Entscheidungsstichwort (Thema)

Auflösung einer AG und ihre Rechtsfolgen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ist die Klage nach den Entscheidungsgründen lediglich als zur Zeit unbegründet abgewiesen und strebt der Beklagte mit der Anschlußrevision die völlige Abweisung der Klage an, so wendet er sich nicht bloß gegen die Entscheidungsgründe.

2. Mit der Anschlußrevision kann eine bis dahin unterlassene Widerklage nicht nachgeholt werden.

3. Die Auflösung einer Aktiengesellschaft schließt nicht aus, daß eine vor Auflösung der Gesellschaft beschlossene bedingte Kapitalerhöhung noch während der Liquidationsstadiums durchgeführt wird.

4. Wird einer Aktiengesellschaft, die im Zusammenhang mit einer bedingten Kapitalerhöhung ein Umtauschrecht gewährt hat, die Ausgabe neuer Aktien durch hoheitlichen Zwangseingriff unmöglich gemacht, so ist Inhalt der Umtauschverpflichtung, die Umtauschberechtigten wie Aktionäre zu stellen.

5. Ein Umtauschrecht ist unentziehbar, wenn es nicht willkürlich wieder entzogen werden kann. Der Begriff des unentziehbaren Umtauschrechts verlangt dagegen nicht, daß das Umtauschrecht unbefristet und von nicht willentlich herbeigeführten Beendigungsgründen unabhängig sein müsse.

6. Eine nur vorübergehende Unmöglichkeit der Erreichung des vereinbarten Zwecks reicht zur Beendigung der bürgerlich-rechtlichen Gesellschaft nicht aus.

7. Die zeitweilige Unmöglichkeit der Zweckerreichung hat für die Dauer der Unmöglichkeit das Ruhen der BGB-Gesellschaft zur Folge.

8. Die Auflösung einer Aktiengesellschaft bildet keinen wichtigen Grund zur Kündigung einer langfristig eingegangenen bürgerlich-rechtlichen Gesellschaft, falls die Aktiengesellschaft auch ohne diesen Vertrag nicht zu Ende liquidiert werden kann.

 

Normenkette

AktG §§ 159, 203; BGB §§ 726, 723

 

Verfahrensgang

OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 12.07.1955)

 

Tenor

Auf die Revision der Kläger wird das am 12. Juli 1955 verkündete Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Frankfurt/Main im Kostenpunkt aufgehoben.

Die weitergehende Revision der Kläger und die Anschlußrevision der Beklagten werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden zu 1/10 der Beklagten auferlegt. Von den restlichen Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 1) 50 %, der Kläger zu 2) 10 %, der Kläger zu 3) 13 %, der Kläger zu 4) 6 %, die Kläger zu 5) und zu 6) je 5 %, die Kläger zu 7) und zu 8) je 4 %, der Kläger zu 9) 2 % und die Klägerin zu 10) 1 %.

 

Tatbestand

Am 14. Oktober 1926 schlossen die Beklagte und die D Lä AG einerseits und die A. R Montanwerke Aktiengesellschaft andererseits einen Interessengemeinschaftsvertrag. Nach § 4 dieses Vertrages war die D Lä AG vom 1. April 1930 ab für die Dauer des Vertrages den R. Aktionären gegenüber verpflichtet, auf Verlangen jedes einzelnen von ihnen gegen Überlassung von nom. 1.000 RM R. Aktien nom. 600 RM Aktien der Beklagten umzutauschen; die D Lä AG konnte nach ihrer Wahl alte oder zu diesem Zweck neu geschaffene gleichberechtigte Aktien der Beklagten liefern. Bereits am 1. September 1926 hatte die Beklagte ihr Grundkapital um 30 Millionen RM erhöht; die neuen Aktien hatte die D Lä AG für Rechnung der Beklagten übernommen; sie hielt diese Aktien zur Erfüllung des Umtauschrechts bereit (Vorratsaktien). Auf Grund der 8. VO zur Durchführung der Vorschriften über die Kapitalherabsetzung in erleichterter Form vom 14.3.34 setzte die Beklagte durch Beschluß ihrer Generalversammlung vom 28. April 1934 ihr Grundkapital um den Betrag der Vorratsaktien herab und erhöhte ihr Kapital in der Weise, daß bestimmte Umtauschrechte auf die neu auszugebenden Aktien eingeräumt wurden und die Kapitalerhöhung erst in dem Zeitpunkt und nur insoweit zur Durchführung gelangen sollte, als von diesen Umtauschrechten Gebrauch gemacht würde (bedingte Kapitalerhöhung). Unter den Umtauschberechtigten waren die R. Aktionäre aufgeführt; in dem Generalversammlungsbeschluß vom 28. April 1934 hieß es, daß ihnen das Umtauschrecht „unter den Voraussetzungen des Vertrages vom 14. Oktober 1926 gewährt” werde. Durch Kapitalberichtigungen hat sich das Umtauschverhältnis später auf 2: 1 verschoben.

Die R. werke hatten ihren Sitz in Ha. Ihr in der Sowjetzone belegenes Vermögen wurde entschädigungslos enteignet. Auch das Ostvermögen der Beklagten hatte dieses Schicksal; hierunter befinden sich die Le-Werke, die aus dem R Grubenbesitz gespeist wurden. Die R-AG besitzt in der Bundesrepublik noch Vermögen.

Die Beklagte hat den Interessengemeinschaftsvertrag vom 14. Oktober 1926 mit Schreiben vom 22. April 1952 gekündigt. Sie sieht die veränderten Verhältnisse als einen wichtigen Grund zur Kündigung an und hält aus demselben Grunde den Interessengemeinschaftsvertrag nach § 726 BGB oder infolge Wegfalls der Geschäftsgrundlage für beendet. Sie meint, daß damit auch das Umtauschrecht erledigt sei.

Die Kläger, die zusammen 99.800 RM R. Aktien besitzen, sind der Ansicht, daß das Umtauschrecht seit dem Generalversammlungsbeschluß vom 28. April 1934 nicht mehr auf dem Interessengemeinschaftsvertrage vom 14. Oktober 1926 beruhe, sondern im Wege „gesetzlicher Novation” verselbständigt worden sei und darum nicht das Schicksal des Interessengemeinschaftsvertrages teile. Sie leiten diesen Standpunkt auch daraus ab, daß es in dem Prospekt über die Börseneinführung der Aktien aus der bedingten Kapitalerhöhung heißt: „Das Umtauschrecht läuft vom 1. April 1930 bis 31. März 2023 (Vertrag vom 14. Oktober 1926).” Die Kläger entnehmen dem Umstand, daß die Vertragsdauer des Interessengemeinschaftsvertrages bis zum 31. März 2023 befristet war, daß der zuvor wiedergegebene Satz beinhalte, daß das Umtauschrecht, das nach ihrer Auffassung schon nach dem Vertrage vom 14. Oktober 1926 unentziehbar gewesen sei, lediglich nach Maßgabe dieses Vertrages befristet, im übrigen aber von diesem Vertrage unabhängig sei und seinen sonstigen Beendigungsgründen nun erst recht nicht mehr unterliege.

Die Kläger meinen weiter, das Umtauschrecht sei mindestens dadurch zu einem von dem Schicksal des Interessengemeinschaftsvertrages unabhängigen und unentziehbaren Recht geworden, daß die Beklagte im Jahre 1943 das hauptsächlichste Vermögensstück der R-AG, das Am Revier, zum steuerlichen Buchwert gegen Reichsmark gekauft habe. Der Interessengemeinschaftsvertrag stelle seinem ganzen Inhalt nach eine kalte Fusion dar. Durch ihn sei die Beklagte wirtschaftlich der Herr der R. werke geworden. Lediglich aus steuerlichen Gründen sei die Form des vereinbarten Interessengemeinschaftsvertrages statt einer Fusion gewählt worden. Daraus erkläre sich auch die Einräumung des Umtauschrechts, das zur Sicherung der R. Aktionäre unerläßlich notwendig gewesen sei. § 5 des Interessengemeinschaftsvertrages habe der Beklagten das Recht gegeben, das Vermögen der R. werke durch Fusion in der Weise zu übernehmen, daß auf je nom. 1.000 RM R. Aktien nom. 600 RM Aktien der Beklagten zu liefern seien; § 5 habe den Inhabern der nicht im Besitz der Beklagten befindlichen (freien) R. Aktien zwar das Recht zugestanden, die Fusion abzulehnen, die Beklagte aber für diesen Fall berechtigt, den Interessengemeinschaftsvertrag zu kündigen oder innerhalb bestimmter Frist die Überlassung der vorhandenen Kohlenabbaugerechtigkeiten, des Bergwerkseigentums, der Liegenschaften, Wohngebäude, Betriebsanlagen, Maschinen und Betriebseinrichtungen sowie Beteiligungen oder der von der Beklagten nach freiem Ermessen zu bestimmenden Teile dieser Gegenstände zum Buchwert der letzten Bilanz zu verlangen. Nach § 7 des Interessengemeinschaftsvertrages finde eine Auseinandersetzung der Interessengemeinschaft und eine nachträgliche Berichtigung der Vorbilanzen im Falle der Beendigung des Interessengemeinschaftsvertrages „durch Kündigung aus § 5 oder aus einem wichtigen Grunde, durch Ablauf der vorgesehenen Dauer oder aus einem sonstigen Grunde” nicht statt; im Falle der Auflösung des Interessengemeinschaftsvertrages sei die Beklagte berechtigt, binnen drei Monaten die Übernahme des Vermögens der R-AG oder von Teilen davon zu verlangen; in diesem Falle hätten die R. Aktionäre das Recht gehabt, das Umtauschrecht noch für die Dauer von 6 Monaten auszuüben. Dem stehe der Verkauf des Am Reviers gleich; durch den Abschluß dieses Kaufvertrages habe sich die Beklagte endgültig auf den Umtausch der Aktien festgelegt; ohne diese Annahme sei die mit diesem Verkauf vollzogene Aushöhlung der Substanz der R-AG deren Aktionären gegenüber nicht zu verantworten gewesen.

Durch den Beschluß der Generalversammlung der Beklagten vom 28. April 1934, spätestens aber durch die Übernahme des Am Reviers, seien die Kläger virtuelle Aktionäre der Beklagten geworden. Durch diese Maßnahmen habe die Beklagte das Risiko einer etwaigen Veränderung der „großen Geschäftsgrundlage” (Verluste durch Naturereignisse oder hoheitliche Eingriffe) getragen. Den Klägern könnten daher die Ostenteignungen nicht entgegengehalten werden.

Mit der Klage haben die Kläger beantragt, festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihnen Zug um Zug gegen Lieferung ihrer R. Aktien Aktien der Beklagten im Verhältnis von 2: 1 umzutauschen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.

In der Berufungsinstanz hat die Beklagte noch geltend gemacht, daß sie infolge der ihr aufgezwungenen Auflösung und Entflechtung und infolge der Währungsumstellung keine Reichsmarkaktien mehr liefern und keine Aktien in D-Mark ausgeben könne und daß ihr infolge dieser Umstände und auf Grund des Pariser Vertrages für immer die Fortsetzung des Interessengemeinschaftsvertrages und die Erfüllung des Umtauschrechts unmöglich geworden sei.

Die Kläger haben Anschlußberufung eingelegt und mit ihr beantragt, festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet sei, die Kläger hinsichtlich ihres Besitzes an R. Aktien so zu stellen, wie die Aktionäre der Beklagten bei deren Entflechtung berücksichtigt worden sind.

Die Beklagte hat mit der Berufung Klageabweisung und hilfsweise beantragt, die Klage als zur Zeit unbegründet abzuweisen.

Auf die Berufung der Beklagten und die Anschlußberufung der Kläger hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen und die Kosten des Rechtsstreits den Klägern auferlegt. In den Entscheidungsgründen hat das Berufungsgericht den Antrag der Anschlußberufung für zur Zeit unbegründet erklärt, weil das Umtauschrecht der Kläger zur Zeit nicht durchgeführt werden könne und darum ruhe. Es hat die gefällte Kostenentscheidung damit begründet, der mit der Klage erhobene Anspruch sei endgültig, der mit der Anschlußberufung verfolgte Anspruch dagegen bloß als zur Zeit unbegründet abgewiesen worden; dies bedeute aber nur ein geringfügiges Unterliegen der Beklagten, das es nicht rechtfertige, ihr einen Teil der Kosten aufzuerlegen.

Mit der Revision verfolgen die Kläger lediglich den Antrag der Anschlußberufung weiter. Mit der Anschlußrevision beantragt die Beklagte, die Klage uneingeschränkt abzuweisen. Die Kläger haben gegenüber der Anschlußrevision in erster Linie um Verwerfung und hilfsweise um Zurückweisung gebeten. Die Beklagte hat die Zurückweisung der Revision beantragt.

 

Entscheidungsgründe

I. Die Anschlußrevision ist zulässig.

Die Kläger sind der Ansicht, daß die Beklagte mit der Anschlußrevision lediglich die Änderung der Abweisungsgründe anstrebe und die bisher unterlassene Widerklage nachzuholen beabsichtige. Beides trifft nicht zu.

1.) Die Tragweite und der Gegenstand der Rechtskraft eines klagabweisenden Urteils ergibt sich aus den Entscheidungsgründen (RGZ 130, 297 (300 m.w.Nachw.)). Das Berufungsurteil läßt nach seinen Gründen keinen Zweifel darüber, daß der Antrag der Anschlußberufung als zur Zeit unbegründet abgewiesen worden ist. Durch diese Einschränkung ist die Beklagte in der Berufungsinstanz teilweise unterlegen. Die Kläger könnten, wenn das Berufungsurteil rechtskräftig werden würde, nach Beendigung des Ruhens des Umtauschrechts von neuem klagen, ohne daß ihnen die Rechtskraft des ergangenen Urteils entgegenstehen würde. Die Abweisung der Klage wegen Ruhens des Umtauschrechts steht zwar der uneingeschränkten Abweisung der Klage gleich, wenn die Umstände, die zur Annahme des Ruhens des Umtauschrechts geführt haben, bis zum zeitlichen Ablauf des Interessengemeinschaftsvertrages (31. März 2023) weiterbestehen oder sich gar verstärken. Aber bei gegenteiliger Entwicklung der Verhältnisse ist die Beklagte erneut der Klage ausgesetzt. Das ist dann anders, wenn die Klage uneingeschränkt abzuweisen wäre, weil der mit der Anschlußberufung erhobene Anspruch nicht oder nicht mehr besteht. Der Angriff der Anschlußrevision richtet sich daher nicht lediglich gegen die Entscheidungsgründe des Berufungsurteils, sondern gegen den Inhalt des Urteilsspruchs, wie er vom Berufungsgericht gewollt und nach den Entscheidungsgründen auszulegen und zu verstehen ist. Es bedarf darum keiner Entscheidung darüber, ob eine allein wegen der Entscheidungsgründe des Berufungsurteils erhobene Anschlußrevision unzulässig ist (bejahend Stein-Jonas-Schönke ZPO § 521 I 1).

2.) Die Anschlußrevision ist kein Rechtsmittel; mit ihr übt der Revisionsbeklagte nur das Recht aus, von sich aus durch Anträge die Grenzen zu bestimmen, innerhalb deren das Berufungsurteil in rechtlicher Hinsicht nachgeprüft werden soll (vgl RGZ 153, 348 m.w.Nachw.). Auf diese Weise kann in der Revisionsinstanz nicht eine bis dahin unterlassene Widerklage nachgeholt werden. Aber darum geht es hier nicht. Die Beklagte ist mit ihrer Berufung nicht voll durchgedrungen, sie hat die Abweisung der Klage nicht uneingeschränkt erreicht. Ohne die Anschlußrevision der Beklagten müßte es bei der Abweisung der Klage als zur Zeit unbegründet verbleiben, selbst wenn die Klage nach Ansicht des Revisionsgerichts uneingeschränkt unbegründet wäre. Mit der Anschlußrevision strebt die Beklagte keine weitergehende Rechtskraft als die eines die Klage uneingeschränkt abweisenden Urteils an. Sie holt keine in den Tatsacheninstanzen unterlassene Widerklage nach, sondern verfolgt den Hauptantrag ihrer Berufung, die Klage in vollem Umfange abzuweisen, weiter. Hierzu genügt der bloße Antrag auf Zurückweisung der Revision nicht, da er keine Änderung des Berufungsurteils zugunsten der Beklagten ermöglicht. Der Beklagten kann daher die Weiterverfolgung ihres auf uneingeschränkte Klageabweisung gerichteten Antrages nicht verwehrt werden.

II. Der Antrag der Anschlußberufung ist schlüssig.

1.) Die am 28. April 1934 beschlossene bedingte Kapitalerhöhung ist nicht mehr durchführbar. Das Vermögen der Beklagten wurde durch das Kontrollratsgesetz Nr 9 beschlagnahmt und der Kontrolle der Alliierten unterworfen. Nach § 77 Abs 3 DMBG ist die Beklagte zu einer Neufestsetzung ihrer Kapitalverhältnisse nicht berechtigt. Ihr ist daher auch verwehrt, auf D-Mark lautende Aktien auszugeben. Aus dem Umstellungs- und dem D-Markbilanzgesetz ergibt sich, daß die Beklagte auch keine auf Reichsmark lautenden Aktien mehr neu ausgeben darf. Die Kläger können daher ihre R. Aktien nicht mehr in Aktien der Beklagten umgetauscht verlangen.

2.) Eine ganz andere Frage ist es, ob dadurch zugleich ihr Umtauschrecht erloschen ist oder ob es sich bloß inhaltlich geändert hat.

a) Die Auflösung einer Aktiengesellschaft aus einem der in § 203 AktG genannten Gründe hat nicht den Untergang des Umtauschrechts zur Folge. Bis zum Schluß der Abwicklung sind nach § 205 Abs 2 AktG alle für die werbende Aktiengesellschaft geltenden Vorschriften anzuwenden, soweit sich nicht aus den §§ 205 bis 215 AktG oder aus dem Zweck der Abwicklung etwas anderes ergibt. Deshalb kann auch die aufgelöste Aktiengesellschaft noch ihre Satzung ändern, soweit dem der Abwicklungszweck nicht entgegensteht. Sie kann insbesondere ihr Kapital erhöhen, um sich weitere Mittel zur Befriedigung ihrer Gläubiger zu verschaffen (Schlegelberger-Quassowski AktG Bem 10 vor § 203). Ebenso muß es zulässig sein, eine bei Eintritt eines Auflösungsgrundes bereits beschlossene und ins Handelsregister eingetragene bedingte Kapitalerhöhung noch durchzuführen. Nach den §§ 1, 2 der 8. VO zur Durchführung der Vorschriften über die Kapitalherabsetzung in erleichterter Form vom 14.3.34 durfte eine bedingte Kapitalerhöhung nur im Hinblick auf unentziehbare Bezugs- und Umtauschrechte vorgenommen werden. Die Durchführung einer aufschiebend bedingten Kapitalerhöhung hängt von der Ausübung des Bezugs- oder Umtauschrechts ab. Das Umtauschrecht wird durch schriftliche Erklärung ausgeübt; die Umtauscherklärung hat die gleiche Wirkung wie die Abgabe einer Zeichnungserklärung (§§ 7, 2 Abs 3 8. DVO; ebenso §§ 165, 159 Abs 5 AktG). Ist die Umtauscherklärung wirksam und der Gegenwert geleistet, so hat der Vorstand die neuen Aktien auszugeben; mit der Ausgabe der neuen Aktien ist das Grundkapital erhöht (§§ 8, 9 8.DVO; ebenso §§ 166, 167 AktG). Die Auflösung der umtauschpflichtigen Aktiengesellschaft ist kein Grund, der eine nach Eintritt der Liquidation abgegebene Umtauscherklärung unwirksam macht. Das Umtauschrecht besteht weiter. Die Auflösung einer Aktiengesellschaft kann zwar einen wichtigen Grund zu fristloser Kündigung abgeben, läßt im übrigen aber alle bisherigen Rechtsbeziehungen unberührt.

b) Auch die Währungsumstellung griff in den Bestand von in der Reichsmarkzeit begründeten Umtauschrechten nicht ein. Das folgt aus § 41 Abs 2 DMBG, der vorschreibt, daß der Umfang des Umtauschrechts der Gläubiger von Wandelschuldverschreibungen (§ 174 AktG) nach den durch die Neufestsetzung eingetretenen neuen Kapital- und Gewinnverhältnissen bestimmt wird. Für das Umtauschrecht der Kläger kann nichts anderes gelten, da die 8. DVO der Vorläufer der Regelung der §§ 159 ff AktG ist und die – allerdings bloß auf bereits bestehende unentziehbare Bezugs- und Umtauschrechte begrenzte – Möglichkeit eröffnete, auf Grund einer Wandelschuldverschreibung eine auf bedingter Kapitalerhöhung beruhende Bezugsaktie zu erhalten (vgl Heinichen in Großkomm AktG § 159 Anm 4).

Weder die Auflösung noch die Währungsumstellung hinderten also normalerweise den Fortbestand eines Umtauschrechts.

c) Durch das Kontrollratsgesetz Nr 9 vom 30.11.45 wurde das gesamte Vermögen der Beklagten beschlagnahmt. Durch weitere alliierte Bestimmungen wurde die Beklagte zum Zwecke der Entflechtung aufgelöst. Diese Bestimmungen und § 77 Abs 3 DMBG hatten nicht die Aufgabe, ausgerechnet unentziehbare Umtauschrechte zu entrechten und insoweit die deutschen Bestimmungen über die Liquidation abzuändern. Sie führten zwar dazu, daß die gegenüber der Beklagten bestehenden Umtauschrechte nicht mehr durch Ausgabe neuer Aktien erfüllt werden konnten, brachten diese Umtauschrechte aber nicht zum Erlöschen, da sie keine entschädigungslose Enteignung vornahmen und beabsichtigten. Lediglich der Inhalt der Verpflichtung der Beklagten hat sich geändert. Weil die Beklagte ihre Kapitalverhältnisse nicht neu festsetzen, neue Aktien nicht ausgeben und die bedingte Kapitalerhöhung nicht mehr durchführen kann und weil der Umfang der Umtauschrechte nicht nach § 41 Abs 2 DMBG, durch Neufestsetzung der Kapitalverhältnisse, bestimmt werden darf, muß die Beklagte nun entweder eigene Aktien zur Erfüllung des Umtauschrechts der Kläger verwenden oder die Kläger so stellen, wie sie als Aktionäre der Beklagten ständen. Die Verpflichtung der Beklagten ging ihrem Wesen nach von vornherein dahin, die R. Aktionäre bei Ausübung ihres Umtauschrechts so wie ihre eigenen Aktionäre zu stellen; das hatte in der Form der Gewährung neuer Aktien zu geschehen. Nur diese Form der Erfüllung ist unmöglich geworden; die Beklagte ist dagegen in der Lage geblieben, die R. Aktionäre durch Überlassung eigener Aktien zu ihren Aktionären zu machen oder sie wie ihre Aktionäre zu behandeln. Die Umtauschberechtigten können nicht schlechter als ein Gläubiger dastehen, dem die Währungsumstellung nicht das Recht genommen hat, den Aktionären der Beklagten gleichgestellt zu werden.

III. Die Kläger haben entgegen ihrer Ansicht kein vom Schicksal des Interessengemeinschaftsvertrages unabhängiges Recht.

1.) Vor dem Beschluß der Generalversammlung der Beklagten vom 28. April 1934 beruhte das Umtauschrecht der Kläger ausschließlich auf dem Vertrage vom 14. Oktober 1926. Durch ihn wurde es ins Leben gerufen, nach ihm richteten sich seine Voraussetzungen. Das Umtauschrecht setzte abweichend von den übrigen Vertragsbestimmungen erst am 1. April 1930 ein. Sein Ende ist dagegen nicht ausdrücklich festgelegt und läßt sich nur aus den Bestimmungen über die Beendigung des Interessengemeinschaftsvertrages folgern. § 7 dieses Vertrages bestimmt: Wird der Vertrag „durch Kündigung aus § 5 oder aus einem wichtigen Grunde, durch Ablauf der vorgesehenen Dauer (§ 6) oder aus einem sonstigen Grunde aufgelöst”, so findet eine Auseinandersetzung der Interessengemeinschaft nicht statt (Satz 1). Auch eine Berichtigung der Vorbilanzen ist grundsätzlich ausgeschlossen (Satz 2). Die Beklagte kann dagegen binnen drei Monaten nach Auflösung des Interessengemeinschaftsvertrages die Überlassung des Vermögens der R-AG oder von Teilen davon zum Buchwert verlangen (Satz 3). Macht die Beklagte von diesem Übernahmerecht Gebrauch, so ist die Deutsche Länderbank AG für die Dauer von 6 Monaten verpflichtet, auf Verlangen je 1.000 RM R. Aktien in 500 RM Aktien der Beklagten umzutauschen (Satz 4). Aus dieser Regelung folgt, wie die Parteien zutreffend annehmen, daß das Umtauschrecht mit dem 31. März 2023 nach Maßgabe des § 7 Satz 4 des Interessengemeinschaftsvertrages erlischt.

Nicht haltbar ist die Ansicht der Kläger, das Umtauschrecht sei von der Kündigung des Interessengemeinschaftsvertrages aus wichtigem Grunde oder seiner Auflösung aus einem sonstigen Grunde unabhängig. Auch in diesen Fällen überlebt das Umtauschrecht den Interessengemeinschaftsvertrag nur für den Fall, daß die Beklagte fristgemäß von ihrem Recht auf Übernahme von Vermögensstücken der R-AG Gebrauch macht, und auch für diesen Fall nur um die in § 7 Satz 4 des Interessengemeinschaftsvertrages vorgesehenen Fristen. Denn § 7 unterscheidet nicht zwischen der Vertragsbeendigung infolge der vereinbarten Befristung und den anderen in ihm geregelten Auflösungstatbeständen, und die Gewährung eines unterschiedslos die Vertragsbeendigung überdauernden, jedoch befristeten und durch Ausübung des Übernahmerechts bedingten Umtauschrechts wäre sinnlos, wenn die R. Aktionäre außer bei der fristgerechten Beendigung des Interessengemeinschaftsvertrages ein vom Vertragsschicksal unabhängiges Umtauschrecht hätten haben sollen. Das ist jedenfalls in dem Interessengemeinschaftsvertrage nicht zum Ausdruck gekommen.

2.) Das kann entgegen der Ansicht der Kläger auch nicht daraus abgeleitet werden, daß nach der 8. DVO nur unentziehbare Umtauschrechte zur Einziehung der dafür vorgesehenen Vorratsaktien und einer damit verbundenen bedingten Kapitalerhöhung verwendet werden durften. Nach einhelliger Meinung sind Befristungen sowie aufschiebende und auflösende Bedingungen mit dem Begriff der Unentziehbarkeit vereinbar. Hierin stimmen auch die Parteien überein. Die Kläger sind nur im Gegensatz zur Beklagten der Ansicht, daß ein Umtauschrecht, das einer Kündigung aus wichtigem Grunde oder dem Einwand des Wegfalls der Geschäftsgrundlage ausgesetzt sei, ein entziehbares Recht sei; sie schließt daher aus der Anwendung der 8. DVO und der Tatsache, daß diese Verordnung auf Anregung der Beklagten erlassen worden ist, daß das umstrittene Umtauschrecht von einer Kündigung des Interessengemeinschaftsvertrages aus wichtigem Grunde oder von einer sonstigen Beendigung dieses Vertrages nicht berührt werde. Die Kläger verkennen hierbei den Begriff des unentziehbaren Umtauschrechts. Mit ihm sind nach dem Zweck der 8. DVO alle Umtauschrechte gemeint, die nicht willkürlich wieder entzogen werden können. So liegt es, wenn der Vertrag, auf dem das Umtauschrecht beruht, nur aus objektiven wichtigen, nicht willentlich herbeigeführten Gründen gekündigt oder sonstwie aufgelöst werden kann. So liegt es hier, da der Interessengemeinschaftsvertrag vom 14. Oktober 1926, wie sich aus seinem Zweck und seinem Gesamtinhalt ergibt, die Kläger jedoch übersehen haben, nur diejenigen Gründe, die ohnehin nicht abgedungen werden können, für die Kündigung aus wichtigem Grunde oder eine sonstige Vertragsauflösung zuläßt. Deshalb bleiben für die vorzeitige Beendigung des Interessengemeinschaftsvertrages nur Gründe übrig, die sich ohne Zutun einer der beiden Parteien ereignet haben.

3.) Durch den Beschluß der Generalversammlung der Beklagten vom 28. April 1934 haben die Kläger kein vom Schicksal des Interessengemeinschaftsvertrages unabhängiges Umtauschrecht erlangt.

Gewiß wurde das Umtauschrecht durch diesen Beschluß auf eine gesellschaftsrechtliche Grundlage gestellt. Die gesetzliche Ermächtigung hierzu enthält die 8. DVO. Ohne diese Ermächtigung hätte die Beklagte ohne die Zustimmung der R-AG und der R. Aktionäre nicht die Vorratsaktien einziehen und sich anstelle der Deutschen Länderbank AG zur unmittelbaren Schuldnerin des Umtauschrechts machen können. Ohne besondere gesetzliche Grundlage hätten beide Rechtshandlungen von der Generalversammlung der Beklagten nicht wirksam beschlossen werden können, da sie einen Eingriff in die Rechte Dritter darstellten.

Es kann dahingestellt bleiben, ob der Beschluß der Generalversammlung der Beklagten vom 28. April 1934 als eine Novation des Umtauschrechts zu beurteilen ist oder nicht. Durch diesen Beschluß wurde zwar der Umtauschschuldner ausgewechselt und das bisher vertragliche Umtauschrecht in ein gesellschaftliches Umtauschrecht umgewandelt. Aber dieses Recht wurde an den Vertrag vom 14. Oktober 1926 angelehnt. Entgegen der Ansicht der Kläger wurde das Umtauschrecht durch den Generalversammlungsbeschluß vom 28. April 1934 nicht so weit aus dem Interessengemeinschaftsvertrage herausgelöst, daß es nur noch dessen Befristung unterlag, im übrigen aber von diesem Vertrage unabhängig war. Nach dem Vertrage vom 14. Oktober 1926 setzte das Umtauschrecht nicht gleich mit Vertragsbeginn, sondern erst am 1. April 1930 ein; es war wie dieser Vertrag bis zum 31. März 2023 befristet und für alle Fälle der vorgesehenen vorzeitigen Vertragsbeendigung auflösend bedingt. Nichts spricht dafür, daß diese Abhängigkeit des Umtauschrechts von dem Fortbestand des Interessengemeinschaftsvertrages durch den Generalversammlungsbeschluß vom 28. April 1934 bis auf die Abhängigkeit vom vereinbarten Vertragsende aufgegeben werden sollte. Daraus, daß bloß unentziehbare Umtauschrechte die Anwendung der 8. DVO rechtfertigten, folgt, wie bereits ausgeführt, nicht, daß das Umtauschrecht der Kläger durch die Vornahme der bedingten Kapitalerhöhung verselbständigt werden sollte. Zu einer derartigen Verselbständigung lag weder ein rechtlicher noch ein wirtschaftlicher Anlaß vor. Die 8. DVO schrieb keine Besserstellung der Umtauschberechtigten vor, sondern gestattete nur eine Änderung des bestehenden Rechts; nach ihrem § 2 Abs 1 Satz 2 mußte das Umtauschrecht auf die neu auszugebenden Aktien, soweit nicht die Vorschriften der 8. DVO eine Abweichung erforderlich machten, den gleichen Inhalt haben wie das Umtauschrecht auf die einzuziehenden Aktien. Der Generalversammlungsbeschluß vom 28. April 1934 stellte die R. Aktionäre tatsächlich nicht besser als nach dem Interessengemeinschaftsvertrage, denn das Umtauschrecht wurde ausdrücklich unter den Voraussetzungen des Vertrages vom 14. Oktober 1926 gewährt. Diese Formulierung stellt klar, daß das Umtauschrecht der R. Aktionäre gegenüber dem Schicksal dieses Vertrages nicht verselbständigt werden sollte.

Eine derartige Folge herbeizuführen war auch nicht Sinn und Aufgabe des Börsenprospekts; er ist erst fünf Jahre nach dem Generalversammlungsbeschluß vom 28. April 1934 herausgekommen und hat weder rechtsbegründende Wirkung noch die Kraft, diesen Generalversammlungsbeschluß auszulegen, so daß es nicht erst darauf ankommt, daß Generalversammlungsbeschlüsse nur sehr beschränkt auslegungsfähig sind (RGZ 146, 146 (154); 108, 322 (326); OGHZ 2, 197 (200); W. Schmidt in Großkomm AktG § 203 Anm 9).

Schließlich kann auch nicht die Ansicht der Kläger gebilligt werden, durch den Interessengemeinschaftsvertrag, den Beschluß der Generalversammlung der Beklagten und die Eintragung der bedingten Kapitalerhöhung seien sie virtuelle Aktionäre der Beklagten geworden. Allerdings ist nicht zu verkennen, daß der Vertrag vom 14. Oktober 1926 eine ungemein starke Bindung der R-AG an die Beklagte geschaffen hat, daß die Beklagte durch diesen Vertrag der wirtschaftliche Herr der R. werke geworden ist und daß dieser Vertrag, mag er auch für beide Vertragsteile vorteilhaft gewesen sein, ohne die Gewährung eines Umtauschrechts an die R. Aktionäre nicht zu verantworten gewesen wäre. Aber es ist auch nicht so, daß der Vertrag über den Kopf der R. Aktionäre hinweg geschlossen worden wäre, wie das gelegentlich in Schriftsätzen der Kläger anklingt. Denn der Interessengemeinschaftsvertrag ist den Aktionären der R. werke zur Genehmigung vorgelegt worden, und sie haben ihn in der Generalversammlung vom 29. September 1926 gebilligt. Den Klägern ist auch zuzugeben, daß sich das Umtauschrecht seinem Inhaber und seinem rechtlichen Gehalt nach von dem übrigen Inhalt des Interessengemeinschaftsvertrages unterscheidet, weil es nicht einem Vertragspartner dieses Vertrages, sondern den R. Aktionären zusteht, und eine wesentliche Voraussetzung für die Eingehung des Vertrages bildete. Darum erlangten die R. Aktionäre aber kein vom Schicksal des Interessengemeinschaftsvertrages unabhängiges Recht oder gar der Wirkung nach die Stellung von Aktionären der Beklagten. Ohne daß sie von ihrem Umtauschrecht Gebrauch machten, hatten sie nur bei der R-AG und nicht bei der Beklagten Stimmrecht und die übrigen Gesellschafterrechte. Nach § 2 des Interessengemeinschaftsvertrages hatte die Beklagte die R. werke so zu stellen, daß diese Gesellschaft ihren Aktionären die gleiche Dividende auf je 1.000 RM Aktien verteilen konnte, wie die Beklagte auf je 500 RM ihrer Aktien ausschüttete. Wenn auch die R. Aktionäre auf diese Weise in den Genuß der halben Dividende der Beklagten gelangten, so war dies doch Ausfluß des Interessengemeinschaftsvertrages und nicht das Ergebnis einer gesellschaftlichen Stellung gegenüber der Beklagten. Eine solche Stellung erlangten sie ohne Ausübung ihres Umtauschrechts auch nach dem Beschluß der Generalversammlung der Beklagten vom 28. April 1934 nicht. Durch diesen Beschluß erhielt das Umtauschrecht zwar statt der vertraglichen eine gesellschaftsrechtliche Grundlage, die R. Aktionäre erhielten aber keineswegs die Stellung von Gesellschaftern der Beklagten; auch praktisch nicht. Es kann davon ausgegangen werden, daß die R. Aktien an der Börse wie halbe I-Farbenaktien angesehen wurden; aber das war nicht mehr als eine wirtschaftliche Betrachtung, die auf dem Umtauschverhältnis und der zuvor erwähnten Dividendengarantie beruhte und die die eingetretene politische Entwicklung außer acht ließ. Auch wenn man den Klägern darin zu folgen hätte, daß die R. Aktionäre nach dem Vertrage vom 14. Oktober 1926 keine Risikowahl mehr hatten und darin auch durch Ausübung des Umtauschrechts keinen Wandel schaffen konnten, so wurden sie doch durch diese Bindung nicht der Beklagten als Gesellschafter verbunden. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob die Rechtskonstruktion des virtuellen Aktionärs überhaupt anerkannt werden könnte und den Klägern weiter helfen würde.

Ihre Auffassung aber, daß sie jedenfalls potentielle Aktionäre der Beklagten, also wenigstens der Anlage nach deren Gesellschafter gewesen seien, führt nicht weiter. Vor Ausübung des Umtauschrechts ist der Umtauschberechtigte zu nichts verpflichtet. Ginge die umtauschpflichtige Aktiengesellschaft in Konkurs, so könnte der Umtauschberechtigte aus dem gar nicht ausgeübten Umtauschrecht nicht auf die für den Fall der Ausübung dieses Rechts geschuldete Gegenleistung in Anspruch genommen werden. Diese Überlegung macht ganz deutlich, daß derjenige, der die in seinem Besitz befindlichen Aktien gegen Aktien einer anderen Gesellschaft tauschen darf, eben nur deren Mitglied werden darf und dies noch nicht ist, solange er von diesem Recht keinen Gebrauch macht.

4.) Unrichtig ist auch der Standpunkt der Kläger, durch den Erwerb des Am Reviers habe sich die Beklage endgültig auf den Umtausch der Aktien festgelegt. Zur Übernahme von Vermögensobjekten der R-AG war die Beklagte nach dem Vertrage vom 14. Oktober 1926 nur berechtigt, falls die freien R. Aktionäre ein Fusionsverlangen der Beklagten ablehnten (§ 5) oder wenn der Interessengemeinschaftsvertrag aufgelöst wurde (§ 7). Keiner dieser beiden Fälle ist vor oder bei der Übernahme des Am Reviers eingetreten; es kann daher keine Rede davon sein, daß die Beklagte mit dem Ankauf des Am Reviers nur das ihr im Interessengemeinschaftsvertrage zugestandene Übernahmerecht ausgeübt habe. Die R-AG würde jedoch ohne ihre Abhängigkeit von der Beklagten das Am Revier im Jahre 1943 gewiß nicht verkauft haben und noch dazu gegen Reichsmark und zum steuerlichen Buchwert. Auch wenn sie, wie die Beklagte behauptet, den Gegenwert sofort investierte, kann der Verkauf des Am Reviers die Dinge so verschoben haben, daß nun ein starker Anreiz für die Ausübung des Umtauschrechts bestand. Selbst wenn man darin eine wesentliche Einschränkung des Wahlrechts der R. Aktionäre zu erblicken hätte, und außerdem berücksichtigt, daß zahlreiche R. Aktionäre infolge der Kriegsereignisse nichts von dem Verkauf erfahren haben, läßt sich nicht begründen, daß das Umtauschrecht von dem Schicksal des Interessengemeinschaftsvertrages unabhängig geworden sei.

Die Auffassung der Kläger, daß sie ihr Umtauschrecht ganz ohne Rücksicht auf die eingetretene Entwicklung ausüben könnten, geht zu weit.

IV. Aber auch die Ansicht der Beklagten, daß allein die R. Aktionäre das Risiko einer Verschlechterung der Allgemeinverhältnisse getragen hätten, kann nicht gebilligt werden.

1.) § 726 BGB entfällt entgegen der Ansicht der Kläger allerdings nicht schon deshalb, weil zwischen der Beklagten und der R-AG keine Gesellschaft bürgerlichen Rechts begründet worden ist. Wesentliches Erfordernis der BGB-Gesellschaft ist ein gemeinsamer Zweck, nicht dagegen die Begründung eines Gesellschaftsvermögens (Urteil des Senats vom 28.4.54 – II ZR 86/53 –). Im vorliegenden Fall besteht der gemeinsame Zweck, wie das Berufungsgericht richtig angenommen hat, in der langfristig gewollten wirtschaftlichen Verbindung zwischen den R. werken und der Beklagten.

§ 726 BGB trifft jedoch nicht zu, da die Erreichung des Zwecks der Interessengemeinschaft nicht unmöglich geworden ist. Hierzu reicht eine bloß vorübergehende Unmöglichkeit nicht aus. Soll die Folge der Auflösung der BGB-Gesellschaft eintreten, so muß die Unmöglichkeit der Zweckerreichung eine dauernde, offenbare und ausgemachte sein (RGZ 164, 129 (142)).

a) Daran fehlt es hier, soweit man die Ostenteignung der R. werke und die Enteignung des Ostbesitzes der Beklagten ins Auge faßt. Die Dauer der durch den Vertrag vom 14. Oktober 1926 begründeten Interessengemeinschaft ist fest bis zum 31. März 2023 vorgesehen. Es läßt sich heute noch nicht überblicken, ob die Ostenteignungen während der ganzen Laufzeit des Interessengemeinschaftsvertrages bestehen bleiben werden. Das meint auch die Beklagte nicht. Sie beruft sich vielmehr auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 31.3.53 – I ZR 54/52 – (LM Nr 2 zu § 275 BGB), nach dem nicht bloß zeitweilige, sondern dauernde Unmöglichkeit vorliegt, wenn die künftige Beseitigung eines Leistungshindernisses zwar nicht völlig ausgeschlossen, der Zeitpunkt der Beseitigung aber einstweilen unübersehbar ist. Dieser zu § 275 BGB ausgesprochene Grundsatz kann nicht ohne weiteres auf § 726 BGB übertragen werden, weil es anders als in dem entschiedenen Falle nicht um eine einmalige Herausgabeverpflichtung, sondern um die automatische Beendigung eines für Jahrzehnte abgeschlossenen und erst zu einem kleinen Teil abgewickelten Vertrages geht. Der Senat hat in seinem Urteil vom 24.2.55 – II ZR 244/53 – ausgesprochen, daß die zeitweise Unmöglichkeit der endgültigen dann gleichzusetzen ist, wenn ein Festhalten am Vertrage infolge der langen Dauer dem Vertragsgegner unzumutbar ist (ebenso der VI. Zivilsenat in LM Nr 7 zu § 275 BGB). Daran fehlt es jedoch hier, wie die nachfolgenden Ausführungen ergeben.

b) Auch die Liquidation der Beklagten rechtfertigt nicht die Anwendung des § 726 BGB. Gewiß darf die Beklagte nach den sie treffenden Verboten keine werbenden Geschäfte mehr betreiben und gewiß auch ist die Bundesrepublik hieran gebunden (Art 2 Abs 1 Buchst c AHKG Nr 84; Art 11 des Vertrages zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen, BGBl 1955 II, 417). Aber ebenso sicher ist auch, daß sich diese Anordnungen nicht auf die in der Sowjetzone belegenen Werke der Beklagten erstrecken. Die Le-Werke, die aus dem Am Revier und dem übrigen Braunkohlenbesitz der R. werke gespeist wurden, sind, falls es zur Wiedervereinigung Deutschlands in Frieden und Freiheit kommt, unzweifelhaft nicht zu liquidieren. Daß sich heute noch nichts darüber sagen läßt, in welcher Rechtsform sie fortgesetzt werden können, ob als weitere Nachfolgegesellschaft der Beklagten oder wie sonst, und ob die mitteldeutschen Braunkohlenvorkommen dann noch eine für die Versorgung der Werke der Beklagten ausreichende Ergiebigkeit haben werden, ist kein Umstand, der die Anwendung des § 726 BGB rechtfertigt.

2.) Der Vertrag vom 14. Oktober 1926 ist auch durch die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung nicht beendet worden.

An sich kann zwar die Auflösung einer Aktiengesellschaft einen wichtigen Grund zur Kündigung langfristiger Verträge abgeben (Baumbach-Hueck AktG Bem 2 vor § 203). Das wird namentlich dann in Betracht kommen, wenn die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses mit dem Abwicklungszweck unvereinbar ist. Unverkennbar kann die Beklagte nicht zu Ende liquidiert werden, solange sie mit der Ausübung des Umtauschrechts der R. Aktionäre rechnen muß. Abgeschwächt wird diese Überlegung aber dadurch, daß die Beklagte ohnehin nicht ausliquidiert werden kann, solange noch eine ernsthafte Hoffnung auf die Wiedervereinigung Deutschlands in Frieden und Freiheit und damit auf die Möglichkeit einer Beseitigung der Enteignung ihres Ostbesitzes besteht. Andererseits würde die Kündigung des Interessengemeinschaftsvertrages vom 14. Oktober 1926 den entschädigungslosen Wegfall des Umtauschrechts der R. Aktionäre zur Folge haben. Die Grundlage hierfür zu bieten, ist nicht Sinn und Zweck der Zwangsauflösung der Beklagten. Außerdem kann der Interessengemeinschaftsvertrag nicht um des Umtauschrechts willen gekündigt werden. Der Kündigungsgrund kann nur aus Umständen hergeleitet werden, die das Rechtsverhältnis der Vertragschließenden zueinander, also das Verhältnis der Beklagten zur R-AG, als nicht fortsetzbar erscheinen lassen. Ein derartiger Grund ist die Zwangsauflösung der Beklagten und die Notwendigkeit, sie zu Ende zu liquidieren, nicht, da die enteigneten Ostanlagen der Beklagten hiervon nicht betroffen werden und darum auch die Erfüllung des Vertrages vom 14. Oktober 1926 für den Fall möglich bleibt, daß die Beklagte und die R-AG ihre enteigneten Ostwerte zurückerlangen und die dann gegebenen Verhältnisse ein weiteres Zusammengehen zulassen.

Was die Beklagte gegenwärtig belastet, ist nicht so sehr der Interessengemeinschaftsvertrag mit der R-AG als der Bestand des auf diesem Vertrage beruhenden Umtauschrechts der R. Aktionäre. Es birgt die Gefahr, die R. Aktionäre so stellen zu müssen, wie sie gestanden haben würden, wenn sie vor der Zwangsauflösung der Beklagten deren Aktionäre gewesen wären. Hiergegen kann sich die Beklagte allerdings nicht nach Maßgabe der §§ 208, 213 Abs 2 AktG schützen. Aber es kann auch keine Kündigung aus einem Grunde zugelassen werden, die nicht die Fortsetzung des Gesellschaftsverhältnisses unmöglich macht, sondern bloß das Umtauschrecht als mit dem Zweck der Liquidation unvereinbar erscheinen läßt und darum seine Ablösung nahelegt.

3.) Entscheidend ist, welchen Einfluß die Enteignung des Ostvermögens der Beklagten und der R-AG auf den Interessengemeinschaftsvertrag hat.

Das Besondere des Falles liegt insoweit darin, daß beide Parteien der Interessengemeinschaft mit ihrem Ostvermögen von den in der Sowjetzone vorgenommenen Enteignungen betroffen wurden. Infolge der Enteignung der Kohlenfelder und Anlagen der R-AG und der Le-Werke der Beklagten können die Parteien zur Zeit nicht bei dem Betrieb dieser Unternehmen zusammenarbeiten. Diese zeitweilige Unmöglichkeit hat für deren Dauer das Ruhen des Interessengemeinschaftsvertrages zur Folge (RGZ 164, 129 (146/47)). Wegen der Abhängigkeit des Umtauschrechts von dem Schicksal des Interessengemeinschaftsvertrages ruht auch das Umtauschrecht. Solange dies der Fall ist, ist der Beklagten die Möglichkeit genommen, sich auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage zu berufen, denn so lange braucht sie nicht umzutauschen und ist bloß mit der Gefahr des gänzlichen oder teilweisen Wiederauflebens des Umtauschrechts belastet. Das Umtauschrecht der R-Aktionäre würde im alten Umfang wieder aufleben, falls die Vertragsparteien des Interessengemeinschaftsvertrages vom 14. Oktober 1926 ihr enteignetes Ostvermögen freigegeben erhielten. Der Fall eines nur teilweisen Wiederauflebens des Umtauschrechts träte dagegen ein, wenn es bei der Enteignung des Ostvermögens der R-AG verbliebe, denn in diesem Falle hätten die R. Aktionäre durch einen hoheitlichen Eingriff endgültig einen Rechtsverlust erlitten, der sie möglicherweise nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage berechtigt, von der Beklagten für ihr verlorengegangenes Umtauschrecht einen Ausgleich zu verlangen. Hierüber kann aber zur Zeit nicht entschieden werden, so daß nicht erst geprüft zu werden braucht, ob die richterliche Entscheidungsbefugnis durch den Wortlaut des Berufungsantrags der Kläger begrenzt wird oder ob dieser Antrag dahin ausgelegt werden könnte, daß die Kläger das Bestehen eines Umtauschrechts nicht bloß im Verhältnis von 2: 1, sondern notfalls auch zu einem geringeren Verhältnis festgestellt haben wollen.

4.) Die Anschlußrevision vertritt noch den Standpunkt, das Umtauschrecht der Kläger sei gemäß § 323 BGB erloschen, weil die R. Aktionäre, wenn sie dieses Recht ausübten, ihrerseits eine Leistung zu erbringen hätten, diese Verpflichtung jedoch nicht erfüllen könnten. In dem Vertrag vom 14. Oktober 1926 sei der Umtausch von Aktien lebender Betriebe vereinbart. Heute und für unabsehbare Zeit könnten die Kläger aber nur nahezu wertlose Aktien einer Gesellschaft hergeben, die ihre Werke nicht betreiben könne und in der Bundesrepublik nur unerhebliche Vermögenswerte besitze. Die Anschlußrevision sieht diesen Sachverhalt ähnlich dem vom Reichsgericht in seinem Urteil vom 6.12.33 (RGZ 143, 20) entschiedenen Falle an. Richtig daran ist, daß die Lieferung verkaufter Aktien unmöglich wird, wenn das darin ausgedrückte Mitgliedschaftsrecht vor seiner Übertragung untergeht oder in seinem Bestande so verändert wird, daß seine Übertragung nicht mehr als Erfüllung gelten kann. Aber hier kommt eine Lieferung entwerteter R. Aktien so lange nicht in Betracht, als das Umtauschrecht wegen des Ruhens des Interessengemeinschaftsvertrages nicht ausgeübt werden kann, und, falls es bei der Enteignung des Ostvermögens der R-AG verbleibt, kann die Beklagte über die Lehre vom Wegfall der Geschäftsgrundlage verpflichtet sein, ihr Freiwerden von der Umtauschverpflichtung in angemessener Form auszugleichen.

Nach alledem muß sowohl die Revision der Kläger wie die Anschlußrevision der Beklagten erfolglos bleiben.

Da die Beklagte den Fortbestand des Umtauschrechts zu Unrecht bestritten hat und die Klage lediglich als zur Zeit unbegründet abgewiesen worden ist, haben beide Parteien teils obgesiegt und sind teils unterlegen. Daher war der Beklagten in Anwendung des § 92 ZPO ein Teil der Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen. Im übrigen beruht die Kostenentscheidung auf den §§ 91, 97, 100 ZPO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 649043

BGHZ, 24, 279

BGHZ, 279

NJW 1957, 1279

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