Leitsatz (amtlich)

Arbeitslosenhilfe, die der Verletzte während seiner unfallbedingten Arbeitslosigkeit erhält, ist keine Versicherungsleistung und vom Haftpflichtversicherer gemäß § 158 c Abs. 1 VVG zu erstatten. § 158 c Abs. 4 VVG ist nicht anwendbar.

Zur Verjährung des Versicherungsanspruchs, der nach § 158 c Abs. 1 VVG in Ansehung des Dritten fortbesteht.

 

Verfahrensgang

OLG München (Entscheidung vom 21.03.1963)

LG München I (Entscheidung vom 22.06.1962)

 

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 21. März 1963 aufgehoben.

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 22. Juni 1962 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

 

Tatbestand

Am 28. Juni 1955 verunglückte Sieglinde B. als Beifahrerin eines Motorrades, dessen Halter, namens E., bei dem Beklagten gegen Haftpflicht versichert war. Im Juni 1957 versagte ihm der Beklagte den Versicherungsschutz, weil er das Motorrad einem Fahrer überlassen hatte, der keine Fahrerlaubnis besaß. Der Verletzten zahlte der Beklagte Anfang 1959 einen Abfindungsbetrag von 5.500 DM.

Für die Zeit ihrer unfallbedingten Arbeitslosigkeit erhielt die Verletzte Arbeitslosenhilfe. Den vom Arbeitsamt erhobenen Ersatzanspruch lehnte der Beklagte im Februar 1959 endgültig ab. Hierauf verlangte die Klägerin Ersatz ihrer Leistungen von Effertz und erwirkte gegen ihn ein rechtskräftiges Urteil. Auf Grund dieses Titels ließ die Klägerin den angeblichen Versicherungsanspruch von Effertz gegen den Beklagten pfänden und sich zur Einziehung überweisen. Mit ihrer Klage begehrt sie nunmehr vom Beklagten die Erstattung der gewährten Arbeitslosenhilfe und der zur Rechtsverfolgung aufgewendeten Kosten.

Der Beklagte wendet ein, zur Leistung nach § 158 c Abs. 1 VVG nur der unmittelbar Geschädigten, nicht aber gegenüber deren Rechtsnachfolgern verpflichtet zu sein. Außerdem hafte er nicht, soweit ein Sozialversicherungeträger der Verletzten Ersatz zu leisten habe. Schließlich beruft sich der Beklagte noch vorsorglich auf die Verjährung des Versicherungsanspruchs.

Beide Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte weiter die Abweisung der Klage. Die Klägerin bittet um Zurückweisung des Rechtsmittels.

 

Entscheidungsgründe

I.

Die Leistungsfreiheit des Beklagten gegenüber dem Versicherungsnehmer E. ist außer Streit. "In Ansehung des Dritten" ist der Beklagte aber nach § 158 c Abs. 1 VVG zur Leistung verpflichtet geblieben. Dritter im Sinne dieser Bestimmung ist nach der Rechtsprechung des Senats nicht nur der Geschädigte selbst, sondern auch dessen Rechtsnachfolger, der seine Berechtigung aus einem Übergang des Haftpflichtanspruchs des Geschädigten herleitet (vgl. BGHZ 7, 244; 25, 322). Das Berufungsgericht hält diese. Voraussetzungen hier zu Recht für gegeben. Denn der Schadensersatzanspruch der Verletzten ist kraft Gesetzes (§ 205 AVAVG) insoweit auf die Klägerin übergegangen, als diese Arbeitslosenhilfe gewährt hat. Das steht nach dem rechtskräftigen Urteil der Klägerin gegen Effertz außer Frage.

Die Revision geht fehl, wenn sie meint, der Staat oder eine öffentlich-rechtliche Körperschaft könne niemals "Dritter" im Sinne des § 158 c Abs. 1 VVG sein, weil andernfalls der leistungsfreie Haftpflichtversicherer mit Aufgaben belastet werde, deren Erfüllung dem Staat oder den dazu errichteten öffentlich-rechtlichen Körperschaften obliege. Die Revision unterstellt damit, daß anstelle des Haftpflichtversicherers grundsätzlich die Allgemeinheit den Schaden des Verkehrsopfers zu ersetzen habe. Hiernach wäre die gerade gegenteilige Regelung des § 158 c Abs. 1 VVG gegenstandslos. Die Revision verkennt, daß die Haftung des Versicherers nach § 158 c Abs. 1 VVG nur unter den Voraussetzungen des Absatzes 4 entfällt. Hierauf beziehen sich ihrem Inhalte nach auch die weiteren Ausführungen der Revision zu § 158 c Abs. 1 VVG; sie finden deshalb ihre Erledigung bei der noch zu prüfenden Anwendbarkeit des § 158 c Abs. 4 VVG.

II.

Zu dem Einwand des Beklagten, er hafte nach § 158 c Abs. 4 VVG der Klägerin nicht, hat das Berufungsgericht ausgeführt: In entsprechender Anwendung des § 158 c Abs. 4 VVG komme eine Haftung des an sich leistungsfreien Haftpflichtversicherers insoweit nicht in Betracht, als der Geschädigte bei einem anderen Versicherer auf Grund eines wirksamen Versicherungsverhältnisses Befriedigung erlangen könne. Hierfür mache es keinen Unterschied, ob der andere Versicherer ein Vertrags- oder ein Sozialversicherer sei. - Das Berufungsgericht ist damit der festen Rechtsprechung des erkennenden Senats gefolgt (vgl. BGHZ 7, 244; 25, 322, 330; VersR 1964, 156, 158). - Hiernach gehe es nur darum, so fährt das Berufungsgericht fort, ob die Gewährung von Arbeitslosenhilfe eine Sozialversicherungsleistung darstelle. Das sei zu verneinen. Denn die Arbeitslosenhilfe sei keine Versicherung, sondern Fürsorge, weil die dafür erforderlichen Mittel nicht von den Beteiligten, sondern allein vom Bund aufgebracht würden. Außerdem hänge die Leistung von der zu prüfenden Bedürftigkeit des Empfängers ab. Allein aus der Regelung der Arbeitslosenhilfe zusammen mit der Arbeitslosenversicherung in einem Gesetz könnten keine Schlüsse auf die rechtliche Gleichartigkeit oder Gleichstellung der beiden Einrichtungen gezogen werden.

Dem ist zuzustimmen.

Die Arbeitslosenhilfe ist seit dem 1. April 1956 einheitlich geregelt. Das Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung vom 16. April 1956 (BGBl I 243) hat die vorher geltenden Ländervorschriften durch einen dem AVAVG eingefügten Abschnitt "Arbeitslosenhilfe" ersetzt. Der rechtlichen Beurteilung wird im folgenden das AVAVG i.d.F. vom 23. Dezember 1956 (BGBl I 1018) und der Bekanntmachung vom 3. April 1957 (BGBl I 321) zugrunde gelegt. Das ist angängig - mag die hier gewährte Arbeitslosenhilfe auch in die Geltungszeit von drei aufeinander folgenden Gesetzen fallen -, weil trotz einiger Verschiedenheiten kein wesensmäßiger Unterschied zwischen der zunächst landesrechtlich und der alsdann in den §§ 141 ff und zuletzt in den §§ 144 ff AVAVG geregelten Arbeitslosenhilfe besteht (vgl. Herschel, BArbBl 1959, 77; F. Schmidt, Die Arbeitslosenhilfe (1956), 42 ff).

Das AVAVG unterscheidet zwischen Arbeitslosenversicherung und Arbeitslosenhilfe. Im ersten Falle verwendet das Gesetz in zahlreichen Bestimmungen zu Recht den Begriff der Versicherung. Denn die Arbeitslosenversicherung weist alle Wesensmerkmale einer echten Versicherung auf, gleichviel, ob man die Versicherung als "eine Gefahrengemeinschaft mit selbständigen Rechtsansprüchen auf wechselseitige Bedarfsdeckung" (so Brück/Möller, VVG 8. Aufl. § 1 Anm. 3 und Möller in der Festgabe für Roehrbein (1962), 135) definiert oder unter Versicherung "die gemeinsame Deckung eines möglichen, in seiner Gesamtheit schätzbaren Bedarfs durch Verteilung auf eine organisierte Vielheit" versteht (so Bogs, Grundlagen des Rechts der sozialen Sicherheit und seiner Reform (1955), 24; BSG 6, 213, 228 und BVerfGE 11, 105, 112). So werden bei der Arbeitslosenversicherung die zur Bedarfsdeckung erforderlichen Mittel durch Beiträge der versicherten Arbeitnehmer und ihrer Arbeitgeber aufgebracht (§ 157 AVAVG). Das versicherte Risiko ist begrenzt. Denn die Leistungen im Falle der Arbeitslosigkeit sind der Höhe und Dauer nach beschränkt, werden aber jedem Versicherten ohne Rücksicht auf seine Bedürftigkeit gewährt. Die der Arbeitslosenversicherung gestellte Aufgabe wird dabei organisatorisch in derselben Art und Weise bewältigt, die für die klassischen Sozialversicherungszweige kennzeichnend ist, nämlich als Selbstverwaltungsaufgabe einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, der zu diesem Zweck errichteten Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (§§ 1 ff AVAVG).

Bei der zeitlichen Begrenzung der Arbeitslosenversicherung kann es notwendig werden, diejenigen Arbeitslosen zu unterstützen, die entweder den Anspruch auf Arbeitslosengeld noch nicht erworben oder infolge länger währender Arbeitslosigkeit verloren haben. Das geschieht durch die Arbeitslosenhilfe. Ihre Durchführung ist zwar auch der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung übertragen (§ 1 Satz 2 AVAVG), aber in einer anderen organisatorischen Gestaltungsform, nämlich nicht als Selbstverwaltungsaufgabe, sondern als staatliche Auftragsverwaltung (vgl. Herschel a.a.O. 78). Hiervon abgesehen unterscheidet sich die Arbeitslosenhilfe von der Arbeitslosenversicherung entscheidend dadurch, daß die Leistungsempfänger an der Aufbringung der erforderlichen Mittel nicht unmittelbar beteiligt sind. Staatliche Zuschüsse, die § 168 AVAVG im Bedarfsfalle auch für die Arbeitslosenversicherung vorsieht, schließen den Begriff der Versicherung nicht aus, solange es daneben primär Beiträge gibt. Eine Versicherung ist jedoch nicht mehr gegeben, wenn die Mittel nicht einmal teilweise durch Beiträge der Beteiligten, sondern nur aus allgemeinen Steuern aufgebracht werden (vgl. Möller a.a.O. 136/37 m.w.N.). So verhält es sich bei der Arbeitslosenhilfe, deren Kosten nach § 1 Satz 2 AVAVG der Bund trägt.

Zwei weitere Wesensmerkmale verdeutlichen, daß die Arbeitslosenhilfe keine Versicherung ist. Denn die Leistungen sind zeitlich unbegrenzt, setzen aber Bedürftigkeit des Empfängers voraus (§ 145 Abs. 1 Nr. 3 AVAVG). Die Frage, wer "seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als durch Unterstützung aus der Arbeitslosenhilfe bestreiten kann", wird in den §§ 149, 150 AVAVG beantwortet. Die danach vorzunehmende Bedürftigkeitsprüfung läßt aber noch einen weiten Beurteilungsspielraum, was mit dem Wesen einer Versicherung, Vertrags- oder Sozialversicherung, unvereinbar ist. Auch in der Sozialversicherung gibt es Kann-Leistungen, aber niemals hängt der Anspruch auf die Hauptleistung, wie bei der Arbeitslosenhilfe, die einer individuellen Notlage begegnen soll, von einer konkreten Beurteilung der Bedürftigkeit ab.

Nach Wesen, Ziel, Mittelaufbringung und organisatorischer Gestaltung ist die Arbeitslosenhilfe keine Versicherung. Hieran ändert sich nichts dadurch, daß das AVAVG die Arbeitslosenhilfe in einigen Punkten der Arbeitslosenversicherung angenähert hat, so hinsichtlich der Bemessung der Leistungen nach dem Arbeitsentgelt (§ 148) und der entfallenden Erstattungspflicht (§ 192). Im übrigen kann dahinstehen, ob die Arbeitslosenhilfe eine besondere öffentliche Fürsorge für arbeitsfähige Personen ist (so Herschel a.a.O. 78/79), der allgemeinen Fürsorge verwandt ist oder zwischen der Arbeitslosenversicherung und der allgemeinen Fürsorge steht (vgl. BVerfGE 9, 20; Schmidt a.a.O. 52).

Für eine Anwendung des § 158 c Abs. 4 VVG ist danach kein Raum. Denn diese Bestimmung setzt einmal voraus, daß der Verletzte unabhängig von der Leistung oder Nichtleistung des Haftpflichtversicherers vollen Schadensersatz erhält. Schon an dieser Voraussetzung fehlt es, wenn der Verletzte auf die Leistung des Versicherers angewiesen ist, durch dessen Nichtleistung bedürftig wird und deshalb unterstützt werden muß. Den Verletzten vor dieser Notlage und der dann notwendigen Inanspruchnahme der öffentlichen Fürsorge zu bewahren, ist gerade der Sinn des § 158 c VVG. Er erlaubt keine Leistungsfreiheit des Haftpflichtversichers gegenüber einem Dritten, der sich mit einer nur subsidiär gewährten Unterstützung begnügen muß, mag darauf auch - wie bei der Sozialhilfe und der Arbeitslosenhilfe - ein Rechtsanspruch bestehen.

Zum anderen entbindet § 158 c Abs. 4 VVG den Haftpflichtversicherer von seiner Haftung nicht einmal in allen Fällen, in denen der Verletzte von anderer Seite ohne Rücksicht auf seine Bedürftigkeit vollen Ersatz seines Schadens erlangt. Denn die Vergünstigung der Haftungsfreiheit wird dem Haftpflichtversicherer nur beim Eintritt eines anderen Versicherers zuteil. An dieser Rechtsprechung des Senats, deren Gründe sich aus dem in BGHZ 25, 330 veröffentlichten Urteil ergeben, wird festgehalten. Vorbehaltlich der noch zu prüfenden Verjährung ist der Beklagte daher nach § 158 c Abs. 1 VVG gegenüber der Klägerin zur Leistung verpflichtet geblieben.

III.

Die vorsorglich erhobene Einrede des Beklagten, der von der Klägerin gepfändete und ihr zur Einziehung über wiesene Versicherungsanspruch sei verjährt, hält das Berufungsgericht für unbegründet. Es hat dazu ausgeführt: Die zweijährige Verjährung von Ansprüchen aus dem Versicherungsvertrage beginne nach § 12 Abs. 1 Satz 2 VVG mit dem Schlüsse des Jahres, in welchem die Leistung verlangt werden könne. Der Haftpflichtversicherer schulde, die Befriedigung begründeter und die Abwehr unbegründeter Haftpflichtansprüche. Seine Abwehr- und Schutzverpflichtung beginne, sobald gegen den Versicherten Haftpflichtansprüche aus einem unter die Versicherung fallenden Ereignis erhoben würden. Mit diesem Zeitpunkt könne die Leistung im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 2 VVG verlangt werden. Alle Leistungen des Versicherers seien, wie heute allgemein angenommen werde, Ausstrahlungen eines und desselben einheitlichen Versicherungsanspruchs. Daraus folge, daß eine eingetretene Verjährung des Anspruchs auf Abwehr und Rechtsschutz sich auch auf den Befreiungsanspruch erstrecke, obwohl dieser als Zahlungsanspruch erst später fällig werde (§ 11 i.V.m. den §§ 154, 156 Abs. 2 VVG).

Diese Auffassung führe, so meint das Berufungsgericht, im Verhältnis zu dem geschädigten Dritten im Falle des § 158 c VVG zu unbefriedigenden Ergebnissen. Denn der Dritte müsse, da er keinen unmittelbaren Anspruch gegen den Versicherer habe, erst gegen den Schädiger und Haftpflichtschuldner, den Versicherungsnehmer, einen Vollstreckungstitel erwirken, um dessen Versicherungsanspruch pfänden und gegen den Versicherer vorgehen zu können. Während der dafür benötigten Zeit könne der Versicherungsanspruch, wenn man der allgemein vertretenen Ansicht folge, verjähren, ohne daß der geschädigte Dritte die Möglichkeit habe, die Verjährung zu hemmen oder zu unterbrechen.

Das Berufungsgericht ist deshalb der Ansicht, dem Geschädigten müsse die ihm in § 158 c VVG zugesicherte Ersatzleistung dadurch erhalten bleiben, daß der Beginn der Verjährung des Versicherungsanspruchs bis zur Erlangung eines vollstreckbaren Titels hinausgeschoben werde. Diese Regelung müsse nicht nur dem Geschädigten selbst, sondern auch dessen Rechtsnachfolgern zugute kommen. Der Klageanspruch sei danach noch nicht verjährt. Denn die Klägerin habe am 9. Februar 1961 gegen den Schädiger und Versicherungsnehmer Effertz einen Titel erwirkt und am 22. Februar 1962 Klage erhoben.

Zu Recht hat das Berufungsgericht geprüft, ob die Verjährungsregelung, die nach der Rechtsprechung des Senats für den Haftpflicht-Versicherungsanspruch bei wirksamem Versicherungsverhältnis gilt (vgl. LM AHaftpflichtVB § 2 Nr. 3 = VersR 1960, 554 und für das Schrifttum Prölss, VVG 15. Aufl. § 149 Anm. 1 m.w.N.), auch im Falle des § 158 c VVG unverändert Anwendung findet. Das wird im Schrifttum überwiegend angenommen, weil das Gesetz für § 158 c VVG die Verjährung nicht besonders geregelt habe und deshalb keine Abweichung von § 12 VVG gestatte. Diese Lücke laufe zwar dem mit § 158 c VVG verfolgten Zweck zu wider, das Verkehrsopfer ausreichend und wirksam zu schützen, müsse aber bis zu einer wünschenswerten Gesetzesänderung hingenommen werden. Denn einer anderen Lösung stehe entgegen, daß § 158 c VVG dem Dritten einen unmittelbaren Anspruch gegen den Versicherer versage (Absatz 5), zu seinen Gunsten nur ein Fortbestehen der vertraglichen Leistungspflicht des Versicherers fingiere (so Feuerstein, JRPV 1942, 19/20; Ossewski, DAR 1955, 268; Johannsen, VersWissArch 1956, 292 Anm. 67; Thees/Hagemann, Das Recht der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung, 2. Aufl., S. 228 und 265).

Dem kann nicht gefolgt werden. Denn die Fiktion des Versicherungsanspruchs zu Gunsten des geschädigten Dritten ändert nichts daran, daß der Versicherungsnehmer selbst keinen Anspruch gegen den Versicherer hat. Da auch dem Dritten kein Anspruch gegen den Versicherer zusteht, fehlt dem fingierten Anspruch ein Berechtigter, der ihn geltend machen kann (ähnlich Wussow, Unfallhaftpflichtrecht 8. Aufl. Nr. 1167/68 und Informationen zum Versicherungs- und Haftpflichtrecht, 1956, 155 ff und 183). Die Verjährung eines Anspruchs setzt aber voraus, daß er geltend gemacht werden kann. Deshalb beginnt die Verjährung eines Anspruchs, der von einer Kündigung oder Anfechtung abhängt, nach den §§ 199, 200 BGB erst, sobald die Kündigung oder Anfechtung zulässig ist, und die Verjährung ist gehemmt, solange aus den Gründen der §§ 202-207 BGB eine Geltendmachung nicht möglich ist. Welche Anforderungen an die mögliche Geltendmachung eines Anspruches gestellt werden, verdeutlicht die Rechtsprechung zu § 852 BGB. Hiernach beginnt die Verjährung erst, sobald der Geschädigte auf Grund der ihm bekannten Tatsachen eine Schadensersatzklage "mit einigermaßen sicherer Aussicht auf Erfolg" erheben kann (BGH VersR 1962, 86 m.w.N.).

Auch die Verjährung des Versicherungsanspruchs gegen einen an sich leistungsfreien Versicherer kann daher erst am Schlüsse des Jahres beginnen, in welchem die Versicherungsleistung von einem Berechtigten verlangt werden kann. Das kann der Dritte oder dessen Rechtsnachfolger aber erst, wenn er auf Grund eines vollstreckbaren Titels gegen den Versicherungsnehmer dessen "Anspruch" gegen den Versicherer - es ist der fingierte Befreiungsanspruch, der sich durch die Pfändung des Dritten in einen Zahlungsanspruch umwandelt - hat pfänden und sich zur Einziehung überweisen lassen. Hierbei darf aber nicht unbeachtet bleiben, daß § 12 VVG für Versicherungsansprüche "mit Rücksicht auf den ordnungsmäßigen Geschäftsbetrieb und auf die notwendige Übersichtlichkeit der Vermögenslage des Versicherers" eine kurze Verjährung vorgesehen hat (vgl. Amtl, Begr. zu § 12 VVG, Neudruck der Motive, 1963, S. 86). Dem Dritten kann es deshalb nicht freistehen, wann er das Erforderliche unternimmt, um Berechtigter des Versicherungsanspruchs zu werden. Denn § 12 VVG stellt es nicht darauf ab, wann die Leistung verlangt wird, sondern darauf, wann sie verlangt werden kann.

Der Beginn der Verjährung wird danach, was das Berufungsgericht verkannt hat, maßgeblich durch den Zeitpunkt bestimmt, bis zu dem der geschädigte Dritte ohne schuldhaftes Zögern die Voraussetzungen für seine Berechtigung hat schaffen können. Hier hatte die Klägerin ihre Forderung schon im November 1957 bei dem Beklagten angemeldet. Nach längeren Verhandlungen lehnte der Beklagte im Februar 1959 endgültig jede Zahlung ab. Jetzt spätestens hätte die Klägerin gegen E., den Versicherungsnehmer, Klage erheben müssen. Wäre sie so verfahren, dann hätte sie, da sie in weniger als 4 Monaten gegen E. einen vollstreckbaren Titel erstritten hat, in jedem Fall noch vor Ende des Jahres 1959 von dem Beklagten die Leistung im Sinne des § 12 VVG verlangen können. Dieser Anspruch ist infolgedessen mit dem Ablauf des Jahres 1961 verjährt. Da die Klägerin die anhängige Klage erst am 22. Februar 1962, also nach eingetretener Verjährung, erhoben hat, muß die Verjährungseinrede des Beklagten, zur Abweisung der Klage führen.

IV.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits, die die Klägerin zu tragen hat, beruht auf § 91 ZPO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 3018611

BGHZ 44, 166 - 171

BGHZ, 166

NJW 1965, 2342-2345 (Volltext mit amtl. LS)

NJW 1965, 2343

MDR 1966, 42-43 (Volltext mit amtl. LS)

VersR 1965, 1167-1169 (Volltext mit amtl. LS)

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