicht mehr uneingeschränkt zur Leistung verurteilt werden; das Bestehen der Forderung der Neumassegläubiger ist - jedenfalls wenn die auf sie entfallende Quote noch nicht feststeht - gerichtlich nur noch festzustellen (BGH, Urt. v. 3.4.2003 - IX ZR 101/02, BGHZ 154, 358 = BGHReport 2003, 759 = MDR 2003, 1015 = ZIP 2003, 914 [918]).

Der nur im Prozess vom Insolvenzverwalter vorgebrachte Einwand der Neumasseunzulänglichkeit hat nicht die verbindliche Wirkung einer Anzeige gem. § 208 InsO. Vielmehr hat der Insolvenzverwalter im Einzelnen die Voraussetzungen der Unzulänglichkeit darzulegen und zu beweisen (BGH, Urt. v. 3.4.2003 - IX ZR 101/02, BGHZ 154, 358 = BGHReport 2003, 759 = MDR 2003, 1015 = ZIP 2003, 914 [916]; Urt. v. 4.12.2003 - IX ZR 222/02, MDR 2004, 594 = BGHReport 2004, 484 = ZIP 2004, 326 [330]).

Die Anzeige der Unzulänglichkeit der Masse hat für eine Unzulänglichkeit der für die Neumassegläubiger zur Verfügung stehenden Masse keine Indizwirkung.

Das Berufungsgericht wird die erforderlichen Feststellungen nachzuholen haben, ggf. nach ergänzendem Sachvortrag der Parteien.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1159894

BGHR 2004, 1264

EWiR 2004, 871

ZIP 2004, 1277

DZWir 2005, 116

WuM 2004, 545

ZInsO 2004, 674

ZVI 2006, 67

SJ 2005, 37

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