Orientierungssatz

1. Verwendet der GmbH-Geschäftsführer Baugeld nicht zur Bezahlung der beteiligten Bauhandwerker, sondern zur Begleichung anderer Verbindlichkeiten der Gesellschaft, so trifft ihn gegenüber der GmbH keine Haftung.

2. Der Geschäftsführer, der gleichzeitig alleiniger Gesellschafter ist, haftet, wenn er der Gesellschaft Vermögen entzieht, das zur Deckung des Stammkapitals nicht benötigt wird, grundsätzlich nicht nach GmbHG § 43 Abs 2.

 

Tatbestand

Der Beklagte war Alleingesellschafter und bis zum 13. Mai 1986 Geschäftsführer der am 28. September 1990 im Handelsregister als vermögenslos gelöschten B. GmbH. Diese Gesellschaft hatte fünf Wohnungseigentumseinheiten im noch nicht ausgebauten Dachgeschoß des Hauses D.straße 24/H.straße 28 in B. erworben und anschließend unter Übernahme der Verpflichtung zum schlüsselfertigen Ausbau an jeweils verschiedene Erwerber weiterveräußert. Mit den dazu erforderlichen Arbeiten hatte sie die Klägerin zum Pauschalpreis von 1.010.000,– DM beauftragt. Die Erwerber zahlten an die B. Kaufpreisbeträge von zusammen 1.707.900,– DM. Diese zahlte ihrerseits an die Klägerin entsprechend dem Baufortschritt insgesamt 738.228,10 DM. Aus der Schlußrechnung der Klägerin vom 11. Juli 1986, die nach Abzug von 36.000,– DM für Gerüstgestellung auf 235.771,90 DM lautete, sind 148.633,35 DM tituliert; die Klägerin hatte über diesen Betrag am 10. Juli 1986 gegen die B. ein rechtskräftig gewordenes Versäumnisurteil erwirkt. Mit Zusatzrechnung vom 14. Juli 1986 forderte die Klägerin für Nachtragsarbeiten weitere 353.628,82 DM, von denen der von der B. beauftragte Architekt 14.979,52 DM anerkannte.

Aufgrund des Versäumnisurteils vom 10. Juli 1986 ließ die Klägerin durch Beschluß des Amtsgerichts W. vom 29. Juli 1986 unter anderem Schadensersatz- sowie gesellschaftsrechtliche Rückgewähransprüche der B. gegen den Beklagten pfänden und sich zur Einziehung überweisen. Ferner erreichte die Klägerin in einem Rechtsstreit gegen den Beklagten, daß dieser verurteilt wurde, die Zwangsvollstreckung in eine ursprünglich auf 80.234,– DM lautende Forderung gegen die früheren Grundstückseigentümer, die der Beklagte als Geschäftsführer der B. an sich selbst abgetreten hatte, in Höhe von 15.844,02 DM zu dulden. Dieser Betrag wird durch Kostenerstattungsansprüche, die dem Beklagten wegen der Abweisung der damaligen weitergehenden Klage gegen die Klägerin zustehen, aufgezehrt. Weitere aufgrund des Versäumnisurteils vom 29. Juli 1986 unternommene Vollstreckungsversuche der Klägerin blieben erfolglos.

Die Klägerin hat den Beklagten wegen des Betrages aus der Schlußrechnung und der vom Architekten anerkannten 14.979,52 DM für die Zusatzarbeiten unter verschiedenen rechtlichen Gesichtspunkten auf Zahlung von insgesamt 250.751,45 DM nebst Zinsen in Anspruch genommen. Ferner hat sie die Feststellung beantragt, daß die dem Beklagten aufgrund des Versäumnisurteils vom 10. Juli 1986 nebst Kostenfestsetzungsbeschlüssen zustehenden Kostenerstattungsansprüche infolge Aufrechnung mit ihren gegen den Beklagten gerichteten Ersatz- und Erstattungsansprüchen erloschen seien und Herausgabe der in jenem Rechtsstreit von ihr gestellten Bankbürgschaft verlangt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr bis auf einen Teil der zusammen mit dem Zahlungsanspruch eingeklagten Zinsen stattgegeben. Mit der Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg; die Klage ist unbegründet.

1. Die Verurteilung des Beklagten läßt sich mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht aufrechterhalten. Dieses hat angenommen, der B. habe gegen den Beklagten als deren Geschäftsführer ein Schadensersatzanspruch nach § 43 Abs. 2 GmbHG in Höhe von 250.751,45 DM zugestanden, den die Klägerin aufgrund des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vom 29. Juli 1986 geltend machen könne. Ein solcher Anspruch besteht indessen – abgesehen davon, daß die dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluß zugrundeliegende Verurteilung nur über 148.633,35 DM lautet – auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht; er ergibt sich auch nicht aus dem von der Klägerin vorgetragenen Sachverhalt.

a) Ein Schadensersatzanspruch nach § 43 Abs. 2 GmbHG setzt voraus, daß der Gesellschaft infolge eines pflichtwidrigen Verhaltens des Geschäftsführers ein Schaden entstanden ist. Das Berufungsgericht sieht den Pflichtverstoß des Beklagten darin, daß er die von der B. vereinnahmten Baugelder nicht entsprechend den Vorschriften des Gesetzes zur Sicherung von Bauforderungen (GSB) zur Begleichung der Werklohnforderung der Klägerin verwandt habe. Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe in tatsächlicher Hinsicht schon nicht einwandfrei festgestellt, daß die Geldmittel in jenem Sinne zweckwidrig verwandt worden seien und daß ein solcher Verstoß in die Zeit falle, in der der Beklagte Geschäftsführer gewesen sei. Ob dieser Angriff gegen das Berufungsurteil begründet ist, mag auf sich beruhen. Das Berufungsgericht hätte jedenfalls nicht – darin hat die Revision recht – die zweckwidrige Verwendung der Baugelder mit einer Schädigung der Gesellschaft gleichsetzen dürfen. Wird Baugeld nicht zur Bezahlung der beteiligten Bauhandwerker, sondern, wie im vorliegenden Fall die Klägerin behauptet hat, „für baufremde Ausgaben”, also für andere Gesellschaftszwecke eingesetzt, so entsteht dadurch zwar möglicherweise den Bauunternehmern, nicht aber ohne weiteres der Gesellschaft ein Schaden. An einem solchen fehlt es insbesondere dann, wenn mit dem Geld andere Gesellschaftsschulden beglichen oder – gleichwertige – Vermögensgegenstände für die Gesellschaft angeschafft werden. Die Klägerin hat allerdings in den Tatsacheninstanzen auch behauptet, der Beklagte habe die Gelder für seine eigenen Zwecke aus dem Gesellschaftsvermögen entnommen. Eine diesem Vorbringen entsprechende Feststellung hat das Berufungsgericht jedoch nicht getroffen. Sie wäre zur Begründung einer Schadensersatzverpflichtung des Beklagten jedenfalls erforderlich gewesen und ist nicht deswegen entbehrlich, weil es, wie das Berufungsgericht möglicherweise angenommen hat, Sache des Beklagten gewesen wäre, die Verwendung der Gelder im Gesellschaftsinteresse darzulegen und zu beweisen. Vielmehr muß die Gesellschaft nachweisen, daß ihr infolge eines pflichtwidrigen Verhaltens ihres Geschäftsführers ein Schaden entstanden ist (Sen.Urt. v. 9. Dezember 1991 – II ZR 43/91, WM 1992, 223, 224). Der Senat hat allerdings zugunsten der Gesellschaft Beweiserleichterungen in Fällen zugelassen, in denen der Verbleib von Vermögenswerten der Gesellschaft aus Gründen nicht aufzuklären war, die in den Verantwortungsbereich des Geschäftsführers fielen, wie insbesondere bei Warenvorratsfehlbeständen, Kassenfehlbeträgen oder infolge nicht ordnungsmäßiger Buchführung ungeklärtem Verbleib von Gesellschaftsmitteln (Sen.Urt. v. 26. November 1990 – II ZR 223/89, ZIP 1991, 159, 160 m.w.N.). Ein derartiger Sachverhalt ist hier aber weder festgestellt noch von der Klägerin vorgetragen. Wenn auf Seite 24 des Berufungsurteils von „Fehlbuchungen” die Rede ist, die dem Beklagten als Geschäftsführer zuzurechnen seien, so handelt es sich dabei um einen offensichtlich falschen Ausdruck; wie der Verweis auf Seite 19 des Schriftsatzes der Klägerin vom 29. Januar 1992 zeigt, waren damit „Fehlleistungen”, also allgemein ein pflichtwidriges Verhalten des Beklagten gemeint. Daß die Geldein- und – ausgänge bei der B. nicht ordnungsgemäß verbucht worden wären, hat die Klägerin nicht behauptet.

Eine Zurückverweisung der Sache wegen dieses Punktes kommt schon deswegen nicht in Betracht, weil das Vorbringen der Klägerin für weitere tatsächliche Feststellungen keine ausreichende Grundlage bietet. Der bereits erwähnte – vom Beklagten bestrittene – Vortrag der Klägerin, der Beklagte habe die Gelder für sich entnommen, ist weder im einzelnen erläutert noch unter Beweis gestellt. Darauf hat schon das Landgericht in seinem Urteil hingewiesen; das Berufungsvorbringen der Klägerin enthält insoweit keinen zusätzlichen Tatsachenvortrag.

b) Unabhängig von den vorstehenden, durch die Ausführungen des Berufungsgerichts veranlaßten Erwägungen steht einem Schadensersatzanspruch der Gesellschaft auch entgegen, daß der Beklagte in der Zeit seiner Geschäftsführertätigkeit Alleingesellschafter der B. war. Der Geschäftsführer, der gleichzeitig alleiniger Gesellschafter ist, haftet, wenn er der Gesellschaft Vermögen entzieht, das zur Deckung des Stammkapitals nicht benötigt wird, grundsätzlich nicht nach § 43 Abs. 2 GmbHG (BGHZ 119, 257, 261; Sen.Urt. v. 10. Mai 1993 – II ZR 74/92, ZIP 1993, 917 m.w.N.). Daß der Beklagte gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften verstoßen hätte, ist in tatsächlicher Hinsicht weder festgestellt noch hat es die Klägerin in einer ordnungsmäßigem Vorbringen entsprechenden Weise vorgetragen (vgl. dazu auch unten 2 b). In Anbetracht des Prozeßstoffs besteht auch kein Anlaß zur Erörterung der Frage, ob unter besonderen Umständen, insbesondere bei Existenzgefährdung der Gesellschaft, auch der Alleingesellschafter für Schäden einzustehen hat, die die Gesellschaft durch die Beeinträchtigung ihres nicht zur Erhaltung des Stammkapitals benötigten Vermögens erleidet (vgl. Sen.Urt. v. 10. Mai 1993 aaO S. 917).

2. Die Klage ist auch unter allen anderen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten abweisungsreif.

a) Schadensersatzansprüche der Klägerin nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 1 GSB sowie nach § 826 BGB, auf die die Klage in erster Linie gestützt worden ist, hat das Berufungsgericht – wie schon das Landgericht – zu Recht deswegen verneint, weil derartige Ansprüche gemäß § 852 Abs. 1 BGB verjährt sind. Die dagegen von der Revisionserwiderung erhobenen Einwendungen sind nicht begründet.

Das Berufungsgericht hat zutreffend ausgeführt, daß die Klägerin, um einen Anspruch wegen Verstoßes gegen das Baugeldsicherungsgesetz zu begründen, nur hätte darlegen und beweisen müssen, daß der Beklagte als Geschäftsführer der B. Baugeld in mindestens der Höhe ihrer Werklohnforderung erhalten hat und daß von diesem Geld trotz unterbliebener Begleichung ihrer fälligen Ansprüche nichts mehr vorhanden ist; Sache des Beklagten wäre es dann gewesen, die (anderweitige) ordnungsgemäße Verwendung des Geldes darzulegen (vgl. BGH, Urt. v. 9. Oktober 1990 – VI ZR 230/89, NJW-RR 1991, 141, 142 m.w.N.). Das Berufungsgericht hat dazu festgestellt, daß bei derart umfangreichen Ausbauarbeiten, wie sie hier durchgeführt worden sind, von der Existenz von Baugeldern immer auszugehen ist. Deren ungefähre Höhe hätte durch Einblick in das Grundbuch unschwer festgestellt werden können. Baugelder sind nach § 1 Abs. 3 GSB zur Bestreitung der Baukosten zur Verfügung gestellte Mittel, die durch entsprechende Grundpfandrechte abgesichert sind; nach dem Vortrag der Klägerin sind die Wohnungseigentumsrechte zur Absicherung der von den Erwerbern aufgenommenen Darlehen mit Grundpfandrechten in Höhe von insgesamt 1.828.200,– DM belastet worden. Nicht um Baugelder handelte es sich, wie das Berufungsgericht richtig ausgeführt hat, bei den Krediten nur insoweit, als sie die über die Baukosten hinausgehenden Aufwendungen, insbesondere für die Kaufpreisanteile abdeckten. Soweit es sich danach um Baugeld handelte, kam eine ordnungsgemäße Verwendung nur durch Begleichung der Forderungen der Klägerin in Betracht, weil diese das einzige von den Bauherren mit den Ausbaumaßnahmen beauftragte Unternehmen war. Das Berufungsgericht hat ferner rechtlich einwandfrei dargelegt, daß insbesondere die Tatsache, daß bereits ab Dezember 1985 die Zwischenrechnungen der Klägerin nicht mehr bezahlt wurden, sowie die anschließenden erfolglosen Vollstreckungsversuche die Annahme einer zweckwidrigen Verwendung der Baugelder über einen bloßen Verdacht hinaus nahelegten.

Dies alles stand unter den gegebenen Umständen der nach § 852 Abs. 1 BGB erforderlichen Kenntnis gleich (vgl. BGH, Urt. v. 6. Februar 1990 – VI ZR 75/89, VersR 1990, 539). Daß die Prozeßbevollmächtigten der Klägerin jene naheliegenden Schlüsse tatsächlich gezogen haben, zeigt, wie das Berufungsgericht zu Recht betont hat, ihr Schreiben an den Beklagten vom 29. August 1986, in dem sie dessen persönliche Haftung insbesondere damit begründeten, daß er „Baugeld entgegen den Bestimmungen des GSB” zweckwidrig verwandt habe. Die Kenntnis der Prozeßbevollmächtigten ist, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, der Klägerin zuzurechnen.

Bei Einreichung der Klageschrift am 17. August 1990 war danach die dreijährige Verjährungsfrist abgelaufen.

b) Ansprüche der B. auf der Grundlage der §§ 30, 31 GmbHG, die die Klägerin aufgrund des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses geltend machen könnte, hat das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend verneint. Seine Begründung, das Stammkapital sei nicht angegriffen worden, weil zwei bestimmte Forderungen der Gesellschaft in dem das Stammkapital von 50.000,– DM übersteigenden Gesamtbetrag von mehr als 51.000,– DM vorhanden gewesen seien, ist zwar angreifbar, weil das Berufungsgericht bei dieser Betrachtung das Passivvermögen der GmbH außer acht gelassen hat. Es fehlt jedoch, wie bereits oben in anderem Zusammenhang dargelegt worden ist, an einem ausreichenden Vortrag der Klägerin zu der nur ganz allgemein behaupteten Überführung der Baugelder in das Privatvermögen des Beklagten.

Allerdings ist nach dem Parteivorbringen unstreitig, daß der Beklagte am 22. April 1986 eine Forderung der B. gegen die früheren Grundstückseigentümer in Höhe von angeblich 80.234,– DM an sich persönlich abgetreten hat. Dle Klägerin hat indessen in diese Forderung bereits dadurch vollstreckt, daß sie die Abtretung nach den Vorschriften des Anfechtungsgesetzes erfolgreich angefochten hat, freilich letztlich ohne davon zu profitieren; das Kammergericht hat im Anfechtungsprozeß die – durch Aufrechnungen verminderte – Forderung nur auf 15.844,02 DM festgestellt, und dieser Betrag ist durch Kostenerstattungsansprüche des Beklagten aufgezehrt worden.

c) Soweit das Berufungsgericht das Bestehen des Klageanspruchs aufgrund eines der B. angeblich zustehenden Freistellungsanspruchs gegen den Beklagten sowie einer Vermögensübernahme nach § 419 BGB verneint hat, ist dies jedenfalls im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die Revisionserwiderung erhebt insoweit gegen das Berufungsurteil keine Beanstandungen.

3. Da der Klägerin keine Zahlungsansprüche zustehen, ist auch die auf Feststellung des Nichtbestehens der im einzelnen bezeichneten Kostenerstattungsansprüche des Beklagten und auf Herausgabe der Prozeßbürgschaft gerichtete Klageantrag zu 2 (Nr. 2 u. 3 der Urteilsformel des Berufungsurteils) unbegründet. Denn diese Anträge sind darauf gestützt, daß die Kostenerstattungsansprüche infolge Aufrechnung mit einem Teil der vermeintlichen Ansprüche der Klägerin erloschen seien.

4. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil keine weiteren tatsächlichen Feststellungen zu treffen sind. Die Klage ist danach insgesamt abweisungsreif.

 

Fundstellen

Haufe-Index 649064

ZIP 1994, 872

GmbHR 1994, 459

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