Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung des persönlich haftenden Gesellschafters. Verjährung. Enthaftung des ausgeschiedenen Gesellschafters für Ansprüche aus Dauerschuldverhältnissen

 

Leitsatz (amtlich)

Der ehemalige Gesellschafter haftet für solche Ansprüche aus Dauerschuldverhältnissen der Gesellschaft nicht, die erst nach fünf Jahren fällig werden, nachdem sein Ausscheiden aus der Gesellschaft im Handelsregister eingetragen worden ist.

 

Orientierungssatz

1. Nach HGB § 128 haftet der Gesellschafter persönlich den Gesellschaftsgläubigern und deren Rechtsnachfolgern für alle Verbindlichkeiten der Gesellschaft und damit auch für deren dienstvertragliche Verpflichtungen als Arbeitgeberin, hier: Versorgungsansprüche aus betrieblicher Altersversorgung.

2. HGB § 159 Abs 3 regelt die Fälle der Dauerschuldverhältnisse nicht.

 

Tatbestand

Der 1899 geborene Kläger war persönlich haftender Gesellschafter der C. T Söhne & Co. KG. Mit Wirkung zum 31. Dezember 1964 schied er aus der Gesellschaft aus, blieb aber bis 1967 als Geschäftsleiter für sie tätig. Unter dem 9. Mai 1969 versprach die C. T Söhne & Co. KG dem Kläger eine monatliche Altersrente von 3.000 DM, die bei Änderungen des Tarifgehaltes der Gruppe K 4 nach dem geltenden Tarifabkommen mindestens das 2 1/2fache jenes Gehalts ausmachen sollte. Nach einer Tarifänderung sicherte die Gesellschaft mit Schreiben vom 16. Juni 1970 dem Kläger zu, seine Pension künftig nach der Höchststufe der Tarifgruppe K 6 zu berechnen. Am 12. August 1977 wurde über das Vermögen der Gesellschaft der Konkurs eröffnet.

Der Beklagte hat den Kläger als Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung auf Zahlung seiner Rente für die Zeit von Juni 1977 bis Dezember 1980 in Höhe von insgesamt 108.922,40 DM in Anspruch genommen.

Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Nach Aufhebung des Berufungsurteils durch Revisionsurteil vom 1. Juni 1981 – II ZR 140/80 (abgedr. in WM 1981, 814), hat das Oberlandesgericht der Klage in Höhe von 50.920,80 DM stattgegeben. Mit der Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, möchte der Beklagte die volle Abweisung der Klage erreichen.

 

Entscheidungsgründe

1. Das Berufungsgericht geht davon aus, daß der Kläger insgesamt 16 Jahre (1952 bis 1967) in leitender Stellung für das Unternehmen der C. T Söhne & Co. KG tätig gewesen ist, davon die Jahre 1965 bis 1967 als angestellter Betriebsleiter ohne gesellschaftliche Beteiligung. Den hierauf entfallenden 3/16 Anteil des monatlichen Ruhegehalts, das ihm aufgrund der Versorgungszusage vom 9. Mai 1969/16. Juni 1970 mit monatlich 5.815,39 DM für Juni bis Dezember 1977, 6.105,43 DM für 1978, 6.367,94 DM für 1979 und Januar 1980 sowie von 6.801,92 DM für die restlichen Monate des Jahres 1980 (insgesamt in Höhe von 271.577,23 DM) zustand, errechnet es mit 50.920,80 DM. In dieser Höhe billigt es dem Kläger gemäß dem Urteil des Senats vom 1. Juni 1981 einen Anspruch gegen den Beklagten nach § 7 Abs. 1 BetrAVG zu.

Eine Minderung dieses Betrages unter dem Gesichtspunkt, daß er mit Rücksicht auf die zeitweilige Unternehmerstellung des Klägers unangemessen hoch festgesetzt sei, hält es nicht für geboten, weil die im Jahre 1969 vereinbarte Rente von 3.000 DM mit Anpassung entsprechend dem in Bezug genommenen Tarifgehalt nicht aus dem Rahmen dessen gefallen sei, was notwendig gewesen sei, um den laufenden Bedarf des Klägers unter Wahrung seines Lebensstandards zu decken. Bei seinem Ausscheiden zum Jahresende 1967 habe der 1899 geborene Kläger das normale Ruhestandsalter bereits überschritten und keine Aussicht mehr gehabt, anderweitig noch eine Altersversorgung zu erarbeiten. Eine sonstige Versorgung habe er nicht bezogen. Hinzu komme, daß der Kläger die Geschicke des Unternehmens wesentlich mitgeprägt habe. Auch stehe die Höhe der ihm versprochenen Pension nicht außer Verhältnis zu dem letzten Gehalt von monatlich 4.135 DM, das der Kläger als angestellter Geschäftsleiter erhalten habe.

Diese Würdigung ist nach den Grundsätzen, die der Senat in seinem ersten Revisionsurteil vom 1. Juni 1981 und namentlich auch in seinem Urteil vom 28. September 1981 – II ZR 181/80 (WM 1981, 1344) aufgestellt hat, nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht war gehalten, in seine Angemessenheitsprüfung auch die Dienste, die der Kläger dem Unternehmen als Geschäftsführer in der Zeit geleistet hat, als er an dem Unternehmen beteiligt war, und die Tatsache einzubeziehen, daß er bei seinem Alter auf die von der C. T Söhne & Co. KG versprochene Versorgung angewiesen war. Entgegen der Ansicht der Revision brauchte es dabei nicht schon nach der Lebenserfahrung zu dem Schluß kommen, die frühere maßgebliche Beteiligung des Klägers habe die ihm nach Eintritt in den Ruhestand erteilte Versorgungszusage beeinflußt. Beweispflichtig hierfür war der Beklagte (Urt. d. Sen. v. 16.3.1981 – II ZR 222/79, WM 1981, 762, 764). Sein Hinweis auf die Renten, die andere im Betrieb Beschäftigte über eine besondere Unterstützungskasse zusätzlich zu ihren Sozialversicherungsansprüchen bezogen, bot keinen geeigneten Vergleichsmaßstab für die Beurteilung der direkten Versorgungszusage, die der Kläger in der persönlich herausgehobenen Vertrauensstellung eines Betriebsleiters erhalten hat (Urt. d. Sen. v. 28.9.1981, aaO, S. 1344, 1347).

2. Rechtlich fehlerfrei hält das Berufungsgericht eine Haftung des Klägers als persönlich haftenden Gesellschafters der Kommanditgesellschaft auf Erfüllung seiner eigenen Pensionsansprüche, die der Beklagte diesem Anspruch gemäß § 7 Abs. 2 BetrAVG entgegenhalten könnte, nicht für gegeben. Denn der Kläger ist lediglich Gläubiger und nicht zugleich auch als sein eigener Arbeitgeber Schuldner der ihm versprochenen Versorgungsrente. Gegenüber der Gesellschaft hätte er seinen Versorgungsanspruch ungeachtet seiner Haftung für deren sonstige Verbindlichkeiten uneingeschränkt geltend machen können. Infolgedessen fehlt es an einer Forderung der Gesellschaft gegen ihn, die auf den Beklagten hätte übergehen können. Ein Zusammenfall von Forderung und Schuld in seiner Person, wie er der Revision vorschwebt, scheidet daher aus.

3. Das Berufungsgericht versagt dem Beklagten auch die Befugnis, mit den nach § 9 Abs. 2 BetrAVG auf ihn übergegangenen Versorgungsansprüchen anderer Arbeitnehmer der in Konkurs geratenen Gesellschaft bis zur Pfändungsgrenze gegenüber dem Pensionsanspruch des Klägers aufzurechnen. Zwar hafte der Kläger als früherer persönlich haftender Gesellschafter der Pensionsschuldnerin für jene Ansprüche grundsätzlich nach § 128 HGB. Das gelte auch gegenüber dem Beklagten als dem Rechtsnachfolger der Versorgungsschuldnerin. Der Schutzzweck der gesetzlichen Insolvenzsicherung verbietet es aber dem Beklagten, gegenüber dem als (oder wie ein) Arbeitnehmer erworbenen Teil des Versorgungsanspruchs eines früheren persönlich haftenden Gesellschafters mit eben solchen Forderungen anderer Versorgungsberechtigter desselben Unternehmens aufzurechnen. Das Betriebsrentengesetz wolle die als Arbeitnehmer erworbenen Aussichten auf eine betriebliche Altersversorgung zur Erhaltung des Lebensstandards möglichst umfassend rechtlich absichern. Diesem Grundgedanken würde es widersprechen, wenn die in der Arbeitnehmerzeit erworbene Teil-Versorgungsberechtigung wegen der zu einer anderen Zeit begründeten Unternehmerhaftung weitgehend ausgehöhlt würde. Er erfordere es vielmehr, den ehemaligen persönlich haftenden Gesellschafter insgesamt einem Arbeitnehmer gleichzustellen, soweit er seine Versorgung als solcher verdient habe. Die darin liegende Benachteiligung des Beklagten gegenüber anderen Gesellschaftsgläubigern, die auf dem pfändungsfreien Teil der Rente zugreifen könnten, belaste ihn nicht schwerwiegend und müsse hinter den Gesichtspunkt des Arbeitnehmerschutzes zurücktreten.

Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision nicht stand. Daraus, daß § 9 Abs. 2 BetrAVG nur von Versorgungsansprüchen gegen den „Arbeitgeber” spricht, läßt sich nach der insoweit zutreffenden Auffassung des Berufungsgerichts (entgegen Ulmer/Wiesner, ZHR 1980, 393, 416) der Ausschluß einer Verpflichtung des persönlich haftenden Gesellschafters nicht herleiten. Denn nach § 128 HGB haftet der Gesellschafter persönlich den Gläubigern der Gesellschaft und deren Rechtsnachfolgern für alle Verbindlichkeiten der Gesellschaft und damit auch für deren dienstvertragliche Verpflichtungen als Arbeitgeberin.

Mit der hierdurch begründeten Forderung kann der Beklagte auch gegen einen nach § 7 BetrAVG von ihm zu erfüllenden Versorgungsanspruch des persönlich haftenden Gesellschafters aufrechnen. Zwar ist es richtig, daß der Zweck des § 7 BetrAVG darin zu sehen ist, Versorgungsansprüche gegen die Folgen einer Insolvenz des Schuldners umfassend und verläßlich abzusichern und so dem Berechtigten die Aufrechterhaltung seines im Berufsleben erworbenen Standards auch im Ruhestand zu ermöglichen. Dieser Gesichtspunkt vermag aber ein über § 394 BGB hinausgehendes Aufrechnungsverbot nicht zu begründen. Dadurch, daß § 7 BetrAVG es dem Beklagten zur Aufgabe macht, unter Einsatz der ihm nach § 10 BetrAVG geschuldeten Beiträge bis zur Höchstgrenze des § 7 Abs. 3 BetrAVG dafür zu sorgen, daß ein Pensionsberechtigter durch die Insolvenz seines Schuldners keine Einbuße erleidet, soll der Berechtigte rechtlich nicht besser gestellt werden, als er zuvor gestanden hat. Vor dem Übergang des Pensionsanspruchs auf den Beklagten könnte aber der für Gesellschaftsverbindlichkeiten nach § 128 HGB haftende Versorgungsberechtigte gegenüber einem Pfändungsgläubiger nicht geltend machen, die Pfändung der Rente widerspreche überhaupt ihrem Versorgungszweck. Ebenso wäre die Gesellschaft selbst nicht gehindert, in den Grenzen der §§ 850 ff ZPO i.V.m. § 394 BGB gegen den Versorgungsanspruch aufzurechnen. Die Zweckgebundenheit einer Versorgungsrente als Mittel zur Sicherung des Lebensunterhalts im Ruhestand berücksichtigt das Gesetz nur im Rahmen der Pfändungsgrenzen. Ein weitergehendes Pfändungs- und Aufrechnungsverbot hält es auch im Hinblick auf den Versorgungscharakter einer Rente nicht für erforderlich. Einen zusätzlichen Schutz kann in Ermangelung einer besonderen Regelung auch § 7 BetrAVG nicht bieten. Das gilt für den Beklagten in gleicher Weise wie für jeden anderen Gläubiger des Versorgungsberechtigten, dem z. B. der Beklagte den auf ihn übergegangenen Versorgungsanspruch weiter übertragen hat.

4. Es kommt daher darauf an, ob der Kläger für die vom Beklagten hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Betriebsrenten nach allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen haftet. Der Beklagte hatte dazu behauptet, auf ihn seien gemäß § 9 Nr. 2 BetrAVG Betriebsrentenansprüche von 13 namentlich genannten Arbeitnehmern der C. T Söhne & Co. KG übergegangen, die von der Gesellschaft am 6. Juli 1964 zugesagt worden seien und auf die er, der Beklagte, in der Zeit vom 1. November 1978 bis zum 31. August 1981 insgesamt 32.436 DM ausbezahlt habe (Schriftsatz vom 30.9.1981 S. 5). Trifft das zu, dann fielen die Zusagen in einen Zeitraum, in dem der Kläger der Kommanditgesellschaft noch als persönlich haftender Gesellschafter angehörte, und damit in seine Haftung, auch wenn die Versorgungsfälle erst später eingetreten sein sollten (§ 128 HGB). Demgegenüber greift die Verjährungseinrede des Klägers nicht durch. Nach § 159 HGB verjähren zwar Ansprüche gegen einen Gesellschafter binnen 5 Jahren, nachdem im Handelsregister eingetragen worden ist, daß er ausgeschieden ist. Nach § 159 Abs. 3 HGB beginnt aber diese Verjährung für Ansprüche, die erst nach dem Ausscheiden fällig werden, mit dem Zeitpunkt ihrer Fälligkeit, so daß eine Verjährung der von dem Beklagten aus der Zeit von 1978 bis 1981 geltend gemachten Betriebsrenten nicht in Betracht kommt, wenn der Kläger für diese noch haften sollte.

Das ist aber, wie dem Berufungsgericht im Ergebnis zuzustimmen ist, nicht der Fall. Der erkennende Senat hat bereits im Urteil vom 19. Dezember 1977 (BGHZ 70, 132, 136) zum Ausdruck gebracht, es könne nicht im Sinne des Gesetzes liegen, daß ein ausgeschiedener Gesellschafter zeitlich so gut wie unbegrenzt für Dauerverbindlichkeiten seiner früheren Gesellschaft haftbar gemacht werde. Seine Rechtsposition wird ohnehin, nachdem er ausgeschieden ist, zunehmend ungünstiger. Er hat alle gesellschaftsrechtlichen Einfluß- und Kontrollrechte verloren und kann nicht einmal mehr übersehen, wie sich das Unternehmen nach seinem Ausscheiden entwickelt. Er beläßt der Gesellschaft zwar das zur Deckung seines Anteils an den Gesellschaftsschulden erforderliche Vermögen, indem er sich mit einer entsprechend gekürzten Abfindung begnügen muß. Er kann aber die Verwaltung dieses Vermögens in keiner Weise beeinflussen und deshalb geschäftliche Fehlentwicklungen nicht verhindern. Die Gesellschaft hat ihn zwar von den gemeinschaftlichen Schulden zu befreien. Dazu ist sie aber in der Regel gerade dann nicht mehr fähig, wenn es dazu kommt, daß er trotz seines Ausscheidens in Anspruch genommen wird. Zu Sicherheitsleistungen der Gesellschaft, wie er sie nach dem Gesetz für noch nicht fällige Gesellschaftsverbindlichkeiten verlangen könnte, kommt es in der Praxis kaum, weil die Gesellschaften damit wegen der hohen Beträge für langandauernde Verpflichtungen häufig überfordert sein würden. Unter solchen Umständen wäre dem ausgeschiedenen Gesellschafter, wenn es bei der Anwendung des § 159 Abs. 3 HGB sein Bewenden hätte, ein nicht mehr überschaubares und unzumutbares Risiko aufgebürdet, das er nicht übernehmen kann; dieses wäre entweder ein Hindernis für die Übernahme jedweder unbeschränkten persönlichen Haftung in den Handelsgesellschaften oder aber, was die Betriebsrenten angeht, ein Hemmnis für die – sozial erwünschte – Gewährung solcher Ansprüche. § 159 Abs. 3 HGB hat seinen guten Sinn in den Fällen, in denen der Gläubiger bei den normalen Austauschgeschäften des täglichen Lebens vor dem Ausscheiden eines Gesellschafters einen Anspruch gegen die Gesellschaft erworben hat, die Leistungspflicht der Gesellschaft aber aus Gründen des Einzelfalles gestundet oder sonst irgendwie hinausgeschoben worden ist. Für Dauerschuldverhältnisse, bei denen die Gesellschaft nach dem Ausscheiden des Gesellschafters auf lange, vielleicht unabsehbare Zeit hinaus laufende Leistungen zu erbringen hat, bietet die Vorschrift keinen angemessenen Lösungsweg, zumal der Gesichtspunkt, daß dem Gesellschaftsgläubiger die bei Vertragsschluß bestehende, die persönliche Haftung des später Ausgeschiedenen einschließende Haftungsgrundlage erhalten bleiben müsse, mit fortschreitender Zeit an Überzeugungskraft verliert: Je länger nämlich ein Unternehmen nach dem Ausscheiden des Gesellschafters sich wirtschaftlich bewährt und je später es vielleicht dann doch seine Leistungsfähigkeit einbüßt, umso weniger kann das in der Regel darauf zurückgeführt werden, daß sich vor Jahren die wirtschaftliche Grundlage des Unternehmens durch das Ausscheiden des Gesellschafters verändert habe. Im Schrifttum wird daher mit Recht die Auffassung vertreten, daß es zwar der Normzweck und die Funktion des § 159 HGB sei, den Gesellschafter vor einer dauernden Inanspruchnahme zu schützen, daß dem Gesetzgeber aber die Problematik der Dauerschuldverhältnisse offensichtlich nicht bewußt gewesen sei und die Vorschrift daher diese Fälle in Wahrheit gar nicht regele (Ulmer/Wiesner, ZHR 1980, 393, 398 ff m.w.N.).

Die Lücke, die das Gesetz damit enthält, kann, wie der Senat schon in dem oben genannten Urteil ausgeführt hat, sinnvoll nur in der Weise ausgefüllt werden, daß die Haftung des ausgeschiedenen Gesellschafters in Fällen dieser Art – unabhängig von den Verjährungsfristen des § 159 HGB – zeitlich in vernünftiger Weise begrenzt wird. Dazu ist es erforderlich, das berechtigte Interesse des jeweiligen Gesellschaftsgläubigers gegen das des ausscheidenden Gesellschafters sorgfältig abzuwägen, um zu einer für alle Beteiligten tragbaren Lösung zu kommen. Bei bestimmten Rechtsverhältnissen, die in nicht zu langer Zeit gekündigt werden können und bei denen dem Gläubiger die Kündigung auch zugemutet werden kann, wenn er an der künftigen Zahlungsfähigkeit der um den ausgeschiedenen Gesellschafter geschmälerten Gesellschaft Zweifel hat, hat der Senat den ersten Kündigungszeitpunkt nach der Eintragung des Ausscheidens des Gesellschafters als möglichen Enthaftungszeitpunkt angesehen (BGHZ 70, 132, 136). Für Ansprüche, die auf Verträgen über einen längerwährenden Leistungsaustausch im allgemeinen Wirtschaftsverkehr mit Kündigungsfristen unter fünf Jahren beruhen, wird das auch sonst gelten können. Dagegen ist dem Bundesarbeitsgericht (AP HGB § 128 Nr. 1) ohne weiteres darin zu folgen, daß ein solcher Kündigungszeitpunkt nicht geeignet ist, die Haftung für Lohnansprüche von aktiven Arbeitnehmern kurzfristig zu beseitigen, weil der Arbeitsplatz für diese eine so große Bedeutung hat, daß sie nicht ernsthaft erwägen können, diesen allein wegen des Ausscheidens eines Gesellschafters aufzugeben. Geht es, wie hier, um Versorgungsansprüche auf Grund eines beendeten Arbeitsverhältnisses, kommt eine mögliche Kündigung als Anknüpfungszeitpunkt für die Enthaftung von vornherein nicht in Betracht, da nichts mehr zu kündigen ist. Für Ansprüche aus Dauerschuldverhältnissen, bei denen entweder eine baldige Kündigung aus tatsächlichen Gründen ausgeschlossen, nicht zumutbar oder, weil im Vertrage nicht vorgesehen, (ohne wichtigen Grund) rechtlich nicht möglich ist, bleibt daher nur übrig, an einen festen Zeitraum nach dem Ausscheiden des Gesellschafters anzuknüpfen, nach dessen Ablauf seine Haftung erlischt. Da dem § 159 HGB die gesetzliche Wertung zu entnehmen ist, daß der ausgeschiedene Gesellschafter, von Ausnahmen abgesehen, grundsätzlich nach fünf Jahren von dem Risiko einer fortbestehenden Haftung freigestellt werden soll (Alfred Hueck, Das Recht der OHG 4. Aufl. S. 523; Schlegelberger/Geßler, HGB 4. Aufl. Übers. vor § 159; Schilling in Großkomm. HGB 3. Aufl. § 159 Anm. 1; Düringer/Hachenburg/Flechtheim, HGB 3. Aufl. Vorbem. § 159 Anm. 1; sämtl. m.w.N.) hält es der Senat für gerechtfertigt, diese Frist in der Weise zu übernehmen, daß sie mit der Eintragung des Ausscheidens des Gesellschafters im Handelsregister zu laufen beginnt und spätestens die nach ihrem Ablauf fällig werdenden Ansprüche der Haftung des Ausgeschiedenen nicht mehr unterliegen.

Die Frist von fünf Jahren ist auch mit den Interessen der anspruchsberechtigten Betriebsrentenempfänger zu vereinbaren. Es liegt allerdings auf der Hand, daß die Bedenken gegen eine Entlastung des ausgeschiedenen Gesellschafters von der Haftung aus Dauerschuldverhältnissen geringer sind, wenn – wie es in der Regel der Fall ist – die von der Gesellschaft mit dem Gläubiger vereinbarten Leistungen von beiden Seiten auch nach dem Ausscheiden des Gesellschafters laufend immer weiter zu erbringen sind und der Ausgeschiedene am Ergebnis dieser Geschäfte und Rechtsverhältnisse nicht teilnimmt, aber für Fehlschläge einstehen soll. Bei den Pensionsansprüchen ist das anders; der Anspruchsberechtigte hat oft seine Versorgung bis zum Ausscheiden des Gesellschafters durch langjährige Arbeitsleistung schon voll oder doch zu einem wesentlichen Teile verdient, und nur die Gesellschaft, der die Arbeitsleistung zugutegekommen ist, hat noch Leistungen zu erbringen. An und für sich wäre das Sicherungsinteresse des Betriebsrentners, der für die Erhaltung seines Lebensstandards meist nichts mehr einzusetzen hat, im Verhältnis zum Interesse des Ausgeschiedenen wesentlich höher zu bewerten, als das bei den Dauerschuldverhältnissen der Fall ist, bei denen der Leistungsaustausch fortdauert und sich gegenseitige Ansprüche immer neu entwickeln. In diesem Zusammenhang kann aber nicht unberücksichtigt bleiben, daß in allen hier zu erörternden Versorgungsfällen der Anspruchsberechtigte selbst der Haftung des ausgeschiedenen Gesellschafters gar nicht bedarf, wenn die Gesellschaft zahlungsunfähig wird. Denn in diesem Falle erwirbt er gemäß § 7 Abs. 1 und 2 BetrAVG einen unmittelbaren Anspruch gegen den Pensionssicherungsverein, also den Beklagten. Zweck dieser Sicherung ist, wie der nach § 9 Abs. 2 BetrAVG geregelte Übergang der Versorgungsansprüche auf den Pensionssicherungsverein zeigt, zwar keineswegs die Haftungsfreistellung des Arbeitgebers und der für sie haftenden Personen, sondern ausschließlich das Interesse des Versorgungsberechtigten, das Ruhegeld auch im Insolvenzfall zu erhalten. Das ändert aber nichts daran, daß dem bei der Abwägung der Interessen gewichtigsten Argument gegen eine Enthaftung des Gesellschafters, die besondere persönliche Schutzbedürftigkeit des Versorgungsempfängers, keine Bedeutung mehr zukommt, wenn der Pensionssicherungsverein eintritt. Für diesen bedeutet zwar die verkürzte Haftung ausgeschiedener persönlich haftender Gesellschafter, daß er Regreßmöglichkeiten verliert und diesen Ausfall durch Beiträge seiner Mitglieder ausgleichen muß. Das ist aber eine reine Vermögenseinbuße ohne jenen persönlich – sozialen Einschlag, die auch im Verhältnis zu den Gesamtaufwendungen des Beklagten nicht sehr erheblich ins Gewicht fallen wird. Eine Beschränkung der Gesellschafterhaftung des § 128 HGB auf ein zumutbares Maß liegt in einem weiteren Sinne auch im Interesse der Wirtschaft, die die Beiträge für den Beklagten als Träger der Insolvenzsicherung aufzubringen hat. Daß grundlegende Interessen des Pensionssicherungsvereins nicht verletzt werden, zeigt schließlich die Tatsache, daß dieser Enthaftungsvereinbarungen mit persönlich haftenden Gesellschaftern für den Fall ihres Ausscheidens billigt, die in Anlehnung an § 159 HGB eine fünfjährige Verjährung für das „Rentenstammrecht” vorsehen (Nachweise bei Lieb, ZHR 1980, 427, 443; Höfer/Kemper, DB 1978, 1641, 1645).

Der Senat lehnt sich damit in Weiterführung seiner bisherigen Rechtsprechung insbesondere auch an Gedanken an, die Ulmer/Wiesner im Anschluß an das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 21. Juli 1977 – 3 AZR 189/76 – (AP Nr. 1 zu § 128 HGB) für die Einschränkung des Haftungsumfangs des ausgeschiedenen Gesellschafters entwickelt haben (ZHR aaO). Das genannte Urteil, in dem der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts seinerzeit für Ansprüche von Arbeitnehmern auf Arbeitslohn eine uneingeschränkte Gesellschafter-Nachhaftung unter voller Anwendung des § 159 Abs. 3 HGB angenommen hatte, steht der hier zu treffenden Entscheidung nicht mehr entgegen, nachdem derselbe Senat in seinem Urteil vom 3. Mai 1983 – 3 AZR 1263/79 (zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung bestimmt) – ausgeführt hat, allgemeine Grundsätze des Gesellschaftsrechts könnten zu einer zeitlichen Begrenzung der Nachhaftung ausgeschiedener Gesellschafter führen, was im Urteil vom 21. Juli 1977 nicht hinreichend berücksichtigt worden sei.

Nicht zu folgen ist dagegen der weitergehenden Ansicht von Ulmer/Wiesner, daß eine Haftung des ausgeschiedenen Gesellschafters für Ruhegeldansprüche entsprechend § 613 a BGB grundsätzlich überhaupt nicht in Betracht komme, wenn der Versorgungsfall – wie es wohl hier war – erst nach dem (eingetragenen) Ausscheiden des Gesellschafters eintrete (ZHR aaO S. 417 ff). Abgesehen davon, daß es das Bundesarbeitsgericht im Urteil vom 3. Mai 1983 erneut abgelehnt hat, jene Vorschrift analog auf die Haftung des ausgeschiedenen Gesellschafters zu übertragen, könnte auch die Wertungsdifferenz nicht überzeugen, die bestünde, wenn man bei allgemeinen Dauerschuldverhältnissen von einer Enthaftungsfrist von grundsätzlich 5 Jahren ausgehen, dagegen bei Pensionsansprüchen, die vor dem Ausscheiden des Gesellschafters begründet worden waren, eine gänzliche Haftungsfreistellung annehmen würde, sofern die Versorgungsfälle erst nach dem Ausscheiden eintreten. Der umgekehrte Vorschlag, zur Vermeidung dieser unterschiedlichen Behandlung der Dauerschuldverhältnisse den § 613 a Abs. 2 BGB allgemein als Muster für die Gestaltung der Haftung ausgeschiedener Gesellschafter heranzuziehen und diese entsprechend zu begrenzen, würde eine spezifisch arbeitsrechtliche Lösung unzulässig verallgemeinern (Ulmer/Wiesner aaO S. 417) und das Gesellschafterinteresse gegenüber dem Gläubigerinteresse derart einseitig bevorzugen, daß eine solche Lösung mit den Mitteln richterlicher Rechtsfortbildung nicht zu vertreten wäre.

5. Im vorliegenden Falle führt die Haftungsbegrenzung dazu, daß der Beklagte keine Ansprüche gegen den Kläger hat, die auf ihn übergegangen wären und mit denen er aufrechnen könnte. Die Frist von 5 Jahren endete am 20. Mai 1970, da das Registergericht das Ausscheiden des Klägers am 20. Mai 1965 eingetragen hat. Für die aus der Zeit vom 1. November 1978 bis 31. August 1981 fällig gewordenen Ansprüche hat er daher nicht einzustehen. Unter diesen Umständen braucht nicht darauf eingegangen zu werden, ob ein ausgeschiedener Gesellschafter unter den hier bestehenden Voraussetzungen überhaupt haften würde, obwohl sich die Ansprüche der Ruhegeldempfänger gegen eine Unterstützungskasse richteten, und welche Bedeutung es für die Gesellschafterhaftung hat, daß sich die laufend fällig werdenden Rentenansprüche im Gesellschaftskonkurs in einen Schätzungswert umwandeln (§ 69 KO).

Das Berufungsgericht hat nach alledem der Klage im Ergebnis zutreffend stattgegeben; die Revision des Beklagten ist als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 649147

BGHZ, 286

NJW 1983, 2254

ZIP 1983, 813

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