Orientierungssatz

Eine Haftung des Geschäftsführers nach GmbHG § 43 ist auch dann in Betracht zu ziehen, wenn die Bestellung als Geschäftsführer nicht ins Handelsregister eingetragen wurde. Auch auf den Abschluß eines Anstellungsvertrages kommt es nicht an.

 

Tatbestand

Der Beklagte betrieb als Einzelunternehmer unter der Geschäftsbezeichnung „Imp.” einen Handel mit Computern und Software. Im Jahre 1989 beabsichtigte er umfangreiche Warenimporte aus China und trat daher auf Vermittlung von Rechtsanwalt Dr. S. mit der Klägerin in geschäftlichen Kontakt. Die Gesellschafter der Klägerin beschlossen am 11. Oktober 1989 zu notarieller Urkunde, die Firma der Gesellschaft umzuändern in „I. GmbH”, (im folgenden: I.) und das Stammkapital von 51.000,– DM auf 150.000,– DM zu erhöhen, wobei zur Übernahme auch der Beklagte und Dr. S. als neu eintretende Gesellschafter zugelassen wurden. Ferner wurden der Gegenstand des Unternehmens geändert, einer der bisherigen Geschäftsführer abberufen und der Beklagte zum gemeinschaftlich mit einem anderen Geschäftsführer oder einem Prokuristen vertretungsberechtigten Geschäftsführer bestellt. Die neuen Stammkapitalanteile wurden sogleich übernommen. Zu einer Eintragung der beschlossenen Znderungen im Handelsregister kam es nicht.

Am 12. Oktober 1989 bestellte der Beklagte auf dem Briefbogen der Firma Imp. bei der chinesischen Firma „D. Ltd.” (im folgenden: D.) Computerartikel im Wert von insgesamt 259.566,90 DM. Ein Teilbetrag von 100.000,– DM sollte durch unwiderrufliches Akkreditiv 15 Tage nach Ankunft der Ware zu zahlen sein, der Restbetrag innerhalb von 30 Tagen. Statt des Akkreditivs leistete I. gegenüber D. am 20. Oktober 1989 eine Vorauszahlung von 75.000,– DM, wobei als Verwendungszweck der am 12. Oktober 1989 vom Beklagten „on behalf of I.” getätigte Kauf angegeben wurde. Am 28. Oktober 1989 wurde die Ware durch D. versandt, wobei die Firma B. GmbH i. Gr., eine Tochtergesellschaft der Firma D., im Frachtbrief als Empfängerin der Ware eingetragen war. Die Auslieferung der Ware in H. erfolgte am 3. November 1989. Die Spedition G. nahm die Zoll- und Einfuhrformalitäten vor und stellte hierüber eine auf Firma Imp. lautende Rechnung vom 6. November 1989 über 14.454,31 DM aus. Sie erhielt hierfür einen vom Beklagten und dem Geschäftsführer W. der I. gemeinsam unterzeichneten Scheck über 18.000,– DM.

Die Ware wurde in Räumen eingelagert, die der Beklagte der Firma B. zur Verfügung stellte. Bei der Überprüfung der Ware ergab sich, daß eine Reihe von Geräten defekt war. Der Beklagte teilte dies sowie die Tatsache, daß er Ware im Wert von ca. 36.000,– DM weiterveräußert habe, mit Schreiben vom 9. November 1989 Dr. S. mit. Zugleich teilte er mit, daß er die Auslieferung weiterer Geräte von Zahlungen der Firma I. an D. abhängig mache. Mit Lieferscheinen vom 14. November 1989 bestätigten D. die Rückgabe defekter Teile, der Beklagte die Übernahme der übrigen Ware „im Auftrag von I.”.

Unter dem 24. November 1989 richtete Dr. S. für I. ein Schreiben an D., in dem es u.a. heißt, daß für I. kein Sinn in der Aufrechterhaltung der Verträge zu liegen scheine. I. werde sofort mitteilen, wenn sie die Computer verkaufen könne. Wenn D. Abnehmer kenne, solle sie diesen die Computer verkaufen.

Mit Schreiben vom 27. November 1989 teilte der Beklagte den Gesellschaftern der I. mit, er kündige sein Amt als Geschäftsführer sowie die Gesellschaft mit sofortiger Wirkung, hilfsweise zum 31. Dezember 1989. Firma D. richtete unter dem 5. Dezember 1989 ein Telefax an I., in welchem sie dieser den Abbruch jeglicher Geschäftsbeziehungen und die Beauftragung des Beklagten mit dem Verkauf der gelieferten Geräte mitteilte; diesen sehe sie als ihren Vertragspartner an. Dem Beklagten teilte sie mit Fax vom selben Tage mit, die Waren würden zurückgenommen und sollten von ihm im Auftrag von D. verkauft werden. In der Zeit vom 12. Dezember 1989 bis Juni 1990 verkaufte der Beklagte im eigenen Namen und für Rechnung von D. diverse Computerartikel, wobei er einen Rohgewinn von 10.008,– DM erzielte. Die Erlöse führte der Beklagte an eine Repräsentantin der Firma D. in H. ab.

Die Klägerin macht (unter ihrer bisherigen Firma) gegen den Beklagten einen Schadensersatzanspruch in Höhe der von ihr geleisteten Zahlungen von 75.000,– DM an D. und 18.000,– DM an G. geltend. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin wurde zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt sie den Klageanspruch weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.

I. Das Berufungsgericht hat angenommen, daß die Klägerin zwar Eigentümerin der gelieferten Geräte geworden ist, aber mit dem Schreiben Dr. S. vom 24. November 1989 D. wirksam ermächtigt hat, den Beklagten mit dem Verkauf der Geräte zu beauftragen. Der Beklagte sei deshalb nicht zur Herausgabe der Geräte oder des Erlöses an die Klägerin verpflichtet gewesen, sondern habe mit D. abrechnen müssen. Die Rückzahlung der 75.000,– DM könne die Klägerin daher nur von D., nicht vom Beklagten verlangen. Bezüglich der Zoll- und Zollabfertigungskosten habe die Klägerin keinen Schaden, denn diese Kosten seien von ihr geschuldet gewesen. Soweit die Klägerin die Einfuhrumsatzsteuererstattung nicht mehr geltend machen könne, sei ihr zwar ein Schaden entstanden, ebenso in Höhe des Differenzbetrages zwischen dem Scheckbetrag und dem Rechnungsbetrag der Spedition G. Der Beklagte habe gegen diese Ansprüche jedoch mit Aufwendungsersatzansprüchen gegen die Klägerin aufgerechnet.

II. Diese Ausführungen sind in mehrfacher Hinsicht von Rechtsirrtum beeinflußt.

1. Zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, daß I. und die Klägerin rechtlich identisch sind. Die Gesellschafter der Klägerin haben am 11. Oktober 1989 eine Umfirmierung in „I.”, nicht etwa die Gründung einer neuen Gesellschaft beschlossen. Die unter der Firma I. vorgenommenen Rechtshandlungen wirken für und gegen die Klägerin ungeachtet dessen, daß die Znderung der Firma nicht in das Handelsregister eingetragen wurde. Da diese Eintragung auch in der Folgezeit unterblieb, führt die Klägerin den vorliegenden Rechtsstreit richtigerweise unter ihrer alten Bezeichnung (§ 54 Abs. 3 GmbHG).

2. Der Ansicht des Berufungsgerichts, der Beklagte habe die Geräte der Klägerin mit deren Ermächtigung auf fremde Rechnung verkauft, kann jedoch nicht gefolgt werden.

a) Das Berufungsgericht legt nicht dar, weshalb das Schreiben Dr. S. vom 24. November 1989 als Willenserklärung der Klägerin angesehen werden kann. Dr. S. war nicht Geschäftsführer der Klägerin; daß die Geschäftsführer – den Angaben im Berufungsurteil zufolge also der Beklagte und W. gemeinschaftlich – ihn bevollmächtigt oder sein Handeln genehmigt hätten, ist nicht festgestellt. Die Behauptung des Beklagten, Dr. S. habe aufgrund einer Absprache mit zwei Gesellschaftern gehandelt, ist für die Frage seiner rechtsgeschäftlichen Vertretungsmacht unerheblich. Fehlt es aber bereits an einer der Klägerin zurechenbaren Erklärung, so braucht nicht auf die Frage eingegangen zu werden, ob das Schreiben tatsächlich als Ermächtigung D. verstanden werden kann, die der Klägerin gehörenden Gegenstände auf eigene Rechnung zu verkaufen.

b) Eine Schadensersatzpflicht des Beklagten kann demnach nicht schon mit der Begründung verneint werden, daß der Beklagte die Veräußerung der Computer und die Auskehrung des Erlöses an D. mit Einwilligung der Klägerin vorgenommen habe. Bei der rechtlichen Würdigung des Verhaltens des Beklagten wird neben den allgemeinen deliktsrechtlichen Vorschriften auch die weitergehende Geschäftsführerhaftung nach § 43 GmbHG in Betracht zu ziehen sein. Der Beklagte ist durch den Gesellschafterbeschluß vom 11. Oktober 1989 zum Geschäftsführer der Klägerin bestellt worden (§ 6 Abs. 3 Satz 2, § 46 Nr. 5 GmbHG). Die unterbliebene Eintragung in das Handelsregister ändert hieran nichts (Scholz/U. H. Schneider, GmbHG 8. Aufl. § 39 Rdn. 23); auch auf den Abschluß eines Anstellungsvertrages kommt es nicht an (U. H. Schneider aaO § 35 Rdn. 150 f.). Der Beklagte ist der Klägerin daher gemäß § 43 Abs. 1, 2 GmbHG zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er ihr durch Vernachlässigung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes Schaden zugefügt hat. Unter diesem Aspekt ist das Parteivorbringen bisher nicht gewürdigt worden. Eine eigene Sachentscheidung ist dem Senat daher verwehrt.

3. Das Berufungsurteil kann auch insoweit keinen Bestand haben, als das Berufungsgericht einen Anspruch der Klägerin auf Ersatz der Scheckzahlung von 18.000,– DM verneint hat.

a) Soweit hiermit die Zoll- und Zollabfertigungskosten in Höhe von 1.233,39 DM beglichen worden sind, hat das Berufungsgericht lediglich ausgeführt, der Klägerin sei kein Schaden entstanden, denn sie habe diese Kosten geschuldet.

Die Revision rügt zu Recht, daß diese nicht näher begründete Feststellung eine Übergehung klägerischen Sachvortrags besorgen läßt. Dieser ging dahin, dem Beklagten sei es mit seiner Beteiligung an der Klägerin von Anfang an nur darum gegangen, sich von dieser seine eigenen Geschäfte mit D. finanzieren zu lassen. Dies wurde mit verschiedenen Indizien (insbesondere dem fortgesetzten Auftreten des Beklagten unter der für seine eigenen Geschäfte gewählten Bezeichnung „Imp.”) und Beweisantritten belegt. Da das Berufungsgericht dem nicht nachgegangen ist, muß für die revisionsgerichtliche Nachprüfung von diesem Sachvortrag ausgegangen werden. Träfe er zu, so käme nicht nur eine Haftung nach § 43 GmbHG, sondern auch eine deliktische Haftung nach § 823 Abs. 1, 2 BGB i.V.m. §§ 263, 266 StGB, § 826 BGB in Betracht.

b) Hinsichtlich der weiteren Beträge (13.220,92 DM für entgangene Steuerabzugsmöglichkeit und 3.545,69 DM für Tilgung eigener Verbindlichkeiten des Beklagten) hat das Berufungsgericht einen Schadensersatzanspruch der Klägerin bejaht, jedoch durch die vom Beklagten erklärte Aufrechnung als erloschen angesehen. Woraus es den Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten hergeleitet hat, hat das Berufungsgericht nicht mitgeteilt. Aus seinem Blickwinkel und aufgrund der von ihm getroffenen Feststellungen kommt jedoch kaum eine andere als eine deliktische Anspruchsgrundlage in Betracht. Dann aber kann seine Aussage nicht nachvollzogen werden, die Klägerin habe „einen Aufrechnungsausschluß wegen vom Beklagten begangener unerlaubter Handlungen nicht dargetan”. Zudem hatte die Klägerin, wie vorstehend ausgeführt, ein deliktisches Handeln des Beklagten unter Beweisantritt behauptet. Dem hätte nachgegangen werden müssen, bevor die deliktische Natur der Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten und damit das Aufrechnungsverbot des § 393 BGB verneint werden konnten.

Im übrigen kann dem Berufungsurteil nicht entnommen werden, welchen Inhalt die vom Beklagten zur Aufrechnung gestellten Forderungen haben, woraus sie sich ergeben und weshalb sie für begründet erachtet werden. Die Revision macht zu Recht geltend, daß die Klägerin den Aufwendungsersatzanspruch wegen der Anschaffung eines Fotokopierers durch den Beklagten mit substantiiertem Vortrag bestritten hat.

III. Da, wie dargelegt, weitere tatsächliche Erörterungen und Feststellungen erforderlich sind, ist die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 649995

NJW 1994, 2027

GmbHR 1995, 128

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