Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 1. März 1961 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Am 5. November 1952 kenterte das Motorschiff „R…” auf dem Rhein nach Verlassen des Düsseldorfer Handelshafens. Dabei gingen 68 t Waschmittel, eine Fracht der Firma H… & Cie., sowie 30 t Futtermittel, eine Fracht der B… Kraftfutterwerke, vollständig verloren. Der Schiffseigner Z… war als Mitglied des S… Versicherungsvereins durch Versicherungsvertrag vom 10./12. April 1948 bei der Beklagten versichert.

Bereits im Oktober 1953 erhoben die durch den Verlust der Ladung geschädigten Firmen H… & Cie. und B… Kraftfutterwerke gegen Z… und die Klägerin, an die Z… sein Schiff vermietet hatte, beim Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort die Schadensersatzklage. In diesem ersten Haftpflichtprozeß erließ das Rheinschiffahrtsgericht am 3. Dezember 1954 Grundurteil, wonach ein Verschulden des Z… gemäß § 7 Binnenschiffahrtsgesetz und die Haftung der Klägerin aus §§ 26, 58 BSchG festgestellt wurde. Die Klägerin wurde durch Endurteil vom 24. Juni 1955 verurteilt, an die Firma H… & Cie. 72.815,75 DM und an die B… Kraftfutterwerke 13.026 DM, jeweils nebst Zinsen, zu zahlen.

Für diesen Rechtsstreit hatte die Beklagte dem Z… zunächst Rechtsschutz gewährt; sie ließ gegen das Grundurteil Berufung einlegen. Am 12. April 1955 teilte die Beklagte Z… mit, daß sie ihm nunmehr den Versicherungsschutz entziehen müsse, da er nach ihrer Ansicht den Unfall grob fahrlässig verursacht habe. Z… nahm darauf seine Berufung mit Schriftsatz vom 17. August 1955 zurück. Zu einem Betragsurteil gegen Z… ist es nicht gekommen. Die Klägerin befriedigte die beiden Ladungsbeteiligten durch Zahlung von insgesamt 93.786,81 DM (85.841,75 DM Hauptsache und 7.945,06 DM Zinsen). Daraufhin nahm die Klägerin Z… als den nach ihrer Ansicht allein Verantwortlichen gemäß § 426 auf Zahlung jener Beträge und 4.627,87 DM Kosten in Anspruch, die sie selbst hatte aufwenden müssen. Die Mitteilung Z…s beantwortete die Beklagte am 15. August 1955 ablehnend. Im September 1955 erhob die Klägerin gegen Z… Klage auf Zahlung von 98.414,68 DM nebst Zinsen aus 96.114,68 in dinglicher und persönlicher Haftung auf Grund des Binnenschiffahrtsgesetzes, unerlaubter Handlung und positiver Vertragsverletzung (zweiter Haftpflichtprozeß). Auf die Mitteilung hiervon gab die Beklagte dem Z… überhaupt keine Antwort mehr. In diesem Rechtsstreit erging am 21. Februar 1958 gegen Z… Versäumnisurteil entsprechend dem Klageantrag, das rechtskräftig wurde.

Inzwischen hatte Z… gegen die Beklagte die Deckungsklage erhoben; er obsiegte in diesem ersten Deckungsprozeß in drei Instanzen mit der Maßgabe, daß die Beklagte verurteilt wurde, ihn von auf das Binnenschiffahrtsgesetz gegründeten Schadensersatzansprüchen der jetzigen Klägerin bis zur Höhe von 100.000 DM freizustellen; soweit die Klage auf andere Haftungsgründe gestützt worden war, wurde sie abgewiesen. (Urteil des Landgerichts Mannheim vom 19. Januar 1956, Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 5. Februar 1958, Urteil des Bundesgerichtshofs vom 15. Oktober 1959).

Zwischenzeitlich hatte Z… ferner durch Vertrag vom 4. September 1957 seinen Befreiungsanspruch gegen die Beklagte in voller Höhe an die Klägerin abgetreten. (Über die Rechtswirksamkeit dieser Abtretung besteht Streit zwischen den Parteien.) Außerdem hat die Klägerin durch Beschluß des Amtsgerichts Heyd/Weser vom 27. Mai 1960 die Ansprüche Z…s gegen die Beklagte pfänden und sich überweisen lassen.

Die Klägerin hat vorgetragen: durch den von Z… verschuldeten Schiffsunfall sei ihr ein Schaden von 98.414,68 DM entstanden, da sie die Ladungsbeteiligten habe befriedigen müssen. Im Innenverhältnis zu Z… falle der Schaden allein diesem zur Last. Die Beklagte habe auf Grund des Versicherungsvertrages für diesen Schaden dem Z… gegenüber einzustehen, dessen Rechts sie, die Klägerin, geltend machen könne. Demgemäß hat die Klägerin von der Beklagten in dem jetzt zu entscheidenden zweiten Deckungsprozeß die Zahlung von 98.414,68 DM nebst 4% Zinsen aus 96.114,68 DM seit dem 16. September 1955 sowie 1,50 DM außergerichtliche Mahnkosten verlangt.

Die Beklagte hat eingewendet, die Klägerin habe im Zusammenwirken mit Z… das Versäumnisurteil des zweiten Haftpflichtgesetzes erschlichen. Die Klägerin habe den ersten Haftpflichtprozeß schlecht geführt; sie hätte sich in diesem hinsichtlich der Forderung der B… Kraftfutterwerke auf eine Freizeichnungsklausel berufen müssen; auch habe sie Z… gegenüber gegen Treu und Glauben verstoßen, da sie diesen insoweit nicht aufgeklärt habe, als sie gegenüber der Firma H… & Cie. auf eine Freizeichnung verzichtet habe. Z… brauche der Klägerin nur mit Schiff und Fracht zu haften; auch sie selbst, die Beklagte, hafte nach dem im Deckungsprozeß ergangenen Urteil nur im Rahmen des Binnenschiffahrtsgesetzes. Z… habe auch seine Obliegenheiten ihr, der Beklagten, gegenüber verletzt.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.

Auf Grund des landgerichtlichen Urteils zahlte die Beklagte an die Klägerin 44.459,70 DM nebst Zinsen aus diesem Betrag für die Zeit vom 16. September 1955 bis zum 25. August 1960. Die Berufung der Beklagten, mit der sie die Abweisung der Klage hinsichtlich des überschüssigen Betrages erstrebt, ist ohne Erfolg geblieben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Berufungsantrag weiter. Die Klägerin bittet um Zurückweisung der Revision. Die Beklagte hat weiter beantragt, die Klägerin gemäß § 717 Abs. 3 ZPO zu verurteilen, an die Beklagte den von dieser zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung gezahlten Betrag von 69.212,31 DM nebst 4% Zinsen seit dem 24. März 1961 zu zahlen. Die Klägerin hat um Zurückweisung des Antrags gebeten.

 

Entscheidungsgründe

I. Nach dem rechtskräftigen Leistungsurteil (nicht Feststellungsurteil, wie die Revision meint) im ersten Deckungsprozeß ist die Beklagte verpflichtet, den Z… von den auf das Binnenschiffahrtsgesetz gegründeten Schadensersatzansprüchen der Klägerin bis zur Höhe von 100.000 DM zu befreien. Da die Klägerin kraft des von ihr erwirkten Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses zur Einziehung des Versicherungsanspruches des Haftpflichtschuldners gegen die Beklagte berechtigt ist, hat sich dieser Befreiungsanspruch in ihrer Person als der Gläubigerin des Haftpflichtanspruchs in einen Zahlungsanspruch verwandelt, wobei es unerheblich ist, ob die Klägerin selbst die Geschädigte oder Rechtsnachfolgerin der Geschädigten ist (RGZ 158, 6, 12; vgl. BGHZ 7, 244, 246 für den Haftpflichtanspruch nach § 158c VVG).

Einen solchen Anspruch gegen die Beklagte hat die Klägerin allerdings nach dem den Senat bindenden Urteil des obersten Deckungsprozesses nur wegen des Schadens, zu dessen Ersatz Z… auf Grund des Binnenschiffahrtsgesetzes verpflichtet ist. Ob diese Voraussetzung gegeben ist, muß in dem vorliegenden Rechtsstreit geprüft werden. Das ergibt sich folgenden Erwägungen:

Zwar ist die Frage, ob der Versicherungsnehmer dem Geschädigten (oder seinem Rechtsnachfolger) haftet, im Rechtsstreit zwischen dem Geschädigten (oder seinem Rechtsnachfolger) und dem Versicherungsnehmer zu entscheiden; die rechtskräftige Entscheidung im Haftpflichtprozeß ist für die Entscheidung im Deckungsprozeß bindend. Das im ersten Haftpflichtprozeß gegen die Klägerin ergangene rechtskräftige Endurteil hat hier außer Betracht zu bleiben, da es nicht gegen Z… wirkt (§ 425 Abs. 2 BGB). Ob dem im ersten Haftpflichtprozeß gegen Z… ergangenen rechtskräftigen Grundurteil eine für den Deckungsprozeß bindende Wirkung zukommt, kann dahingestellt bleiben. Denn jedenfalls bindet das im zweiten Haftpflichtprozeß gegen Z… erlassene rechtskräftige Versäumnisurteil. Dem steht nicht entgegen, daß die „richterliche Entscheidung” (§ 2 Nr. 1 AVB) ein Versäumnisurteil ist, da die Beklagte von dem schwebenden zweiten Haftpflichtprozeß Kenntnis hatte, ihrem Versicherungsnehmer aber keinen Rechtsschutz gewährt, sondern ihm freie Hand gelassen hatte (BGH VersR 1956, 707; 1959, 256). Die bindende Wirkung des Versäumnisurteils für den vorliegenden Rechtsstreit erstreckt sich auch auf die Gründe dieser Verurteilung, wenn und soweit die Verurteilung entsprechend dem im ersten Deckungsprozeß erlassenen Urteil Schadensersatzansprüche zum Gegenstand hat, die auf dem Binnenschiffahrtsgesetz beruhen; dabei ist es gleichgültig, ob diese Ansprüche auch aus anderen gesetzlichen Vorschriften hergeleitet werden können (vgl. BGHZ 23, 355, 359). Das Versäumnisurteil enthält keine Gründe. Es muß daher auf die Klageschrift zurückgegriffen werden, aufgrund derer das Versäumnisurteil beantragt worden ist. In der Klageschrift ist der Sachverhalt der Haverie geschildert und die Haftung des Beklagten Z… auf Ersatz des der Klägerin entstandenen Schadens auf §§ 3, 7 BSchG, § 823 und auf die positive Vertragsverletzung begründet. Da jedoch nicht ersichtlich ist, aus welchen dieser Haftungsgründe das Rheinschiffahrtsgericht den Schadensersatzanspruch der Klägerin für gerechtfertigt gehalten hat, bedarf es nunmehr der Prüfung, ob der Schadensersatzanspruch der Klägerin aus dem Binnenschiffahrtsgesetz hergeleitet werden kann (vgl. BGH VersR 1961, 1110). Das ist zu bejahen.

Die Klägerin verlangt von Z… Ersatz des den Ladungsbeteiligten entstandenen Schadens. Dieser Anspruch beruht auf dem Binnenschiffahrtsgesetz. Denn den Ladungsbeteiligten haftet der Schiffer (wegen mangelhafter, § 8 Abs. 2 BSchG) gemäß § 7 Abs. 2 BSchG, damit aber auch der Schiffseigner gemäß § 3 BSchG, also auch Z… als Schiffseigner im Sinne von § 1 I Nr. 2 AVB; diese Haftung des Z… als Schiffseigner wird nicht dadurch berührt, daß er gleichzeitig Führer des Schiffes war. Der zu ersetzende Schaden umfaßt nicht nur den Wert des verlorenen Beförderungsgutes, sondern, als damit in ursächlichem Zusammenhang stehend, auch die Kosten, soweit diese nicht schon nach § 150 VVG von der Versicherung umfaßt werden.

Da hiernach der der Klägerin im Versäumnisurteil zugesprochene Anspruch nach dem Binnenschiffahrtsgesetz begründet ist, bindet diese Entscheidung im vorliegenden zweiten Deckungsprozeß. Die Beklagte ist daher grundsätzlich mit allen Einwendungen ausgeschlossen, die im zweiten Haftpflichtprozeß hätten vorgebracht werden können.

II. Des weiteren kann die Beklagte auch nicht solche Einwendungen gegen das Versäumnisurteil mit Rücksicht auf das Verhalten des Versicherungsnehmers Z… im zweiten Haftpflichtprozeß oder mit Rücksicht auf das Verhalten der Klägerin geltend machen.

Der Senat hat in seinem im VersR 1959, 499 veröffentlichten Urteil offen gelassen, wie die Rechtslage zu beurteilen ist, wenn der Versicherungsnehmer bei der Schadensregulierung gehandelt hat. Auch im vorliegenden Fall braucht die Frage, ob etwa unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt die Beklagte mit ihren Einwendungen gegen das Versäumnisurteil gehört werden könnte, nicht entschieden zu werden. Denn der Versicherungsnehmer Z… hat nicht leichtfertig gehandelt. Auch verstößt die Klägerin nicht gegen Treu und Glauben, wenn sie sich auf das Versäumnisurteil beruft; von einem arglistigen Zusammenwirken der Klägerin und Z…s zum Nachteil des Beklagten (§ 826 BGB) kann erst recht nicht die Rede sein. Das beruht auf folgenden Erwägungen:

Gegen den Anspruch der Klägerin auf Ersatz der Ladungsschäden wendet die Beklagte ein, ein solcher Anspruch entfalle aus zwei Gründen: Die geschädigten B… Kraftfutterwerke hätten wegen einer vertraglichen Freizeichnungsklausel keinen Anspruch gegen die Klägerin und gegen Z… gehabt; der Firma H… & Cie. gegenüber habe die Klägerin auf Freizeichnung verzichtet, was Z… nicht gegen sich gelten zu lassen brauche, da er hierüber nicht aufgeklärt worden sei. Außerdem hafte Z… wegen nautischen Verschuldens nur mit Schiff und Fracht (§ 4 Abs. 2 S. 2 BSchG); insoweit sei aber die Klägerin am 25. August 1960 bereits befriedigt worden, so daß der Anspruch wegen des überschießenden Schadensbetrages unbegründet sei.

Es bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, daß die Klägerin sich gegenüber den B… Kraftfutterwerken mit Erfolg auf eine vertragliche Freizeichnungsklausel hätten berufen können, erst recht nicht dafür, daß sie das bewußt zum Nachteil der Klägerin unterlassen hat. Die Klägerin war auch nicht gehalten, Z… darüber zu unterrichten, daß sie mit der Firma H… & Cie. keine Freizeichnung versichert hatte.

Dem Versicherungsnehmer Z… kann nicht der Vorwurf gemacht werden, er habe in leichtfertiger Weise sich nicht auf die Beschränkung seiner Haftung (nur mit Schiff und Fracht) berufen, ohne daß auf die sachliche Begründetheit dieses Einwands einzugehen ist. Ebenso wenig kann der Klägerin der Vorwurf gemacht werden, sie habe arglistig auf Z… eingewirkt, daß dieser gegen sich Versäumnisurteil ergehen ließ, ohne den Einwand der angeblichen Beschränkung seiner Haftung zu erheben. Obwohl nämlich das Rheinschiffahrtsgericht in seinem Grundurteil im ersten Haftpflichtprozeß die uneingeschränkte Haftung des Z… angenommen hat, da es sich nicht um ein nautisches Verschulden handele, und obwohl die Beklagte damals bereits auf Grund des vorhergegangenen Beweissicherungsverfahrens davon Kenntnis hatte, daß der Wert von Schiff und Fracht den Schaden der Ladungsbeteiligten nur etwa zur Hälfte deckte, ließ nicht einmal die Beklagte selbst, die damals noch den Rechtsstreit für Z… führte, in der Berufungsbegründung diese Rechtsauffassung des Rheinschiffahrtsgerichts angreifen. Sie hat dann, wie das Berufungsgericht ausführt, ihren Versicherten Z… im Stich gelassen, indem sie ihm weiteren Versicherungsschutz versagte. Sie hat den Versicherungsschutz am 15. August erneut abgelehnt, als Z… ihr mitteilte, die Klägerin wolle ihn in Anspruch nehmen. Auf die Mitteilung des Z…, daß die Klägerin nunmehr gegen ihn Klage erhoben habe, hat sie nicht einmal geantwortet. Als schließlich die Beklagte im Deckungsprozeß am 19. Januar 1956 in erster und am 5. Februar 1958 in zweiter Instanz verurteilt worden war, hat sie es immer noch nicht für nötig gehalten, wenigstens vorsorglich dem Z… Versicherungsschutz zu geben. Damit hat sie die Entscheidung über die Haftpflichtfrage ihrem Versicherungsnehmer überlassen. Nach dem Erlaß des oberlandesgerichtlichen Urteils vom 5. Februar 1958 hat sich Z… an den Syndikus der Klägerin mit der Frage gewandt, was er nunmehr tun solle. Dieser hat ihm empfohlen, im zweiten Haftpflichtprozeß gegen sich Versäumnisurteil ergehen zu lassen. Das Berufungsgericht ist der Meinung, bei der gegebenen Sach- und Rechtslage sei diese Empfehlung durchaus vernünftig gewesen. Ob dem unbedingt beizutreten ist und ob es nicht richtiger gewesen wäre, wenn der Syndikus der Klägerin eine Beantwortung der Frage abgelehnt hätte, mag dahinstehen. Denn der Sachverhalt gibt keinen Anhaltspunkt für eine Arglist … der Klägerin. Bei dem eindeutigen Verhalten der Beklagten konnten sowohl Z… als auch der Syndikus der Klägerin des guten Glaubens sein, daß die Beklagte jegliche Einwendung im zweiten Haftpflichtprozeß für aussichtslos hielt, da sie sonst nach ihrer Verurteilung in den beiden Tatsacheninstanzen im Deckungsprozeß nunmehr endlich die ihr nach dem Versicherungsvertrag gegenüber Z… obliegende Pflicht erfüllt und sich um den Haftpflichtprozeß gekümmert hätte.

III. Die Revision meint schließlich, der Versicherungsnehmer Z… habe eine ihm der Beklagten gegenüber bestehende Obliegenheit verletzt, weshalb die Beklagte leistungsfrei geworden sei; Z… hätte die Beklagte davon benachrichtigen müssen, daß die Klägerin gegen ihn Versäumnisurteil zu nehmen beabsichtige; jedenfalls hätte er die Beklagte so rechtzeitig von dem Erlaß des Versäumnisurteils unterrichten müssen, daß diese hätte Einspruch einlegen können. Auch mit diesem Einwand kann die Revision nicht durchdringen. Der Erhebung dieses Einwandes steht zwar nicht die Rechtskraft des Deckungsprozesses entgegen, da sich die Tatsachen, auf die sich der Einwand stützt, erst nach der letzten mündlichen Verhandlung des Deckungsprozesses vor dem Oberlandesgericht (22. Januar 1958) ereignet haben (§ 767 Abs. 2 ZPO). Der Einwand ist aber, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, unbegründet. Nach § 2 Nr. 1 und 4 war es Pflicht der Beklagten, die Haftpflichtfrage und damit die Rechtsaussichten ihrer jetzt erhobenen Einwendungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu prüfen und nicht nur den ersten, sondern auch den zweiten Haftpflichtprozeß, den die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der geschädigten Ladungsbeteiligten gegen Z… anstrengte, auf ihre Kosten im Namen des Versicherten zu führen. Diese Pflichten hat die Beklagte, wie unter II. ausgeführt, trotz wiederholter Aufforderung des Z… dauernd verletzt. Nachdem sie bereits am 12. April 1955 ihrem Versicherungsnehmer Z… „frei” gestellt hat, sie von einer etwaigen Klage der Klägerin gegen ihn zu unterrichten, damit also selbst zum Ausdruck gebracht hatte, daß eine Informationspflicht des Z… nicht bestehe, hat sie in ihrem Schreiben an Z… vom 15. August 1955 an ihrem „endgültigen Standpunkt” festgehalten und auf die Mitteilung von der Klageerhebung überhaupt nicht mehr reagiert. Sie konnte daher nicht erwarten, daß Z… sie über den weiteren Fortgang des zweiten Haftpflichtprozesses unterrichten würde. Eine Unterrichtungspflicht des Z… bestand nicht mehr. Wenn ein Versicherer vertragswidrig sich weigert, die Haftpflichtfrage zu prüfen und seinem Versicherungsnehmer Rechtsschutz zu geben, so hat der Versicherungsnehmer grundsätzlich freie Hand, die Haftpflichtfrage zu lösen, wie er es für richtig hält. Der Versicherungsnehmer genügt seiner vertraglichen Pflicht, wenn er den Versicherer von der Haftpflichtfrage verständigt. Eine Unterrichtungspflicht von dem Verlauf des Prozesses, insbesondere von dem Erlaß eines Versäumnisurteils, besteht grundsätzlich nicht. Nach der endgültigen Ablehnung der Gewährung von Rechtsschutz durch den Versicherer kann dem Versicherungsnehmer in der Regel nicht zugemutet werden, durch Unterrichtung des Versicherers dessen etwaige Einwirkung auf den Haftpflichtprozeß zu ermöglichen, zumal ein Einwirkungsversuch des Versicherers nur dann rechtlich erheblich wäre, wenn er dem Versicherungsnehmer rechtzeitig Rechtsschutz gewähren würde. Die Bereitschaft des Versicherers hierzu kann aber jedenfalls dann nicht mehr angenommen werden, wenn er es hat zum Deckungsprozeß kommen lassen. Daran ändert, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, nichts die Tatsache, daß der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten sich im Laufe des ersten Deckungsprozesses bei dem Vertreter des Z…, der im vorliegenden Prozeß die Klägerin vertreten hat, einmal beiläufig nach dem Stand des zweiten Haftpflichtprozesses erkundigt hat. Eine Vereinbarung darüber, daß der zweite Haftpflichtprozeß bis zur rechtskräftigen Entscheidung des ersten Deckungsprozesses ruhen sollte, ist nicht getroffen worden. Im Hinblick auf ihr früheres Verhalten hätte die Beklagte ihren Versicherungsnehmer Z… zum mindesten eindeutig darauf hinweisen müssen, daß sie ihn nicht mehr „frei” stelle, sie über den Fortgang des zweiten Haftpflichtprozesses zu unterrichten, sondern daß sie eine solche Information verlange. Das ist nicht geschehen. Nur wenn es geschehen wäre, müßte geprüft werden, ob dann eine Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers in der Unterlassung der Unterrichtung des Versicherers liegen würde. Das Berufungsgericht hat daher recht, wenn es ausführt, der Vorwurf der Beklagten, Z… habe seine Rettungspflicht (§§ 4, 5 AVB, §§ 6 Abs. 3, 62 VVG) verletzt, entbehre jeder Grundlage.

IV. Hiernach ist die Revision unbegründet und muß ebenso wie der Antrag der Beklagten aus § 717 Abs. 3 ZPO zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI609504

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