Leitsatz (amtlich)

Wer im Vertrauen auf die mündliche Zusage eines anderen fest mit dem käuflichen Erwerb eines Grundstücks rechnet und in dieser Erwartung unter Einsatz seiner Arbeitskraft als Architekt Pläne für die Bebauung des Grundstücks entwirft, kann, wenn der andere seine Zusage nicht einhält und die Arbeit sich deshalb als vergeblich erweist, jedenfalls dann nicht unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen das übliche Entgelt als Schadensersatz verlangen, wenn er seine Arbeitskraft sonst nicht anderweitig gewinnbringend hätte einsetzen können.

 

Verfahrensgang

OLG Oldenburg (Oldenburg) (Entscheidung vom 18.09.1974)

LG Oldenburg

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 18. September 1974 wird auf Kosten der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Verurteilungsbetrag von 37.217,53 DM auf 36.217,53 DM berichtigt wird.

 

Tatbestand

Der Kläger und der Ehemann der Beklagten waren Miteigentümer zu je 1/2 des Grundstücks O., B.strasse .... Mit Vertrag vom 25. Oktober 1972 verkaufte der Kläger seinen Miteigentumsanteil zu einem Preis von 75.000 DM an die Beklagte. Diese hat auf den Kaufpreis keine Zahlung geleistet; sie hat sich vielmehr auf die Aufrechnung mit Gegenansprüchen teils aus eigenem, teils aus abgetretenem Recht berufen.

Der Kläger, der einen Teil der Gegenansprüche anerkannt hat, begehrt Zahlung des Restkaufpreises.

Das Landgericht hat durch Teilurteil die Beklagte zur Zahlung von 38.017,53 DM nebst 10 % Zinsen seit dem 27. Dezember 1972 verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das Teilurteil teilweise abgeändert und unter Zurückweisung der weiteren Berufung die Beklagte zur Zahlung von 37.217,53 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 27. Dezember 1972 verurteilt. Mit der Revision verfolgt die Beklagte den Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger bittet um Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

I.

Bei den in der Revisionsinstanz noch streitigen Aufrechnungsforderungen geht es im einzelnen um folgendes:

1.

Gemäß Vertrag vom 15. September 1970 hatte die Beklagte für den Kläger ein Mehrfamilienhaus zum Preis von 567.735 DM zu erstellen. Die Zahlung sollte in bestimmten Teilbeträgen nach Baufortschritt erfolgen; eine erste Rate von 50.000 DM war "8 Tage nach Beginn der Bauarbeiten" zu zahlen. Am Schluß der Zahlungsvereinbarung heißt es:

"Bei Zahlungsverzögerungen der fälligen Kaufpreisteile kann 2 % über Bankdiskont und Bearbeitungsgebühr berechnet werden."

Das Berufungsgericht hat den von der Beklagten zur Aufrechnung gestellten Zinsanspruch in Höhe von 1.730,80 DM (2.530,80 DM abzüglich vom Berufungsgericht zuerkannter 800 DM) verneint, weil weder Verzug gegeben sei noch eine vertragliche Grundlage für eine gesonderte Verzinsung der ersten Teilzahlung von 50.000 DM ersichtlich sei.

Gegen diese Ausführungen wendet die Revision sich ohne Erfolg.

a)

Verzug mit der Zahlung der ersten Rate von 50.000 DM entfällt mangels Mahnung. Die Vereinbarung "Zahlung 8 Tage nach Beginn der Bauarbeiten" erfüllt - wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat - nicht die Voraussetzungen des § 284 Abs. 2 Satz 1 BGB.

b)

Die Annahme des Berufungsgerichts, die Absprache der Parteien über die Folge einer Zahlungsverzögerung stelle keine Abweichung von § 641 Abs. 2 BGB (Pflicht zur Verzinsung der Vergütung ab Abnahme) dar, sondern sei als Vereinbarung eines pauschalierten Verzugsschadens nach § 286 Abs. 1 BGB anzusehen, ist möglich und daher als Ergebnis einer tatrichterlichen Auslegung der Vereinbarung vom 15. September 1970 für das Revisionsgericht bindend. Entgegen der Ansicht der Revision ist der Wortlaut der Vereinbarung nicht eindeutig in dem Sinne, daß die bloße Fälligkeit einen Zinsanspruch auslösen sollte. Die Vereinbarung bedurfte vielmehr der tatrichterlichen Auslegung.

2.

Die Revision bleibt auch insoweit erfolglos, als sie sich dagegen wehrt, daß das Berufungsgericht einen von der Beklagten aus abgeleitetem Recht hergeleiteten Zinsanspruch in Höhe von 487,50 DM für Verwendungen ihres Ehemanns bezüglich des Grundstücks B.strasse ... als unschlüssig angesehen hat. Die "Zusammenstellung" der Beklagten über die angeblichen Forderungen gegen den Kläger vom 27. Februar 1973 ergibt nicht, welcher Zinsbetrag auf welche der angeblichen Aufwendungen entfallen sein soll. Soweit die Revision Vortrag der Beklagten in der Berufungsinstanz als rechtsfehlerhaft übergangen bezeichnet, scheitert der Angriff daran, daß auch dieser Vortrag nicht erkennen läßt, wann bestimmte Aufwendungen gemacht worden sein sollen und inwiefern durch sie Zinsen zu Lasten des Kontos des Ehemanns der Beklagten bei der C.-bank O. begründet worden sein sollen. Bei dieser Sachlage liegt kein Rechtsverstoß darin, daß das Berufungsgericht mangels substantiierten Vertrages davon abgesehen hat, die beantragte Auskunft der C.bank O. einzuholen.

3.

Unter dem 6. April 1970 schlossen der Kläger und der Ehemann der Beklagten eine Vereinbarung, derzufolge Käufer bestimmter Grundstücksparzellen des Klägers "4 DM pro qm direkt" an den Ehemann der Beklagten zahlen sollten. Auf der Grundlage dieser Vereinbarung verlangt die Beklagte aus von ihrem Ehemann abgeleitetem Recht die Zahlung von 14.192 DM. Das Berufungsgericht hat diesen zur Aufrechnung gestellten Anspruch als unbegründet angesehen, weil aus der Vereinbarung nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit entnommen werden könne, daß auch ohne Weiterverkauf der Grundstücke 4 DM je qm bestimmter Grundstücksparzellen an den Ehemann der Beklagten zu zahlen seien. Die zu zahlenden Beträge seien gerade auf die Käufer abgewälzt worden. Daraus sei zu entnehmen, daß der Kläger selbst nichts habe zahlen sollen. Diese tatrichterliche Auslegung ist vom Wortlaut der Vereinbarung vom 6. April 1970 her jedenfalls möglich und daher für das Revisionsgericht bindend. Soweit die Revision vorträgt, Treu und Glauben sowie eine angemessene wirtschaftliche Betrachtungsweise verlangten, daß der Kläger, wenn er statt eines Verkaufs der Grundstücke lieber die weitere Preisentwicklung abwarten wolle, schon jetzt die Vergütung von 4 DM je qm zahlen müsse, stützt sie sich hinsichtlich des Verhaltens des Klägers zum Teil auf einen Sachverhalt, der so weder vom Berufungsgericht festgestellt, noch etwa in einem vom Berufungsgericht rechtsfehlerhaft übergangenen, von der Revision aufgewiesenen Vertrag der Beklagten behauptet worden ist. Schon daran scheitert auch dieser Revisionsangriff.

Soweit die Beklagte mit Schriftsatz vom 10. Mai 1976 erstmals in der Revisionsinstanz vorträgt, der Kläger habe inzwischen bestimmte Grundstücke verkauft, kann dieser neue Vortrag gemäß § 561 Abs. 1 ZPO nicht berücksichtigt werden.

4.

Soweit der Ehemann der Beklagten im Vertrauen auf eine Zusage des Klägers, ihm zwei bestimmte Grundstücke zu verkaufen, für diese Grundstücke Bebauungsentwürfe angefertigt und dafür einen Zeit- und Arbeitsaufwand im angegebenen Wert von 21.028,32 DM gemacht haben will, hat das Berufungsgericht einen auf Verschulden bei Vertragsverhandlungen gestützten Schadensersatzanspruch der Beklagten (aus abgetretenem Recht) verneint.

Die Beklagte glaubt, als Schaden den Zeit- und Arbeitsaufwand ihres Rechtsvorgängers für überflüssige Bebauungsentwürfe unter Zugrundelegung der Sätze der Gebührenordnung für Architekten geltend machen zu können. Das Berufungsgericht hat hierzu ausgeführt, die Beklagte habe den angeblichen Zeit- und Arbeitsaufwand nicht näher substantiiert; daher erübrige sich auch die Einholung eines Sachverständigengutachtens. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision sind im Ergebnis unbegründet:

a)

Die Beklagte verlangt als Rechtsnachfolgerin ihres Ehemanns Ersatz des von ihrem Ehemann in Erwartung des Erwerbs von zwei Grundstücken gemachten Zeit- und Arbeitsaufwandes für die Erstellung von Bebauungsentwürfen. Sie begehrt also Schadensausgleich für die von ihrem Mann infolge Nichteinhaltung einer Verkaufszusage des Klägers überflüssig eingesetzte Arbeitskraft. Der vergebliche Einsatz der Arbeitskraft ist jedoch für sich allein betrachtet kein Vermögensschaden (vgl. BGHZ 54, 45, 50; BGB-RGRK, 12. Aufl. vor § 249 Rdn. 7; Palandt, BGB 36. Aufl. Vorbem. vor § 249, 2 b ee). Entscheidend für das Vorliegen eines Schadens ist vielmehr, daß durch den vergeblichen Einsatz der Arbeitskraft ein gewinnbringender anderweitiger Einsatz der Arbeitskraft unterblieben ist. Es muß also ein tatsächlicher Verdienst- oder Gewinnausfall vorliegen, wobei dem Geschädigten § 252 BGB zugute kommen kann.

Die im Zusammenhang mit dem Aufwendungsersatz zu § 683 BGB - und unter bestimmten Voraussetzungen auch zu § 670 BGB - vertretene Meinung, der Geschäftsführer könne für die Geschäftsführertätigkeit als solche, wenn sie in den Kreis seiner beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit falle, die übliche Vergütung verlangen (vgl. BGB-RGRK 12. Aufl. § 683 Rdn. 7, § 670 Rdn. 10 u. 11; Staudinger/Nipperdey, BGB 11. Aufl. § 670 Rdn. 13; Palandt, BGB 36. Aufl. § 683 Anm. 4, 670 Anm. 2 a) steht der obigen Auffassung des Senats zur Bewertung der Arbeitskraft im Rahmen eines Schadensersatzanspruches aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen nicht entgegen. Bei einer Geschäftsführung ohne Auftrag - und unter Umständen auch beim Auftrag - wird wie bei einem Dienst- oder Werkvertrag die Arbeitskraft des Geschäftsführers für einen anderen (den Geschäftsherrn oder Vertragspartner) eingesetzt. In diesem Fall stimmt es mit dem sich aus den §§ 612, 632 BGB ergebenden Grundsatz überein, den Arbeitseinsatz mit der für die Berufs- oder Gewerbetätigkeit üblichen Vergütung zu bewerten. Beim vorliegend geltend gemachten Schadensersatzanspruch aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen hat der Ehemann der Beklagten aber keine Arbeitskraft für den Kläger aufgewendet. Er hat vielmehr in Erwartung des Erwerbs von Grundstücken im eigenen Interesse Bebauungsunterlagen geschaffen. Die so aufgewendete Arbeitskraft ist schadensrechtlich nur dann relevant, wenn durch ihren - unnötigen - Einsatz ein sonst zu erwartender Gewinn entgangen ist.

Der hier vertretenen Auffassung steht auch nicht die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in JZ 71, 380 = WM 1970, 1200 entgegen. Dort ging es um eine Schadensberechnung für den Ausfall der Arbeitskraft eines Angestellten für den Arbeitgeber im Falle des Einsatzes eines anderen Angestellten. Ein vergleichbarer Sachverhalt liegt hier nicht vor.

b)

Die Beklagte hat weder in der Vorinstanz noch im Zusammenhang mit der Erhebung der Rüge aus § 139 ZPO in der Revisionsbegründung vorgetragen, wie ihr Ehemann ohne die Anfertigung der Bebauungsentwürfe seine Arbeitskraft anderweitig eingesetzt haben würde. Ein derartiger Vortrag wäre aber nach den obigen Ausführungen für das Vorliegen eines relevanten Schadens erforderlich gewesen.

Die von der Revision angegriffene Auffassung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe den Zeit- und Arbeitsaufwand ihres Ehemannes für die Fertigung der Bebauungsunterlagen nicht näher spezifiziert, ist daher für die Frage nach dem Vorliegen eines Schadens im Sinne obiger Ausführungen ohne Bedeutung. Dementsprechend muß auch die Rüge der Nichteinholung des von der Beklagten beantragten Sachverständigengutachtens ohne Erfolg bleiben.

Soweit die Revision rügt, das Berufungsgericht habe von der Möglichkeit der Schadensschätzung nach § 287 ZPO keinen Gebrauch gemacht, kann sie sich weder auf ausreichende Schätzungsgrundlagen in dem vom Berufungsgericht festgestellten Sachvortrag noch in einem durch das Berufungsgericht übergangenen derartigen Vortrag berufen.

c)

Was endlich die in Rechnung gestellten Posten "Papier, Porto, Telefon" in Höhe von insgesamt 450 DM anbetrifft, so ist die Auffassung des Berufungsgerichts, insoweit fehle die erforderliche Spezifizierung, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Ausreichende Schätzungsgrundlagen sind hier nicht dargetan.

II.

Dem Berufungsgericht - und dem Landgericht - ist bei der Berechnung des von der Beklagten noch zu zahlenden Kaufpreises ein Rechenfehler unterlaufen, den der Senat gemäß § 319 ZPO im vorliegenden Urteil berichtigen kann. Das Landgericht hatte die Beklagte zur Zahlung von 38.017,53 DM verurteilt. Ausgehend von einem Kaufpreis in Höhe von 75.000 DM wurden dabei Gegenansprüche der Beklagten in Höhe von 26.530,86 DM berücksichtigt. Da das Landgericht im übrigen aber Gegenforderungen in Höhe von insgesamt 11.451,61 DM als noch nicht entscheidungsreif ansah, hätte der Verurteilungsbetrag richtig 37.017,53 DM - statt 38.017,53 DM - lauten müssen.

Das Berufungsgericht hat den Rechenfehler übernommen und ausgehend von 38.017,53 DM noch zwei weitere Beträge von 440 DM und 360 DM (insgesamt also 800 DM), abgezogen. Der sich unter Berücksichtigung des Abzuges von 800 DM ergebende Verurteilungsbetrag beläuft sich demnach auf 36.217,53 DM - und nicht auf 37.217,53 DM -.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 3018725

BGHZ 69, 34 - 37

BGHZ, 34

DB 1977, 1455 (Volltext mit amtl. LS)

NJW 1977, 1446

NJW 1977, 1446-1447 (Volltext mit amtl. LS)

JZ 1977, 512

MDR 1977, 1007 (Volltext mit amtl. LS)

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