Leitsatz (amtlich)

Der Grundsatz, daß durch Allgemeine Geschäftsbedingungen die Verpflichtung des Gläubigers nicht abbedungen werden kann, auf einen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung die aus diesem Grund verwirkte Vertragsstrafe anzurechnen (BGHZ 63, 256), gilt auch für Handelsvertreterverträge.

 

Normenkette

BGB § 340 Abs. 2; HGB § 84; AGBG § 9

 

Verfahrensgang

OLG Oldenburg (Oldenburg) (Urteil vom 22.02.1990)

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 22. Februar 1990 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Beklagte war aufgrund eines formularmäßig abgeschlossenen Repräsentantenvertrages vom 19. Dezember 1984 als Handelsvertreter für die Klägerin, Inhaberin einer Finanzierungsvermittlung, tätig gewesen. Er unterlag einem in § 5 des Vertrages geregelten Wettbewerbsverbot.

§ 12 des Vertrages bestimmte:

„Fristlose Kündigung ist aus wichtigen Gründen, insbesondere bei Vernachlässigung der Pflichten des Repräsentanten, nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen jederzeit möglich. Bei Kündigung nach § 5 dieses Vertrages ist der Repräsentant der Firma gegenüber schadensersatzpflichtig. Außerdem verliert der Repräsentant bei Kündigung aufgrund dieses Paragraphen (Betrug seitens des Repräsentanten) sämtliche bisher auf seinem Konto aufgelaufenen Stornoreserven.”

Die Klägerin war nach dem weiter vereinbarten „Provisions- und Leistungsverzeichnis” berechtigt, eine Stornoreserve von 20% aus den Provisionen einzubehalten.

Für ein von dem Beklagten im Jahre 1985 vermittelten Lebensversicherungsvertrag (Vertrag K.) zahlte die Klägerin zunächst auf der Grundlage der für diesen Vertrag ursprünglich vereinbarten Versicherungssumme in Höhe von 5.200.000,– DM an den Beklagten 143.000,– DM an Provisionen aus, ohne eine Stornoreserve einzubehalten; die Versicherungssumme wurde später auf 434.736,– DM herabgesetzt. Der Beklagte bestellte – nach entsprechenden Verhandlungen der Parteien zur Sicherung des Stornorisikos aus diesem Lebensversicherungsvertrag – eine selbstschuldnerische Bürgschaft einer Kreissparkasse in Höhe von 50.000,– DM. Später wurde das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien beiderseits fristlos gekündigt.

Nachdem die Parteien die Bürgschaftssumme jeweils für sich beansprucht hatten, hinterlegte die Kreissparkasse den Betrag von 50.000,– DM beim Amtsgericht.

Die Klägerin hat geltend gemacht, der hinterlegte Betrag stehe ihr als vom Beklagten verwirkte Vertragsstrafe zu. Der Beklagte habe dem Wettbewerbsverbot aus § 5 des Vertrages zuwider bereits im Jahre 1986 noch während des Bestehens des Handelsvertretervertrages mit dem Abschluß von Lebensversicherungsverträgen in Höhe von 3 Mio. DM mit Kunden verhandelt und diese dann – was unstreitig ist – im April 1987 mit einem anderen Versicherer abgeschlossen.

Die Klägerin hat ihr Begehren ferner hilfsweise darauf gestützt, daß sie von dem Versicherer mit Stornokosten aus dem im Jahre 1985 vermittelten Versicherungsvertrag in Höhe von 46.096,– DM belastet worden sei.

Der Beklagte ist dem auf Freigabe des hinterlegten Betrages gerichteten Antrag der Klägerin entgegengetreten. Er hat einen Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot bestritten, da der Vertrag bei Abschluß der Versicherungsverträge von ihm bereits fristlos gekündigt gewesen sei; auch sei die Vereinbarung einer Vertragsstrafe in § 12 des Repräsentantenvertrages wegen Verstoßes gegen § 9 AGBG unwirksam.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.

Dagegen hat der Beklagte Berufung eingelegt, mit der er seine Verurteilung angegriffen hat, soweit er zur Freigabe von mehr als 2.281,43 DM verurteilt worden ist. Er hat geltend gemacht, sein von der Klägerin gebildetes und bei dieser bestehendes Stornoreservekonto weise noch ein Guthaben von 15.643,66 DM auf, das zur Abdeckung von Stornorisiken nicht mehr benötigt werde. Mit diesem Betrag hat er gegen die von der Klägerin hilfsweise geltend gemachten Provisionsrückzahlungsansprüche aufgerechnet.

Das Berufungsgericht hat das Urteil des Landgerichts teilweise abgeändert und den Beklagten verurteilt, in die Freigabe eines Betrages von 15.965,02 DM einzuwilligen.

Mit der Revision greift die Klägerin das Urteil an, soweit zu ihrem Nachteil erkannt worden ist. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht hat den Beklagten verurteilt, aus dem hinterlegten Betrag von 50.000,– DM einen Betrag von 15.965,02 DM nebst aufgelaufenen Zinsen freizugeben.

Einen Anspruch auf Rückzahlung von Provision (Vertrag K.) hat es für gerechtfertigt gehalten, den Vertragsstrafenanspruch dagegen nicht. Es hat dazu ausgeführt: Die von den Parteien in § 12 des Formularvertrages vereinbarte Verfallklausel sei wegen Verstoßes gegen § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG unwirksam, da sie von dem gesetzlichen Grundgedanken abweiche, daß Schadensersatz wegen Nichterfüllung und Vertragsstrafe nicht nebeneinander verlangt werden könnten (§ 340 Abs. 2, S. 341 Abs. 2 BGB). Dagegen sei der Provisionsrückzahlungsanspruch der Klägerin, der sich rechnerisch auf 31.608,68 DM belaufe, gerechtfertigt. Allerdings müsse sich die Klägerin darauf die vom Beklagten zur Aufrechnung gestellten Ansprüche auf Auszahlung des Guthabens auf dem Stornoreservekonto in Höhe von 15.643,66 DM anrechnen lassen, so daß 15.965,02 DM freizugeben gewesen seien.

II. Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg.

1. Die Klägerin hat unstreitig einen Anspruch auf Zahlung von 31.608,68 DM gegen den Beklagten. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts ist der Beklagte verpflichtet, in dieser Höhe Provisionen für die Vermittlung des Versicherungsvertrages K. an die Klägerin zurückzuzahlen. Zur Sicherung des Stornorisikos aus diesem Vertrag hatte der Beklagte die Bankbürgschaft über 50.000,– DM gestellt.

2. Weitere Ansprüche gegen den Beklagten auf Einwilligung in die Auszahlung des Restbetrages bis zu 50.000,– DM hätten der Klägerin allenfalls dann zustehen können, wenn die in § 12 des Vertrages vorgesehene Regelung über den Verlust der aufgelaufenen Stornoreserven als wirksam anzusehen wäre. Das ist jedoch, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, nicht der Fall.

Das Berufungsgericht hat das in § 12 des Repräsentantenvertrages vorgesehene Recht der Klägerin, im Falle einer Verletzung des Wettbewerbsverbots von dem Beklagten Schadensersatz verlangen und daneben sämtliche auf dem Stornokonto aufgelaufenen Stornoreserven als Vertragsstrafe für sich in Anspruch nehmen zu können, wegen des darin liegenden Verstoßes gegen § 9 AGBG zu Recht als unwirksam angesehen.

Die von der Klägerin formularmäßig getroffene Bestimmung hat auch im Verkehr unter Kaufleuten – wie hier – keinen Bestand. Sie weicht von dem in § 340 Abs. 2 und § 341 Abs. 2 BGB enthaltenen gesetzlichen Grundgedanken ab, daß Schadensersatz wegen Nichterfüllung und Vertragsstrafe nicht nebeneinander verlangt werden können, und stellt damit eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners der Klägerin dar (§ 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG; vgl. BGHZ 63, 256, 258, 260; BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53, 56; MünchKomm/Söllner, BGB, 2. Aufl., § 340 Rdnr. 1; MünchKomm/Kötz, AGBG, § 11 Rdnr. 54; Soergel/Lindacher, BGB, 12. Aufl., § 340 Rdnr. 2; Staudinger/Kaduk, BGB, 12. Aufl., § 340 Rdnr. 3; Wolf/Horn/Lindacher, AGBG, 2. Aufl., § 11 Nr. 6, Rdnr. 34).

Demgegenüber meint die Revision, daß zwar, wie der Bundesgerichtshof (a.a.O.) entschieden habe, die Unangemessenheit einer Kumulation von Schadensersatz und Vertragsstrafe in Allgemeinen Geschäftsbedingungen bei Automatenaufstellverträgen zu bejahen sei, nicht ohne weiteres aber bei einem Handelsvertretervertrag wie dem vorliegenden. Anders als in jenen Fällen sei es für den Vertragspartner eines Handels- bzw. Versicherungsvertreters ungleich schwieriger, Vertragsverletzungen des anderen Teils festzustellen und den sich daraus ergebenden Schaden zu berechnen. Insoweit sei der Unternehmer weithin auf die Auskünfte des Handelsvertreters angewiesen. Gegen die Partner des von dem Handelsvertreter unter Verstoß gegen ein Konkurrenzverbot wettbewerbswidrig vermittelten Vertrages habe der Unternehmer keinerlei Auskunftsansprüche. Die vorgesehene Vertragsstrafe sei daher für die Klägerin die einzige praktisch bedeutsame Möglichkeit, die Konkurrenz ihres Handelsvertreters, hier des Beklagten, zu unterbinden und Schadensersatzansprüche durchzusetzen.

Dem kann nicht beigetreten werden. Auch den Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe kann der Unternehmer erst geltend machen, wenn er von einem vertragswidrigen Verhalten des Handelsvertreters Kenntnis erlangt. Seine Situation ist insoweit keine andere als bei der Geltendmachung eines Anspruchs auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung. Die Kumulation beider Ansprüche verbessert seine Lage insoweit nicht. Auch die von der Revision angeführten Schwierigkeiten bei der Berechnung eines Schadensersatzanspruchs rechtfertigen es nicht, die in Rede stehende Vertragsbestimmung des § 12 als angemessen anzusehen. Nach § 340 Abs. 2 Satz 1 BGB kann der Gläubiger, dem ein Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung zusteht, die verwirkte Strafe als Mindestbetrag des Schadens verlangen. Nachweisen muß er nur den weitergehenden Schaden (vgl. BGHZ 63, 256, 260; MünchKomm/Söllner, BGB, 2. Aufl., § 340 Rdnr. 7).

3. Das Berufungsgericht hat dem Klagebegehren auf Freigabe des hinterlegten Betrages zu Recht auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes wegen Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot aus § 5 des Vertrages stattgegeben, weil die Klägerin einen ihr daraus entstandenen Schaden nicht dargelegt hat. Auf die Regelung des § 340 Abs. 2 Satz 1 BGB kann sich die Klägerin insoweit nicht berufen. Zwar kann der Gläubiger nach dieser Bestimmung die verwirkte Strafe als Mindestbetrag eines Schadens verlangen. Dies gilt aber nur, wenn eine Vertragsstrafe wirksam vereinbart worden ist, was nicht der Fall ist. § 12 des Vertrages kann nicht in der Weise beurteilt werden, daß lediglich die Kumulation von Schadensersatz und Vertragsstrafe entfällt (s.o. Ziff. 2), die Regelung im übrigen aber wirksam bleibt. Der Verstoß gegen § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG führt vielmehr zur Nichtigkeit der Klausel insgesamt (vgl. BGHZ 84, 109, 115; MünchKomm/Kötz, BGB, 2. Aufl., § 6 Rdnr. 7 AGBG; Wolf/Horn/Lindacher, AGBG, 2. Aufl., § 6 Rdnr. 14).

4. Ohne Rechtsverstoß hat das Berufungsgericht die von dem Beklagten erklärte Aufrechnung mit dem Anspruch auf Auszahlung noch vorhandener Stornoreserven (15.643,66 DM) gegenüber dem Zahlungsanspruch der Klägerin (31.608,68 DM) durchgreifen lassen. Daß diese Aufrechnung dem Verbot des § 393 BGB unterfiele, ist nicht ersichtlich. Tatsachen dafür hat das Berufungsgericht nicht festgestellt und sind auch sonst nicht ersichtlich. Die Berechnung der Höhe des freizugebenden Betrages im Berufungsurteil wird von der Revision nicht angegriffen.

III. Danach war die Revision der Klägerin mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI856982

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge