Leitsatz (amtlich)

a) Mit dem Tatbestandsmerkmal "Miete, die der vorherige Mieter zuletzt schuldete (Vormiete)" nimmt § 556e Abs. 1 Satz 1 BGB auf eine Miete Bezug, die in einem Wohnraummietverhältnis gezahlt wurde.

b) Der Vermieter kann sich nicht mit Erfolg auf die Maßgeblichkeit der in einem (früheren) Wohnraummietverhältnis gezahlten "Vormiete" i.S.d. § 556e Abs. 1 Satz 1 BGB berufen, wenn er die Räume vor dem nach den §§ 556d ff. BGB zu beurteilenden Mietverhältnis zuletzt gewerblich vermietet hat.

 

Normenkette

BGB § 556e Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 18.10.2018; Aktenzeichen 67 S 174/18)

AG Berlin-Mitte (Urteil vom 11.05.2018; Aktenzeichen 6 C 81/17)

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der Zivilkammer 67 des LG Berlin vom 18.10.2018 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als bezüglich des Feststellungsantrags sowie bezüglich des Zahlungsantrags in Höhe eines Betrags von 1.333,44 EUR nebst Zinsen zum Nachteil der Klägerin entschieden worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Die Klägerin ist seit dem 1.5.2016 Mieterin einer ca. 76 m2 großen Zweizimmerwohnung der Beklagten in Berlin. Die Parteien vereinbarten zu Mietbeginn eine monatliche Nettokaltmiete von 950 EUR. Die Wohnung liegt nach der am 1.6.2015 in Kraft getretenen Mietenbegrenzungsverordnung des Landes Berlin vom 28.4.2015 (GVBl. 2015, 101) in einem Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt i.S.d. § 556d Abs. 1, 2 BGB.

Rz. 2

Von Dezember 2012 bis Ende April 2016 hatte die Beklagte die Wohnung aufgrund eines Gewerberaummietvertrags für eine Gesamtmiete von monatlich 900 EUR zur Büronutzung vermietet. Zuvor - von September 2011 bis September 2012 - waren die Räume zu einer Nettokaltmiete von 950 EUR an Frau C. zu Wohnzwecken vermietet.

Rz. 3

Mit Schreiben vom 24.4.2017 rügte die Klägerin, die Nettokaltmiete von 950 EUR übersteige nach dem Berliner Mietspiegel 2015 die ortsübliche Vergleichsmiete von 8,27 EUR/m2 um mehr als 10 %; die Mietpreisvereinbarung sei daher insoweit unwirksam. Sie forderte die Beklagte auf, ausgehend von einer im Mietvertrag genannten Wohnungsgröße von 80 m2 einer Mietreduzierung um 222,24 EUR auf 727,76 EUR (ca. 9,10 EUR/m2 x 80 m2) monatlich zuzustimmen und begehrte Auskunft über die für die Zulässigkeit der vertraglich vorgesehenen Miete maßgeblichen Tatsachen.

Rz. 4

Mit der vorliegenden Klage hat die Klägerin - unter Zugrundelegung einer von ihr mit 76,45 m2 angegebenen tatsächlichen Wohnfläche - die Rückzahlung von 1.527,24 EUR überzahlter Miete für die Monate Mai bis Oktober 2017 (je 254,54 EUR pro Monat) nebst Zinsen sowie die Feststellung begehrt, dass die zwischen den Parteien getroffene Abrede über die geschuldete Nettomiete unwirksam sei, soweit die Miete die zulässige Höchstmiete von 695,46 EUR (ca. 9,10 EUR/m2 x 76,45 m2) übersteige. Das AG hat der Klage stattgegeben, das LG hat sie unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin - mit Ausnahme eines Teilbetrags von 193,80 EUR - die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

Rz. 5

Die Revision hat Erfolg.

I.

Rz. 6

Das Berufungsgericht (LG Berlin, ZMR 2019, 126) hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - im Wesentlichen ausgeführt:

Rz. 7

Der Klägerin stehe ein Anspruch auf Feststellung, die geschuldete Nettomiete betrage monatlich 695,46 EUR, nicht zu. Im vorliegenden Fall habe - unabhängig von den Voraussetzungen des § 556d BGB - eine Miete bis 950 EUR vereinbart werden dürfen. Schließlich habe die Beklagte schon einmal - mit Frau C. - für die zu Wohnzwecken vermieteten Räume eine Miete von 950 EUR vereinbart. Hierbei handele es sich um die Vormiete i.S.d. § 556e Abs. 1 Satz 1 BGB. Der Anwendung des § 556e Abs. 1 BGB stehe insofern nicht entgegen, dass die Beklagte die Mietsache nach der Vermietung an Frau C. unmittelbar vor der - nunmehr nach den §§ 556d ff. BGB zu beurteilenden - Anschlussvermietung an die Klägerin nicht erneut als Wohn-, sondern als Gewerberaum vermietet gehabt habe.

Rz. 8

Der Umstand, dass der Vermieter eine Wohnung zuletzt zu gewerblichen Zwecken vermietet habe, sei für die Anwendung des § 556e Abs. 1 BGB ebenso unbeachtlich wie die Höhe der dabei vereinbarten Gewerberaummiete. Ein Gewerberaummietverhältnis sei kein Vormietverhältnis i.S.v. § 556e Abs. 1 BGB. Der Gesetzgeber sei bei Schaffung der §§ 556d ff. BGB von einem einheitlichen Vertragszweck bei der "Anschlussvermietung von Wohnungen" ausgegangen. Dabei habe er vorausgesetzt, dass es sich bei dem Vormietverhältnis stets um ein Wohnraummietverhältnis handele. Andernfalls wären Ausführungen dazu entbehrlich gewesen, dass und warum das Vormietverhältnis seinerseits den Anforderungen der §§ 556d ff. BGB entsprechen müsse. Denn dem Anwendungsbereich der §§ 556d ff. BGB unterfielen allein Wohn-, nicht aber Gewerberaummietverhältnisse.

Rz. 9

Daraus folge aber nicht, dass § 556e Abs. 1 BGB unanwendbar sei, wenn der Vermieter die Wohnung zuletzt als Gewerberaum vermietet habe. Vielmehr sei in solchen Fällen auf das letzte vor dem Gewerberaummietverhältnis liegende Wohnraummietverhältnis abzustellen. Denn der Begriff der Vormiete, der in § 556e Abs. 1 Satz 1 BGB als "die Miete, die der vorherige Mieter zuletzt schuldete" definiert werde, beziehe sich auf das letzte Wohnraummietverhältnis, das der Vermieter vor der den Bestimmungen der § 556d ff. BGB unterfallenden Anschlussvermietung begründet habe.

Rz. 10

Für den Gesetzgeber habe bei der Fassung der Ausnahmevorschrift des § 556e Abs. 1 BGB der Schutz der vom Vermieter getätigten Investitionen und der Schutz des Vertrauens des Vermieters in seine Refinanzierungs- und Wirtschaftlichkeitskalkulation im Vordergrund gestanden, die er - vor Invollzugsetzung der §§ 556d ff. BGB - auf der Grundlage einer vereinbarten Wohnraummiete vorgenommen habe. Aus den Gesetzesmaterialien ließen sich keine Anhaltspunkte dafür ableiten, dass der Gesetzgeber dem Vermieter diesen Investitions- und Vertrauensschutz wieder habe entziehen wollen, wenn er die Mietsache nach vorheriger Vermietung zu Wohnzwecken unmittelbar vor Abschluss eines den §§ 556d ff. BGB unterfallenden Anschlussmietverhältnisses zu anderen Zwecken als zur Vermietung von Wohnraum nutze. Das Vertrauen des Vermieters auf den Bestand einer die Grenzen des § 556d Abs. 1 BGB überschreitenden Wohnraummiete gründe sich schließlich berechtigt ausschließlich auf ein zuvor geschlossenes Wohnraummietverhältnis, ohne dass dieses Vertrauen in dem einmal geschaffenen Bestand durch eine zwischenzeitlich anderweitige Nutzung beseitigt werde. Ein gegenteiliges Gesetzesverständnis würde ohne sachliche Rechtfertigung unter Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG sowie Art. 14 Abs. 1 GG die grundsätzlich unbeschränkte Befugnis des Vermieters von Wohnraum sanktionieren, über die Mietsache frei zu verfügen und sie nach vorheriger Vermietung als Wohnraum einem anderen Nutzungszweck zuzuführen.

Rz. 11

Da sich die Beklagte auf die mit der Mieterin C. vereinbarte Miete berufen könne, stehe der Klägerin auch ein Anspruch auf Rückzahlung angeblich zu viel entrichteter Miete für die Monate Mai 2017 bis Oktober 2017 nicht zu.

II.

Rz. 12

Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung können weder das Feststellungsbegehren der Klägerin abgewiesen noch der von ihr (in der Revisionsinstanz noch i.H.v. 1.333,44 EUR) verfolgte Anspruch auf Rückerstattung überzahlter Miete verneint werden. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts steht diesen Ansprüchen nicht entgegen, dass die Beklagte die mit der Klägerin vereinbarte Nettokaltmiete von 950 EUR in gleicher Höhe bereits im "vorletzten" Mietverhältnis mit der Mieterin C. vereinbart hatte. Insbesondere führt der Umstand, dass die Beklagte die Wohnung zuletzt als Gewerberaum vermietet hatte, nicht dazu, dass nunmehr die bis September 2012 von der Mieterin C. geschuldete Miete als die "Vormiete" i.S.d. § 556e Abs. 1 Satz 1 BGB anzusehen wäre. Vielmehr ist die Ausnahmevorschrift des § 556e Abs. 1 Satz 1 BGB dahin auszulegen, dass als "vorheriger Mieter" ausschließlich der (direkte) Mietvorgänger in Betracht kommt und diesem die Wohnung ebenfalls zu Wohnzwecken vermietet war.

Rz. 13

1. Ein Anspruch der Klägerin auf Herausgabe zu viel gezahlter Miete (§ 556g Abs. 1 Satz 3 BGB) setzt - ebenso wie die Zuerkennung des geltend gemachten Feststellungsbegehrens - voraus, dass die von den Parteien vereinbarte Miete die zulässige Miete (§ 566d Abs. 1 BGB) überschreitet, nämlich über die ortsübliche Vergleichsmiete zzgl. 10 % hinausgeht.

Rz. 14

Wie das Berufungsgericht im Ansatz noch richtig gesehen hat, käme ein solcher Anspruch allerdings nicht in Betracht, wenn zugunsten der Beklagten die Ausnahmevorschrift des § 556e Abs. 1 Satz 1 BGB anzuwenden wäre. Diese Vorschrift erlaubt für den Fall, dass die vom vorherigen Mieter geschuldete Miete (Vormiete), höher ist als die nach § 556d Abs. 1 BGB zulässige Miete, die Vereinbarung einer Miete bis zur Höhe der Vormiete. Dabei kommt als "Vormiete" nur die in einem Wohnraummietverhältnis vereinbarte Miete in Betracht und nicht etwa eine in einem ganz anderen Marktsegment (wie einem Gewerberaummietverhältnis) erzielte Miete. Wie das Berufungsgericht unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung zutreffend angenommen hat, muss es sich bei dem Vormietverhältnis um ein Wohnraummietverhältnis handeln, denn andernfalls hätte es keiner Ausführungen dazu bedurft, dass das Vormietverhältnis seinerseits den Anforderungen der §§ 556d BGB ff. entsprechen müsse (vgl. BT-Drucks. 18/3121, 30).

Rz. 15

2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts handelt es sich bei der Mieterin C. aber nicht deshalb um die "vorherige Mieterin" i.S.d. § 556e Abs. 1 Satz 1 BGB, weil die Wohnung vor der Vermietung an die Klägerin zuletzt zur gewerblichen Nutzung vermietet und die Mieterin C. deshalb die letzte Wohnraummieterin vor der Vermietung an die Klägerin war.

Rz. 16

a) Bereits der Wortlaut des § 556e Abs. 1 Satz 1 BGB legt es zumindest nahe, dass es sich bei der darin bezeichneten "Vormiete" um eine solche aus einem unmittelbar vorangegangenen Mietverhältnis handeln muss. Denn der Begriff der "Vormiete" wird dort definiert als "die Miete, die der vorherige Mieter zuletzt schuldete". Nach allgemeinem Sprachgebrauch ist mit "der vorherige Mieter" regelmäßig der (zeitlich) letzte Vormieter gemeint, und nicht irgendein Mieter, der die Räume in der Vergangenheit einmal innehatte. Ein "Vorvormieter" - wie hier Frau C. - lässt sich unter diesen Begriff daher schwerlich fassen (so auch BeckOGK/BGB/Fleindl, Stand 1.4.2020, § 556e Rz. 8).

Rz. 17

b) Jedenfalls die teleologische und die historische Auslegung der Norm anhand der Gesetzesbegründung und der vom Gesetzgeber verfolgten Zielrichtung lassen nur die Schlussfolgerung zu, dass § 556e Abs. 1 Satz 1 BGB die Vereinbarung einer höheren als der nach § 556d Abs. 1 BGB zulässigen Miete nur für Räumlichkeiten ermöglichen will, die bei ihrer (zeitlich) letzten Vermietung zu Wohnzwecken überlassen waren.

Rz. 18

aa) § 556e BGB wurde mit Wirkung vom 1.6.2015 durch das Gesetz zur Dämpfung des Mietanstiegs auf angespannten Wohnungsmärkten und zur Stärkung des Bestellerprinzips bei der Wohnungsvermittlung (Mietrechtsnovellierungsgesetz; BGBl. I, 610) als Teil des neuen Unterkapitels 1a betreffend "Vereinbarungen über die Miethöhe bei Mietbeginn in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten" in das Bürgerliche Gesetzbuch eingefügt. Ziel dieser Gesetzesnovelle war es, einer "Gentrifizierung entgegenzuwirken" und sicherzustellen, dass die Bevölkerung (einschließlich einkommensschwächerer Haushalte) im Falle der Wohnungssuche auch in Zeiten eines angespannten Wohnungsmarkts (vgl. § 556d Abs. 2 BGB) bezahlbare Mietwohnungen in ihrem bisherigen Wohnviertel findet (BGH, Urt. v. 4.11.2015 - VIII ZR 217/14, BGHZ 207, 246 Rz. 56). Eine Abwanderung einkommensschwächerer Mieter aus stark nachgefragten Wohnquartieren in Folge von Mietanstiegen soll mit den Regelungen verhindert werden (BT-Drucks., a.a.O., S. 18). Durch das Mietrechtsnovellierungsgesetz wollte der Gesetzgeber dazu beitragen, den Zugang zu bereits als solchem genutzten Wohnraum für weniger einkommensstarke Mieter zu sichern. Ziel war es dabei nicht, neuen Mietwohnraum zu schaffen (vgl. BT-Drucks., a.a.O., S. 2), etwa durch Anreize zur Wohnraumerschließung gewerblich genutzter Bestandsimmobilien. Vielmehr ging es dem Gesetzgeber ausschließlich darum, durch Dämpfung des Mietanstiegs die Verdrängung einkommensschwacher Mieter aus dem "vermieteten Wohnungsbestand" (vgl. BT-Drucks., a.a.O., S. 16) zu verhindern.

Rz. 19

bb) Diese Kernziele des Gesetzgebers werden im Wesentlichen durch den mit dem Mietrechtsnovellierungsgesetz neu geschaffenen § 556d Abs. 1 BGB verwirklicht (vgl. BVerfG NJW 2019, 3054 Rz. 52). Nach dieser Vorschrift darf bei Abschluss eines Mietvertrags über Wohnraum, der - wie hier - in einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt liegt, die Miete zu Beginn des Mietverhältnisses die ortsübliche Vergleichsmiete (§ 558 Abs. 2 BGB) höchstens um 10 % übersteigen. Wenn § 556e Abs. 1 Satz 1 BGB, abweichend von dem Grundsatz des § 556d Abs. 1 BGB, unter bestimmten Voraussetzungen die Vereinbarung einer höheren Miete erlaubt, ist diese Norm jedoch bereits aufgrund ihres Charakters als Ausnahmeregelung eng auszulegen (vgl. BT-Drucks., a.a.O., S. 30: keine Umgehung der "Mietpreisbegrenzung"). Zudem hatte der Gesetzgeber bei der Regelung der Ausnahmevorschrift vor allem neu erbaute Wohnungen in den Blick genommen, die schon vor dem in § 556 f Satz 1 BGB genannten Stichtag (1.10.2014) vermietet worden sind. Für den Fall einer etwaigen, ggf. bereits nach wenigen Monaten erfolgenden Kündigung des Erstmieters sollte für den Vermieter die erforderliche Investitionssicherheit gewährleistet werden, indem ihm weiterhin gestattet sein sollte, die bei der Erstvermietung erzielte Miete zu vereinbaren, selbst wenn sie den Betrag von 10 % über der ortsüblichen Vergleichsmiete überstieg (BT-Drucks., a.a.O.). Ein vergleichbares Vertrauen, eine bestimmte Wohnraummiete erzielen zu können, kann jedoch ein Vermieter, der sich zu einer Nutzungsänderung entschlossen und die Wohnung zu gewerblichen Zwecken vermietet hat, gerade nicht für sich in Anspruch nehmen. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung gewährt die Ausnahmeregelung des § 556e Abs. 1 BGB daher dem Vermieter keinen (uneingeschränkten) Investitionsschutz dahin, dass ihm unabhängig von der zuletzt gewählten Nutzungsart eine früher erzielte Wohnraummiete erhalten bleiben oder gar eine bestimmte Einnahmehöhe garantiert werden sollte.

Rz. 20

cc) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist eine andere Auslegung auch nicht mit Rücksicht auf Art. 14 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten, weil sonst "die grundsätzlich unbeschränkte Befugnis des Vermieters von Wohnraum sanktioniert" würde, "über die Mietsache frei zu verfügen und sie nach vorheriger Vermietung als Wohnraum einem anderen Nutzungszweck zuzuführen".

Rz. 21

(1) Sofern das Berufungsgericht sein Verständnis des Begriffs der "Vormiete" in § 556e Abs. 1 Satz 1 BGB mit den vorstehenden Erwägungen auf eine verfassungskonforme Gesetzesauslegung stützen will, geht dies schon deshalb fehl, weil eine solche Auslegung nach der Rechtsprechung des BVerfG ihre Grenze dort findet, wo sie mit dem Wortlaut der Vorschrift und dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde (vgl. nur BVerfGE 138, 296 Rz. 132 m.w.N.; ebenso BGH, Urt. v. 20.3.2017 - AnwZ (BrfG) 33/16, BGHZ 214, 235 Rz. 44; vom 2.7.2018 - AnwZ (BrfG) 49/17, NJW 2018, 3100 Rz. 72; jeweils m.w.N.; vgl. auch Senat, Urt. v. 28.10.2015 - VIII ZR 158/11, BGHZ 207, 209 Rz. 43). So liegt der Fall hier. Nach seiner - wie oben im Einzelnen ausgeführt - klar zum Ausdruck gekommenen Regelungsabsicht wollte der Gesetzgeber ausschließlich an ein zeitlich unmittelbar vorangegangenes Wohnraummietverhältnis anknüpfen.

Rz. 22

(2) Die oben im Einzelnen dargestellte Auslegung des § 556 Abs. 1 Satz 1 BGB verstößt auch weder gegen Art. 14 Abs. 1 GG noch gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

Rz. 23

Art. 14 Abs. 1 GG gewährleistet keine Investitionssicherheit dahin, dass ein Vermieter ohne Weiteres darauf vertrauen darf, nach Beendigung eines Mietverhältnisses sogleich wieder eine gleich hohe Miete erzielen zu können (BVerfG NJW 2019, 3054 Rz. 103). Zwar tragen Vermieterinnen und Vermieter für die von der Miethöhenregulierung betroffene Wohnungen hohe, häufig kreditfinanzierte Investitionskosten, die sich über Mieteinnahmen nur über einen langen Zeitraum rentieren können und insoweit auf Langfristigkeit angelegt sind (BVerfG, a.a.O., Rz. 76). Auf dem sozialpolitisch umstrittenen Gebiet des Mietrechts müssen sie aber mit häufigen Gesetzesänderungen rechnen und können nicht auf den Fortbestand einer ihnen günstigen Rechtslage vertrauen (vgl. BVerfGE 71, 230, 252). Ein Vertrauen, mit der Wohnung höchstmögliche Mieteinkünfte erzielen zu können, wird durch die Eigentumsgarantie nicht geschützt, weil ein solches Interesse seinerseits vom grundrechtlich geschützten Eigentum nicht umfasst ist (st.Rspr. des BVerfG; vgl. etwa BVerfG NJW 2019, 3054 Rz. 76 m.w.N.).

Rz. 24

Entscheidet sich der Gesetzgeber dennoch - wie hier mit der Regelung des § 556e Abs. 1 Satz 1 BGB -, Vermietern in bestimmtem Umfang Investitionssicherheit zu gewähren, verstößt es auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, die vorgesehene Ausnahme auf den Fall zu beschränken, dass dem Vermieter eine Wohnraummiete erhalten bleibt, die er in dem unmittelbar letzten Mietverhältnis wirksam vereinbart hatte. Denn ein vergleichbares Vertrauen liegt bei einem Vermieter, der sich zuletzt für eine Vermietung zu Gewerbezwecken entschieden hatte - wie ausgeführt - gerade nicht vor. Anders als das Berufungsgericht gemeint hat, besteht daher ein sachlicher Grund für die insoweit vorgenommene Differenzierung.

III.

Rz. 25

Nach alledem kann das Urteil des Berufungsgerichts, soweit es mit der Revision angegriffen ist, in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang keinen Bestand haben; es ist daher insoweit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die nicht entscheidungsreife Sache ist im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), da dieser - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - zur Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete bisher Feststellungen nicht getroffen hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 14197936

NJW 2020, 8

NWB 2020, 3466

NJW-RR 2020, 1337

NZG 2020, 6

NZM 2020, 982

ZMR 2021, 105

ZfIR 2021, 22

JZ 2020, 759

MDR 2020, 11

MDR 2020, 1435

WuM 2020, 727

MietRB 2020, 354

NJW-Spezial 2020, 705

RdW 2021, 188

GuG 2021, 130

immobilienwirtschaft 2021, 48

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