Leitsatz (amtlich)

1. Die die Unternehmenseigenschaft begründende anderweitige unternehmerische Betätigung kann auch in der Ausübung einer freiberuflichen Tätigkeit bestehen.

2. Wird einer abhängigen GmbH innerhalb eines Konzerns lediglich eine begrenzte Einzelfunktion zugewiesen, so begründet dies allein keine konzernrechtliche Haftung, solange die Gesellschaft unter Wahrung ihres Eigeninteresses geleitet wird.

3. Zu den Voraussetzungen, unter denen in einem solchen Fall eine Haftung entsprechend den AktG §§ 302, 303 gegeben sein kann.

 

Orientierungssatz

Hier: Verflechtung einer OHG als Bauträger- und -betreuergesellschaft, einer Architektengemeinschaft als Planungsteam in Form einer BGB-Gesellschaft und einer GmbH als bauausführender Generalunternehmerin durch Rahmenvertrag und personenidentische Gesellschafter bzw wirtschaftliche Eigentümer.

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten und die Anschlußrevision der Klägerin wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 23. September 1993 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Beklagten zur Zahlung verurteilt worden sind und die mit der Klage geltend gemachte Zinsforderung für die Zeit nach dem 6. Dezember 1988 abgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Beklagten waren die Gesellschafter und Geschäftsführer der im Jahre 1974 gegründeten B. W. GmbH (im Jahre 1982 umbenannt in B. W. G. GmbH; im folgenden: GmbH), deren Stammkapital von 300.000,– DM sie je zur Hälfte hielten. Sie waren außerdem als Architektengemeinschaft in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts verbunden und ursprünglich – mit hälftiger Beteiligung – Gesellschafter der p. W. OHG (im folgenden: OHG). Im Jahre 1969 übertrug jeder der Beklagten seine Beteiligung an dieser letzteren Gesellschaft aus berufsständischen Gründen auf seine Ehefrau; die Beklagten wurden zu Prokuristen der Gesellschaft bestellt. Zwischen der OHG und der GmbH wurde am 4. November 1974 ein Vertrag mit folgendem Wortlaut geschlossen:

㤠1 Vertragsgegenstand

1. Die w. ohg erstellt im Kundenauftrag schlüsselfertige Bauvorhaben zu Festpreisen. Die w. ohg beauftragt die B. mit der Durchführung dieser Bauvorhaben als Generalunternehmer, soweit ein besonderer Auftrag für das einzelne Bauvorhaben vorliegt.

2. Die vom Generalunternehmer zu erbringende Leistung ist die Vergabe und Abrechnung der einzelnen Bauleistungen nach Weisung der w. ohg. Insbesondere sind in Übereinstimmung mit der w. ohg die Bauverträge mit den einzelnen Handwerkern abzuschließen und abzurechnen.

§ 2 Durchführung des Vertrages

1. Für die Durchführung des Vertrages stellt die w. ohg der B. sämtliche sachlichen und persönlichen Mittel kostenlos zur Verfügung wie z.B. Räume, Büromaterial und notwendiges Personal.

2. Die Geldmittel zur Bezahlung der ausführenden Baufirmen werden auf Anforderung von der w. ohg bereitgestellt. Für das jeweilige Bauvorhaben steht jedoch im Höchstfall der mit den Auftraggebern der w. ohg vereinbarte und tatsächlich vereinnahmte Festpreis zur Verfügung.

§ 3 Vergütung

Als pauschale Vergütung für ihre Tätigkeit erhält die B. 1,5 v.H. der von ihr abgerechneten Baukosten. Baukosten und Vergütung dürfen jedoch nicht über die in § 2 Abs. 2 Satz 2 gesetzte Grenze hinausgehen. In diesem Fall wird die Vergütung entsprechend gekürzt.

§ 4 Abnahme und Abrechnung

Abrechnung und Abnahme der einzelnen Bauvorhaben erfolgt nach Abnahme und Bezahlung des Bauvorhabens seitens des Auftraggebers der w. ohg. …”

Auf der Grundlage dieses Vertrages führte die „W.-Gruppe” zahlreiche Bauprojekte in der Weise durch, daß die Beklagten die Architektenleistungen erbrachten, die OHG gegenüber den Bauherren die schlüsselfertige Herstellung der Bauten zu Festpreisen übernahm und die GmbH als Generalunternehmerin die einzelnen Bauarbeiten im eigenen Namen den bauausführenden Unternehmen übertrug.

Im Juni bzw. August 1981 vergab die GmbH an die Klägerin die Rohbauleistungen für ein Kurhotel und ein Mehrfamilienhaus mit einem Bauvolumen von rund 5,47 Mio. DM bzw. 2,15 Mio. DM. Die Klägerin erhielt von der GmbH ferner – ebenfalls im Jahre 1981 – den Auftrag zur Ausführung restlicher Maurerarbeiten an einem Bau in G.. Wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten wurden die Arbeiten für das Kurhotelobjekt bei der Klägerin nicht mehr abgerufen; diese kündigte den diesbezüglichen Vertrag mit Schreiben vom 18. Mai 1982. Ihre Forderungen hinsichtlich der Arbeiten an dem Mehrfamilienhaus und in G. wurden nur teilweise beglichen. Am 30. Mai 1983 wurde über das Vermögen der GmbH das Konkursverfahren eröffnet; etwa drei Jahre später fiel auch die OHG in Konkurs. Von den Restforderungen der Klägerin, zu denen auch Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem nicht ausgeführten Hotelbau gehörten, wurden insgesamt 1.602.337,03 DM vom Konkursverwalter der GmbH anerkannt und als unbestritten zur Konkurstabelle festgestellt. Eine Quote entfiel auf diese – nicht bevorrechtigten – Forderungen nicht.

Die Klägerin nimmt wegen eines – auf die einzelnen Ansprüche verteilten – Teilbetrages von 41.000,– DM die Beklagten persönlich unter verschiedenen rechtlichen Gesichtspunkten in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat auf die Berufung der Klägerin, deren Zulässigkeit es vorab durch Zwischenurteil festgestellt hat, die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, 41.000,– DM nebst 7 % Zinsen für die Zeit vom 30. Dezember 1983 bis zum 6. Dezember 1988 an die V. GmbH, an die die Klägerin die Klageforderung während des Rechtsstreits abgetreten hat, zu zahlen; wegen eines weitergehenden Zinsanspruchs hat das Berufungsgericht die Klageabweisung durch das Landgericht bestätigt. Hiergegen wenden sich die Beklagten mit ihrer Revision; die Klägerin greift mit ihrer Anschlußrevision das Berufungsurteil insoweit an, als der Zinsanspruch für die Zeit nach dem 6. Dezember 1988 für unbegründet erklärt worden ist.

 

Entscheidungsgründe

Revision und Anschlußrevision sind begründet. Sie führen im Umfang der jeweiligen Anfechtung zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.

I. Zur Revision:

1. Die Revision rügt, das Berufungsgericht hätte die Zulässigkeit der Berufung nicht bejahen dürfen. Damit hat es folgende Bewandtnis: In der Klageschrift ist als Klägerin die „J. Bauunternehmung GmbH, M. Straße 17-25, E., vertreten durch den Geschäftsführer Dr. Wi. und den Prokuristen H. T.” bezeichnet. In einem nach Schluß der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht eingegangenen Schriftsatz hat die Klägerin gebeten, das Rubrum dahin zu berichtigen, daß ihre Firma „J. Bauunternehmung” laute. Im Urteil des Landgerichts ist die Klägerin entsprechend der Angabe in der Klageschrift bezeichnet. Die Berufungsschrift führt die Klägerin unter der Bezeichnung „J., Bauunternehmung, vertreten durch die alleingeschäftsführungsberechtigte Gesellschafterin Firma J., Bauunternehmung, Verwaltungs GmbH, diese vertreten durch die Geschäftsführer S. und Dr. Wi., M.straße 17-25, E.” auf.

Das die Zulässigkeit der Berufung betreffende Zwischenurteil des Berufungsgerichts vom 19. Dezember 1985 ist zusammen mit dem durch die Revision angefochtenen Endurteil des Berufungsgerichts zu überprüfen (BGHZ 102, 232, 233). Diese Überprüfung ergibt, daß die Rüge der Revision unbegründet ist. Die unrichtige Bezeichnung einer Prozeßpartei kann im Laufe des Rechtsstreits – auch noch in der Berufungsinstanz – berichtigt werden, wenn die Auslegung der in der Klageschrift gewählten Bezeichnung zu dem Ergebnis führt, daß von vornherein die mit der Berichtigung zutreffend angegebene Partei gemeint war (BGHZ 22, 240, 245; BGH, Urt. v. 24. November 1980 – VII ZR 208/79, NJW 1981, 1453, 1454; Stein/Jonas/Schumann, ZPO 20. Aufl. § 264 Rdn. 62). Das ist hier der Fall. Klagende Partei war offensichtlich die Gesellschaft, die von der – von den Beklagten vertretenen – GmbH die Bauaufträge erhalten hatte. Das war für die Beklagten ohne weiteres erkennbar und ist auch von ihnen so erkannt worden; sie haben gegen die Aktivlegitimation der Klägerin keine Einwendungen erhoben. Da die Klägerin nicht eine GmbH, sondern eine offene Handelsgesellschaft ist, deren vertretungsberechtigte persönlich haftende Gesellschafterin eine GmbH ist, ist die in der Klageschrift versehentlich falsch angegebene Gesellschaftsform später zutreffend berichtigt worden. Daß in der Firma der Klägerin ein Hinweis auf ihre – tatsächliche – Rechtsform fehlt, beruht darauf, daß neben der GmbH natürliche Personen zu ihren persönlich haftenden Gesellschaftern gehören (vgl. § 24 Abs. 1 HGB).

Allerdings muß bei der Einlegung eines Rechtsmittels aus der Rechtsmittelschrift – zumindest in Verbindung mit sonstigen Unterlagen oder Umständen – erkennbar sein, wer Rechtsmittelkläger und wer Rechtsmittelbeklagter ist (BGH, Urt. v. 6. Februar 1985 – I ZR 235/83, NJW 1985, 2651). Auch diesem Erfordernis ist aber im vorliegenden Fall genügt. Die Berufungsklägerin war in der Berufungsschrift korrekt bezeichnet. Daß sie mit der erstinstanzlichen Klägerin identisch war, ergab sich, wie bereits dargelegt, aus der richtig verstandenen Bezeichnung in der Klageschrift. Letzteres brauchte für das Berufungsgericht, dem bis zum Ablauf der Berufungsfrist weder das erstinstanzliche Urteil noch die Akten des Landgerichts vorlagen, nicht sogleich erkennbar zu sein. Der Rechtsmittelschrift muß sich lediglich eindeutig entnehmen lassen, wer das Rechtsmittel eingelegt hat. Die Frage, ob es sich dabei um die durch das erstinstanzliche Urteil beschwerte Prozeßpartei handelt und ob das Rechtsmittel unter diesem Gesichtspunkt zulässig ist, ist unter Heranziehung aller im Zeitpunkt der Entscheidung hierüber erkennbaren Umstände zu beantworten. Der hier zu beurteilende Fall liegt, wie das Berufungsgericht in seinem Zwischenurteil richtig erkannt hat, insoweit anders als der vom Bundesgerichtshof in dem erwähnten Urteil vom 6. Februar 1985 (aaO) entschiedene. Dort war ausweislich der Berufungsschrift die Berufung von einer Gesellschaft (einer GmbH) eingelegt worden, die mit der betreffenden erstinstanzlichen Partei (einer natürlichen Person) nicht identisch war. Die Auslegung, daß in Wirklichkeit letztere Rechtsmittelführer sein sollte, ließ sich nicht aufgrund von Umständen nachholen, die dem Berufungsgericht erst nach Ablauf der Berufungsfrist bekannt geworden waren.

2. Das Berufungsgericht hat die Beklagten unter Heranziehung der vom Senat entwickelten Haftungsregeln im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern entsprechend § 303 AktG zur Begleichung der von der Klägerin eingeklagten Teilforderungen verurteilt. Dafür bietet, wie die Revision zu Recht geltend macht, der vom Berufungsgericht festgestellte Sachverhalt keine ausreichende Grundlage.

a) Die Anwendung jener Haftungsgrundsätze scheitert allerdings nicht, wie die Revision meint, daran, daß die Beklagten außerhalb der GmbH keine – anderweitigen – unternehmerischen Interessen verfolgt hätten.

aa) Das Berufungsgericht hat in erster Linie darauf abgestellt, daß die Beklagten „wirtschaftlich betrachtet, die wahren Inhaber” des von der OHG betriebenen Unternehmens gewesen seien. Denn es sei nicht ernstlich zweifelhaft, daß ihre Ehefrauen als Gesellschafter nur vorgeschoben gewesen seien. Die Beklagten seien deshalb in ihrer formalen Rolle als Prokuristen in der Lage gewesen, ihre wirtschaftlichen Interessen in dieser Gesellschaft ebenso uneingeschränkt zu verfolgen und durchzusetzen wie in der GmbH. Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe keine tatsächlichen Umstände festgestellt, aus denen sich ergäbe, daß die Ehefrauen lediglich „Strohfrauen” oder Treuhänderinnen der Beklagten gewesen seien. Dieser Angriff gegen das Berufungsurteil ist unbegründet.

Die Klägerin hat bereits in der Klageschrift und sodann in der Berufungsinstanz vorgetragen, bei der Rechtsstellung der Ehefrauen der Beklagten in der OHG habe es sich um eine „formale Ausgestaltung” gehandelt; die geschäftlichen Kompetenzen hätten auch insoweit ausschließlich bei den Beklagten gelegen; diese hätten ihren beherrschenden Einfluß auch auf dieses Unternehmen behalten, indem sie zu Einzelprokuristen bestellt worden seien. Die Beklagten haben dazu schriftsätzlich nicht Stellung genommen. Das Berufungsgericht hat die Frage in der mündlichen Verhandlung erörtert; im Protokoll vom 13. Mai 1993 ist insoweit festgehalten, daß zwischen den Parteien Einigkeit darüber festzustellen sei, „daß der Grund der Auswechslung der Gesellschafter W. und K. gegen ihre Ehefrauen als Gesellschafterinnen berufsständischer Art war”, wobei der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten lediglich behauptete, die Ehefrauen seien auch schon vor der Auswechslung der Gesellschafterstellungen in der Gesellschaft beruflich tätig gewesen. Auf der Grundlage dieses Prozeßstoffs ist die Feststellung des Berufungsgerichts, die Ehefrauen hätten die Beteiligungen nur formal gehalten, wirtschaftlich seien dagegen die Beklagten die eigentlichen Gesellschafter gewesen, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Die Erwägung der Revision, das Ziel, berufsständische Schwierigkeiten zu vermeiden, sei nur zu erreichen gewesen, wenn die Ehefrauen „echte” Gesellschafterinnen wurden, ist gegenüber der Würdigung des Berufungsgerichts nicht zwingend. Der vorliegende Fall läßt sich in diesem Punkt auch nicht mit dem vom Senat im Urteil vom 29. März 1993 (II ZR 269/91, BGHZ 122, 123) entschiedenen vergleichen. Die dortigen Beklagten hatten einen vergleichbaren Sachvortrag der Klägerin jenes Rechtsstreits ausdrücklich bestritten.

bb) Das Berufungsgericht hat in diesem Zusammenhang auch darauf hingewiesen, daß die Beklagten ihr gemeinsames Architektenbüro in der Form einer BGB-Gesellschaft (W. GbR) betrieben. Die Revision hält es für fraglich, ob die freiberufliche Tätigkeit eines Architekten derjenigen eines gewerblichen Unternehmers gleichgeachtet werden könne. Diese Frage ist indessen zu bejahen. Für die Anwendung besonderer konzernrechtlicher Rechtssätze ist ausschlaggebend, daß es für ein abhängiges Unternehmen mit Gefahren verbunden sein kann, wenn der herrschende Gesellschafter außerhalb der Gesellschaft unternehmerische Interessen verfolgt. Der Grund für solche besonderen Gefahren liegt darin, daß es für den Gesellschafter wirtschaftlich vorteilhaft sein kann, den anderweitigen Interessen zu Lasten der Belange der von ihm abhängigen Gesellschaft den Vorzug zu geben. Ein derartiger Interessenkonflikt kann auch entstehen, wenn die Interessenverfolgung außerhalb der Gesellschaft in einer freiberuflichen Tätigkeit besteht (Koppensteiner, KK z. AktG 2. Aufl. § 15 Rdn. 20; Hüffer, AktG, 1993, § 15 Rdn. 11; Krieger, in: Münchener Hdb. d. Gesellschaftsrechts, 1988, § 68 Rdn. 7). Daß dies so ist, zeigt deutlich gerade der vorliegende Fall. Für die Beklagten konnte es z.B. vorteilhaft sein, mit den Bauherren verhältnismäßig niedrige Festpreise für die Herstellung der einzelnen Bauten zu vereinbaren, um sich dadurch möglichst viele Architektenaufträge zu sichern, und dafür in Kauf zu nehmen, daß die GmbH, die auf ihr Risiko die zur Gesamtherstellung nötigen Einzelaufträge zu vergeben hatte, die dadurch entstehenden Kosten aus dem jeweiligen Festpreis nicht decken konnte. Eine solche Gefahr rechtfertigt, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen, die Anwendung konzernrechtlicher Sonderregeln auch im Hinblick auf eine außerhalb der Gesellschaft betriebene freiberufliche Tätigkeit.

b) Die Beklagten waren an allen drei genannten Gesellschaften – unmittelbar oder wirtschaftlich – je zur Hälfte beteiligt. Sie waren deshalb nicht je für sich, sondern nur zusammen in der Lage, die GmbH, um die es in diesem Rechtsstreit geht, zu beherrschen. Dieser Umstand hindert aber unter den hier bestehenden Gegebenheiten nicht, eine Beherrschung durch jeden der beiden Beklagten anzunehmen. Ein beherrschender Einfluß im Sinne des § 17 AktG kann, wie der Senat entschieden hat, auch von mehreren gleichgeordneten Unternehmen ausgehen; ob es im konkreten Fall so ist, hängt davon ab, ob eine ausreichend sichere Grundlage für die Ausübung gemeinsamer Herrschaft besteht (BGHZ 62, 193, 196 ff.; BGHZ 95, 330, 349). Eine solche Grundlage ist im vorliegenden Fall gegeben. Die Beklagten waren, wie bereits erwähnt, im jeweils gleichen Verhältnis auch an der OHG und insbesondere an der das Architektenbüro betreibenden BGB-Gesellschaft beteiligt. Das sich daraus ergebende gleiche Interesse beider Beklagten am Gedeihen der gesamten Unternehmensgruppe gewährleistete eine unternehmerische Gesamtkonzeption, die es, wenn es für das wirtschaftliche Gesamtunternehmen vorteilhaft war, mit sich bringen konnte, die Interessen der einen Gesellschaft zugunsten der anderen zu vernachlässigen. Eine solche übergreifende Parität begründet die Abhängigkeit der betroffenen Gesellschaft von jedem der Gesellschafter (BGHZ 62, 193, 200 f.).

c) Der konzernrechtliche Haftungstatbestand, der zur entsprechenden Anwendung der §§ 302, 303 AktG führt, ist jedoch auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen in anderer Hinsicht nicht erfüllt. Er setzt voraus, daß der herrschende Unternehmensgesellschafter seine Leitungsmacht in der abhängigen Gesellschaft in einer Weise – objektiv mißbräuchlich – ausübt, die keine angemessene Rücksicht auf deren eigene Belange nimmt, ohne daß sich der ihr insgesamt zugefügte Nachteil durch Einzelausgleichsmaßnahmen kompensieren ließe (BGHZ 122, 123, 130). Das Berufungsgericht hat eine mißbräuchliche Verfolgung der eigenen – übergeordneten – unternehmerischen Interessen der Beklagten zu Lasten der Belange der GmbH darin gesehen, daß diese nach dem Rahmenvertrag vom 4. November 1974 als Generalunternehmerin der OHG lediglich ein Entgelt in Höhe der tatsächlichen Baukosten zuzüglich 1,5 % und dies zudem unter der Voraussetzung erhielt, daß der von der OHG ausgehandelte Festpreis dafür eine ausreichende Deckung bildete. Die GmbH habe danach, so hat das Berufungsgericht ausgeführt, wenn der OHG kein Überschuß blieb, überhaupt keinen Gewinn erzielt, obwohl sie das volle Bauunternehmerrisiko, das sich insbesondere aus etwaigen Gewährleistungs- und zeitlichen Fertigstellungspflichten habe ergeben können, im Verhältnis zur OHG allein zu tragen gehabt habe.

Durch diese Vertragsgestaltung war die GmbH in der Tat in außerordentlich hohem Maße von ihrer Auftraggeberin, der OHG, abhängig. Sie dürfte auch ungeachtet dessen, was die Beklagten in den Tatsacheninstanzen zu sogenannten „Fremdaufträgen” – also Aufträgen, die sie nicht von der OHG, sondern unmittelbar von den Bauherren erhielt – vorgetragen haben, kaum in der Lage gewesen sein, solche Aufträge ohne Unterstützung durch die OHG auszuführen; denn sie verfügte, wie sich den Feststellungen des Berufungsgerichts entnehmen läßt, selbst weder über die sachlichen noch die persönlichen Mittel, die dazu erforderlich gewesen wären, sondern war darauf angewiesen, daß ihr diese für das jeweils auszuführende Bauvorhaben zur Verfügung gestellt wurden. Die GmbH war damit von vornherein dazu bestimmt, eine begrenzte Einzelfunktion innerhalb des wirtschaftlichen Gesamtunternehmens der Beklagten zu erfüllen. Eine solche begrenzte Funktionszuweisung begründet indessen noch keine konzernrechtliche Haftung, solange eine solche Gesellschaft unter Wahrung ihres Eigeninteresses geleitet wird (Krieger, in: Hommelhoff/Stimpel/Ulmer, Der qualifizierte faktische GmbH-Konzern, 1992, S. 41, 48 f.). Dies bedeutet in einem Fall, in dem, wie hier, keine Minderheitsgesellschafter vorhanden sind, daß die Gesellschaft so geführt werden muß, daß sie, wenn nicht unvorhergesehene Entwicklungen eintreten, ihren Verbindlichkeiten nachkommen kann (BGHZ 122, 123, 130). Daß dies hier nicht so gewesen wäre, ist in tatsächlicher Hinsicht nicht festgestellt. Die Abhängigkeit des in einem Bauunternehmen erwirtschafteten Gewinns oder Verlustes von den mit den Auftraggebern vereinbarten (Fest-)Preisen besteht im Grundsatz auch außerhalb von Konzernunternehmen. Die Revision weist zutreffend darauf hin, daß die der GmbH durch den Rahmenvertrag vom 4. November 1974 zugewiesene Stellung innerhalb der Unternehmensgruppe nur dann mit einer Beeinträchtigung ihrer soeben umschriebenen Eigenbelange verbunden war, wenn ihre Vergütung zur Abdeckung des von ihr übernommenen Risikos nicht ausreichte, insbesondere wenn die OHG mit ihren Auftraggebern Festpreise vereinbarte, die bei Zugrundelegung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes der GmbH keinen Gewinn beließen oder sogar nicht einmal die voraussichtlichen Baukosten deckten. Die Gefahr, daß die von der OHG ausgehandelten Festpreise zu knapp kalkuliert wurden, ist zwar, wie bereits in anderem Zusammenhang angedeutet (oben I 2 a bb), in Anbetracht der von den Beklagten gewählten Aufgliederung ihrer Gesamtbetätigung nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen; denn diese Unternehmenskonstruktion ließ die Möglichkeit zu, Architektenaufträge für niedrig kalkulierte Bauvorhaben zu erlangen und das sich daraus bei der eigentlichen Bauausführung ergebende Risiko zu vernachlässigen, weil dieses durch die Auslagerung auf die GmbH begrenzt war (vgl. zu einer ähnlichen Fallgestaltung unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt auch Sen.Urt. v. 16. März 1992 – II ZR 152/91, ZIP 1992, 694, 695). Das Bestehen einer solchen Gefahr reicht aber für sich allein nicht aus, um die Haftung zu begründen; es ist vielmehr erforderlich, daß sie sich tatsächlich verwirklicht hat. Hierzu fehlt es an einer ausreichenden tatsächlichen Feststellung.

Es mag offenbleiben, ob der vom Berufungsgericht festgestellte Sachverhalt im Hinblick auf die ab 1981 bei der GmbH eingetretenen hohen Verluste wegen der der Klägerin unter Umständen zu gewährenden Darlegungserleichterungen (BGHZ 122, 123, 131, 132 f.) als Haftungsgrundlage hätte ausreichen können, wenn die Beklagten ihrerseits nichts vorgetragen hätten, was geeignet gewesen wäre, die Hinweise auf das Vorliegen des Haftungstatbestands durch die ihnen mögliche Darlegung der Zusammenhänge auszuräumen. Ein Anspruch der Klägerin wäre dann auch nicht, wie die Revision meint, ohne weiteres unter dem Gesichtspunkt ausgeschlossen gewesen, daß in Höhe der von ihr dargelegten Verluste aus einzelnen Bauvorhaben jeweils ein Einzelausgleichsanspruch der GmbH gegen die Beklagten bestanden hätte (vgl. dazu BGHZ 122, 123, 129 f.). Solche Ausgleichsansprüche der GmbH ließen sich weder auf die §§ 30, 31 GmbHG noch, da die Beklagten die alleinigen Gesellschafter waren, auf eine Verletzung der Treuepflicht stützen. Dies gilt aus dem soeben genannten Grund im Prinzip auch für die Verletzung von Geschäftsführerpflichten durch die Beklagten. Im übrigen würden etwaige Ausgleichsansprüche der Gesellschaft nach § 43 Abs. 2 GmbHG einer Haftung der Beklagten unter konzernrechtlichen Gesichtspunkten nicht entgegenstehen; diese trifft die Gesellschafter als solche und unabhängig davon, ob sie gleichzeitig Geschäftsführer sind. Die Beklagten haben indessen, worauf die Revision zutreffend hinweist, vorgetragen, die GmbH habe von 1974 bis 1980 immer gut verdient – darauf hat auch das Landgericht in seinem Urteil abgestellt – und die ab 1981 eingetretenen Verluste seien auf die damals einsetzende Bauwirtschaftskrise und einen völligen Zusammenbruch des Immobilienmarktes zurückzuführen. Mit diesem Vorbringen hätte sich das Berufungsgericht in tatrichterlicher Würdigung – unter Beachtung der vom Senat im Urteil vom 29. März 1993 (BGHZ 122, 123, 131, 132 f.) entwickelten Darlegungs- und Beweisgrundsätze – auseinandersetzen müssen. Da es hieran fehlt, muß das Berufungsurteil auf die Revision der Beklagten aufgehoben werden.

d) Sollte sich nach erneuter Prüfung ergeben, daß die Beklagten der Klägerin entsprechend § 303 AktG für die Erfüllung ihrer gegen die GmbH gerichteten Ansprüche einzustehen haben, so käme es nicht auf ihren Einwand an, derartige Forderungen stünden der Klägerin nach Grund oder Höhe nicht zu. Diese als nicht bestritten zur Konkurstabelle festgestellten Ansprüche könnte die GmbH selbst gemäß § 164 Abs. 2 KO nicht mehr in Frage stellen. Entsprechend § 322 Abs. 2 AktG gilt das auch für die Beklagten. Auf die Einwendungen, die das herrschende Unternehmen nach Beendigung des Konzernverhältnisses gegenüber den Gläubigern der abhängigen GmbH geltend machen kann, ist, wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen und der Senat bereits entschieden hat, § 322 Abs. 2 und 3 AktG entsprechend anzuwenden (BGHZ 95, 330, 348). Daran ist auch aufgrund der von der Revision geforderten Überprüfung festzuhalten. Ob, wie die Revision meint, die Konzernierung im Fall der §§ 302, 303 AktG und erst recht bei Vorliegen eines qualifizierten faktischen Konzerns weniger intensiv ist als bei der in den §§ 319 ff. AktG geregelten Eingliederung einer Gesellschaft in eine andere, ist von zweitrangiger Bedeutung. Entscheidend ist, daß der in § 303 AktG geregelte Anspruch, soweit er – in einem Fall wie dem vorliegenden – nicht nur auf Sicherheitsleistung (vgl. auch § 321 AktG), sondern auf Zahlung an den Gläubiger gerichtet ist, demjenigen nach § 322 Abs. 1 AktG ganz ähnlich ist. Der Hinweis der Revision auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 5. Juni 1993 (XI ZR 133/92, WM 1993, 1585, 1586) gibt keinen Anlaß zu einer anderen Beurteilung. Der dort entschiedene Fall einer gesamtschuldnerischen Haftung zwischen dem Hauptschuldner und demjenigen, der dessen Schuld beigetreten ist – insoweit ist eine analoge Anwendung des § 129 Abs. 1 HGB abgelehnt worden –, ist mit dem der konzernrechtlichen Direkthaftung des herrschenden Unternehmens vor allem deshalb nicht vergleichbar, weil dieses infolge seiner die Gesellschaft beherrschenden Stellung auf den jeweiligen rechtlichen Tatbestand, der zum Verlust der Einwendung der Gesellschaft geführt hat, bestimmenden Einfluß nehmen konnte.

3. Die Revisionserwiderung meint, die Beklagten hafteten schon deswegen entsprechend den §§ 302, 303 AktG, weil der Rahmenvertrag zwischen der GmbH und der OHG vom 4. November 1974 der Sache nach ein Beherrschungsvertrag sei. Darin kann ihr nicht gefolgt werden. Durch einen Beherrschungsvertrag wird die Leitung einer Gesellschaft einem anderen Unternehmen unterstellt (§ 291 AktG). Der Vertrag vom 4. November 1974 hat eine solche Übertragung der Leitungsmacht nicht zum Gegenstand. Er regelt die Rahmenbedingungen für die Beauftragung der GmbH mit der Durchführung einzelner Bauvorhaben. Ein allgemeines, die Leitung der GmbH als solche betreffendes Weisungsrecht wird durch den Vertrag und damit in rechtlich verbindlicher Weise nicht begründet. Tatsächlich bestand zwar ein Weisungsrecht der Beklagten (nicht der OHG) gegenüber der GmbH. Es beruhte aber nicht auf jenem Vertrag, sondern auf der Stellung der Beklagten als alleinige Gesellschafter der GmbH. Daraus können sich Haftungsfolgen wegen einer bestimmten Art und Weise der faktischen Beherrschung, nicht aber wegen rechtlicher Unterwerfung unter die Leitungsmacht eines von den Gesellschaftern betriebenen anderen Unternehmens ergeben.

4. Das Berufungsgericht hat, da es die Klage auf der Grundlage des § 303 AktG (analog) für begründet gehalten hat, nicht abschließend geprüft, ob die Beklagten der Klägerin, wie diese ebenfalls geltend gemacht hat, den ihr entstandenen Vertrauensschaden als Geschäftsführer wegen verspäteter Konkursantragstellung nach § 64 Abs. 1 GmbHG in Verbindung mit § 823 Abs. 2 BGB zu ersetzen haben. Auch dieser Frage wird das Berufungsgericht gegebenenfalls weiter nachgehen müssen. Nach dem zwischenzeitlich ergangenen Urteil des Senats vom 6. Juni 1994 (II ZR 292/91, ZIP 1994, 1103, 1106 ff., zur Aufnahme in BGHZ bestimmt) ist ein unter diesem Gesichtspunkt bestehender Anspruch eines (Neu-)Gläubigers nicht auf den sogenannten Quotenschaden begrenzt.

II. Zur Anschlußrevision:

Das Berufungsgericht hat der Klägerin Zinsen nur bis zu dem Zeitpunkt der Abtretung der Klageforderung zugesprochen und einen Zinsanspruch für die Zeit danach mit der Begründung verneint, ein Verzugsschaden der Zessionarin, zu deren Geltendmachung die Klägerin auch nicht ohne weiteres aktiv legitimiert sei, sei nicht geltend gemacht worden. Das ist, wie auch die Anschlußrevision der Klägerin einräumt, in der Sache insofern nicht zu beanstanden, als sich ein Verzugsschaden für die Zeit nach Abtretung der Klageforderung nach den Verhältnissen des Zessionars bestimmt (BGH, Urt. v. 25. September 1991 – VIII ZR 264/90, WM 1991, 2036). Das Berufungsgericht hätte jedoch, was die Anschlußrevision zu Recht rügt, die Klägerin, die jene Rechtslage und die nach der Abtretung der Klageforderung eingetretene Notwendigkeit, ihren Vortrag in diesem Punkt zu ergänzen, offensichtlich übersehen hat, gemäß § 139 ZPO hierauf hinweisen müssen (vgl. zur Hinweispflicht hinsichtlich der notwendigen Antragsumstellung im Fall des § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO Lüke, MüKo z. ZPO, 1992, § 265 Rdn. 83). Die Klägerin hätte dann, wie die Anschlußrevision darlegt, vorgetragen, daß auch die Zessionarin ständig Bankkredit in Höhe der Klageforderung zu einem mindestens gleichhohen Zinssatz wie sie selbst in Anspruch nehme. Die aus § 265 Abs. 1 Satz 1 ZPO folgende Aktivlegitimation der Klägerin erstreckt sich, was das Berufungsgericht zu Unrecht bezweifelt, auf den Zinsanspruch als Nebenanspruch auch insoweit, als dieser sich nach einem nicht bei ihr selbst, sondern bei der Abtretungsempfängerin eingetretenen Schaden bemißt.

III. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die nach den Ausführungen zu I 2 c und gegebenenfalls I 4 und II erforderlichen tatsächlichen Feststellungen getroffen werden können.

 

Fundstellen

BB 1994, 2303

NJW 1994, 3288

ZIP 1994, 1690

DNotZ 1995, 946

JZ 1995, 519

GmbHR 1994, 881

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