Leitsatz (amtlich)

Die Bestimmung im Gesellschaftsvertrag einer Publikumskommanditgesellschaft, nach der die Gesellschafter unter bestimmten Voraussetzungen zur Erhöhung ihrer Einlagen verpflichtet sind, ist im Zweifel dahin auszulegen, daß die Erhöhung nur gefordert werden kann, solange das zusätzliche Kapital dem Gesellschaftszweck zu dienen bestimmt ist.

 

Tatbestand

Die Beklagten sind Kommanditisten der 1969 gegründeten B.-H. KG T.-D. Grundstücksverwaltungsgesellschaft mbh & CO, einer Publikumskommanditgesellschaft, die im Rahmen des Berlin-Hilfsgesetzes in B.-T. einen Gebäudekomplex mit zahlreichen Läden und 200 Wohneinheiten errichtete.

Die Klägerin ist Kreditgeberin der Kommanditgesellschaft. Nachdem diese in Zahlungsschwierigkeiten geraten war und feststand, daß sie ein Ende 1975 fällig werdendes Darlehen der Klägerin in Höhe von 1.323.471,33 DM nebst Zinsen nicht würde zurückzahlen können – inzwischen ist das B.-H. zwangsversteigert –, Verlangte die Klägerin im November 1975 die Erhöhung der Kommanditeinlagen um 20%. Sie berief sich auf § 6 Abs 6 des Gesellschaftsvertrages, der folgenden Inhalt hat:

„Falls die Mehrheit der Gesellschafter mit einem Gesamtkapital von 75vH eine Erhöhung der Kommanditeinlagen beschließt, verpflichten sich sämtliche Kommanditisten schon jetzt, auf Anforderung der Komplementärin ihre Kommanditanteile entsprechend ihrem bisherigen Anteil zu erhöhen. Als Erhöhung kann höchstens ein Betrag von 20vH der Kommanditeinlage verlangt werden. Dies gilt auch, wenn Kreditinstitute die Erhöhung der Kommanditeinlagen verlangen. In diesem Fall ist ein Gesellschafterbeschluß nicht erforderlich”.

Die persönlich haftende Gesellschafterin der Kommanditgesellschaft forderte die Kommanditisten vergeblich auf, ihre Kommanditanteile auf 120% aufzustocken. Am 19. Dezember 1975 erteilte die Kommanditgesellschaft der Klägerin ein notarielles Schuldanerkenntnis in Höhe der Darlehensforderung und unterwarf sich insoweit der sofortigen Zwangsvollstreckung. Daraufhin erwirkte die Klägerin einen Pfändungsbeschluß und Überweisungsbeschluß, der die Ansprüche der Kommanditgesellschaft gegen die Kommanditisten auf Einzahlung der erhöhten Kommanditeinlagen betrifft. Diese Ansprüche nebst Zinsen macht sie mit der vorliegenden Klage geltend. Sie hat beantragt, die Beklagte zu 1 zur Zahlung von 34.000 DM, den Beklagten zu 2 zur Zahlung von 60.000 DM, den Beklagten zu 3 zur Zahlung von 12.000 DM, den Beklagten zu 4 zur Zahlung von 20.000 DM und den Beklagten zu 5 zur Zahlung von 74.000 DM jeweils nebst 9% Zinsen seit dem 1. April 1976 zu verurteilen.

Beide Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, verfolgt die Klägerin diese Ansprüche weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Das Berufungsgericht hat § 6 Abs 6 Satz 3 und 4 des Gesellschaftsvertrages zu Recht dahin ausgelegt, daß der persönlich haftenden Gesellschafterin das Recht, die gesellschaftsvertragliche Beitragspflicht der Kommanditisten zu erhöhen, eingeräumt werden sollte, wenn ein Kreditinstitut dies verlangt. Nach dem Wortlaut der Bestimmung scheint sich die Aufgabe der persönlich haftenden Gesellschafterin zwar auf die Anforderung des Geldes zu beschränken. Da sie aber als Geschäftsführerin über die Verwendung des Kapitals zu entscheiden hat, ist die Bestimmung interessengerecht so auszulegen, daß die persönlich haftende Gesellschafterin sowohl in dem Fall, daß die Gesellschafterversammlung mit 75% Mehrheit eine Erhöhung beschließt, als auch bei dem Erhöhungsverlangen eines Kreditinstituts ein eigenes Entscheidungsrecht hat. Das im Gesellschaftsvertrag nicht näher bezeichnete Kreditinstitut, das das Verlangen nach § 6 Abs 6 Satz 3 und 3 des Gesellschaftsvertrages stellen kann, hat weder gegen die persönlich haftende Gesellschafterin noch gegen die Kommanditgesellschaft oder gegen die Kommanditisten einen durchsetzbaren Anspruch auf Erhöhung der Einlagen. Eine etwaige Verpflichtung der Kommanditisten hängt deshalb davon ab, ob die persönlich haftende Gesellschafterin aufgrund des Verlangens eines Kreditinstituts von ihrem Anforderungsrecht Gebrauch macht.

Das Berufungsgericht hat weiter ausgeführt, zum Schutz der Kommanditisten müßten die Grenzen dieses Rechts eng gezogen werden. Da eine Nachschußpflicht auch bei Vermögensverfall nicht mehr der Erhaltung und Fortführung des Betriebes, sondern ausschließlich der Befriedigung eines oder mehrerer Gläubiger diene, hätte eine solche Pflicht im Gesellschaftsvertrag besonders ausgesprochen werden müssen. Das Berufungsgericht hat § 6 Abs 6 Satz 3 und 4 des Gesellschaftsvertrages deshalb dahingehend ausgelegt, daß die Kommanditisten nicht verpflichtet sein sollten, auch bei Vermögensverfall ohne Gesellschafterbeschluß allein aufgrund des Verlangens eines Kreditinstituts und der Anforderung durch die persönlich haftende Gesellschafterin ihre Einlagen zu erhöhen.

Dieser einschränkenden, an dem Interesse der Kommanditisten orientierten Auslegung ist zuzustimmen. Das Berufungsgericht hat den Gesellschaftsvertrag zutreffend nach objektiven Kriterien ausgelegt. Bei der Auslegung der Gesellschaftsverträge von Publikumsgesellschaften sind die Vorstellungen der Gründungsgesellschafter, soweit sie nicht im Gesellschaftsvertrag zum Ausdruck gekommen sind, nicht zu berücksichtigen; maßgeblich ist allein der schriftliche Inhalt des Vertrages. Die erst nach Abschluß des Gesellschaftsvertrages beitretenden Kommanditisten müssen sich darauf verlassen können, daß ihnen nur solche Pflichten auferlegt werden, die eindeutig in dem Vertragstext festgelegt sind. Wenn der Vertrag die Erhöhung der Beitragspflicht unter bestimmten Umständen vorsieht, kann der Kommanditist grundsätzlich davon ausgehen, daß die Erhöhung nur im Gesellschaftsinteresse gefordert wird und daß das zusätzliche Kapital für den Betrieb des Unternehmens, den Gesellschaftszweck, bestimmt ist. Im Rahmen der Vertragsfreiheit können sich die Gesellschafter zwar auch zur Leistung von Nachschüssen bei Vermögensverfall der Gesellschaft verpflichten. Eine so weit gehende Verpflichtung ist aber ungewöhnlich und kann grundsätzlich nur dann angenommen werden, wenn sie deutlich auch für diesen Fall vorgesehen ist.

Besondere Umstände, die im vorliegenden Fall eine andere Auslegung rechtfertigen könnten, liegen nicht vor.

Der Einwand der Revision, die Gesellschaft habe sich im Zeitpunkt des Erhöhungsverlangens noch nicht in Vermögensverfall befunden, hat keinen Erfolg, ohne daß es auf den Begriff „Vermögensverfall” ankommt. Unstreitig befand sich die persönlich haftende Gesellschafterin der Kommanditgesellschaft bereits in Liquidation, als sie die Kommanditisten zur Erhöhung ihrer Einlagen aufforderte. Es kann dahingestellt bleiben, ob dieser Umstand, wie die Revisionserwiderung meint, zum Wegfall der Rechtsstellung als persönlich haftende Gesellschafterin und damit zur Auflösung der Kommanditgesellschaft führt (so auch Westermann, Handbuch der Personengesellschaften I Rdn 614). Jedenfalls stand damals bereits fest, daß die zusätzlichen Geldmittel ausschließlich zur Befriedigung von Gesellschaftsgläubigern verwandt werden sollten und nicht für die Verwirklichung des Gesellschaftszwecks bestimmt waren. Gerade wegen dieser ausweglosen Situation der Gesellschaft hatte die Klägerin den Kredit kurzfristig gekündigt, um noch vor dem völligen Verfall der Gesellschaft die in § 6 Abs 6 des Gesellschaftsvertrages vorgesehenen Nachschußleistungen Befriedigung zu erlangen.

Für die Beurteilung der Frage, ob die geforderten Beiträge dem Gesellschaftszweck zu dienen bestimmt sind, ist entgegen der Ansicht der Revision nicht der Zeitpunkt der Kreditgewährung maßgeblich. Entscheidend ist vielmehr der Zeitpunkt, in dem die Kommanditisten ihre Beiträge erhöhen sollten. Denn erst zu dieser Zeit wird festgelegt, wozu das zusätzliche Kapital verwandt werden soll. Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, sie habe, als sie den Kredit gewährt habe, auf die Erhöhung der Beitragspflicht nach § 6 Abs 6 des Gesellschaftsvertrages vertraut, damals habe die Verwirklichung des Gesellschaftszwecks sicher erschienen. Der Klägerin war im Zeitpunkt der Kreditgewährung der Inhalt des Gesellschaftsvertrages bekannt. Auf eine andere Auslegung als die vorstehende durfte sie verständigerweise nicht vertrauen. Es ist ihr Risiko, wenn sie sich auf abweichende Angaben der persönlich haftenden Gesellschafterin verlassen hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 648990

JZ 1979, 190

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