Leitsatz (amtlich)

Bei einem finanzierten Abzahlungskauf aus der Zeit vor Inkrafttreten des Verbraucherkreditgesetzes (1. Januar 1991) steht einem Dritten, der nur dem Darlehensvertrag als Mitschuldner beigetreten ist, kein Widerrufsrecht zu (Bestätigung von BGHZ 91, 37, 46).

Tritt ein Dritter einem Darlehensvertrag als Mitschuldner bei, so ist bei der Prüfung des Mißverhältnisses zwischen Verpflichtung und Leistungsfähigkeit auf den Fall abzustellen, daß von ihm als Gesamtschuldner die volle geschuldete Leistung gefordert wird.

Ist eine erst seit kurzer Zeit volljährige Ehefrau (hier: 20 Jahre alt), die über keine qualifizierte Berufsausbildung verfügt und auch kaum praktische geschäftliche Erfahrungen hat, einer Bankkreditschuld ihres Ehemanns beigetreten und besteht zwischen der übernommenen Verpflichtung und ihrer Leistungsfähigkeit ein auffälliges. Mißverhältnis, so besteht die Vermutung, daß sie sich nur aufgrund ihrer schwächeren Verhandlungsposition auf den Schuldbeitritt eingelassen hat und ihre Unterlegenheit von seiten der Bank ausgenutzt worden ist.

 

Normenkette

AbzG §§ 1b, 6; VerbrKrG § 7; BGB §§ 138, 607

 

Verfahrensgang

OLG Stuttgart (Urteil vom 17.08.1993)

LG Tübingen

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 17. August 1993 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Im November 1989 wollte der damalige Ehemann der Beklagten – die Ehe ist inzwischen geschieden – beim Autohaus To. in T. einen Pkw Mitsubishi Pajero V 6 kaufen, der als Vorführwagen 41.600 DM kosten sollte. Zur Finanzierung war die Mitsubishi-eigene MKG Kreditbank aufgrund der Selbstauskunft nicht bereit; darin waren das monatliche Nettoeinkommen des Ehemanns als Versicherungsangestellten (im Außendienst) mit 2.500 DM, seine sonstigen monatlichen Belastungen (Ratenverpflichtungen) mit 287 DM, der Nettoverdienst der Beklagten als Reinigungskraft mit 800 DM und ihre sonstigen Einkünfte (Erziehungsgeld) mit 420 DM angegeben. Beide Eheleute hatten eine 1 1/2-jährige Tochter. Die Beklagte war erneut – im sechsten Monat – schwanger; ihr zweites Kind wurde als Frühgeburt am 28. Dezember 1989 geboren. Die Beklagte, die nach dem Realschulabschluß eine Berufsausbildung als Einzelhandelskaufmann begonnen, bereits nach drei Monaten aber wegen der ersten Schwangerschaft wieder abgebrochen hatte, war zur Zeit der Autokaufverhandlungen 20 Jahre alt.

Das Autohaus To. arbeitete noch mit einer anderen Bank, der Klägerin, zusammen; sie war zur Übernahme der von der Mitsubishi Bank abgelehnten Finanzierung bereit. Der Ehemann der Beklagten – nach der Zeugenaussage des Autoverkäufers „eine Art Autofanatiker” – unterschrieb am 28. November 1989 bei der Verkäuferfirma eine verbindliche Bestellung für den gewünschten Pkw und zugleich einen Kreditantrag an die Klägerin; danach sollte die Darlehenssumme insgesamt 51.587,40 DM betragen und ab 15. Januar 1990 in einer ersten Rate von 680,40 DM und 71 Folgeraten von je 717 DM getilgt werden. Zur Sicherung wurde der Klägerin das Eigentum an dem gekauften Pkw übertragen; außerdem trat der Ehemann den jeweils pfändbaren Teil seiner Einkünfte an die Klägerin ab.

Die Beklagte, die am 28. November 1989 zusammen mit ihrem Ehemann bei der Autofirma erschienen war, unterschrieb eine gesonderte Erklärung am Schluß des Kreditantragsformulars, in der es heißt:

„Dem Darlehensvertrag trete ich als Mitschuldner bei.”

Eine Widerrufsbelehrung wurde nur dem Ehemann als Käufer und Darlehensnehmer, nicht aber der Beklagten erteilt.

Die Klägerin überwies den Kaufpreis vereinbarungsgemäß an die Autofirma; diese lieferte den Pkw am 15. Dezember 1989 an den Ehemann aus. Er schloß bereits am 21. Januar 1990 mit einer anderen Autofirma einen neuen Kaufvertrag über einen Pkw Mitsubishi Sapporo; statt des Kaufpreises von 24.900 DM erhielt die Verkäuferin vom Ehemann der Beklagten den zuvor erworbenen Pajero. Die Klägerin ließ sich an Stelle dieses Fahrzeugs den Sapporo zur Sicherheit übereignen.

Von den vereinbarten Darlehensraten wurden nur zwölf an die Klägerin gezahlt. Im Frühjahr 1991 trennten sich die Beklagte und ihr Ehemann. Der Pkw wurde vom Ehemann weiter benutzt; das Fahrzeug soll später bei einem Unfall Totalschaden erlitten haben. Mit Schreiben vom 29. August 1991 kündigte die Klägerin das Darlehen gegenüber beiden Eheleuten wegen eines Zahlungsrückstands von sechs Raten. Der Ehemann der Beklagten befand sich vom 21. Januar bis 18. Februar 1992 in Haft; sein jetziger Aufenthalt ist unbekannt. Die Beklagte, der im Scheidungsverfahren das Sorgerecht für die beiden Kinder übertragen wurde, verdient durch Teilzeitarbeit als Hilfskraft in einer Bäckerei monatlich rund 870 DM und erhält im übrigen Sozialhilfe. Nach dem Klageantrag soll sie verurteilt werden, als Gesamtschuldnerin neben ihrem Ehemann 37.513,10 DM nebst Zinsen an die Klägerin zu zahlen. Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der – zugelassenen – Revision verfolgt die Klägerin ihren Antrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision bleibt im Ergebnis ohne Erfolg.

I.

Abzulehnen ist die Auffassung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe nach § 1 b AbzG das Recht gehabt, ihren Schuldbeitritt zu widerrufen; da die Klägerin sie darüber nicht belehrt habe, sei die Ausübung des Widerrufsrechts noch im jetzigen Rechtsstreit möglich gewesen und wirksam erfolgt.

Zwar hat das Berufungsgericht die Voraussetzungen eines finanzierten Abzahlungskaufs zutreffend bejaht. Deshalb bestand hier ein Widerrufsrecht, dessen Wirkungen sich nicht auf den Kaufvertrag beschränkten, sondern auch den Darlehensvertrag erfaßten (BGHZ 91, 9, 14/15). Das Widerrufsrecht hat seinen Ursprung jedoch gemäß §§ 1 b, 6 AbzG im Kaufvertrag; es stand daher allein dem Ehemann als Partner dieses Vertrages zu, nicht aber der Beklagten, die nur dem Darlehensvertrag als Mitschuldnerin beigetreten war. Die gegenteilige Auffassung des Berufungsgerichts setzt sich – bewußt – in Widerspruch zur bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 91, 37, 46; 109, 314, 318), der auch das Schrifttum gefolgt ist (Münch-Komm/H.P. Westermann 2. Aufl. § 6 AbzG Rdn. 37; Soergel/Hönn 12. Aufl. AbzG § 6 Anh. Rdn. 23; Bülow VerbrKrG 2. Aufl. § 7 Fn. 9 m.w.Nachw.). Die Überlegungen, mit denen das Berufungsgericht ein Schutzbedürfnis auch des Mitschuldners bejaht, haben inzwischen zu einer gesetzlichen Neuregelung im Verbraucherkreditgesetz geführt, das mit Wirkung vom 1. Januar 1991 das Abzahlungsgesetz ersetzt hat (Art. 10 Abs. 1 VerbrKrG). § 7 VerbrKrG gibt dem Verbraucher nunmehr ein Widerrufsrecht für alle Kreditverträge. Dieses Widerrufsrecht erstreckt sich jetzt bei verbundenen Geschäften gemäß § 9 Abs. 1, 2 VerbrKrG auch auf das Geschäft, dessen Finanzierung der Kredit dient. Aufgrund der Neuregelung steht einem Verbraucher, der nur die Mithaftung für die Kreditschuld eines anderen übernommen hat, nunmehr ein eigenes Widerrufsrecht zu (Bülow a.a.O. § 7 Rdn. 17; Ulmer/Habersack VerbrKrG § 7 Rdn. 16; Bruchner/Ott/Wagner-Wieduwilt VerbrKrG 2. Aufl. § 7 Rdn. 13, 14; Graf v. Westphalen/Emmerich/Kessler VerbrKrG § 7 Rdn. 85; Scholz Verbraucherkreditverträge 2. Aufl. Rdn. 258). Auf Kreditverträge, die vor Inkrafttreten des Verbraucherkreditgesetzes geschlossen worden sind, ist jedoch nach Art. 9 VerbrKrG weiterhin nur das bisherige Recht anzuwenden. Das verkennt auch das Berufungsgericht nicht; es meint aber, der Beklagten, die Ende 1989 die Mithaftung übernommen hat, müsse „im Lichte der Reformbestrebungen” und nach dem „Stand der Diskussion zum Verbraucherkreditgesetz” in geänderter Auslegung des bisherigen Rechts bereits ein eigenes Widerrufsrecht zugebilligt werden, das als Ergebnis richterlicher Rechtsfortbildung nicht einmal der zeitlichen Begrenzung des § 7 Abs. 2 Satz 3 VerbrKrG unterliege. Dem kann der erkennende Senat nicht folgen. Die Klägerin hat im Vertrauen auf eine eindeutige, bis zum Außerkrafttreten des Abzahlungsgesetzes aufrecht erhaltene (vgl. BGHZ 109, 314, 318) höchstrichterliche Rechtsprechung davon abgesehen, auch der Beklagten eine Widerrufsbelehrung zu erteilen. Ein solches Vertrauen ist hier schützenswert. Ihm darf nicht durch eine geänderte Gesetzesauslegung rückwirkend die Grundlage entzogen werden; ein zeitlich unbegrenztes Widerrufsrecht würde die Klägerin in unzumutbarer Weise belasten.

II.

Im Ergebnis zuzustimmen ist dem Berufungsgericht jedoch, soweit es die Klageabweisung darauf stützt, der Schuldbeitritt der Beklagten sei wegen Verstoßes gegen § 138 Abs. 1 BGB von Anfang an nichtig gewesen.

1. Die Wirksamkeitsbedenken richten sich nicht gegen die Hauptverpflichtung des Ehemanns, von deren Bestehen die – durch den Schuldbeitritt begründete – gesamtschuldnerische Haftung der Ehefrau in ihrer Entstehung abhängig ist (Senatsurteil vom 25. Mai 1993 – XI ZR 140/92 = NJW 1993, 1912, 1913 m.w.Nachw.). Wer aus eigenem Entschluß, zur Finanzierung eigener Bedürfnisse oder Vorhaben einen Bankkredit zu marktgerechten Bedingungen aufnimmt, handelt selbst dann, wenn er dabei bewußt Rückzahlungs- und Zinsverpflichtungen übernimmt, die seine Leistungsfähigkeit überschreiten, im Rahmen seiner Vertragsfreiheit und kann daher keine Entlastung wegen Sittenverstoßes verlangen, sondern haftet im vollen Umfang der Vereinbarung.

2. Der bloße Schuldbeitritt eines Familienangehörigen ist dagegen anders zu beurteilen. Der erkennende Senat hat bereits in seinen Urteilen vom 22. Januar 1991 (XI ZR 111/90 = NJW 1991, 923) und vom 24. November 1992 (BGHZ 120, 272) deutlich gemacht, daß – schon aus verfassungsrechtlichen Gründen – Ausnahmen vom Grundsatz der Vertragsfreiheit zulässig und geboten sind, wenn ein Vertragspartner sich hat verleiten lassen, gegen sein eigenes Interesse Verpflichtungen zu übernehmen, die ihn finanziell eindeutig überfordern; dann kann einer solchen Vereinbarung aufgrund einer Gesamtwürdigung aller objektiven und subjektiven Umstände wegen Sittenwidrigkeit die Wirksamkeit versagt werden. Das Bundesverfassungsgericht hat inzwischen in seiner Entscheidung vom 19. Oktober 1993 (NJW 1994, 36) bestätigt, daß die Rechtsprechung in Fällen, in denen die Vertragsfreiheit infolge strukturell ungleicher Verhandlungsstärke nicht zu einem angemessenen Interessenausgleich führt, im Rahmen der zivilrechtlichen Generalklauseln korrigierend eingreifen muß. Danach hat der IX. Zivilsenat die Voraussetzungen einer Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB bei Verträgen über einseitig übernommene Leistungsverpflichtungen weiter konkretisiert. Nach seinem Urteil vom 24. Februar 1994 (IX ZR 93/93 = WM 1994, 676, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt; vgl. ferner Urteil vom 24. Februar 1994 – IX ZR 227/93 = WM 1994, 680) kann ein Vertrag schon deshalb nichtig sein, weil ein besonders grobes Mißverhältnis zwischen dem Verpflichtungsumfang und der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten besteht und dieser aus Geschäftsunerfahrenheit ohne wesentliches Eigeninteresse gehandelt hat. Die genannten Entscheidungen des IX. Zivilsenats betrafen zwar Kinder, die sich – bereits volljährig, aber noch geschäftsunerfahren – für Kreditverpflichtungen ihrer Eltern verbürgt hatten. Die dafür geltenden Grundsätze lassen sich aber entsprechend anwenden, wenn eine junge Ehefrau unter vergleichbaren Umständen durch Schuldbeitritt die gesamtschuldnerische Mithaftung für Kreditverpflichtungen ihres Ehemannes übernommen hat.

3. Danach ist im vorliegenden Fall der Schuldbeitritt der Beklagten als sittenwidrig zu bewerten.

a) Die Beklagte wurde objektiv durch die von ihr auf Verlangen der Klägerin übernommene Zahlungsverpflichtung eindeutig finanziell überfordert. Die Schuld, der sie beitrat, umfaßte nicht nur die gesamte Darlehenssumme von 51.587,40 DM, sondern konnte sich bei Zahlungsverzug auch ohne Obergrenze weiter erhöhen. Zwar haftete neben der Beklagten als Gesamtschuldner auch ihr Ehemann. Nach § 421 BGB war die Bank aber von Anfang an berechtigt, die ganze geschuldete Leistung von der Beklagten allein zu fordern. Mit dieser Möglichkeit mußte die Beklagte zumindest für den Fall rechnen, daß ihr Ehemann zahlungsunfähig wurde oder sich seinen Verpflichtungen entzog. Auf diesen Haftungsfall ist – ebenso wie bei der Bürgschaft (vgl. BVerfG a.a.O. S. 38, 39; BGH, Urteil vom 24. Februar 1994 – IX ZR 227/93 a.a.O. S. 682) – auch bei einem – zu einer gesamtschuldnerischen Verpflichtung führenden – Schuldbeitritt abzustellen, wenn das Verhältnis zwischen Verpflichtung und Leistungsfähigkeit zu bewerten ist. Durch das hier übernommene Haftungsrisiko wurde die Beklagte eindeutig überfordert. Sie war zur Zeit des Vertragsabschlusses vermögenslos; eine Änderung war bei realistischer Betrachtungsweise (vgl. Senatsurteil BGHZ 120, 276) nicht zu erwarten. Ihre Aussichten, die übernommene Schuld jemals aus eigenem Arbeitsverdienst tilgen zu können, waren schon deswegen gering, weil sie eine nach dem Schulabschluß begonnene Berufsausbildung wegen Schwangerschaft abgebrochen hatte und daher nur als ungelernte Hilfskraft arbeiten konnte. Im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses verdiente sie durch Teilzeitarbeit als Reinigungskraft monatlich nur 800 DM; damit konnte sie kaum ihren eigenen Unterhalt decken. Wegen des damals erst 1 1/2 Jahre alten ersten Kindes und der bevorstehenden Geburt des zweiten war nicht zu erwarten, daß die Beklagte während der vereinbarten Darlehenslaufzeit von sechs Jahren jemals aus eigenem Arbeitsverdienst irgendwelche Zahlungen an die Klägerin würde erbringen können, ohne ihren und der Kinder Unterhalt zu gefährden. Selbst wenn ihr später mit abnehmender Betreuungsbedürftigkeit der Kinder eine volle Erwerbstätigkeit möglich sein sollte, würde sie, solange die Kinder auf ihren Unterhalt angewiesen sind, aus ihrem Arbeitsverdienst allenfalls Zinsen auf die bis dahin ständig angewachsene Kreditschuld zahlen können. Erst wenn die Unterhaltsbedürftigkeit der Kinder endet, frühestens also nach 16 bis 20 Jahren, wäre die Beklagte in der Lage, nicht nur Zins- sondern auch Tilgungsleistungen an die Klägerin zu erbringen. Es bleibt unsicher, ob es ihr danach bis zum Eintritt in das Rentenalter gelingen kann, sich aus eigener Kraft vollständig von den übernommenen Verpflichtungen zu befreien. Das Berufungsgericht, das die Beklagte persönlich angehört hat, hält einen späteren beruflichen Aufstieg für unwahrscheinlich.

b) Ein sachgerechter Interessenausgleich wurde durch die Vereinbarung des Schuldbeitritts offensichtlich nicht erzielt (vgl. BVerfG a.a.O. S. 38).

aa) Für die Beklagte hatte diese Übernahme einer einseitigen Zahlungsverpflichtung, die in auffälligem Mißverhältnis zu ihrer Leistungsfähigkeit stand, keinen wirtschaftlich vernünftigen Sinn. Die Vereinbarung gab ihr keinerlei Ansprüche gegen die Verkäuferin oder die Kreditgeberin. Am Kaufgegenstand sollte sie weder sofort noch nach Bezahlung Miteigentum erwerben; zu Verfügungen über den Pkw war ihr Einverständnis nicht nötig. Die tatsächlichen Vorteile, die sie aus dem finanzierten Geschäft erhoffen konnte, waren gering und rechtfertigten nicht die Übernahme der risikoreichen Mithaftung: Der Kredit diente nicht der Anschaffung notwendiger Haushaltsgegenstände oder langlebiger Wirtschaftsgüter, die notfalls veräußert und zur Schuldtilgung verwendet werden konnten, sondern dem Kauf eines teueren Pkw, der die Autoleidenschaft des Ehemanns befriedigte, durch Zeitablauf und Benutzung schnell an Wert verlor und darüber hinaus jederzeit bei einem Unfall Totalschaden erleiden konnte.

bb) Für die Klägerin bestand kein rechtfertigendes Interesse an dem Schuldbeitritt der leistungsunfähigen Ehefrau. Die Klägerin konnte eine vertragsgemäße Erfüllung ihrer Ansprüche bei realistischer Betrachtungsweise nur von ihrem Kreditnehmer, dem Ehemann der Beklagten, erwarten; durch den Schuldbeitritt der Ehefrau erhöhten sich die Befriedigungsaussichten allenfalls in ferner Zukunft in Ungewissem Maße. Nach den Feststellungen des Berufungsurteils war dem Zeugen H. – der die Kreditverhandlungen für die Klägerin führte und dessen Kenntnisse ihr daher entsprechend § 166 Abs. 1 BGB zuzurechnen sind – bewußt, daß die Beklagte unter den gegebenen Verhältnissen während der vereinbarten Kreditlaufzeit und auch danach auf Jahre hinaus zu keinerlei Zahlungen auf die übernommene Schuld in der Lage sein würde. Die Möglichkeit, daß sie später einmal aus ihrem Arbeitsverdienst in beschränktem Umfang zur Schuldtilgung würde beitragen können, hätte allenfalls eine vertragliche Vereinbarung über eine entsprechend beschränkte Mithaftung rechtfertigen können. Darüber ist hier nicht zu entscheiden. Die volle, ihre Leistungsfähigkeit ersichtlich überfordernde Mitverpflichtung der Beklagten ging jedenfalls über das berechtigte Ziel inhaltlich weit hinaus. In solchen Fällen darf der Kreditgeber nicht erwarten, daß die Rechtsprechung derartige extensive Vereinbarungen als wirksam anerkennt und nur deren spätere Folgen auf ein gerade noch tragbares Maß beschränkt (Senatsurteil vom 24. November 1992 a.a.O. S. 279 vor 3.). Eines erweiterten Schutzes vor Vermögensverschiebungen zwischen den Eheleuten bedurfte die Klägerin hier schon deswegen nicht, weil der Pkw ihr ohnehin zur Sicherung übereignet war.

c) Ist ein Vertrag für eine Seite ungewöhnlich belastend und als Interessenausgleich offensichtlich unangemessen, so kann ein korrigierendes Eingreifen durch Anwendung der Generalklausel des § 138 Abs. 1 BGB jedenfalls dann zulässig und geboten sein, wenn das Zustandekommen der Vereinbarung eine Folge strukturell ungleicher Verhandlungsstärke war (BVerfG a.a.O. S. 38). Besondere Umstände, die diese weitere Voraussetzung erfüllen, liegen häufig vor, wenn ein Kreditnehmer das zu finanzierende Geschäft allein abschließt, die Bank dann aber als Voraussetzung der Kreditgewährung die Mitverpflichtung eines Dritten fordert, der mit dem Kreditnehmer eng verwandt oder verheiratet und wirtschaftlich von ihm abhängig ist. In solchen Fällen besteht sehr häufig die Gefahr, daß der Angehörige Inhalt, Tragweite und Risiko der verlangten Mitverpflichtung infolge mangelnder Erfahrung oder verharmlosender Erklärungen der Kreditvertragsparteien nicht klar genug erkennt oder sich nur aufgrund einer seelischen Zwangslage, die sich aus der gefühlsmäßigen Bindung zum Kreditnehmer oder der wirtschaftlichen Abhängigkeit von ihm ergibt, zu einer Verpflichtung verleiten läßt, aus der er sich aus eigener Kraft voraussichtlich kaum befreien kann (vgl. Senatsurteile vom 22. Januar 1991 und vom 24. November 1992 a.a.O.; BGH, Urteile vom 24. Februar 1994 – IX ZR 93/93 und 227/93 a.a.O.). Ob diese oder ähnliche besondere Umstände daher – wie das Berufungsgericht meint – von einem Ehegatten, bei dem ein besonders grobes Mißverhältnis zwischen Verpflichtungsumfang und Leistungsfähigkeit besteht, grundsätzlich nicht mehr dargelegt und bewiesen zu werden brauchen, ist hier nicht abschließend zu entscheiden. Jedenfalls, wenn – wie im vorliegenden Fall – feststeht, daß die Ehefrau im Zeitpunkt ihrer Mitverpflichtung erst relativ kurze Zeit volljährig war, über keine qualifizierte Berufsausbildung verfügte und kaum Gelegenheit hatte, praktische geschäftliche Erfahrungen zu sammeln, erscheint auch dem erkennenden Senat die Vermutung gerechtfertigt, daß sie sich nur aufgrund ihrer schwächeren Verhandlungsposition auf die sie überfordernde Verpflichtung eingelassen hat und daß ihre Unterlegenheit von Seiten der Bank ausgenutzt worden ist, die besonderen Voraussetzungen des § 138 Abs. 1 BGB also vorlagen.

Der Gegenbeweis ist der Klägerin nicht gelungen; der Zeuge H., der die Verhandlungen für die Verkauferfirma und die Klägerin führte, hat ausgesagt, er glaube zwar nicht, daß der Ehemann die Beklagte zur Unterschrift gedrängt habe, könne sich jedoch daran nicht mit Sicherheit entsinnen; er selbst habe ihr nicht erklärt, bei der Unterschrift handele es sich nur um eine Formsache, er könne aber nicht mehr sagen, ob die Beklagte gefragt habe, warum ihre Unterschrift notwendig sei, und ob er ihr erklärt habe, daß sie sich dadurch verschulde, auf die Bedeutung der Mitschuldnererklärung werde der Unterschreibende in letzter Konsequenz vielleicht nicht hingewiesen. Danach durfte das Berufungsgericht davon ausgehen, daß die Beklagte die Formularerklärung nicht in uneingeschränkter Kenntnis der Tragweite aufgrund freier Willensentscheidung unterzeichnet hat; dann aber sind die Gründe, die es rechtfertigen könnten, sie unter Hinweis auf die Eigenverantwortung für ihr Handeln an der ruinösen Zahlungsverpflichtung festzuhalten, nicht gegeben (BGH, Urteil vom 24. Februar 1994 – IX ZR 93/93 = a.a.O. S. 678).

III.

Bereicherungsansprüche gegen die Beklagte hat das Berufungsgericht mit Recht verneint, da die Darlehensvaluta ihr nicht zugeflossen ist; die Klägerin hat durch die Überweisung an den Verkäufer nur den Ehemann von seiner Verpflichtung zur Kaufpreiszahlung befreit. Insoweit erhebt auch die Revision keine Einwendungen.

 

Unterschriften

Schimansky, Dr. Halstenberg, Dr. Schramm, Dr. Siol, Dr. Bungeroth

 

Fundstellen

Haufe-Index 1497423

BB 1994, 1310

NJW 1994, 1726

Nachschlagewerk BGH

DNotZ 1994, 547

ZBB 1994, 269

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge