Entscheidungsstichwort (Thema)

Echtheit eines Gemäldes

 

Leitsatz (amtlich)

Für das unmittelbare Erfüllungsinteresse des Käufers hat der Verkäufer, der eine nicht vorhandene Eigenschaft der Kaufsache (hier: Echtheit eines Gemäldes) zugesichert hat, auch dann in unbeschränkter Höhe einzustehen, wenn der hypothetische Wert der Kaufsache, falls diese die zugesicherte Eigenschaft besäße, ihren tatsächlichen Wert und den damit übereinstimmenden Kaufpreis um ein Vielfaches übersteigt.

 

Normenkette

BGB §§ 249, 463 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Düsseldorf

OLG Düsseldorf

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 16. Juli 1992 aufgehoben. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Beklagte ist Kunsthändler. Er verkaufte dem Kläger im November 1990 ein mit „Burra 33” signiertes Ölgemälde zum Preis von 10.000 DM. Auf Wunsch des Klägers übergab er diesem eine handschriftlich abgefaßte und von ihm unter dem Datum des 20. November 1990 unterschriebene Erklärung, die als Urheber des Gemäldes „Eward Burra” nennt und in der es weiter heißt, das Gemälde sei „ein Original von der Hand des Künstlers”. Gestützt auf die Auskunft einer Londoner Galerie, begehrt der Kläger Schadensersatz wegen Nichterfüllung, da das Bild unecht sei. Den ihm dadurch entstandenen Schaden beziffert er auf 290.000 DM. Nach seiner Behauptung hätte das Gemälde, wenn es echt wäre, einen Marktwert von mindestens 300.000 DM. Der Beklagte macht demgegenüber geltend, seine schriftliche Erklärung sei nicht als Eigenschaftszusicherung zu werten, da sie erst nach Abschluß des bereits am 18. November 1990 geschlossenen Kaufvertrages abgefaßt worden sei. Beim Verkauf des Bildes habe er dem Kläger erklärt, er könne über die Urheberschaft keine Angaben machen, da er das Bild selbst erst vor einer Woche erworben und noch keine näheren Recherchen angestellt habe. Im übrigen sei das Bild echt, nämlich ein solches des Malers Burra.

Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, verfolgt der Kläger sein Schadensersatzbegehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob die schriftliche Erklärung des Beklagten bereits bei Abschluß des Kaufvertrages vorlag und ob das dem Kläger verkaufte Gemälde von dem Maler Burra stammt. Es hält den eingeklagten Schadensersatzanspruch schon nach dem eigenen Vorbringen des Klägers für nicht gegeben und hat dazu ausgeführt: Der Beklagte habe zwar in seiner schriftlichen Erklärung vom 20. November 1990 eindeutig die Echtheit des Gemäldes zugesichert. Gleichwohl könne die vom Kläger behauptete Unechtheit den geltend gemachten Schadensersatzanspruch nach § 463 BGB nicht auslösen. Der Umfang des nach dieser Bestimmung zu leistenden Schadensersatzes hänge davon ab, welche Bedeutung der Zusicherung beizulegen sei. Dafür sei entscheidend, welchen Zweck sie verfolge. Zu ersetzen seien nur solche Schäden, vor denen der Käufer durch die Zusicherung gerade habe gesichert sein sollen. Zweck und Tragweite der vom Beklagten gegebenen Zusicherung, die durch Auslegung zu ermitteln seien und sich nach den Besonderheiten des Einzelfalles richteten, machten deutlich, daß die Zusicherung der Echtheit des Gemäldes nicht den Vertragswillen des Beklagten umschlossen habe, die Gewähr auch dafür zu übernehmen, daß das für nur 10.000 DM abgegebene Bild einen tatsächlichen Vermögens- und Marktwert von 300.000 DM haben werde. Es widerspreche aller Lebenserfahrung, daß der Beklagte als Kaufmann und gewerblicher Kunsthändler bei einem Kaufpreis von 10.000 DM für einen Vermögenszuwachs von 290.000 DM habe einstehen wollen. Auch der Kläger habe das verhalten des Beklagten unter Berücksichtigung der Umstände des Vertragsschlusses nach Treu und Glauben so nicht verstehen können. Der geltend gemachte Schaden sei im übrigen auch nicht vom Schutzzweck der §§ 459ff. BGB gedeckt. Die kaufrechtlichen Gewährleistungsvorschriften dienten dem Zweck, den Käufer, der den Preis für eine mangelfreie Ware bezahlt habe, in seinem Vertrauen auf die Mangelfreiheit zu schützen. Aus dieser Sicht gebühre dem Kläger aber kein Vertrauensschutz, da er den Kaufpreis für eine mangelfreie Ware, der nach seiner eigenen Darstellung bei 300.000 DM gelegen hätte, gerade nicht gezahlt habe. Schließlich beschränke sich die Zusicherungshaftung nach § 463 BGB auf solche Schäden, welche die Zusicherung üblicherweise miterfassen solle. Daran fehle es hier, denn es sprenge die „Grenzen der Normalität”, daß eine Zusicherung über einen Kaufgegenstand „gleichzeitig beinhalten (solle), der gekaufte Gegenstand habe den 30-fachen Wert des tatsächlich gezahlten Kaufpreises”. Eine arglistige Täuschung seitens des Beklagten sei nicht schlüssig dargetan, ein etwaiger Schaden wegen und in Höhe des vom Kläger gezahlten Kaufpreises jedenfalls nicht eingeklagt.

II.

Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung in entscheidenden Punkten nicht stand.

1. Zutreffend und von der Revision unbeanstandet sieht das Berufungsgericht in der Urheberschaft des verkauften Bildes eine verkehrswesentliche Eigenschaft (vgl. BGHZ 63, 369, 371; Urteil vom 8. Juni 1988 – VIII ZR 135/87 = WM 1988, 1415 unter II 1 b aa), deren zusicherungswidriges Fehlen Schadensersatzansprüche nach § 463 BGB auslösen kann.

2. Ob der Verkäufer eine bestimmte Eigenschaft der Kaufsache zugesichert hat, ist in erster Linie eine Frage tatrichterlicher Vertragsauslegung (BGH, Urteile vom 7. Oktober 1987 – VIII ZR 255/86 = WM 1987, 1460 unter II 3 a aa und vom 4. Oktober 1989 – VIII ZR 233/88 = WM 1989, 1894 unter II 1 a). Die Auslegung der Erklärung des Beklagten vom 20. November 1990 als Zusicherung der Echtheit des verkauften Gemäldes ist wiewohl nicht zwingend (dazu unten IV), so doch möglich und daher für das Revisionsgericht bindend (BGH, Urteil vom 4. Oktober 1989 a.a.O.). Das ist nicht anders, wenn der Kaufvertrag, wie der Beklagte behauptet, von den Parteien bereits am 18. November 1990 mündlich abgeschlossen worden war. Denn eine Zusicherung ist – gegebenenfalls im Wege der Vertragsänderung – auch nachträglich möglich (z.B. Soergel/Huber, BGB, 12. Aufl., § 459 Rdnr. 168 m. Nachw.).

3. Für die Entscheidung im Revisionsverfahren ist mangels abweichender Feststellungen des Berufungsgerichts ferner vom Sachvortrag des Klägers auszugehen, das verkaufte Gemälde stamme nicht von dem Maler Burra. Dies unterstellt, sind die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs gegen den Beklagten gemäß § 463 Satz 1 BGB erfüllt. Danach kann der Käufer verlangen, durch Wertersatz in Geld so gestellt zu werden, als besäße die Kaufsache die vom Verkäufer zugesicherte Eigenschaft. Entscheidet er sich – wie hier der Kläger – für den sogenannten „kleinen Schadensersatz”, so hat er Anspruch auf die Wertdifferenz zwischen dem hypothetischen Vermögensstand, der gegeben wäre, wenn die Sache bei Gefahrübergang mangelfrei gewesen wäre, und dem Vermögensstand, wie er sich infolge des Sachmangels tatsächlich darstellt (BGHZ 50, 200, 204; BGH, Urteil vom 8. Januar 1975 – VIII ZR 124/73 = WM 1975, 230 unter I und vom 9. Oktober 1964 – V ZR 109/62 = NJW 1965, 34 unter 4; MünchKomm-H. P. Westermann, BGB, 2. Aufl., § 463 Rdnrn. 19, 25; Soergel/Huber a.a.O. § 463 Rdnr. 53; Staudinger/Honsell, BGB, 12. Aufl., § 463 Rdnr. 35). Läge der Wert des dem Kläger verkauften Gemäldes, wenn es von dem Maler Burra stammte, bei 300.000 DM, wie mangels abweichender Feststellungen des Berufungsgerichts für das Revisionsverfahren zu unterstellen ist, so beläuft sich die Wertdifferenz zwischen dem hypothetischen und dem tatsächlichen Vermögensstand des Klägers und damit der ihm zu ersetzende Nichterfüllungsschaden auf die Klageforderung von 290.000 DM.

4. Ob der Beklagte mit der Zusicherung der Echtheit des Bildes die Gewähr auch für dessen den Kaufpreis um ein Vielfaches übersteigenden Marktwert übernehmen und für einen entsprechenden Vermögenszuwachs auf Seiten des Klägers einstehen wollte, ist in der hier zu beurteilenden Fallkonstellation entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts für den Umfang der Schadensersatzpflicht des Verkäufers aus § 463 Satz 1 BGB ohne Belang. Die vom Berufungsgericht in diesem Zusammenhang erörterten Gesichtspunkte des Zwecks und der Tragweite der gegebenen Zusicherung sind nur dort von Bedeutung, wo es um die Zusicherungshaftung des Verkäufers für Mangelfolgeschäden geht. Diese hängt in der Tat entscheidend davon ab, ob die vom Verkäufer. gegebene Zusicherung den Käufer auch und gerade gegen Folgeschäden absichern sollte (vgl. dazu die vom Berufungsgericht rechtsirrig für seine Auffassung angeführten Senatsurteile BGHZ 50, 200 und vom 14. März 1973 – VIII ZR 137/71 = NJW 1973, 843). Auch die Kommentarstellen, auf die das Berufungsgericht sich zur Stützung seiner Auffassung glaubt beziehen zu können, befassen sich allein mit der Haftung des Verkäufers für Mangelfolgeschäden (MünchKomm-Grunsky, BGB, 2. Aufl., vor § 249 Rdnr. 45; Staudinger/Honsell a.a.O. § 463 Rdnr. 37, je m. w. Nachw.). Im Streitfall geht es demgegenüber um die Haftung des beklagten Verkäufers für das unmittelbare Erfüllungsinteresse des Käufers. Für dieses hat der Verkäufer, der eine nicht vorhandene Eigenschaft zugesichert hat, nach § 463 Satz 1 BGB stets einzustehen. Denn es macht gerade das Wesen der Eigenschaftszusicherung aus, daß der Verkäufer mit ihr in vertragsmäßig bindender Weise die Gewähr für das Vorhandensein einer Eigenschaft übernimmt und damit die Bereitschaft zu erkennen gibt, für alle Folgen des Fehlens dieser Eigenschaft einzustehen (BGHZ 59, 158, 160; Urteile vom 3. November 1982 – VIII ZR 282/81 = WM 1982, 1382 unter 1 2 b und vom 16. Januar 1985 – VIII ZR 54/84 = WM 1985, 321 unter 11 1; vgl. z.B. auch Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, 5. Aufl., S. 157, 159). Ist eine nicht vorhandene Eigenschaft zugesichert, so haftet der Verkäufer ohne Rücksicht auf seine bei Vertragsabschluß vorhandenen Vorstellungen für alle unmittelbaren Folgen des Fehlens der zugesicherten Eigenschaft. Die vom Berufungsgericht rechtsirrig unter dem Gesichtspunkt des Umfangs der Schadensersatzpflicht erörterte Frage, inwieweit der Beklagte für die Folgen mangelnder Echtheit des verkauften Bildes einstehen wollte und wie der Kläger die Erklärung des Beklagten über die Echtheit des Gemäldes unter Berücksichtigung der Umstände des Vertragsschlusses nach Treu und Glauben verstehen durfte, ist vielmehr von entscheidender Bedeutung bereits für die im Wege der Vertragsauslegung zu beantwortende Frage, ob eine ihrem Wortlaut nach „eindeutige” Eigenschaftsangabe im Rechtssinne als Eigenschaftszusicherung zu werten ist (BGHZ 59, 158, 160f.; Urteile vom 3. November 1982 und vom 16. Januar 1985 jeweils a.a.O.).

5. Die Haftung des Beklagten für das unmittelbare Erfüllungsinteresse des Klägers läßt sich entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch nicht mit der Begründung verneinen, der geltend gemachte Schaden falle nicht in den Schutzbereich der kaufrechtlichen Gewährleistungshaftung nach §§ 459ff. BGB. Das Berufungsgericht zieht die Grenze des Schutzbereichs des § 463 Satz 1 BGB zu eng, wenn es in ihn nur den Käufer einbeziehen will, der einen dem Verkehrswert der Kaufsache entsprechenden Kaufpreis gezahlt hat. Damit stünde der Käufer schutzlos, dem es – aus welchen Gründen auch immer – gelungen ist, zu einem besonders günstigen Kaufpreis abzuschließen. Für eine derartige Einschränkung der Haftung nach § 463 BGB besteht keine Veranlassung. Das vom Berufungsgericht für seine gegenteilige Ansicht zitierte Urteil des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 30. Januar 1990 (XI ZR 63/89 = MDR 1990, 715 = WM 1990, 808) betrifft einen nicht vergleichbaren Sachverhalt (Begrenzung der Haftung wegen fehlerhafter steuerlicher Beratung).

6. Schließlich läßt sich ein Ausschluß der Haftung des Beklagten auch nicht mit der Erwägung begründen, der hier geltend gemachte Schaden sprenge die „Grenzen der Normalität”. Der Grundsatz, daß die Zusicherungshaftung nach § 463 BGB sich nur auf solche Schäden erstreckt, die von der Zusicherung typischerweise miterfaßt werden sollten, betrifft, wie die vom Berufungsgericht hierfür angeführte Kommentarstelle belegt, wiederum allein die Haftung des Verkäufers für Mangelfolgeschäden (Reich in AK-BGB § 463 Rdnrn. 6ff.). Für den hier zu beurteilenden Fall der Haftung für das unmittelbare Erfüllungsinteresse des Käufers ist eine solche Einschränkung nicht anzuerkennen.

III.

Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, eine arglistige Täuschung des Klägers über die Unechtheit des Gemäldes sei nicht schlüssig dargetan. Aus dem Umstand, daß der Beklagte es ungeachtet der vom Kläger geäußerten und durch die Auskunft der englischen Galerie gestützten Zweifel nach wie vor für echt hält, läßt sich Arglist nicht herleiten. Auf den von der Revision als übergangen gerügten Sachvortrag des Beklagten kommt es insoweit nicht an, weil der Kläger sich diesen nicht zu eigen gemacht hat.

IV.

Mit der gegebenen Begründung kann das Berufungsurteil somit keinen Bestand haben. Eine eigene abschließende Entscheidung ist dem Senat nicht möglich, da es dazu weiterer tatsächlicher Feststellungen zur Echtheit des Bildes und gegebenenfalls zur Höhe des Schadens bedarf. Damit diese getroffen werden können, ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird bei der erneuten Verhandlung und Entscheidung des Rechtsstreits ohne Bindungswirkung an seine aufgehobene Entscheidung (BGHZ 106, 219, 221) Gelegenheit haben, die von ihm aufgezeigten – und die von den Parteien darüber hinaus vorgetragenen – besonderen Umstände des Vertragsschlusses bereits bei der Frage zu berücksichtigen, ob die Erklärung des Beklagten über die Urheberschaft des verkauften Gemäldes als Zusicherung seiner Echtheit zu werten ist.

 

Fundstellen

BB 1993, 1316

NJW 1993, 2103

ZIP 1993, 1004

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