Leitsatz (amtlich)

RNotO § 21; BGB § 852

  • Verletzt der Notar bei der Beurkundung eines Rechtsgeschäfts zur Sicherung eines aus Mitteln des Ausgleichsfonds gewährten Aufbaudarlehens für die gewerbliche Wirtschaft seine Amtspflichten gegenüber dem treuhänderisch eingeschalteten Kreditinstitut, so kann dieses den Schaden, der hieraus für den Ausgleichsfonds erwächst, im Wege der Schadensliquidation im Drittinteresse gegen den Notar geltend machen.
  • Für den Beginn der Verjährung des Schadensersatzanspruchs ist maßgebend, wann das Kreditinstitut die Kenntnis von dem Schaden und der Person des Schädigers erlangt hat.
 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches OLG (Urteil vom 10.12.1964)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 10. Dezember 1964 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Revision werden der Klägerin auferlegt.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Im Jahre 1954 erhielt der damalige Gastwirt Ove N… für die Pachtung der Gaststätte “Handwerkerhaus” in H… ein Aufbaudarlehen von 8 300 DM aus Mitteln des Ausgleichsfonds. Nach den Vorschriften über die Einschaltung der Kreditinstitute bei Aufbaudarlehen für die gewerbliche Wirtschaft stellte ihm die Klägerin das Darlehen für Rechnung des Ausgleichsfonds in eigenem Namen zur Verfügung. Zu den Sicherungen, die N… zu stellen hatte, gehörte die Abtretung des Erbanteils seiner Mutter Frau Marie N… an dem Nachlaß ihrer Mutter Friederike R…, der im wesentlichen aus einem Hausgrundstück in R… bestand. Die Klägerin beauftragte den Beklagten, wegen der Abtretung für sie als Notar tätig zu werden.

Am 15. April 1954 beurkundete der Beklagte (unter Nr. …8/1954 seiner Urkundenrolle) eine Erklärung der Ehefrau Marie N…, in der es heißt, im Grundbuch von R… Bd.… Blatt 2772 stehe noch die Witwe Friederike R… als Eigentümerin eingetragen; im Erbwege sie ihr Nachlaß fünf gleichberechtigten Erben in ungeteilter Erbengemeinschaft zugefallen und eine Auseinandersetzung bisher nicht erfolgt; sie, Frau N…, sei Miterbin zu 1/5. Im Zusammenhang hiermit wird der Zeitwert des Vermögens der Erbengemeinschaft mit schätzungsweise 12.000 DM und der Wert des Anteils unter Berücksichtigung der Grundstücksbelastungen mit etwa 2 000 DM angegeben. “Den mir zustehenden Erbanspruch”, so bringt die Urkunde dann zum Ausdruck, “trete ich hiermit in voller Höhe … ab an die Spar- und Leihkasse … (Klägerin) und bewillige und beantrage die Eintragung der Abtretung in das Grundbuch. Die Abtretung dient zur teilweisen Sicherung eines meinem Sohn … von der Spar- und Leihkasse … aus Mitteln des Bundesausgleichsamts laut Darlehensvertrag vom 26. März 1954 zur Verfügung gestellten Aufbaudarlehens in Höhe von 8 300 DM nebst Nebenleistungen”. Der Beklagte übersandte der Klägerin eine Ausfertigung dieser Urkunde mit dem Bemerken, daß der in Verfolg der Gedanken des § 2033 BGB an sich mögliche Berichtigungsvermerk des Grundbuchs über die vorgenommene Abtretung noch nicht zum Zuge kommen könne, da die Erben sich noch nicht auseinandergesetzt hätten; er habe Frau N… empfohlen, die Auseinandersetzung in die Wege zu leiten; zweckmäßig würde die Klägerin bei ihr über den Stand der Dinge gelegentlich Nachfrage halten.

Am 28. Juli 1954 starb Frau Marie N…. Ihre Erben – der Ehemann Markus N… und die beiden Söhne Max und Ove N… – traten den überkommenen 1/5 – Erbanteil nach Friederike R… durch notariell beurkundeten Vertrag vom 21. Dezember 1955 (Urkundenregister Nr. …5/55 des Notars Dr. H… in H…) an die H…-Brauerei AG in H… Filiale K… ab.

Das R…er Grundstück wurde am 30. April 1956 auf die Erben der Friederike R…, vier Schwestern und die vorgenannten Erben der Frau Marie N…, in ungeteilter Erbengemeinschaft umgeschrieben.

Als die Klägerin hiervon erfuhr, beantragte sie beim Grundbuchamt die Eintragung eines Widerspruchs gegen die Richtigkeit des Grundbuchs; sie vertrat die Ansicht, daß sie durch die vom Beklagten beurkundete Erklärung Miteigentümerin des Grundstücks zur gesamten Hand geworden sei. Das Grundbuchamt lehnte durch Verfügung vom 12. Juni 1956 die Eintragung mit der Begründung ab, Frau Marie N… habe nicht einen Anteil am Nachlaß, sondern einen solchen am Grundvermögen abgetreten, was nach § 2033 Abs. 2 BGB nicht möglich gewesen sei. Die Klägerin übertrug die Bearbeitung der Angelegenheit dem Rechtsanwalt Dr. L…. Dieser teilte ihr durch Schreiben vom 2. Oktober 1958 mit, die Abtretung sei schon darum unwirksam, weil es an der öffentlich beurkundeten Annahmeerklärung der Klägerin fehle.

Unterdessen hatte Ove N… im April 1956 die Pachtung des “Handwerkerhauses” aufgeben müssen. Zur fristgemäßen Tilgung des Darlehens war er außerstande. Mit Einwilligung der Lastenausgleichsbank hatte ihm die Klägerin das Darlehen daher am 13. Juli 1956 gekündigt. Am 5. November 1958 betrug sein Schuldsaldo 8 913,67 DM. Gemäß einem Versprechen vom 4. November 1958 leistete er hierauf eine Zeitlang regelmäßige Abtragungen, durch die sich seine Schuld nach der von der Klägerin vorgelegten Aufstellung bis zum 14. Juni 1960 aber nur bis auf 8 609,20 DM minderte. Die Verwertung der übertragenen Sicherheiten erbrachte lediglich 670,45 DM. Die Klägerin suchte vergeblich die ausstehende Darlehensforderung an die Lastenausgleichsbank abzutreten; die Lastenausgleichsbank machte die Klägerin mit Schreiben vom 10. Juli 1961 für die Unwirksamkeit der Erbteilsabtretung verantwortlich und belastete sie mit 2 000 DM Ausfallschaden.

Im gegenwärtigen Rechtsstreit hat die Klägerin mit der am 20. November 1961 eingereichten und am 30. November 1961 zugestellten Klage den Beklagten auf Zahlung von 2 000 DM nebst Prozeßzinsen in Anspruch genommen. Sie wirft ihm vor, die ihr gegenüber bestehende Amtspflicht als Notar dadurch schuldhaft verletzt zu haben, daß er statt eines Abtretungsvertrags über den Erbanteil der Frau Marie N… nur eine einseitige unwirksame Erklärung beurkundet habe. Hierdurch sei ihr oder der Lastenausgleichsbank ein Schaden von mindestens 2 000 DM entstanden. Ove N… sei bislang außerstande gewesen, das Darlehen zurückzuzahlen; durch die am 4. November 1958 vereinbarten geringen wöchentlichen Abtragungen hätte das Darlehen auch nicht in angemessener Zeit getilgt werden können. Seitdem das Darlehen notleidend geworden sei, habe er sich in so schlechter wirtschaftlicher Lage befunden, daß auch Zwangsmaßnahmen zu keinem größeren Erfolg geführt haben würden.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er ist dem Vorbringen der Klägerin entgegengetreten und hat die Einrede der Verjährung erhoben.

Die Klägerin hat der Verjährungseinrede entgegengehalten, daß der Beklagte selbst die Klägerin veranlaßt habe, mit der Klage zu warten.

Das Landgericht hat den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 2 000 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 30. November 1961 zu zahlen, und zwar Zug um Zug gegen Abtretung ihrer Darlehensansprüche gegen Ove N… in Höhe von 2 000 DM.

Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht dieses Urteil geändert und die Klage abgewiesen.

Mit der Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

1. Wie die vorinstanzlichen Gerichte rechtsirrtumsfrei festgestellt haben und im Revisionsverfahren auch nicht mehr streitig ist, hat der beklagte Notar eine ihm der Klägerin gegenüber obliegende Amtspflicht fahrlässig verletzt; von der Klägerin damit beauftragt, die Abtretung des Erbanteils der Frau Marie N… an die Klägerin zu beurkunden, hat er nur die Erklärung der Frau N… vom 15. April 1954 aufgenommen, ohne zu beachten, daß für eine wirksame Übertragung des Erbanteils auch die Annahme der Abtretungserklärung durch die Klägerin erforderlich gewesen wäre und hätte beurkundet werden müssen (§ 2033 BGB). Er hat es zu vertreten, daß es zu keiner wirksamen Abtretung des Erbanteils an die Klägerin gekommen ist. Zutreffend hat das Berufungsgericht hiernach die Voraussetzungen des § 21 Abs. 1 Satz 1 der damals geltenden Reichsnotarordnung für eine Schadensersatzpflicht des Beklagten gegenüber der Klägerin bejaht.

2. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, durch die Amtspflichtverletzung des Beklagten sei der Klägerin “in gewisser Weise” ein Schaden entstanden, weil sie für das Darlehen an N… nicht die Sicherheit erlangt habe, die ihr dessen Mutter Frau Marie N… durch die Abtretung ihres Erbanteils habe gewähren wollen und die die Klägerin gewünscht habe, weil N… ihr als unsicherer Schuldner erschienen sei. Indessen könne die Klägerin, so hat das Berufungsgericht weiter erwogen, eigenen Schaden vom Beklagten nicht ersetzt verlangen, weil sie nicht dargetan habe, daß keine nach dem Sachverhalt naheliegende anderweite Ersatzmöglichkeit für sie bestehe (§ 21 RNotO, § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB). Als Ersatzmöglichkeit komme nach den Bestimmungen für die Einschaltung der Kreditinstitute bei Existenz-Aufbaudarlehen vom 4. April 1952 (Sonderdruck aus dem Amtlichen Mitteilungsblatt des Hauptamtes für Soforthilfe), den Bestimmungen für die Einschaltung der Kreditinstitute bei Aufbaudarlehen für die gewerbliche Wirtschaft und die freien Berufe und bei Arbeitsplatzdarlehen vom 21. November 1952 (Amtliches Mitteilungsblatt des Hauptamtes für Soforthilfe 1952 S. 141) und den Durchführungs bestimmungen über die Behandlung von Darlehensforderungen im Lastenausgleich vom 11. Juli 1958 (Amtliches Mitteilungsblatt des Bundesausgleichsamtes 1958 S 342) das Recht der Klägerin in Betracht, ihren Darlehensanspruch gegen Nehlsen an den Ausgleichsfonds abzutreten und dafür von ihrer Schuld gegenüber dem Fonds befreit zu werden, womit der Ausfall der Sicherheit ausgeglichen wäre. Dem stehe nicht entgegen, daß die Lastenausgleichsbank der Klägerin gegenüber den Standpunkt eingenommen habe, die Klägerin sei ihr für den durch die Unwirksamkeit der Abtretungserklärung vom 15. April 1954 bedingten Ausfall der Sicherheit schadensersatzpflichtig geworden. Denn der Beklagte sei in ihrem Verhältnis zur Lastenausgleichsbank kein Erfüllungsgehilfe gewesen, für dessen Verschulden sie einzustehen habe, und ein eigenes Verschulden falle ihr nicht zur Last.

Die Revision tritt der Auffassung des Berufungsgerichts entgegen, daß in dem Recht der Klägerin, den Darlehensanspruch gegen Nehlsen an den Ausgleichsfonds abzutreten, eine Ersatzmöglichkeit liege, die es der Klägerin verwehre, den Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen. Die Revision zieht zwar nicht in Zweifel, daß der Klägerin ein Abtretungsrecht zusteht; sie meint aber, dieses Recht habe seine Grundlage nicht in demselben Tatsachenkreis, aus dem der Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen den Beklagten erwachsen sei. Auch werde durch die bloße Abtretung der Ausfall an der Darlehensforderung nicht behoben. Die Annahme des Berufungsgerichts sei irrig, daß durch die Ausübung der Abtretungsbefugnis eine Schuld der Klägerin gegenüber dem Ausgleichsfonds getilgt werde; die Klägerin sei nicht ihrerseits Darlehensnehmerin und brauche das Darlehen nicht aus eigenen Mitteln an den Ausgleichsfonds zurückzuführen; das von den Ausgleichsbehörden bewilligte Darlehen an N… werde von der Klägerin vielmehr als Treuhänderin für den Ausgleichsfonds verwaltet; durch die Ausübung der Abtretungsbefugnis habe sie die Möglichkeit, das Treuhandverhältnis zu beenden.

Es ist richtig, daß die Kreditinstitute, die – wie die Klägerin – bei der Gewährung der von der zuständigen Ausgleichsbehörde bewilligten Aufbaukredite eingeschaltet worden sind, nach den hierzu erlassenen vom Berufungsgericht angeführten Bestimmungen Treuhänder der Bundesrepublik Deutschland (Ausgleichsfonds) sind. In dieser Eigenschaft hat die Klägerin (in eigenem Namen) den Darlehensvertrag mit Nehlsen abgeschlossen, wie es diesem von der Ausgleichsbehörde in dem zu den Gerichtsakten gebrachten Bewilligungsbescheid auferlegt worden war; der Vertrag hatte – auch hinsichtlich der für das Darlehen zu stellenden Sicherheiten – den von der Ausgleichsbehörde bestimmten Inhalt. Ein von der Ausgleichsbehörde bewilligtes Aufbaudarlehen war von dem eingeschalteten Kreditinstitut nach Abschluß des Darlehensvertrages zwecks Auszahlung an den Darlehensnehmer bei der Lastenausgleichsbank anzufordern; wurde das Darlehen ganz oder teilweise nicht ausgezahlt (wegen Verzichts, Berichtigung u.ä.), so hatte das Kreditinstitut den verbleibenden Betrag alsbald an die Lastenausgleichsbank zurückzuüberweisen (Ziff. 9 der Bestimmungen vom 4. April 1952 und Ziff. 13 der Bestimmungen vom 21. November 1952). Danach ist die Klägerin also nicht etwa ihrerseits Darlehensschuldnerin der Lastenausgleichsbank geworden; einer Abtretung der gegen N… bestehenden Darlehensforderung an den Ausgleichsfonds konnte demnach auch nicht die Bedeutung zukommen, die Klägerin von einer ihr eigenes Vermögen betreffenden Schuld zu befreien; die Abtretung bewirkt vielmehr, daß mit ihr das Treuhandverhältnis seine Beendigung findet (Ziff. 8c der Bestimmungen vom 4. April 1952 und Ziff. 9 Abs. 3 der Bestimmungen vom 21. November 1952).

Es trifft hiernach nicht zu, daß die Klägerin durch die Amtspflichtverletzung des Beklagten einen eigenen Schaden erlitten hat. Sie hat zwar nicht den Erbanteil erlangt, der an sie abgetreten werden sollte. Der Erbanteil sollte aber nur zur Sicherung des Darlehens dienen, das nicht aus ihrem Vermögen stammte, sondern Nehlsen aus Mitteln des Ausgleichsfonds gewährt wurde. Die Darlehensforderung und die Sicherheiten, die für das Darlehen zu stellen waren, wurden von der Klägerin nur treuhänderisch für den Ausgleichsfonds verwaltet (Ziff.  1 der Bestimmungen vom 21. November 1952). Daß die ausgefallene Darlehensforderung nicht durch den Erbanteil abgedeckt werden konnte, traf also nicht die Klägerin in ihrem eigenen Vermögen, geschädigt ist vielmehr der Ausgleichsfonds.

Im Ergebnis hat das Berufungsgericht hiernach einen Anspruch der Klägerin auf Ersatz eigenen Schadens mit Recht verneint. Nur scheitert ein solcher Anspruch nicht daran, daß die Klägerin eine anderweite Ersatzmöglichkeit hätte; der Klägerin ist vielmehr ein eigener Schaden überhaupt nicht erwachsen.

3. Das Landgericht hat die Klägerin für berechtigt gehalten, den Schaden, der aus der ihr gegenüber begangenen Amtspflichtverletzung des Beklagten für den Ausgleichsfonds entstanden ist, im Wege der Schadensliquidation im Drittinteresse gegen den Beklagten geltend zu machen. Sachverständig beraten hatte es festgestellt, daß das mit rund 8 000 DM uneinbringlich gewordene Darlehen an N… durch den Erbanteil bei dessen wirksamer Abtretung in Höhe von 3 000 DM gesichert gewesen wäre und durch Verwertung des Erbanteils entsprechend hätte abgedeckt werden können. Demzufolge hatte das Landgericht den eingeklagten Schadensersatzanspruch von 2 000 DM für gerechtfertigt gehalten und den Beklagten verurteilt, diesen Betrag nebst Prozeßzinsen – Zug um Zug gegen Abtretung eines gleichhohen Teils der Darlehnsforderung an N… (§ 255 BGB) – an die Klägerin zu zahlen.

a) Das Berufungsgericht hat sich zu dieser Anspruchs beurteilung nicht näher geäußert; es meint nur, einem etwaigen Anspruch der vom Landgericht angenommenen Art stehe die vom Beklagten erhobene Einrede der Verjährung entgegen. Offenbar will das Berufungsgericht aber die rechtliche Möglichkeit einer Schadensliquidation im Drittinteresse nicht von der Hand weisen. Das Landgericht hat sie hier auch mit Recht für zulässig gehalten.

Die Klägerin, die dem Darlehensnehmer N… das Darlehen in eigenem Namen für Rechnung des Ausgleichsfonds gewährte, war in ihrer treuhänderischen Stellung mittelbare Stellvertreterin der Bundesrepublik (des Ausgleichsfonds), dies auch hinsichtlich der Sicherheiten, die sie sich von N… bestellen ließ. Die Klägerin war nur formell Berechtigte aus den Darlehens- und Sicherungsverträgen; Trägerin des vertraglich geschützten Interesses war die Bundesrepublik (der Ausgleichsfonds). Es ist ein fester Rechtsprechungsgrundsatz, daß, wenn in Fällen dieser Art dem Träger des vertraglich geschützten Interesses aus einer Vertragsverletzung Schaden erwächst, der aus dem Vertrage Berechtigte diesen (Dritt-) Schaden gegen den Vertragsgegner geltend machen kann (vgl. BGHZ 40, 91, 100 mit weiteren Nachweisen). Nun handelt es sich im vorliegenden Fall allerdings nicht um Schadensersatzansprüche aus Vertragsverletzung, sondern um solche aus unerlaubter Handlung. Auch hier ist der Schadenseintritt aber nur verlagert, weil die Klägerin, der gegenüber der Beklagte seine Amtspflicht schuldhaft verletzt hat, bei dem Rechtsgeschäft, das infolgedessen fehlgeschlagen ist, die Interessen des Ausgleichsfonds treuhänderisch mittelbar vertreten hat. Es widerspräche den Prinzipien des Schadensersatzrechts, wenn der Beklagte von der Verpflichtung, für den durch seine Amtspflichtverletzung verursachten Schaden einstehen zu müssen, darum freigestellt bliebe, weil die Klägerin selbst keinen Schaden erlitten, der Beklagte aber eine Amtspflicht gegenüber dem geschädigten Ausgleichsfonds nicht verletzt hat. Vielmehr müssen die Grundsätze einer Schadensliquidation im Drittinteresse auch hier zur Anwendung gelangen. So hat auch das Reichsgericht in dem Fall der Entscheidung JW 1927, 1144 bereits ausgesprochen, daß ein Notar, der durch unvollständige Beurkundung eines Grundstückskaufs seine Amtspflichten gegenüber der im eigenen Namen für fremde Rechnung abschließenden Käuferin verletzt hat, von dieser auf Ersatz des Schadens in Anspruch genommen werden kann, der aus der Amtspflichtverletzung dem Dritten entstanden ist, in dessen Interesse sie gehandelt hat. Der Bundesgerichtshof hat in der Entscheidung BGHZ 40, 91, 100 unter Bezugnahme auf Tägert (Die Geltendmachung des Drittschadens S. 38) gleichfalls darauf hingewiesen, daß bei besonderer Fallgestaltung (wie Vernichtung einer vermachten Sache bei dem Erben vor der Übereignung an den Vermächtnisnehmer) ein Anspruch auf Ersatz eines Drittschadens auch im Bereich des Rechts der unerlaubten Handlung gegeben sein kann. Das wird auch im Schrifttum, insbesondere für Fälle einer Schadensverlagerung, wie sie hier gegeben ist, anerkannt (vgl. Reimer Schmidt bei Soergel BGB 9. Aufl. §§ 249 bis 253 Anm. 84, 86, 88; Esser, Schuldrecht 2. Aufl. S. 180, 181; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Allgemeiner Teil 7. Aufl. S. 175, 176).

Voraussetzung ist freilich, daß der Anspruchsteller den vom Schädiger zu leistenden Ersatz an den geschädigten Dritten abzuführen verpflichtet ist. Im vorliegendem Fall ergibt sich eine solche Verpflichtung für die Klägerin aber bereits unzweifelhaft aus ihrem Treuhandverhältnis zum Ausgleichsfonds.

b) Was die Frage der Verjährung betrifft, so ist das Berufungsgericht der Ansicht, die Klägerin habe die für den Beginn der dreijährigen Verjährung des § 852 BGB erforderliche Kenntnis von dem Schaden um der Person des Ersatzpflichtigen durch das Schreiben des Rechtsanwalts Dr. L… vom 2. Oktober 1958 erlangt. Aus diesem Schreiben habe sie hinreichend deutlich erfahren, daß – mangels wirksamer Abtretung des Erbanteils – die Sicherheit für das dem Gastwirt N… gewährte Darlehen, das ohne diese Sicherung gefährdet gewesen sei, entfallen sei. Aufgrund des dort mitgeteilten Sachverhaltes habe sie gegen den Beklagten zumindest auf Feststellung seiner Schadensersatzpflicht klagen können. Zweifel hinsichtlich der Frage, ob eine Schadensliquidation im Drittinteresse überhaupt im gegenwärtigen Fall möglich sei, hätten dem Beginn der Verjährung nicht entgegengestanden; dies hätte nur dann der Fall sein können, wenn schwierige Rechtsüberlegungen anzustellen gewesen wären und die Erkenntnis der Rechtslage beispielsweise von dem Inhalt wenig bekannter Durchführungsbestimmungen abhängig und nur unter Abweichung von früheren Entscheidungen des Reichsgerichts zu gewinnen gewesen wäre; derartige Verhältnisse seien hier nicht in Betracht gekommen. Bei Einreichung der Klage am 20. November 1961 sei die Verjährung hiernach bereits vollendet gewesen.

Die Einwendungen, mit denen die Revision dieser Würdigung entgegentritt, können keinen Erfolg haben.

Zu Unrecht meint die Revision, für den Beginn der Verjährung komme es auf die Kenntnis der Lastenausgleichsbank von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen an, nicht auf die der Klägerin. Die Bestimmung des § 852 BGB stellt für den Beginn der Verjährung auf die Kenntnis des Verletzten ab. Wenn die Klägerin bei der hier vorliegenden Schadensverlagerung nach den Grundsätzen der Schadensliquidation im Drittinteresse den Schaden das Lastenausgleichsfonds geltend macht, so ändert dies nichts daran, daß der Beklagte nur eine ihm der Klägerin gegenüber obliegende Amtspflicht verletzt hat, diese also Verletzte ist.

Zutreffend weist die Revision allerdings darauf hin, daß für den Beginn der Verjährung bei fahrlässiger Amtspflichtverletzung zu der Kenntnis des Verletzten von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen auch seine Kenntnis hinzutreten muß, daß er auf andere Weise keinen Ersatz erlangen kann (vgl. Urteile des erkennenden Senats vom 29. Oktober 1963 – VI ZR 311/62 – LM Nr. 20 zu § 852 BGB; vom 28. April 1964 – VI ZR 291/62 – LM Nr. 14 zu § 839 [E] BGB). Indessen ergibt sich bereits aus dem unstreitigen Sachverhalt und den unstreitigen Schriftstücken, auf die das Berufungsurteil Bezug nimmt, daß es an dieser Voraussetzung des Verjährungsbeginns mehr als drei Jahre vor Einreichung der Klage nicht gefehlt hat. Der Ausfall der Darlehenssicherung durch den Erbanteils konnte nur dadurch unschädlich gemacht werden, daß N… seine Darlehensschuld alsbald tilgte. Dazu war er außerstande. Obwohl er das nach dem Inhalt des Darlehensvertrags zu 3 % jährlich verzinsliche Darlehen von 8 300 DM mit 12,5 % jährlich zurückzuzahlen hatte, war sein Schuldsaldo bis zum 5. November 1958 auf 8 913,67 DM angewachsen. Dabei war ihm das Darlehen bereits am 13. Juli 1956 gekündigt worden. Zwar hat N… nach dem Aktenvermerk der Klägerin vom 4. November 1958 an diesem Tage versprochen, er werde aus seiner Arbeitslosenunterstützung von wöchentlich 88 DM jede Woche 25 DM an die Klägerin zahlen, und weiter erklärt, er werde in der Lage sein, zusätzlich größere Abträge zu leisten, wenn er zu Beginn der nächstjährigen Badesaison als Kellner angestellt werde. Auch diese Erklärungen zeigten aber mit aller Deutlichkeit, daß N… zur Darlehenstilgung in absehbarer Zeit wirtschaftlich nicht in der Lage war. Auch bei Verwertung der Sicherungen, die im Darlehensvertrag außer der Abtretung des Erbanteils vereinbart waren, konnte nicht erwartet werden, daß die Darlehensschuld alsbald würde getilgt werden können; die Lebensversicherung konnte nur einen Rückkaufswert haben, der unter der Versicherungssumme von lediglich 4 000 DM lag; die im Darlehensvertrag vereinbarte Abtretung des Anspruchs auf eine Heimkehrerentschädigung von voraussichtlich 600 DM war wegen gesetzlichen Abtretungsverbots (§ 5 des Kriegsgefangenen-Entschädigungsgesetzes vom 30. Januar 1954) unstreitig unwirksam. Es kann hiernach keinem Zweifel unterliegen, daß der Ausfall der Erbanteilssicherung einen Schaden bedeutete, der durch die von Nehlsen in Aussicht gestellten Zahlungen keinesfalls in absehbarer Zeit ausgeräumt werden konnte. Der Geschädigte hat aber ein Recht auf alsbaldigen Schadensersatz und braucht sich deshalb auf Ersatzmöglichkeiten, die keine begründete Aussicht auf alsbaldige Verwirklichung haben, nicht verweisen zu lassen (BGB RGRK 9. Aufl. § 839 Anm. 94 mit weiteren Nachweisen). Die Erklärungen des Nehlsen vom 4. November 1958 standen der klageweisen Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs durch die Klägerin daher nicht im Wege; die Erhebung der Klage war der Klägerin damals zuzumuten. Im Ergebnis ist dem Berufungsgericht hiernach darin beizustimmen, daß bei Einreichung der Klage der Schadensersatzanspruch verjährt war.

Für die Annahme, daß die Erhebung der Verjährungseinrede eine unzulässige Rechtsausübung des Beklagten darstelle, fehlt es nach den Ausführungen des Berufungsgerichts an tatsächlichem Anhalt. Insoweit werden von der Revision auch keine Einwendungen erhoben.

Die Revision erweist sich hiernach als unbegründet.

Nach § 97 ZPO hat die Klägerin die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.

 

Unterschriften

Dr. Engels, Hanebeck, Dr. Hauß, Dr. Pfretzschner, Dr. Nüßgens

 

Fundstellen

Haufe-Index 1415007

MDR 1967, 206

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