Leitsatz (amtlich)

Verpflichtet sich der Erbbauberechtigte durch notariellen Vertrag zur Übertragung eines Erbbaurechtsanteils und zur Einräumung von Sondereigentum, so bedarf bis zum dinglichen Vollzug dieses Vertrages eine nachträgliche Vereinbarung der Vertragsparteien über die ihnen beiderseits als künftige Vohnungseigentümer obliegende Pflicht zur Tragung der Lasten und Kosten des gemeinschaftlichen Eigentums notarieller Beurkundung.

 

Normenkette

BGB § 313; WEG § 4 Abs. 3, § 10 Abs. 2

 

Verfahrensgang

OLG Zweibrücken (Urteil vom 06.04.1982; Aktenzeichen 5 U 106/81)

LG Kaiserslautern (Urteil vom 26.05.1981; Aktenzeichen 4 O 12/81)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 6. April 1982 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Zusatzvertrages vom 9. Oktober 1956 abgewiesen worden ist.

Im übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Für das Revisionsverfahren hat der Kläger 9/10 der Gerichtskosten, der außergerichtlichen Kosten der Beklagten und seiner eigenen außergerichtlichen Kosten zu tragen. Im übrigen bleibt die Kostenentscheidung dem Berufungsgericht vorbehalten.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger ist Inhaber eines Erbbaurechts an dem Grundstück L… straße 11 in K… Dort errichtete er ein Appartementhaus. Durch notariellen Vertrag vom 19. Januar 1956 bestellte er der Beklagten an der Dachgeschoßwohnung, einschließlich zugehöriger Garage und Keller, ein unbefristetes Dauerwohnrecht nach den Wohnungseigentumsgesetz. Zugleich verpflichtete er sich, der Beklagten nach Tilgung der hypothekarisch gesicherten Baukredite unentgeltlich einen Anteil von 1/25 seines Erbbaurechts zu übertragen und ihr sodann das Sondereigentum an der Dachgeschoßwohnung nebst Garage und Keller einzuräumen; die Beklagte ihrerseits verpflichtete sich, dem Kläger das Sondereigentum an den übrigen Wohnungen und Räumen des Hauses einzuräumen, soweit diese nicht gemeinschaftliches Eigentum würden.

Der Vertrag enthält u. a. folgende Bestimmungen:

Ziffer IV:

„Über den gesetzlichen Inhalt des Dauerwohnrechts hinaus vereinbaren die Beteiligten noch als weiteren Inhalt dieses Rechtes was folgt:

6. Der Dauerwohnberechtigte (Beklagte) übernimmt die Verpflichtung zur Tragung der öffentlichen Lasten des Grundstücks und des Erbbaurechtes, sowie die Verpflichtung zur Zahlung des Erbbauzinses in dem Verhältnis, wie das von den Beteiligten nachträglich privatschriftlich vereinbart wird. …”

Ziffer VI Abs. 2:

„Die Pflicht zur Tragung von Kosten für die Verwaltung und Bewirtschaftung des Anwesens, insbesondere auch die Kosten für die Reinigung und Beleuchtung der gemeinschaftlichen Einrichtungen und Anlagen, für den Betrieb der Zentralheizung und des Fahrstuhles wird zwischen Erbbauberechtigtem (Kläger) und Dauerwohnberechtigtem (Beklagte) durch gesonderte privatschriftliche Vereinbarung geregelt.”

Durch privatschriftlichen „Zusatzvertrag zur Bestellung eines Dauerwohnrechtes” vom 9. Oktober 1956 regelten die Parteien unter Bezugnahme auf Ziffer VI Abs. 2 der notariellen Urkunde den von der Beklagten zu zahlenden Anteil des Erbbauzinses, der Grundsteuer und der Nebenkosten sowie die von ihr zu tragenden Kosten der Instandhaltung.

Der Kläger hat die Feststellung beantragt, daß der notarielle Vertrag und der schriftliche Zusatzvertrag unwirksam seien. Er hält beide Verträge für formnichtig.

Die Feststellungsklage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben.

Mit der Revision verfolgt der Kläger die Klage weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

I.

Nach Ansicht des Berufungsgerichts bedurfte die privatschriftliche Vereinbarung vom 9. Oktober 1956 keiner Beurkundung, da sich die Parteien in dem notariellen Vertrag vom 19. Januar 1956 ausdrücklich vorbehalten hätten, die Höhe der auf die Beklagte entfallenden anteiligen Erbbauzinsen und die Verteilung der Verwaltungs- und Bewirtschaftungskosten gesondert zu regeln. Von dieser späteren Vereinbarung hätten sie die Wirksamkeit der Bestellung des Dauerwohnrechts und der Verpflichtung zur künftigen Übertragung eines Erbbaurechtsanteils sowie zur Einräumung des Sondereigentums nicht abhängig gemacht, so daß der beurkundeten Regelung auch kein Einigungsmangel im Sinne des § 154 Abs. 1 BGB anhafte.

II.

Die Revision ist nur im Umfang der auf den Vertrag vom 9. Oktober 1956 bezogenen Feststellungsklage begründet.

1. Der beurkundete Vertrag vom 19. Januar 1956 ist wirksam.

Die Gültigkeit dieses Vertrages haben die Parteien, wie das Berufungsgericht rechtsbedenkenfrei feststellt, nicht von der einer späteren Abrede vorbehaltenen Regelung über die Lasten und Kosten des Dauerwohnrechts abhängig gemacht. Damit ist der Vertrag vollständig beurkundet worden; denn er enthält alles, was die Parteien aus ihrer damaligen Sicht als regelungsbedürftig angesehen haben (§ 154 Abs. 1 BGB), Für die Behauptung der Revision, die Parteien seien sich von vornherein darüber einig gewesen, daß die Beklagte nicht nur – wie beurkundet – bis zur Übertragung des Erbbaurechtsanteils, sondern in gleichem Umfang auch für die Folgezeit zur Lasten- und Kostenbeteiligung entsprechend dem für das Dauerwohnrecht vereinbarten Vorbehalt verpflichtet sein sollte, findet sich in dem vorinstanzlichen Sachvortrag keine Stütze. Ohne ein dahingehendes Vorbringen aber brauchte das Berufungsgericht allein aus dem Umstand, daß sich die dann in dem privatschriftlichen Zusatzvertrag vom 9. Oktober 1956 getroffene Vereinbarung auch auf die Zeit nach Übertragung des Erbbaurechtsanteils bezog, nicht auf eine schon bei Abschluß des notariellen Vertrages vorhandene Einigung in diesem Punkte zu schließen.

Der notarielle Vertrag ist auch inhaltlich genügend bestimmt, da mit den zu Leistung und Gegenleistung beurkundeten Vereinbarungen (bezüglich der Gegenleistung wurde unter Ziff. II des Vertrages eine Verrechnungsabrede getroffen) die grundlegenden Voraussetzungen einer vertraglichen Bindung erfüllt sind (vgl. BGHZ 55, 248, 250; RGZ 124, 81, 83 f). Dieser von beiden Parteien gewollten Bindung stand der Vorbehalt einer künftigen Abrede über die Lasten und Kosten des Dauerwohnrechts nicht entgegen. Denn die insoweit vorbehaltene Einigung war kein notwendiges Erfordernis für die Vereinbarung eines Dauerwohnrechts, wie sich aus § 33 Abs. 4 WEG ergibt.

2. Der Zusatzvertrag vom 9. Oktober 1956 bedurfte keiner Beurkundung, soweit darin für die Zeit des Dauerwohnrechts der Beklagten die Lasten- und Kostenverteilung geregelt worden ist.

Das Verpflichtungsgeschäft über die Bestellung eines Dauerwohnrechts ist formfrei. Demgemäß unterliegen auch spätere Ergänzungen oder Änderungen keinem Formzwang. Wird allerdings ein an sich formfreier Vertrag in gewolltem rechtlichen Zusammenhang mit einem nach § 313 Satz 1 BGB formgebundenen Rechtsgeschäft geschlossen, so erstreckt sich der Formzwang auf die Gesamtheit der Vereinbarungen (ständige Rechtsprechung, vgl. BGHZ 63, 359, 361; 74, 346, 348; 76, 43, 48; 85, 315, 317). Das Berufungsgericht läßt offen, ob hier eine solche rechtliche Einheit zwischen der Wohnrechtsvereinbarung und den gleichzeitig getroffenen – nach § 11 Abs. 2 ErbbauVO, § 4 Abs. 3 WEG, § 313 BGB formbedürftigen – Vereinbarungen der Parteien über die künftige Übertragung eines Erbbaurechtsanteils sowie über die nachfolgende Einräumung von Sondereigentum bestand. Diese Frage konnte auch offenbleiben, weil alle jene Vereinbarungen am 19. Januar 1956 beurkundet worden sind und weil in einen etwa zwischen ihnen gewollten rechtlichen Zusammenhang jedenfalls nicht die vorbehaltene privatschriftliche Abrede vom 9. Oktober 1956 über die Verteilung der Lasten und Kosten des Dauerwohnrechts einbezogen werden sollte. Das ist tatrichterlich festgestellt. Hiernach haben die Parteien die Wirksamkeit des beurkundeten Vertrages nicht von dem späteren Abschluß des Zusatzvertrages abhängig gemacht. Da dieser Zusatzvertrag, soweit er lediglich das Dauerwohnrecht betrifft, für sich allein formlos geschlossen werden konnte und auch sollte, bedurfte er insoweit keiner Beurkundung.

Demnach kommt es nicht auf die vom Berufungsgericht bejahte Frage an, ob die im Rahmen eines beurkundeten Regelungsvorbehalts getroffene Vereinbarung, auch wenn sie ohne den Vorbehalt formbedürftig wäre, grundsätzlich ebenso formlos möglich ist wie eine Leistungsbestimmung, die nur einem der Vertragspartner oder einer dritten Person (§§ 315 ff BGB) durch den beurkundeten Vertrag überlassen wird (vgl. dazu Senatsurteile vom 30. Juni 1967, V ZR 104/64, BB 1967, 1394; vom 28. Februar 1968, V ZR 206/64, LM BGB § 313 Nr. 33; vom 8. November 1968, V ZR 58/65, NJW 1969, 131, 132 und vom 27. April 1979, V ZR 218/77, WM 1979, 861).

3. Das Berufungsgericht hat jedoch nicht erkannt, daß die Vereinbarungen in dem privatschriftlichen Zusatzvertrag vom 9. Oktober 1956 ausdrücklich auch „für die Dauer” des – das Wohnrecht ersetzenden – „späteren Wohnungseigentumsvertrages” gelten sollten. Diese Regelung war von dem Wortlaut des beurkundeten Vorbehalts nicht gedeckt.

Zwar ist nach § 4 Abs. 3 WEG in Verbindung mit § 313 BGB (hier in der vor dem 1. Juli 1973 geltenden Fassung) nur die Verpflichtung zur Einräumung von Sondereigentum formgebunden, so daß spätere Vereinbarungen, durch welche die Parteien gemäß § 10 Abs. 2 WEG lediglich ihr beiderseitiges – künftiges – Verhältnis als Wohnungseigentümer regeln, an sich formfrei sind (Bärmann/Pick/Merle, WEG 4. Aufl. § 4 Rdn. 22; Weitnauer, WEG 6. Aufl. § 4 Rdn. 2 a und § 10 Rdn. 13; MünchKomm/Röll, WEG § 10 Rdn. 4). Um eine derartige Abrede handelt es sich vorliegend. Nach der Rechtsprechung des Senats sind jedoch grundsätzlich alle Vereinbarungen formbedürftig, durch die der Inhalt eines dem Formerfordernis des § 313 Satz 1 BGB unterliegenden und noch nicht dinglich vollzogenen Verpflichtungsgeschäfts erweitert oder sonstwie geändert wird (Urteile vom 2. Oktober 1957, V ZR 212/55, LM BGB § 313 Nr. 14; vom 1. Februar 1966, V ZR 120/63, LM BGB § 313 Nr. 27; vom 29. März 1966, V ZR 145/63, WM 1966, 656; vom 26. Oktober 197 V ZR 194/72, NJW 1974, 271; vom 9. November 1979, V ZR 38/78, WM 1980, 166 und vom 6. November 1981, V ZR 138/80, NJW 1982, 434; zum Erbbaurechtsvertrag vgl. BGHZ 59, 269, 270 f; 81, 135, 143). Das gilt auch für Inhaltsänderungen der Verpflichtung zur Einräumung von Sondereigentum, weil auch auf dieses Rechtsgeschäft gemäß § 4 Abs. 3 WEG die Bestimmung des § 313 BGB entsprechend anwendbar ist, mithin der Schutzzweck dieser Formvorschrift (Satz 1) hier die gleiche Bedeutung hat wie bei Grundstücksverträgen (vgl. Senatsurteil vom 27. April 1979, V ZR 175/77, NJW 1979, 1498). Der Sache nach aber liegt in diesem Falle eine Änderung des Verpflichtungsgeschäfts vor.

Durch den Zusatzvertrag vom 9. Oktober 1956 sollte dem Wohnungseigentum, zu dessen künftiger Einräumung sich der Kläger verpflichtet hatte, ein in dem notariellen Vertrag nicht geregelter Inhalt gegeben werden, folglich der Kläger verpflichtet sein, der Beklagten das Sondereigentum zu weiteren als den beurkundeten Bedingungen einzuräumen. In dem Zusatzvertrag ist nämlich – was das Berufungsgericht bei Prüfung der Formwirksamkeit von Amts wegen hätte beachten müssen – die Beteiligung der Beklagten an den Lasten und Kosten des gemeinschaftlichen Eigentums in einer von der sonst geltenden gesetzlichen Bestimmung des § 16 Abs. 2 WEG abweichenden, den Kläger benachteiligenden Weise geregelt worden. Das ergibt sich aus der die Möglichkeit späterer Kostensteigerungen nicht berücksichtigenden Pauschalierung der von der Beklagten zu tragenden Reinigungs-, Strom- und Verwaltungskosten sowie aus der Beschränkung ihrer anteiligen Instandhaltungspflicht. Dabei spielt es keine Rolle, ob mit dieser nachträglichen Vereinbarung die Verpflichtung des Klägers zur Einräumung von Sondereigentumwesentlich geändert worden ist. Der Gesichtspunkt einer nur unwesentlichen Änderung kann eine Ausnahme von dem Beurkundsungszwang allenfalls dann rechtfertigen, wenn die nachträgliche Abrede dazu dient, eine unvorhergesehen aufgetretene Schwierigkeit bei der Vertragsabwicklung zu beheben (Senatsurteil vom 6. November 1981 aaO = NJW 1982, 434 m.w.N.). Das ist hier nicht der Fall.

4. Das Berufungsurteil kann mithin, was die Formwirksamkeit des Zusatzvertrages anbelangt, keinen Bestand haben. Es ist Sache tatrichterlicher Prüfung, ob der in der notariellen Urkunde enthaltene Vorbehalt einer rechtlich gesonderten Vereinbarung über die Lasten und Kosten des Dauerwohnrechts etwa aufgrund ergänzender Vertragsauslegung (vgl. dazu BGHZ 77, 301, 304; 84, 1, 7) auch für die Zeit nach Übertragung des Erbbaurechtsanteils und der Einräumung des Sondereigentums gilt. Anderenfalls kommt es darauf an, ob die Parteien bei Kenntnis der Formnichtigkeit der auch für diese Zeit getroffenen privatschriftlichen Abreden nach ihrem mutmaßlichen Villen den auf das Dauerwohnhrecht bezogenen Teil der Vereinbarung geschlossen hätten (§ 139 BGB), was nach dem beurkundeten Vorbehalt naheliegt.

Im Ergebnis hat daher die Revision nur insoweit Erfolg, als in den Vorinstanzen der Klageantrag auf Feststellung der Nichtigkeit des Zusatzvertrages vom 9. Oktober 1956 abgewiesen worden ist. In diesem Umfang und im Kostenpunkt ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Hinsichtlich des Vertrages vom 19. Januar 1956 ist hingegen die Revision unbegründet. Insoweit beruht die Kostenentscheidung für das Revisionsverfahren auf § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

H, L, V, R, L

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 21.10.1983 durch Hirth, Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

Haufe-Index 512673

Nachschlagewerk BGH

DNotZ 1984, 238

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