Entscheidungsstichwort (Thema)

Umfang einer eingegangenen Freistellungsverpflichtung

 

Leitsatz (amtlich)

Zu den Voraussetzungen, unter denen Ansprüche aus einer Freistellungsvereinbarung, unter anderem wegen Verzuges des Freistellungsschuldners, hergeleitet werden können.

 

Normenkette

BGB § 284

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main

OLG Frankfurt am Main

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 23. April 1981 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über den Umfang einer vom Kläger der Beklagten gegenüber eingegangenen Freistellungsverpflichtung.

Der Kläger hatte ein Baugrundstück für 2,75 Mio. DM gekauft, den Kaufpreis aber noch nicht bezahlen können. Für die geplante Bebauung suchte er einen finanzkräftigen Partner. Die von ihm für die Vermittlung der Finanzierung eingeschaltete Maklerfirma brachte die Parteien zusammen, nachdem sie der Beklagten mitgeteilt hatte, daß die üblichen Maklerkosten anfallen würden, wenn diese das Grundstück erwerben sollte. Der damalige Geschäftsführer der Beklagten und der Kläger fuhren zu der Bank, die Hauptgläubigerin des in Konkurs gefallenen Grundstücksverkäufers war, um sich dort als Partner für die Durchführung des Projekts vorzustellen. Diese hatte bereits angekündigt, sie werde den Verkäufer veranlassen, von seinem für den Fall nicht rechtzeitiger Kaufpreiszahlung vertraglich bedungenen Rücktrittsrecht Gebrauch zu machen, wenn der Kläger nicht unverzüglich eine gesicherte Finanzierung nachweisen könne. Der Geschäftsführer der Beklagten erklärte dann aber der Bank, die Beklagte wolle das Grundstück erwerben. Damit war die Grundlage für, gemeinsame Verhandlungen der Parteien mit der Bank entfallen. Nach Ausübung des Rücktrittsrechts erwarb nun die Beklagte das Grundstück zu denselben Bedingungen wie der Kläger. Die Parteien schlossen am 25. Januar 1979 eine Vereinbarung, wonach der Kläger eine Abstandssumme von 100.000,– DM erhalten sollte. In Nr. 4 dieser Vereinbarung heißt es:

„Die Firma R… Immobilien hatte von (dem Kläger) am 4.12.1978 den Auftrag erhalten, eine Finanzierung für obiges Projekt zu beschaffen.

Insoweit stellt (der Kläger die Beklagte) von jeglichen Makleransprüchen im Zusammenhang mit dem Erwerb des Grundstücks seitens der Firma R… Immobilien frei.”

Mit Schreiben vom 19. Februar 1979 verlangte die Maklerfirma von der Beklagten Provisionszahlung. Die Beklagte forderte den Kläger unter Hinweis darauf, daß andernfalls die Maklerprovision aus der zu seinen Gunsten vereinbarten Abstandssumme beglichen werden müsse, mehrfach auf, die Angelegenheit in Ordnung zu bringen. Mit seinen Bemühungen hatte der Kläger keinen Erfolg. Die Beklagte erwirkte eine Ermäßigung der Maklerforderung auf 98.000,– DM. Diesen Betrag zahlte sie der Maklerfirma am 5. März 1979. Als der Kläger die Abstandssumme verlangte, zahlte sie Anfang April 1979 nur noch die restlichen 2.000,– DM.

Nachdem der Kläger im Urkundenprozeß ein Vorbehaltsurteil über seine Forderung auf Zahlung von 98.000,– DM erlangt hatte, wurde im Nachverfahren seine Klage unter Aufhebung des Vorbehaltsurteils abgewiesen und seine Berufung zurückgewiesen. Beide Vorinstanzen haben den von der Beklagten zur Aufrechnung gestellten Gegenanspruch aus der Freistellungsvereinbarung vom 25. Januar 1979 für begründet erachtet. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Anspruch weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache. Die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen reichen nicht aus, den von ihm bejahten Schadensersatzanspruch der Beklagten wegen Verletzung der Freistellungsverpflichtung zu begründen.

1. Das Berufungsgericht hat Nr. 4 der Vereinbarung vom 25. Januar 1979 dahin ausgelegt, daß der Kläger darin auch die Verpflichtung übernommen hat, die Beklagte von einem Provisionsanspruch für die Vermittlung des Grundstücks freizustellen. Ohne Erfolg versucht die Revision, diese Auslegung der zwischen den Parteien ausgehandelten Individualvereinbarung als rechtsfehlerhaft zu rügen.

Das Auslegungsergebnis beruht entscheidend auf der Aussage einer Zeugin, der das Berufungsgericht aufgrund einer Reihe von näher dargelegten Gründen gefolgt ist. Diese Zeugin war ihrer Aussage nach zugegen, als die Parteien den Wortlaut der Freistellungsklausel ausgehandelt haben. Im Zusammenhang mit seiner Beweiswürdigung meint das Berufungsgericht abschließend, angesichts der ungünstigen Verhandlungsposition des Klägers am 25. Januar 1979 sei es nicht befremdlich, daß er sich auf die Abstandssumme und das Freistellungsrisiko eingelassen habe, da ihm ein Rechtsanspruch gegen, die Beklagte aus deren Verhalten nicht erwachsen sein dürfte. Ob demgegenüber das Verhalten der Beklagten mit der Revision doch als Verschulden bei Vertragsschluß anzusehen ist, ob und welche Ansprüche des Klägers sich daraus dann ableiten ließen, ist jedoch für das Auslegungsergebnis ohne Bedeutung. Das Berufungsgericht meint nämlich lediglich, daß diese wirtschaftliche und rechtliche Situation der Parteien in ihrem Verhältnis zueinander am 25. Januar 1979 dem Ergebnis seiner schon vorher näher ausgeführten Beweiswürdigung nicht entscheidend entgegensteht. Diese Ansicht kann nicht beanstandet werden. Sogar nach seinem eigenen Vorbringen (S. 5 seiner Berufungsbegründung, weiter auch S. 2 des Schriftsatzes vom 6. Januar 1981) konnte der Kläger einen eventuellen Schadensersatzanspruch aus Beweisgründen nicht geltend machen.

b) Weiter will die Revision wegen der Interessenlage in den jeweils verschiedenen Beziehungen der Parteien zu dem Makler die Abrede nicht als typische Freistellungsvereinbarung ansehen. Sie will deshalb für den vorliegenden Fall die vom Berufungsgericht vorausgesetzte Abwehrverpflichtung nicht anerkennen. Dem Kläger habe Gelegenheit gegeben werden müssen, seine Schadensersatzforderungen gegen den Makler mit in die Waagschale zu werfen.

Auch insoweit kann der Revision nicht gefolgt werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (Urteil vom 24. Juni 19.70 = VIII ZR 268/67 – NJW 1970, 1594) gehört die Abwehrverpflichtung regelmäßig zur Freistellung. In dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall war in der fraglichen Parteivereinbarung im Gegensatz zum vor liegenden Fall noch nicht einmal von Freistellung die Rede, sondern nur von „Haftung gegenüber Dritten”. Dennoch hat der VIII. Zivilsenat diese Klausel als „typische Freistellungsklausel” bezeichnet. Für einen Freistellungsanspruch ist typisch, daß nicht nur letztlich im Innenverhältnis gehaftet wird, sondern der gegen den Freistellungsgläubiger erhobene Anspruch. schon abgewehrt werden soll.

Mit Recht rügt die Revision aber, im Berufungsurteil seien keine ausreichenden Feststellungen dafür getroffen, daß der Kläger die von ihm übernommene Freistellungsverpflichtung in zu vertretender Weise verletzt hat, nämlich in Verzug geraten ist, oder schuldhaft nicht oder schlecht erfüllt hat.

a) Da es für den Freistellungsanspruch typisch ist, daß der gegen den Freistellungsgläubiger erhobene Anspruch schon abgewehrt werden soll, muß der zur Freistellung Verpflichtete ausreichend Gelegenheit haben, sich dieser Aufgabe zu unterziehen. Allein eine zeitweilige Untätigkeit des Schuldners, der vertraglich eine solche Pflicht übernommen hat, führt in der Regel – vorbehaltlich der Ausführungen unter 3. – noch nicht dazu, daß der Gläubiger nun selbst – die Schuldnerleistung ersetzend – tätig werden und dem Schuldner die dadurch entstehenden Kosten aufbürden darf. Die Nichterfüllung dem Abwehrpflicht hat vielmehr grundsätzlich nur unter den Voraussetzungen des Verzugs oder der positiven Forderungsverletzung einen Schadensersatzanspruch zur Folge. Der Bundesgerichtshof hat in dem genannten Urteil vom 24. Juni 1970 (NJW 1970, 1595 r.Sp.) die Verletzung der Freistellungsverpflichtung darin gesehen, daß der Verpflichtete nach Aufforderung die Freistellung ausdrücklich und endgültig abgelehnt hat. Auch die zum Anspruch des Versicherungsnehmers gegen den freistellungspflichtigen Versicherer ergangenen Entscheidungen knüpfen daran an, daß der Versicherer das Erfüllung seiner Freistellungspflicht verweigert hatte vgl. Urteile vom 21. Mai 1959 – II ZR 144/57 – vom 25. April 1960 – II ZR 155/58 – vom 16. Mai 1966 – II ZR 21/64 – VersR 1959, 499; 1950, 505; 1966, 625). Eine solche ausdrückliche Erfüllungsverweigerung steht der schuldhaften Nichtleistung oder Untätigkeit trotz Mahnung nach Fälligkeit – dem Verzug. – oder aber der zu vertretenden Schlechterfüllung – der positiven Forderungsverletzung – gleich.

b) Der Freistellungsgläubiger muß seinerseits den Freistellungsschuldner über sämtliche Umstände in seinem Verhältnis zum Dritten unterrichten, die für das Vorgehen und die Entscheidung des Schuldners Bedeutung haben, es sei denn, daß die Offenbarung eines solchen Umstandes ihm aus besonderen Gründen nicht zuzumuten wäre. Kommt er dieser ihm obliegenden Nebenpflicht nicht nach dann ist im Einzelfall zu fragen, ob der Schuldner dennoch ohne weiteres oder aber erst bei Hinzutreten weiterer Umstände seine etwaige Untätigkeit oder seine Schlechterfüllung zu vertreten hat. Der Schuldner kann aber auch seinerseits gegen den seine Nebenpflicht mißachtenden Gläubiger einen Schadensersatzanspruch wegen positiver Forderungsverletzung haben, den er gegebenenfalls einem Anspruch des Gläubigers entgegensetzen kann.

c) Nach den bisherigen Feststellungen hat die Beklagte dem Kläger ausreichend Gelegenheit gegeben, seiner Freistellungsverpflichtung durch Verhandlungen mit der Maklerfirma nachzukommen. Vom Verzug des Klägers als des Freistellungsschuldners kann erst nach den Ablauf einer angemessenen Frist ausgegangen werden, die der Kläger brauchte, um sich über die Begründetheit oder Unbegründetheit des vom Makler gegen die Beklagte und eventuell auch gegen ihn erhobenen Anspruchs und weiter über seine Verhandlungsposition Klarheit zu verschaffen, dann die Verhandlung mit dem Makler zu führen und abzuschließen und die Beklagte darüber zu unterrichten. Die Länge dieser Frist richtet sich nach dem Einzelfall. Dabei kommen als maßgebliche Umstände in Betracht die Höhe, die Bedeutung und die Schwierigkeit der zu führenden Verhandlungen, die wieder vom Ausmaß der Unterrichtung des Schuldners durch den Gläubiger abhängig sein können. Das Vorliegen und die Bedeutung solcher Umstände können dem Berufungsurteil nicht entnommen werden, so daß es hier schon an der objektiven Voraussetzung des Fristablaufes fehlt.

Zum Verhalten des Klägers als des Freistellungsschuldners steht hier lediglich fest, daß er trotz mehrfacher Aufforderung seitens der beklagten und rotz deren Hinweises, sie werde die Maklerprovision andernfalls aus der Ablösesumme zahlen, die Beklagte weder über seine Verhandlungen mit der Maklerfirma informiert, noch ihr für einen Prozeß die Kostenübernahme zugesagt hat, vielmehr der beklagten gegenüber untätig geblieben ist. Untätigkeit der Firma gegenüber ist nicht festgestellt, vielmehr nimmt das Berufungsgericht insoweit erfolglose Bemühungen des Klägers an. Deshalb kann nur davon ausgegangen werden, daß der Kläger nach entsprechender Aufforderung seitens der beklagten diese nicht informiert hat.

Die „mehrfachen” Aufforderungen der Beklagten und die fehlende Information des Klägers beziehen sich auf acht bis neun Werktage, nämlich den Zeitraum zwischen dem ersten Schreiben der Maklerfirma vom Montag, dem 19. Februar 1979, an die Beklagte, die ihrerseits dann erst den Kläger auffordern mußte, und der Scheckzahlung seitens der Beklagten vom Montag, dem 5. März 1979. Die Beklagte und die Maklerfirma hatten sich offenbar bereits am Freitag, dem 2. März 1979, auf die Zahlung von 98.000,– DM geeinigt, wie aus der von der Beklagten vorgelegten Maklerrechnung vom 4. März 1979 hervorgeht.

Daß der Kläger schon vor dem 20. Februar 1979, dem frühstmöglichen Zeitpunkt einer Freistellungsaufforderung seitens der Beklagten, von sich aus gegenüber der Maklerfirma tätig werden mußte, kann dem Parteivortrag nicht entnommen werden. Einerseits hat der Kläger selbst dieser Firma eine auf den 23. Februar 1979 datierte Finanzierungs-Provisionsforderung in Höhe von 5.000,– DM (= 5% der Abstandssumme) erhalten. Andererseits ist nicht festgestellt, daß der Kläger vorher von dem Provisionsverlangen der Maklerfirma gegenüber der Beklagten unterrichtet war. Ohne eine solche Unterrichtung brauchte der Kläger aber nicht an die Maklerin heranzutreten.

Feststellungen darüber, wie oft tatsächlich, an welchen bestimmten von diesen acht bis neun Werktagen und mit welchem konkreten Inhalt die „mehrfachen” Aufforderungen der Beklagten den Kläger erreicht haben, konnte mangels Parteivortrags dazu das Berufungsurteil nicht treffen. Zumindest solche Feststellungen waren aber notwendig, wenn schon überhaupt vom Kläger verlangt werden sollte, die schwierigen Verhandlungen mit der Maklerfirma über deren Ansprüche gegen die Beklagte (und eventuell gegen den Kläger selbst oder aber über etwaige Ansprüche des Klägers gegen die Maklerfirma) in einem derart knapp bemessenen Zeitraum zu führen und erfolgreich abzuschließen.

3. Ein aufrechenbarer Erstattungsanspruch würde der Beklagten auch dann zustehen, wenn sie darlegt und gegebenenfalls beweist, daß sämtliche Voraussetzungen für das Bestehen einer Maklerlohnforderung der Firma R… Immobilien gegen sie vorgelegen haben. Dann hatte der Kläger diesen Anspruch auf die Aufforderungen des Beklagten hin zu erfüllen. Allerdings muß der Freistellungsschuldner auch dann, wenn die gegen den Freistellungsgläubiger erhobene Forderung begründet ist, die Möglichkeit haben, sie abzuwehren. Wenn der Schuldner den Dritten in einem angemessenen Zeitraum dazu bewegen kann, die begründete Forderung – ganz oder teilweise – nicht, jedenfalls nicht mehr gegen den Freistellungsgläubiger zu verfolgen, darf der Gläubiger dem Schuldner diese Möglichkeit nicht nehmen. Insoweit trägt aber der Schuldner, hier der Kläger, die Beweislast. Er muß konkrete Tatsachen dafür vorbringen und beweisen, daß ihm dies gelungen wäre.

Zu den Voraussetzungen des Makleranspruchs hat das Berufungsgericht ebensowenig ausreichende Feststellungen getroffen wie dazu, ob der Kläger – etwa wegen eines eigenen Anspruchs gegen die Maklerfirma wegen deren Verhaltens, wie er meint – in der Lage gewesen wäre, die Forderung auf andere Weise als durch Zahlung abzuwehren.

Nach allem ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI609543

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