Leitsatz (amtlich)

a) § 717 Abs. 2 ZPO und vergleichbare Vorschriften der Zivilprozeßordnung sind nicht entsprechend anwendbar, wenn sich eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 771 Abs. 3 ZPO nachträglich als ungerechtfertigt erweist.

b) Jedenfalls bei nur leicht fahrlässiger Verkennung der Rechtslage haftet der Widerspruchskläger auch nicht nach § 823 Abs. 1 BGB für den dem Vollstreckungsgläubiger infolge der Einstellung entstandenen Schaden (Fortführung von BGHZ 74, 9).

 

Normenkette

ZPO § 717 Abs. 2, § 771 Abs. 3; BGB § 823 Abs. 1

 

Verfahrensgang

OLG Karlsruhe

LG Karlsruhe

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 28. Juni 1984 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Mit der Widerklage, die allein Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, verlangt die Beklagte von der Klägerin Schadensersatz wegen eines nach ihrer Darstellung unbegründeten Antrags auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung.

Die Beklagte betrieb ein Holzwerk. Sie belieferte die Firma Hilde W… in Kraichtal, eine Holzhandlung, seit 1976 mit Holz. Der Kaufpreis wurde durch Begebung von Wechseln finanziert.

Am 26. Mai 1978 erwirkte die Beklagte gegen die Firma Hilde W… ein Wechselvorbehaltsurteil und ließ wegen der danach bestehenden Ansprüche von 152.318,84 DM am 31. Mai 1978 auf dem Betriebsgelände der Schuldnerin Holzvorräte pfänden. Das Wechselvorbehaltsurteil wurde im Nachverfahren durch ein rechtskräftiges Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 31. März 1981 in Höhe von 122.786,54 DM zuzüglich Zinsen und Kosten bestätigt.

Am 14. Dezember 1978 ordnete das Vollstreckungsgericht gemäß § 825 ZPO an, daß das gepfändete Holz der Beklagten zum Preis von 150.000 DM durch den Gerichtsvollzieher zu übereignen sei. Die dagegen gerichtete Beschwerde wurde durch rechtskräftigen Beschluß des Landgerichts Karlsruhe vom 21. Februar 1980 zurückgewiesen. In dem Vollstreckungsverfahren hatte der Sachverständige Dr. B… aufgrund einer Besichtigung am 13. Dezember 1979 den Verkaufswert des gepfändeten Holzes auf 142.710 DM geschätzt.

Bevor die Übereignung vollzogen werden konnte, erhob die Klägerin Drittwiderspruchsklage mit der Begründung, das gepfändete Holz sei ihr durch Vertrag vom 12. Januar 1978 als Sicherheit übereignet worden. Am 2. Mai 1980 stellte das Landgericht auf Antrag der Klägerin gemäß §§ 771 Abs. 3, 769 Abs. 1 ZPO die Zwangsvollstreckung in das Holz gegen Sicherheitsleistung von 150.000 DM einstweilen ein. Ein Antrag der Beklagten, die Einstellung aufzuheben, wurde am 14. Mai 1980 zurückgewiesen. Die Klägerin leistete die Sicherheit am 27. Juni 1980. Sie schlug der Beklagten durch Schreiben vom 16. Oktober 1980 und 19. März 1981 erfolglos vor, das Holz freihändig zum Schätzwert an einen von ihr gefundenen Interessenten zu veräußern und den Kaufpreis bis zum Abschluß des Rechtsstreits zu hinterlegen. Mit Schriftsatz vom 22. Dezember 1981 beantragte die Klägerin die Aufhebung des Einstellungsbeschlusses. Das Landgericht gab dem Antrag erst auf Erinnerung am 19. Februar 1982. statt. Am 7. September 1982 hob der Gerichtsvollzieher die Pfändung auf, weil die Beklagte einen von ihm angeforderten Kostenvorschuß für die Lagerung des Holzes nicht bezahlt hatte.

Die Beklagte erhob Widerklage auf Schadensersatz von 115.000 DM nebst Zinsen mit der Behauptung, während der Dauer der einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung habe das gepfändete Holz in dieser Höhe an Wert verloren. Nachdem die Klägerin wegen ihrer Ansprüche gegen die Firma Hilde W… anderweitig befriedigt worden war, erklärten die Parteien die Drittwiderspruchsklage in der Hauptsache für erledigt und beantragten insoweit wechselseitig, dem Gegner die Kosten aufzuerlegen.

Das Landgericht wies die Widerklage ab. Die Kosten des Rechtsstreits erlegte es der Klägerin gemäß § 91a ZPO zu 2/5, im übrigen gemäß § 91 ZPO der Beklagten auf. Die Berufung der Beklagten, die inzwischen ihre Widerklageforderung an ihren Sohn abgetreten hatte und deshalb in erster Linie Zahlung an diesen, hilfsweise an sich beantragte, hatte keinen Erfolg.

Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihre Widerklageanträge aus dem Berufungsrechtszug weiter. Die Klägerin beantragt Zurückweisung des Rechtsmittels.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

1. Der Berufungsrichter nimmt zutreffend an, daß die Beklagte ungeachtet der Abtretung der Widerklageforderung an ihren Sohn gemäß § 265 ZPO weiterhin berechtigt ist, die Forderung geltend zu machen. Sie muß allerdings nunmehr auf Zahlung an den Sohn klagen, wie dies mit dem Hauptantrag der Widerklage auch geschieht.

2. Der Berufungsrichter geht ohne nähere Begründung davon aus, daß die Drittwiderspruchsklage unbegründet und der Antrag der Klägerin auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung daher ungerechtfertigt gewesen sei. Das ist deshalb für das Revisionsverfahren zu unterstellen.

Der Berufungsrichter stellt auch nicht fest, welcher Schaden der Beklagten infolge der Einstellung der Zwangsvollstreckung entstanden ist. Für das Revisionsverfahren ist deshalb vom Vortrag der Beklagten auszugehen, daß das gepfändete Holz während der Zeit, in der die Zwangsvollstreckung eingestellt war, durch Entwendungen und Verderb mindestens 115.000 DM an Wert verloren hat.

3. Gleichwohl verneint der Berufungsrichter einen Ersatzanspruch aus § 717 Abs. 2 ZPO. Das ist zutreffend.

a) Eine unmittelbare Anwendung der Vorschrift kommt nicht in Betracht. Sie verpflichtet den Vollstreckungsgläubiger zum Schadensersatz, wenn er aus einem vorläufig vollstreckbaren Urteil die Zwangsvollstreckung betrieben bat und dieses später aufgehoben oder abgeändert wird. Ähnliche Vorschriften finden sich in den §§ 302 Abs. 4 Satz 3, 600 Abs. 2, 641 g, 945, 1042c Abs. 2 Satz 3, 1044a Abs. 3 ZPO. Ihnen ist gemeinsam, daß die Vollstreckung aus einem nur vorläufigen Titel den Vollstreckungsgläubiger ohne Rücksicht auf ein Verschulden zum Ersatz verpflichtet, wenn der Titel später aufgehoben wird. Darum geht es hier aber nicht. Die Beklagte verlangt Ersatz für einen Schaden, der ihr als Vollstreckungsgläubigerin aus einem sachlich ungerechtfertigten Vollstreckungsaufschub, den ein Dritter erwirkt hat, entstanden sein soll.

Für diesen Sachverhalt enthält das Gesetz keine besondere Entschädigungsregelung zugunsten des Gläubigers. Eine Ausnahme gilt nur, wenn durch einstweilige Verfügung eine Unterlassung von Vollstreckungsmaßregeln angeordnet worden ist. Dann ist § 945 ZPO anwendbar. Dieser Fall liegt nicht vor.

b) Der Berufungsrichter hat auch mit Recht eine entsprechende Anwendung des § 717 Abs. 2 ZPO und der vergleichbaren Vorschriften abgelehnt. In Betracht kommt weniger die analoge Anwendung einer Einzelbestimmung, etwa des § 717 Abs. 2 oder des § 945 ZPO, als eine entsprechende Anwendung des allgemeinen Rechtsgedankens, der allen genannten Vorschriften zugrunde liegt. Das Reichsgericht hat diese Vorschriften als der Analogie nicht fähige Ausnahmen von der Verschuldenshaftung angesehen (RG JW 1906, 89; HRR 1925 Nr. 141; vgl. auch JW 1912, 201 Nr. 28; HRR 1933 Nr. 1541). Dem sind die übrige Rechtsprechung und der überwiegende Teil des älteren Schrifttums gefolgt (vgl. die Nachweise bei Weber AcP 141, 257, 258 Fn. 4 und 259 Fn. 5). Diese Ansicht läßt sich nicht aufrecht erhalten. Der Bundesgerichtshof hat wiederholt entschieden, daß den genannten Vorschriften ein allgemeiner Rechtsgedanke zugrunde liege, der entsprechender Anwendung auf andere, gesetzlich nicht geregelte Fälle zugänglich sei (vgl. BGHZ 30, 123, 128 f.; 62, 7; BGH, Urt. v. 7. November 1961 – VI ZR 47/61, LM ZPO § 945 Nr. 4; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO 20. Aufl. § 717 Rdnr. 9 f., 60 f.; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO 43. Aufl. § 717 Anm. 2 A und 5 A). Entscheidend ist, ob dieser Rechtsgedanke auch zutrifft, wenn einem Vollstreckungsgläubiger durch eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung, die sich nachträglich als ungerechtfertigt erweist, Schaden zugefügt worden ist.

Die Frage ist umstritten (dafür: Pecher, Die Schadensersatzansprüche aus ungerechtfertigter Vollstreckung S. 189; Weber, AcP 141, 257 f.; Zöller/Schneider, ZPO 14. Aufl., § 717 Rdnr. 4; LG Frankfurt MDR 1980, 409; dagegen: Stein/Jonas/Münzberg, § 717 ZPO Rdnr. 71; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, § 945 ZPO Anm. 1; Wieczorek, ZPO 2. Aufl. § 717 Anm. B I c 3; Wieczorek/Schütze, § 945 ZPO Anm. A II b 1; Baur, Studien zum einstweiligen Rechtsschutz S. 122). Dabei unterscheiden Befürworter und Gegner einer Analogie nicht nach den verschiedenen Einstellungstatbeständen. Hier kann offen bleiben, wie in anderen Einstellungsfällen zu entscheiden wäre. Jedenfalls für den Bereich des § 771 Abs. 3 ZPO ist die Analogie abzulehnen.

Die §§ 717 Abs. 2, 945 ZPO beruhen ebenso wie die anderen oben bezeichneten Vorschriften auf dem allgemeinen Rechtsgedanken, daß die Vollstreckung aus einem noch nicht endgültigen Vollstreckungstitel auf Gefahr des Gläubigers geht. Der Schuldner muß aufgrund einer gerichtlichen Anordnung den Eingriff in seinen Handlungs- und Vermögensbereich dulden, dessen Unbegründetheit sich nach weiterer Prüfung herausstellt. Nach gesetzlicher Wertung entspricht es einer sachgerechten, und gebotenen Risikoverteilung, daß der Gläubiger die Gefahr der sachlich rechtlichen Unbegründetheit seines Rechtsschutzbegehrens trägt. Dabei ist es; im Grundsatz ohne rechtliche Bedeutung, aus welchem Grunde sich schließlich die Unbegründetheit des vorläufig titulierten Rechts ergibt; entscheidend ist, daß der Gläubiger aus einem noch nicht endgültigen Titel vollstreckt hat (vgl. BGHZ 62, 7, 9).

Die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 771 Abs. 3 ZPO ist ebenfalls eine vorläufige Entscheidung, die der begünstigten Partei einen Eingriff in den Handlungs- und Vermögensbereich eines anderen, hier des Vollstreckungsgläubigers, ermöglicht. Auch hier kann das weitere Verfahren ergeben, daß die Einstellung sachlich ungerechtfertigt war. Diese Gefahr ist im Vergleich zu den §§ 717 Abs. 2, 302 Abs. 4 Satz 3, 600 Abs. 2, 1042c Abs. 2, Satz 3 und 1044a Abs. 3 ZPO eher größer, weil nur eine summarische Prüfung der Einstellungsgründe erfolgt und die Anfechtbarkeit der Entscheidung nach verbreiteter Auffassung beschränkt ist (vgl. dazu Baumbach/Lauterbach/Hartmann, § 771 ZPO Anm. 5 i.V.m. § 769 ZPO Anm. 2 B m.w.N.).

Dennoch ist es nicht sachgerecht, dem Dritten, der eine Einstellung nach § 771 Abs. 3 ZPO erwirkt ohne Rücksicht auf ein Verschulden die Gefahr einer sich später als unrichtig erweisenden Entscheidung aufzuerlegen. Es ist unbillig, ihn einer strengeren Haftung zu unterwerfen als den Vollstreckungsgläubiger, der unberechtigt in schuldnerfremdes Vermögen vollstreckt. Damit würde das Risiko eines Streites zwischen dem Vollstreckungsgläubiger und einem Dritten, der den Gegenstand der Zwangsvollstreckung für sich in Anspruch nimmt, von vornherein in ungerechtfertigter Weise zu Lasten des Dritten verschoben.

Der Vollstreckungsgläubiger darf grundsätzlich nur in das Vermögen seines Schuldners vollstrecken. Die Vollstreckung in schuldnerfremdes Vermögen mag bei Vorliegen der förmlichen Vollstreckungsvoraussetzungen rechtmäßig sein, soweit es um das Handeln der staatlichen Vollstreckungsorgane geht; der Gläubiger handelt rechtswidrig, wenn er die Vollstreckung in schuldnerfremde Gegenstände betreibt (BGHZ 55, 20, 26). Bei einer Sachpfändung, wie sie hier vorlag, wird die Zugehörigkeit des Pfandgegenstandes zum Schuldnervermögen nur auf erste Sicht geprüft. Der Gerichtsvollzieher darf grundsätzlich alle Sachen pfänden, die sich im Gewahrsam des Schuldners befinden (§ 808 Abs. 1 ZPO.). Das Gesetz geht davon aus, daß der in der Regel leicht feststellbare Gewahrsam für die Zugehörigkeit zum Schuldnervermögen spricht. Die Pfändung beruht also ebenfalls auf einer nur summarischen Prüfung der Zugehörigkeit der Pfandsache zum Schuldnervermögen. Das Gesetz überläßt es dem Dritten, der die Pfandsache für sich in Anspruch nimmt, seine Rechte außerhalb des Vollstreckungsverfahrens geltend zu machen. § 771 ZPO schreibt dafür ein bestimmtes Verfahren vor. In diesem Verfahren bietet § 771 Abs. 3 ZPO den Ausgleich dafür, daß die Pfändung aufgrund einer nur summarischen Prüfung der Zugehörigkeit der Pfandsache zum Schuldnervermögen erfolgt ist; der Dritte kann aufgrund einer ebenso summarischen Prüfung seiner Rechte die weitere Durchführung der Zwangsvollstreckung bis zur abschließenden gerichtlichen Klärung hindern (vgl. BGHZ 55, 20, 30).

Das Risiko, daß sich dabei die Pfändung im Nachhinein als ungerechtfertigt erweist, kann vorausschauend nicht geringer veranschlagt werden als die Gefahr, daß sich die einstweilige Einstellung als unbegründet herausstellt. Den Vollstreckungsgläubiger trifft indessen bei einem unberechtigten Vollstreckungszugriff keine vom Verschulden unabhängige Gefährdungshaftung; in Betracht kommt nur eine Haftung aus unerlaubter Handlung, insbesondere aus den §§ 823 Abs. 1, 826 BGB (vgl. BGHZ 55, 20, 26; 58, 207, 210), die ein Verschulden voraussetzt. Bei der Prüfung des Verschuldens kommt dem Gläubiger § 808 Abs. 1 ZPO zugute (BGHZ 55, 20, 30). Müßte der Dritte bei einer ungerechtfertigten einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung nach dem strengeren Maßstab der §§ 717 Abs. 2, 945 ZPO haften, wäre der durch § 771 ZPO bezweckte Ausgleich zwischen dem Interesse des Gläubigers an einem raschen, mit einer Prüfung der materiellen Rechtslage nicht belasteten Vollstreckungszugriff und dem Interesse des Dritten an einem wirksamen Rechtsschutz gegen Vollstreckungseingriffe in seine Rechte empfindlich gestört.

4. Der Berufungsrichter verneint ferner einen Ersatzanspruch auf außerdeliktischer Grundlage, insbesondere aus Vertrag oder gesetzlichem Schuldverhältnis, sowie aus § 824 BGB. Das läßt Rechtsfehler nicht erkennen und wird von der Revision auch nicht beanstandet.

5. Das Berufungsgericht lehnt schließlich eine Haftung der Klägerin aus § 823 Abs. 1 oder § 826 BGB ab: Es könne dahinstehen, ob durch das Betreiben des gesetzlich geregelten Verfahrens nach § 771 Abs. 3, 769 ZPO ein unmittelbarer Eingriff in ein durch § 823 Abs. 1 BGB geschütztes Recht erfolge. Selbst wenn dies der Fall wäre, greife ein auf § 823 BGB gestützter Schadensanspruch nicht durch, weil es im Streitfall an der Rechtswidrigkeit des Eingriffs fehle. Wer sich eines staatlichen, gesetzlich eingerichteten und geregelten Verfahrens bediene, greife grundsätzlich auch dann nicht rechtswidrig in den geschützten Rechtskreis des Gegners ein, wenn sein Begehren sachlich nicht gerechtfertigt sei und dem anderen Teil aus dem Verfahren im Ergebnis Nachteile erwüchsen. Den Schutz des Gegners übernehme das Verfahren selbst nach Maßgabe seiner gesetzlichen Ausgestaltung. Es sei in der Regel nicht Sache einer Verfahrenspartei, die Belange der anderen wahrzunehmen. Jede Partei dürfe in erster Linie ihre eigenen Interessen vertreten. Dies folge schon aus dem Wesen eines Streitverfahrens.

Die Klägerin habe einen – wie sich nachträglich erwiesen habe – sachlich nicht gerechtfertigten Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung gestellt und dadurch die Einstellung der Zwangsvollstreckung erreicht. Dieses Verfahren sei eigens vorgeschaltet, um Dritte vor den schweren Nachteilen zu bewahren, welche eine Zwangsvollstreckung für sie und ihre unter Umständen bestehenden Ansprüche mit sich bringen könnte. Die Prüfung, ob der Einstellungsantrag zulässig und begründet sei, finde von Amts wegen mit der Möglichkeit einer objektiven Klärung statt. Dies zu veranlassen sei auch im Falle eines unbegründeten Antrags grundsätzlich nicht rechtswidrig.

Diese Grundsätze seien hier uneingeschränkt anwendbar. Die Klägerin habe der Beklagten aufgrund einer Anregung des Gerichts am 16. Oktober 1980 und am 19. März 1981 einen Freihandverkauf des gepfändeten Holzes zum Schätzwert und eine Hinterlegung des Erlöses beim Amtsgericht bis zur vollständigen Klärung des Rechtsstreits angeboten. Darauf sei die Beklagte ohne Angabe von Gründen nicht eingegangen. Damit fehle es am Nachweis einer Sorgfaltspflichtverletzung, die im Streitfall allein die Rechtswidrigkeit des Eingriffs begründen könnte. Wäre die Beklagte auf das Angebot der Gegenseite eingegangen, wäre ihr ein Wertverlust durch Verschlechterung des Holzes während der Verfahrenseinstellung im Rahmen der Interventionsklage nicht entstanden. Mit ihrem Angebot habe die Klägerin somit auch das wohlverstandene Interesse der Beklagten an der Vermeidung eines Verzögerungsschadens wahrgenommen. Im Hinblick darauf hätte die Beklagte dartun und gegebenenfalls nachweisen müssen, aus welchen Gründen sie dem Verkauf des Holzes an den von der Gegenseite gefundenen Käufer nicht zugestimmt habe und ob dies gegebenenfalls in Wahrung berechtigter Interessen geschehen sei. Daran fehle es. Danach sei davon auszugehen, daß die Klägerin das Erforderliche getan habe, um den drohenden Verzögerungsschaden abzuwenden. Sie sei daher unter Berücksichtigung der haftungsrechtlichen Privilegierung, die bei der Inanspruchnahme rechtsstaatlicher Verfahren gelte, nicht unrechtmäßig vorgegangen. In einem solchen Fall scheide erst recht der Vorwurf einer sittenwidrigen Schädigung im Sinne des § 826 BGB aus. Auch diese Ausführungen halten im Ergebnis den Angriffen der Revision stand.

a) Das Berufungsgericht geht von den in BGHZ 36, 18, 20 f. entwickelten Grundsätzen aus, die sich wie folgt zusammenfassen lassen: Wer sich eines staatlichen, gesetzlich eingerichteten und geregelten Verfahrens bedient, greift auch dann nicht rechtswidrig in den geschützten Rechtskreis seines Verfahrensgegners ein, wenn sein Begehren sachlich nicht gerechtfertigt ist und dem anderen Teil aus dem Verfahren Nachteile erwachsen. Er ist deshalb nicht verpflichtet, zuvor mit Sorgfalt zu prüfen, ob er sich zur Ingangsetzung des Verfahrens für berechtigt halten darf, oder gar seine Interessen gegen die des Gegners abzuwägen. Den Schutz des Gegners übernimmt das Verfahren selbst nach Maßgabe seiner gesetzlichen Ausgestaltung. Wo besondere gesetzliche Sanktionen für eine ungerechtfertigte Inanspruchnahme – wie die §§ 717 Abs. 2, 945 ZPO – fehlen, sind sie nicht durch einen Rückgriff auf § 823 Abs. 1 BGB zu ersetzen, schon weil es an der Rechtswidrigkeit mangelt. Anders ist es nur bei der vorsätzlichen sittenwidrigen Schadenszufügung durch ein mit unlauteren Mitteln betriebenes Verfahren. Alsdann gründet sich die Haftung des Schädigers jedoch auf § 826 BGB.

An diesen Grundsätzen hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in BGHZ 74, 9, 13 f. mit folgender Maßgabe festgehalten: Die Einleitung und Durchführung eines gesetzlich geregelten Verfahrens der Rechtspflege schließt auch abgesehen von den Fällen des § 826 BGB den Vorwurf der Rechtswidrigkeit nicht schlechthin aus. Jedoch indiziert ein subjektiv redliches Verhalten in einem gesetzlich geregelten Verfahren nicht schon – wie im Regelfall – durch die Beeinträchtigung von in § 823 BGB geschützten Rechtsgütern die Rechtswidrigkeit. Das schadensursächliche Verhalten genießt angesichts seiner verfahrensrechtlichen Legalität zunächst die Vermutung der Rechtmäßigkeit. Abgesehen von hier nicht einschlägigen – Ausnahmen haftet der Rechtsschutzbegehrende seinem Gegner nicht außerhalb der schon im Verfahrensrecht vorgesehenen Sanktionen nach dem sachlichen Recht der unerlaubten Handlung für die Folgen einer nur fahrlässigen Fehleinschätzung der Rechtslage. Eine andere Beurteilung müßte die freie Zugänglichkeit der staatlichen Rechtspflegeverfahren, an der auch ein erhebliches öffentliches Interesse besteht, in bedenklicher Weise einengen. Das unerläßliche Korrelat zu dem Recht des Betreibenden auf Irrtum stellt die Sicherung dar, die das Verfahren selbst dem Gegner bietet.

Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an.

b) Die Ausführungen der letztgenannten Entscheidung (a.a.O. S. 16) lassen es freilich als bedenklich erscheinen, dem Rechtsschutzbegehrenden das „Recht auf Irrtum” grundsätzlich auch dort zuzubilligen, wo lediglich eine vorläufige, summarische Beurteilung der sachlichen Rechtslage erfolgt und keine im Regelfall sicheren Verteidigungsmöglichkeiten für den Gegner bestehen. Das führt zu der Frage, ob die oben dargestellten Grundsätze auf einen ungerechtfertigten Einstellungsantrag nach § 771 Abs. 3 ZPO übertragbar sind. Das Reichsgericht hatte in einem solchen Antrag einen rechtswidrigen Eingriff in das Pfändungspfandrecht des Vollstreckungsgläubigers gesehen, der bei Verschulden – auch einfacher Fahrlässigkeit – zum Schadensersatz nach § 823 Abs. 1 BGB verpflichtet (vgl. JW 1906, 89; HRR 1925 Nr. 141).

Der Senat bejaht demgegenüber auch hier die Anwendbarkeit der in BGHZ 74, 9 dargestellten Grundsätze. Dafür spricht der schon oben erwähnte Gesichtspunkt, daß haftungsrechtlich „Waffengleichheit” zwischen dem Vollstreckungsgläubiger und dem Dritten bestehen muß, der am Gegenstand der Vollstreckung ein die Veräußerung hinderndes Recht geltend macht. Hinsichtlich der Sorgfaltsanforderungen, die den Gläubiger anläßlich der Pfändung treffen, hat der Bundesgerichtshof entschieden, daß das Gesetz dem Gläubiger über die Prüfung des Schuldnergewahrsams hinaus zunächst nicht eine weitere Prüfung ansinne, ob die gepfändeten Sachen auch zum Vermögen des Schuldners gehören. Es sei vielmehr Sache des Dritten, den Gläubiger davon zu überzeugen, daß die gepfändeten Sachen nicht zum Vermögen des Schuldners, sondern ihm gehören und, falls ihm das nicht gelinge, seine Rechte dem Prozeßgericht glaubhaft zu machen und bei diesem eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung zu erwirken (BGHZ 55, 20, 30; 58, 207, 210). Dem Dritten, der sich gegen eine aus seiner Sicht unberechtigte Pfändung wehrt, muß es deshalb grundsätzlich erlaubt sein, seinen Standpunkt im Wege des Antrags aus § 771 Abs. 3 ZPO zur gerichtlichen Nachprüfung zu stellen. Gibt das Gericht dem Antrag statt, kann er in der Regel bis zur weiteren Klärung der Sach- und Rechtslage davon ausgeben, daß die zur Begründung des Antrags vorgelegten Unterlagen ausreichen, sein die Veräußerung hinderndes Recht zu belegen. Beruft sich der Vollstreckungsgläubiger wie hier – auf ein besseres Recht am Gegenstand der Zwangsvollstreckung, obliegt es ihm, dieses Recht glaubhaft zu machen.

Für die Frage, ob das vom Widerspruchskläger eingeleitete Verfahren dem Gegner hinreichend sichere Verteidigungsmöglichkeiten bietet, kann außerdem nicht nur darauf abgestellt werden, daß zur Begründung des Einstellungsantrags Glaubhaftmachung der tatsächlichen Angaben genügt (§§ 771, Abs. 3 Satz 1, 769 Abs. 1 Satz 2 ZPO) und die Anfechtbarkeit des Einstellungsbeschlusses umstritten ist. Das Verfahren nach § 771 Abs. 3 ZPO darf nicht getrennt von dem zugehörigen Klageverfahren betrachtet werden. Unabhängig von der Frage, welche Möglichkeiten der Anfechtung des Einstellungsbeschlusses bestehen, hat jedenfalls das Prozeßgericht jederzeit die Möglichkeit, entsprechend dem jeweiligen Verfahrensstand den Einstellungsbeschluß zu ändern oder aufzuheben, wenn das Recht des Klägers aufgrund des Verteidigungsvorbringens des Beklagten und der weiteren Verfahrensergebnisse als nicht mehr glaubhaft gemacht erscheint. Damit ist dem Gegner eine hinreichende verfahrensrechtliche Sicherung gewährleistet.

Eine nur leicht fahrlässige Verkennung der Rechtslage durch den Dritten begründet daher auch hier nicht die Rechtswidrigkeit des Eingriffs in die Rechte des Vollstreckungsgläubigers.

c) Die Feststellungen des Berufungsgerichts ergeben nicht, daß der Klägerin mehr als leichte Fahrlässigkeit zur Last gelegt werden kann. Die Verfahrensrüge der Revision, der Berufungsrichter habe insoweit entscheidungserhebliches und unter Beweis gestelltes Vorbringen der Beklagten übergegangen, greift nicht durch.

Die Beklagte hatte sich gegen die Drittwiderspruchsklage in erster Linie mit dem Einwand verteidigt, der Sicherungsübereignungsvertrag zwischen der Klägerin und der Firma Hilde Wo sei unwirksam, weil er nicht hinreichend bestimmt sei; außerdem sei das in dem Sicherungsübereignungsvertrag bezeichnete Holz nicht mit dem gepfändeten identisch. Die Entscheidung über diesen Einwand, den das Landgericht für durchgreifend erachtet hat, konnte die Klägerin guten Glaubens dem Gericht überlassen. Auch die Revision macht nicht geltend, daß der Klägerin insoweit ein grobes Verschulden zur Last falle.

Darüber hinaus hatte die Beklagte geltend gemacht, die Klägerin habe durch den Vertrag vom 12. Januar 1978 kein Eigentum an dem gepfändeten Holz erwerben können, weil dieses von der Beklagten und einer Firma U… unter Eigentumsvorbehalt geliefert und noch nicht bezahlt gewesen sei. Außerdem sei dieses Holz am 30. Dezember 1977 in Listen erfaßt und der Beklagten sowie der Firma U… als Sicherheit übereignet worden. Auf diese Tatsachen hätten Vertreter der Beklagten den Direktor M… der Klägerin in der Zeit zwischen Mitte November 1977 bis Mitte Januar 1978 mehrfach hingewiesen. Die Klägerin habe somit gewußt, daß ihr keine Rechte an dem gepfändeten Holz zustanden, und sie durch den Einstellungsantrag vorsätzlich geschädigt. Der Revision ist zuzugeben, daß sich das Berufungsgericht mit diesem Vortrag nicht auseinandergesetzt hat. Das nötigt jedoch nicht zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, weil die von der Beklagten vorgetragenen Tatsachen unter Berücksichtigung des sonstigen Parteivorbringens nicht schlüssig ergeben, daß die Klägerin vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt hat.

Die Sicherungsübereignung vom 30. Dezember 1977, war nicht geeignet, das Eigentumsrecht der Beklagten und der Firma U… an den gepfändeten Holzvorräten zu begründen. In den Holzlisten Nr. 1 – 7 vom 30. Dezember 1977 waren Holzvorräte der Firma Hilde W… erfaßt, die angeblich noch im Vorbehaltseigentum der Beklagten oder der Firma U… standen. Dabei wurde nicht unterschieden, welche Bestände der Beklagten und welche der Firma U… gehörten. Im Anschluß an die Auflistung heißt es: „Diese gesamte Ware der Fa. E…/U… wird dieser sicherübereignet …”. Aus dieser Erklärung ist nicht zu ersehen, welches Holz der Beklagten und welches der Firma U… übereignet werden sollte. Diese Unterscheidung war notwendig, weil es sich bei der Firma U… um eine GmbH und Co. KG, also um eine von der Beklagten verschiedene Gesellschaft handelt. In der vorliegenden Form fehlt der dinglichen Einigung die notwendige Bestimmtheit; sie ist deshalb unwirksam.

Das Eigentum der Beklagten und der Firma U… an der gepfändeten Ware konnte sich somit nur aus einem vereinbarten Eigentumsvorbehalt ergeben. Mit Eigentumsvorbehalten von Lieferanten mußte die Klägerin rechnen. Daraus folgt indessen noch nicht, daß sie die durch Zwangsvollstreckung begründeten Rechte der Beklagten vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt hat, als sie den Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung stellte. Wie sich aus dem eigenen Vortrag der Beklagten ergibt, waren seit Ende 1977 beide Parteien wegen eines gegen die Firma Hilde W… anhängigen Zwangsversteigerungsverfahrens bestrebt, ihre Forderungen gegen diese zu sichern. Auf die Erklärungen eines konkurrierenden Gläubigers, die auf dem Betriebsgrundstück lagernden Holzvorräte stünden in seinem Vorbehaltseigentum, brauchte sich die Klägerin nicht zu verlassen. Sie durfte von der Wirksamkeit des von ihr mit der Firma Hilde W… geschlossenen Sicherungsübereignungsvertrages ausgehen, bis ihr die Rechte Dritter an dem Holz nachgewiesen wurden. Dem Vorbringen der Beklagten ist nicht zu entnehmen, daß sie diesen Nachweis gegenüber der Klägerin geführt hat. In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, daß nach dem Vortrag beider Parteien die Holzbestände auf dem Betriebsgrundstück der Firma Hilde W… Veränderungen unterlagen und daß die Firma Hilde W… auch von anderen Lieferanten beliefert wurde. Ebenso wie die Klägerin das Landgericht nicht davon überzeugen konnte, daß die gepfändeten und von dem Sachverständigen Dr. B… aufgelisteten Holzvorräte zu denen gehörten, die ihr als Sicherheit übereignet worden waren, war es der Klägerin angesichts der auf dem Holzlagerplatz herrschenden Unordnung, die der Sachverständige Dr. B… anschaulich beschrieben hat, schwerlich möglich, das gepfändete Holz den Rechnungsunterlagen der Beklagten und der Firma U… sowie deren Holzlisten vom 30. Dezember 1977 zuzuordnen. Sie durfte es deshalb dem Gericht überlassen, die Eigentumsverhältnisse, soweit sie entscheidungserheblich waren, zu klären.

Da mithin eine vorsätzliche oder auch nur grob fahrlässige Rechtsverletzung nicht dargetan ist, entfallen Schadensersatzansprüche der Beklagten aus § 823 Abs. 1 und § 826 BGB.

Die Revision ist deshalb zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 609747

BGHZ, 10

NJW 1985, 1959

ZIP 1985, 1414

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