Leitsatz (amtlich)

a) Nimmt der Patient das Angebot des Krankenhausträgers auf die Wahlleistung „gesondert berechenbare ärztliche Leistungen” (§ 6 S. 4 BPflV) an, schuldet mangels ausdrücklicher anderweitiger Regelung such der Krankenhausträger diese Leistungen und hat vertraglich und deliktisch für Fehler in diesem Bereich mit einzustehen,

b) Es stellt ein haftungsbegründendes Organisationsverschulden des Krankenhausträgers dar, wenn der zu fordernde Standard der anästhesiologischen Leistungen auch bei ärztlicher Unterversorgung der Anästhesie nicht durch klare Anweisungen an die Ärzte gewährleistet ist.

 

Normenkette

BGB §§ 276, 823; BPflV § 6

 

Verfahrensgang

OLG Hamburg (Urteil vom 23.09.1983)

LG Hamburg (Urteil vom 09.01.1980)

 

Tenor

I. Auf die Revisionen der Beklagten wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 23. September 1983 aufgehoben und wie folgt neu gefaßt:

Auf die Berufungen der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 9. Januar 1980 geändert, soweit die Berufung des Beklagten zu 1) nicht bereits rechtskräftig zurückgewiesen worden ist, und wie folgt neu gefaßt:

  1. Die Klage der Klägerin zu 2) gegen den Beklagten zu 1) ist dem Grunde nach gerechtfertigt.
  2. Es wird festgestellt, daß der Beklagte zu 1) verpflichtet ist, der Klägerin zu 2) im Rahmen des Forderungsüberganges auf sie alle zukünftigen Schäden aus dem Narkosezwischenfall vom 9. Februar 1976 zu ersetzen.
  3. Die Klage des Klägers zu 1) gegen den Beklagten zu 1) und die gegen den Beklagten zu 2) gerichteten Klagen des Klägers zu 1) und der Klägerin zu 2) werden abgewiesen.

II. 1. Von den Gerichtskosten des ersten Rechtszuges, des ersten Berufungsverfahrens und des ersten Revisionsverfahrens (VI ZR 77/81) tragen der Kläger zu 1) 1/5, die Klägerin zu 2) 2/5 und der Beklagte zu 1) 2/5.

Von den außergerichtlichen Kosten der vorgenannten Instanzen tragen der Kläger zu 1) die des Beklagten zu 1) und 2) zu je 1/5, die Klägerin zu 2) die des Beklagten zu 2) zu 2/5, der Beklagte zu 1) die der Klägerin zu 2) zu 1/2; im übrigen tragen die Parteien ihre Kosten selbst.

2. Von den Gerichtskosten des zweiten Berufungs- und des zweiten Revisionsverfahrens (VI ZR 234/83, tragen der Kläger zu 1) 1/5 und die Klägerin zu 2, 4/5.

Von den außergerichtlichen Kosten der letztgenannten Instanzen tragen der Kläger zu 1) die des Beklagten zu 1) voll und 1/5 der des Beklagten zu 2), die Klägerin zu 2) 4/5 der des Beklagten zu 2);

im übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Die außergerichtlichen Kosten der Streithilfe trägt die Streithelferin.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Erstkläger (im folgenden: der Kläger), der gesondert zu liquidierende Arztleistungen (§ 6 Satz 4 BPflV) in Anspruch nahm, ließ sich am 9. Februar 1976 in der orthopädischen Klinik des Universitätsklinikums E. der Stadt H. (Streithelferin der Kläger) wegen eines Bandscheibenschadens operieren. Die dabei erforderliche Intubationsnarkose führte nicht der Erstbeklagte, der beamteter Direktor der anästhesistischen Abteilung der Klinik war, sondern der Zweitbeklagte, damals beamteter Assistenzarzt; er war als Narkosearzt für gleichzeitige Operationen an drei Operationstischen eingeteilt. Weil sich eine zur Assistenz weiter vorgesehene Ärztin am Operationstag krank gemeldet hatte, mußte für sie Dr. T. einspringen, der erst seit den 3. Dezember 1975 approbiert war und erst an 55 Narkoseeinleitungen mitgewirkt hatte. Der Zveitbeklagte leitete die Narkose beim Kläger ein. Er begab sich dann in einen anderen Operationssaal, wo er selbst eine Narkose führte und am Nachbartisch die seit 2 Jahren in der Anästhesieabteilung der Klinik tätige Frau Dr. K. eine andere, Dr. T. übernahm die Überwachung der Narkose beim Kläger allein. In deren weiteren Verlauf kam es zu einer Beatmungsblockade, die Dr. T. und die vor ihm herbeigerufene Frau Dr. K. nicht meisterten. Als schließlich der Zweitbeklagte eingriff, war die Sauerstoffzufuhr zum Hirn des Klägers schon so lange unterbrochen worden, daß er einen schweren Hirnschaden davongetragen hat.

Der Kläger, Postbeamter, verlangt von den Beklagter ein Schmerzensgeld. Die Zweitklägerin (Bundespost) fordert von ihnen aus übergegangenem Recht Ersatz materieller Schäden und Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz materieller Zukunftsschäden im Rahmen des Forderungsübergangs auf sie. Beide Kläger machen die Beklagten für den Gesundheitsschaden verantwortlich.

Die Beklagten haben ein Fehl verhalten in Abrede genommen und sich u. a. auf eine ihnen nicht anzulastende Unterversorgung der Klinik mit Anästhesieärzten berufen.

Das Landgericht hat die Klageansprüche dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Des Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten in einem ersten Urteil zurückgewiesen und dabei die Ansicht vertreten, das Urteil des Landgerichts umfasse auch die begehrte Feststellung. Auf die Revision der Beklagten hat der erkennende Senat das Urteil des Berufungsgerichtes insoweit aufgehoben, als über den Schmerzensgeldanspruch des Erstklägers gegen den Erstbeklagten und über die Ansprüche gegen den Zweitbeklagten entschieden worden war. Nach erneuter Verhandlung und Entscheidung – die Stadt H. ist inzwischen als Streithelferin dem Rechtsstreit auf seiten der Kläger beigetreten – hat das Berufungsgericht die Berufungen der Beklagten gegen das landgerichtliche Urteil in dem ihm erneut angefallenen Umfange wiederum zurückgewiesen.

Mit ihrer Revision begehren die Beklagten die Abweisung der Klage, soweit über sie noch nicht rechtskräftig entschieden worden ist.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht verneint eine Mithaftung des Krankenhausträgers für die vom Kläger bei der Operation durch die Narkose erlittenen Körper- und Gesundheitsschäden. Es kommt deshalb zu dem Ergebnis, die beklagten Anästhesieärzte, beide Beamte, die für die Schäder des Klägers einzustehen hatten (vgl. dazu das erste Rivisionsurteil des erkennenden Senats vom 30. November 1982 – VI ZR 77/81 – BGHZ 85, 393 ff = NJW 1983, 1347 ff = VersR 1983, 244 ff) könnten die Kläger nicht nach § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB an den Krankenhausträger verweisen, weil sie von diesem nicht „auf andere Weise Ersatz verlangen” könnten.

Dazu erwägt das Berufungsgericht im wesentlichen: Der Kläger habe bei der Aufnahme in die Klinik einen sog. gespaltenen Krankenhausaufnahmevertrag abgeschlossen, so daß die ärztlichen Hauptleistungen von den hierzu verpflichteter Ärzten, Unterkunft und Versorgung und pflegerische Betreuung dagegen vom Krankenhausträger geschuldet worden sei. Obwohl jede Tätigkeit eines Klinikarztes in den sachlichen und personellen Apparat des Krankenhauses eingebettet sei, ohne daß die Verantwortungsbereiche scharf voneinander abgesetzt werden könnten, sei die Bereitstellung, Organisation und Durchführung der ärztlichen Hauptleistung selbst der Sphäre des Arztes zuzuweisen. Die mit der Narkose befaßten Ärzte seien deshalb nur als Erfüllungsgehilfen den Erstbeklagten tätig geworden. Eine Vertragsverletzung des Krankenhausträgers scheide deshalb aus. Ebensowenig seien die Beklagten als dessen Organe oder Verrichtungsgehilfen anzusehen, so daß insoweit auch deliktische Ansprüche gegen ihn ausschieden.

Eine Mitverantwortlichkeit des Krankenhausträgers komme allerdings wegen einer schadensursächlichen Unterversorgung des Krankenhauses Bit Fachanästhesisten in Betracht. Eine solche „Unterversorgung” habe wohl vorgelegen. Sie sei aber vom Krankenhaus träger nicht verschuldet. Es habe sich um eine allgemeine Problematik gehandelt. Noch nicht einmal sämtliche Planstellen hätten seinerzeit besetzt werden können. Einer stärkeren Ausweitung des Stabes der Anästhesieärzte habe der Krankenhausträger sich nicht nur aus Geldmangel, sondern auch wegen Überlegungen zu einer Neustrukturierung im Interesse der seinerzeit vorhandenen Bestrebungen zur Dämpfung der Krankenhauskosten versagt. Das habe aber nicht zu schlechthin untragbaren Zuständen hinsichtlich der Narkose geführt. Vielmehr sei ein noch brauchbarer Kompromiß gefunden worden. Darüber hinaus könne ein Patient dem Staat nicht vorschreiben, wie dieser ein von ihm betriebenes Krankenhaus sachlich und personell auszustatten habe. Im übrigen hätten die Ärzte auch selbst nicht mit besonderem Nachdruck auf eine personelle Notlage hingewiesen, sondern sich bemüht, vorübergehende Engpässe durch vermehrten Einsatz aufzufangen, was in Notfällen trotz sonst sorgfältiger Planung durch den Erstbeklagten auch zu Improvisationen hätte führen müssen. Wenn wie im Streitfall wegen des plötzlichen Ausfalls eines im Operationsplan berücksichtigten Anästhesisten zum Nachteil der Patienten habe „umimprovisiert” werden müssen, so handle allenfalls der organisierende Arzt, nicht aber der Krankenhausträger pflichtwidrig, jedenfalls nicht, wenn der betroffene Patient Privatpatient sei, bei dem die ordnungsmäßige Behandlung, um die es gehe, von den Ärzten auch privat geschuldet werde. Abgesehen davon sei es den Klägern wegen des hohen Prozeßrisikos und des insoweit nicht überschaubaren Tatsachenkomplexes nicht zuzumuten, zunächst gegen den Krankenhausträger vorzugehen.

Schließlich macht das Berufungsgericht Ausführungen dazu, daß der Zweitbeklagte zu seiner Entlastung von einer Haftung für materielle Schäden sich nicht auf die insoweit rechtskräftig festgestellte Haftung des Erstbeklagten als anderweitige Ersatzmöglichkeit berufen, könne, weil dessen Solvenz zweifelhaft sei.

II.

Das angefochtene Urteil hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes haftet auch die Stadt H. als Trägerin des Krankenhauses für die geltend gemachten Schäden wegen schuldhafter Verletzung des Krankenhausvertrages mit dem Kläger durch den Erstbeklagten, für dessen Fehlverhalten als ihr Organ sie darüber hinaus deliktisch einzustehen hat (§§ 31, 89, 276, 278, 823 Abs. 1, 847 BGB). Eine Haftung des Krankenhausträgers den Klägern gegenüber ergibt sich ferner aus der schuldhaften Verletzung der zum Schutze der Patienten allgemein und des Klägers insbesondere erforderlichen Organisation der Anästesieversorgung (§§ 823 Abs. 1, 847, 31 BGB). Das hat zur Folge, daß beide Beklagte von den noch im Streit befindlichen deliktischen Ansprüchen entlastet sind, weil sie die Kläger auf die Haftung des Krankenhausträgers als „anderweitige Ersatzmöglichkeit” verweisen können (§ 839 Abs. 1 S. 2 BGB).

A. Haftung der Streithelferin als Krankenhausträgerin für das Fehlverhalten ihrer Ärzte

1. Zutreffend nimmt das Berufungsgericht an, der Erstbeklagte habe aufgrund der im Krankenhausaufnahmevertrag mit der Klinik getroffenen Abrede über gesondert zu liquidierende Arztleistungen (vgl. § 6 Satz 4 BPflV) gegenüber dem Kläger eine eigene Verpflichtung übernommen, die ärztlichen Leistungen auf den Gebiete der Anästhesie durchzuführen. Der erkennende Senat hat das bereits in seiner ersten Revisionsentscheidung rechtlich gebilligt und den Erstbeklagten wegen des ihm zuzurechnenden Verschuldens seines Erfüllungsgehilfen, des Zweitbeklagten, sowie wegen eigener schuldhafter Vertragsverletzungen bei der Organisation der den Kläger betreffenden Narkose ihn für die materiellen Schäden haften lassen.

2. a) Der Vertrag des Klägers mit dem Erstbeklagter. Über die Inanspruchnahme „gesondert berechenbarer ärztlicher Leistungen” schließt indessen jedenfalls für die Fälle stationärer Behandlung in einem Krankenhaus, das kein Belegkrankenhaus ist, entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes nicht eine vom Krankenhausträger im Krankenhausaufnahmevertrag übernommene Verpflichtung zur ärztlichen Versorgung des Klägers aus, und zwar auch nicht in dem Bereich, in dem der liquidationsberechtigte Chefarzt selbst (gegebenenfalls durch einen Substituten) ärztlich tätig wird. Die im Senatsurteil vom 10. März 1981 – VI ZR 202/79 – NJW 1981, 2002, 2003 = VersR 1981, 730, 731 – noch offen gelassene Frage, ob dann, wenn der Krankenhausträger als Wählleistung gemäß § 6 Satz 4 BPflV ärztliche Leistungen als „gesondert berechenbare Leistungen” anbietet und der Patient diese Leistung wählt, ein sogenannter gespaltener Krankenhausvertrag mit der Folge der Alleinhaftung des Chefarztes für Fehler in seinem Verantwortungsbereich oder ein sogenannter Arztzusatzvertrag zustande kommt, der dem Patienten nur einen zusätzlichen Schuldner für bestimmte ärztliche Leistung verschafft, ist dahin zu beantworten, daß im Regelfall der Pflichtenkreis des Krankenhausträgers nicht eingeschränkt wird. Wenn zwischen den Vertragsparteien etwas anderes verabredet werden soll, muß das im Krankenhausaufnahmevertrag klar zum Ausdruck kommen; das ist im Streitfall nicht so.

Für diese Auslegungen der Vertragsbeziehungen zwischen dem Kläger und dem Krankenhausträger sprechen folgende Umstände: Die auf der Ermächtigung des § 16 des Gesetzes zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze (KHG) vom 29. Juni 1972 (BfBL I 1009) beruhende Bundespflegesatzverordnung geht in § 6 von dem Regelfall aus, daß der Krankenhausträger die gesamten ärztlichen und nichtärztlichen Leistungen für den aufgenommenen Patienten zu erbringen hat und ihm gegenüber einheitlich berechnet. Es ist – jedenfalls bei stationärer Behandlung in einem Krankenhaus, das kein Belegkrankenhaus ist – der Krankenhausträger, nicht der einzelne Arzt, der dem Patienten bei dessen Aufnahme in das Krankenhaus als Vertragspartner entgegentritt. Sofern der Krankenhausträger, woran er aus wirtschaftlichen Gründen etwa zur Gewinnung von Spitzenkräften u.U. ein erhebliches Interesse haben kann, von ihm angestellten Chefärzten ein besonderes Liquidationsrecht gegenüber sogenannten Privatpatienten eingeräumt hat, ist er auch in diesem Falle nach außen hin derjenige, der die „freie Arztwahl” in diesem Bereich dem Patienten als von ihm gewährte Wahlleistung anbietet. Wie dann die ärztliche Wahlleistung dem Patienten gegenüber berechnet wird und wie der interne Ausgleich zwischen dem liquidationsberechtigten Chefarzt und dem Krankenhausträger geregelt wird, ist für die Vertragsbeziehung zwischen Krankenhausträger und Patienten ohne rechtliche Bedeutung. In aller Regel will der Patient sämtliche im Krankenhaus vorhandenen und angebotenen ärztlichen Leistungen vom Krankenhausträger erhalten; diesen sieht er prinzipiell mindestens auch als seinen Vertragsschuldner an, zumal er im Einzelfall schwer unterscheiden kann und will, wann es um ärztliche Leistungen des Chefarztes und wann um solche ihm nicht durch besonderen Vertrag verbundener Klinikärzte geht. Für die Wahl des Krankenhauses durch den Patienten ist im allgemeinen nicht nur die Person eines der Chefärzte von Bedeutung, sondern meist ebensosehr der Ruf des Krankenhauses in ärztlicher und pflegerischer Hinsicht insgesamt. Ohne abweichende Klarstellung durch den Krankenhausträger wird der Patient schwerlich erwarten, daß die Annahme der Wahlleistung „gesondert berechenbare ärztliche Leistung”, d. h. die persönliche Betreuung durch die liquidationsberechtigten Chefärzte des Krankenhauses, ihm zwar einen zusätzlichen Schuldner für bestimmte ärztliche Leistungen verschafft, daß er aber gleichzeitig insoweit den Krankenhausträger aus der Haftung für ärztliche Fehlleistungen der Chefärzte entläßt. Er ist deswegen bereit, für die ärztliche Betreuung durch die Chefärzte mehr zu zahlen, weil er auf eine besonders sachkundige und sorgfältige ärztliche Behandlung durch sie hofft; ohne besonderen Hinweis im Krankenhausaufnahmevertrag, bei dessen Abschluß ihm nur der Krankenhausträger gegenübersteht, kann er aber nicht erkennen, daß dieser einen Teil der angebotenen Leistungen nicht auch als eigene, sondern nur im Namen der liquidationsberechtigten Ärzte als deren Verpflichtung übernehmen will. Zusätzliche ärztliche Leistungen will er sich nur „hinzukaufen”. Das kommt im Streitfall in dem vom Krankenhausträger verwendeten Formular für den „Antrag auf Gewährung von Wahlleistungen (gesondert berechenbare Leistungen gemäß § 6 BPflV)” nach außen hin auch deutlich zum Ausdruck. Der Patient stellt diesen Antrag an den Krankenhausträger und kann die von ihm gewünschten Wahlleistungen wie Unterbringung in Einbett- oder Zweibettzimmer, Bereitstellung eines Fernsprechapparates und eben auch „besonders berechenbare ärztliche und klinisch-chemische Leistungen” jeweils ankreuzen. Ihm wird lediglich zusätzlich zur Kenntnis gegeben, daß „ärztliche Wahlleistungen” nicht auf einzelne liquidationsberechtigte Ärzte beschränkt werden können und daß die Ärzte und klinischen Chemiker persönlich nach der GOÄ liquidieren, sofern nichts anderes vereinbart ist. Nichts deutet dabei darauf hin, daß im Rahmen der „ärztlichen Wahlleistungen” der Krankenhausträger den Vertrag nur im Namen der liquidationsberechtigten Ärzte abschließen wollte. Fehlt es wie hier an solchen ausdrücklichen Hinweisen darauf, dann ist der Krankenhausaufnahmevertrag jedenfalls mit einem Krankenhaus, das kein Belegkrankenhaus ist, seinem objektiven Erklärungsinhalt und seinem nach außen hin erkennbaren Sinn und Zweck hinsichtlich der „ärztlichen Wahlleistung” nicht eingeschränkt. Auch der Krankenhausträger ist im Rahmen des neben dem Zusatzvertrag mit dem Chefarzt bestehenden totalen Krankenhausaufnahmevertrages dem Patienten gegenüber zur fehlerfreien Erbringung aller ärztlichen Leistungen im Zusammenhang mit dem Krankenhausaufenthalt und der ärztlichen Betreuung des Patienten verpflichtet (im Ergebnis ebenso Uhlenbruck NJW 1973, 1401; Eichholz in: Das Krankenhaus, 1974, S. 42, 43; Luig, Der Arztvertrag, in: Vertragsschuldverhältnisse. 1974, S. 256; Gitter, Zum Privatliquidationsrecht der leitenden Krankenhausärzte, S. 30 und S. 40; Diederichsen, Die Vergütung ärztlicher Leistung im Krankenhaus, S. 9; Laufs, Arztrecht, 3. Auf., 1984, S. 354; a. A. Daniels NJW 1972, 307; Franzki, Aktuelle Rechtsprechung zur Haftung des Arztes, 2. Aufl., 1981, S. 35).

Das hat zur Folge: Hat der selbst liquidationsberechtigte Chefarzt schuldhaft einen ärztlichen Behandlungsfehler begangen, dann haftet der Krankenhausträger für ihn als seinen Erfüllungsgehilfen vertraglich für die daraus entstandenen Körperschäden des Patienten; im Deliktsbereich bleibt der Chefarzt auch insoweit Organ des Krankenhausträgers, so daß dieser auch insoweit für ihn einzustehen hat.

b) Erst recht heftet der Krankenhausträger trotz Abschlusses eines Arztzusatzvertrages über gesondert berechenbare ärztliche Leistungen für Fehler anderer von ihm angestellter, bei der ärztlichen Versorgung des Patienten tätig gewordener Ärzte (sog. nachgeordneter ärztlicher Dienst). Diese Ärzte sind im Rahmen der Verpflichtungen aus dem Krankenhausaufnahmevertrag jedenfalls auch Erfüllungsgehilfen des Krankenhausträgers; im Deliktsbereich sind sie dessen Verrichtungsgehilfen nach § 831 BGB (ebenso neben den bereits angeführten Autoren, die einen Arztzusatzvertrag und damit Gesamtschuldnerschaft zwischen Chefarzt und Krankenhausträger annehmen wollen, u. a. Steffen, Neuere Entwicklungslinien der BGH-Rechtsprechung zum Arzthaftungsrecht, 1984, S. 6; Giesen, Wandlungen des Arzthaftungsrechts, 1983, S. 5; Deutsch, Arzthaftungsrecht und Arzneimittelhaftungsrecht, S. 19; Kleinewefers und Wilts NJW 1965, S. 334; Dunz, Aktuelle Fragen zum Arzthaftungsrecht, 1980, S. 9; Musielak JuS 1977, S. 87; Bunte JZ 1982, S. 281).

Im Streitfall hat der Krankenhausträger mithin nicht nur für Behandlungsfehler des Erstbeklagten, sondern auch für Fehler des Zweitbeklagten, des Arztes Dr. T. und der Ärztin Dr. K. anläßlich des Narkosezwischenfalles zu hafter. Von dieser Haftung kann er sich, auch soweit die Ärzte seine Verrichtungsgehilfen waren, nicht nach § 831 BGB entlasten, weil die beteiligten Ärzte, wie schon im ersten Revisionsurteil des Senats dargelegt, nicht in der gebotenen Weise überwacht worden sind.

B. Haftung des Krankenhausträgers aus Organisationsverschulden

1. Das Berufungsgericht, das einen Schadensersatzanspruch des Patienten gegen den Krankenhausträger wegen einer schadensursächlichen Unterversorgung der Anästhesie allenfalls dann anerkennen will, wenn diese Unterversorgung zu „schlechthin untragbaren Zuständen” in der Klinik geführt hat – was es aus tatsächlichen Gründen verneint –, hat, wie die Revisionen mit Recht ausführen, den Inhalt der vom Krankenhausträger dem in die Klinik aufgenommenen Patienten geschuldeten ärztlichen Leistungen verkannt. Es geht entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts vor allem nicht darum, ob und welche Forderungen der einzelne Patient gegen staatliche oder kommunale Behörden im Hinblick auf Stellenschlüssel und Besetzung in der von diesen Institutionen betriebenen Krankenhäusern stellen kann. Für die zivilrechtliche Haftung des Krankenhausträgers kommt es vielmehr darauf an, festzustellen, was er – vertraglich oder deliktisch – dem in die Klinik aufgenommenen Patienten schuldet, ob er die danach erforderlichen Leistungen bereitgestellt hat und ob, falls er schuldhaft nicht alle von ihm zu verlangenden zumutbaren Anstrengungen zur bestmöglichen medizinischen Betreuung des Patienten und zu seinem Schutz vor unzulänglichen und fehlerhaften Behandlungsmaßnahmen getroffen hat, solche Unterlassungen zu einem Schaden des Patienten geführt haben; einen solchen Schaden hat der Krankenhausträger dem Patienten grundsätzlich zu ersetzen.

a) Das Berufungsgericht stellt in tatsächlicher Hinsicht fest, daß die Anästhesieabteilung an der Universitätsklinik der Streithelferin personell unterbesetzt war. Von den ausgewiesenen Steilen waren sechs nicht besetzt. Die verantwortlichen Ärzte hielten darüber hinaus den Stellenplan ohnehin für ganz unzureichend und hatten zeit Jahren auf die personellen Engpässe in der Anästhesie hingewiesen. In diesem Zusammenhang ist es rechtlich ohne Bedeutung, ob das „mit besonderem Nachdruck” oder „besonders nachhaltig” geschehen ist, worauf das Berufungsgericht u. a. abhebt. Unstreitig war die Situation der Klinikverwaltung und den zuständigen Beamten der Streithelferin bekannt.

Der Operationsbetrieb war von seiten der Anästhesie nur durch vermehrten Einsatz der Ärzte (also durch Ableistung zahlreicher Überstunden mit der Folge einer zusätzlichen Gefährdung der Patienten wegen Übermüdung der Ärzte) durchzuführen; die Oberärzte mußten unter Hintanstellung ihrer Aufgaben der Überwachung und Anleitung, von der Wahrnehmung von Forschungsaufgaben ganz zu schweigen, immer wieder selbst einspringen. Trotz sonst sorgfältiger Planung mußte das, wie das Berufungsgericht feststellt, im Einzelfall auch zu Improvisationen führen. Fiel wie im Streitfall ein in der Anästhesie beschäftigter Arzt, der in der Ausbildung schon weiter fortgeschritten war und deshalb größere eigene Verantwortungen übernehmen konnte, plötzlich aus, mußte „umimprovisiert werden”, wie das Berufungsgericht das ausdrückt.

b) Dieser Sachverhalt läßt nur den Schluß zu, daß im Verhältnis zur Anzahl der in der Universitätsklinik der Streithelferin eingesetzten Operateure nicht genügend Anästhesisten zur Verfügung standen. Mindestens war die ordnungsgemäße anästhesiologische Versorgung der Patienten auch unter Ausnutzung aller Reserven nicht in jedem Falle gesichert. Schon der voraussehbare und deshalb planerisch zu berücksichtigende plötzliche Ausfall eines Arztes gefährdete die ausreichende Betreuung durch einen Anästhesisten jedenfalls einzelner Operationen nach dem Standard, der Anfang 1976 in einer größeren Universitätsklinik vom Patienten erwartet werden durfte. Trotzdem wurde versucht, unter Hinzuziehung von Ärzten, die noch am Anfang ihrer fachärztlichen Ausbildung standen und erst über geringe Erfahrungen in der Anästhesie verfügten, und unter Hinzuziehung qualifizierten Pflegepersonals die angesetzten Operationen „durchzuziehen”. Alle dabei Beteiligten, sowohl die Ärzte als auch die zuständigen Beamten der Streithelferin, wußten, daß dabei unter Umständen im Einzelfall der zum Schutz und zur Sicherung des Patienten erforderliche Standard der Anästhesieversorgung nicht eingehalten werden konnte, daß es in diesem Sinn, wie es in einem früheren Schreiben des Chefarztes der Anästhesie an die Verwaltung heißt, zu „illegalen Zuständen” kam.

c) Das durfte der Krankenhausträger nicht hinnehmen. Er versprach dem einzelnen Patienten, hier dem Kläger, bei der Aufnahme in die Klinik eine dem damaligen Standard einer großen Universitätsklinik entsprechende ärztliche Behandlung, obwohl er in der Anästhesie nicht die erforderliche personelle Ausstattung zur Verfügung hatte. Er war unter solchen Umständen verpflichtet, organisatorisch Sorge dafür zu tragen, daß in jedem Fall eine ordnungsgemäße Narkose und deren Überwachung gewährleistet war. Er hatte zu diesem Zwecke eine ausreichende Anzahl von Stellen für die Anästhesie bereitzustellen und zu besetzen. Damit, daß die Streithelferin unwidersprochen sehen nicht alle vorhandenen Stellen besetzen konnte, weil er nicht genügend Bewerber gab, durfte der Krankenhausträger sich entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht beruhigen. Selbst wenn es Anfang 1976 noch allgemein an Anästhesisten zur bestmöglichen Versorgung der Patienten nach den modernen Erkenntnissen der Anästhesie gefehlt haber sollte, so spricht jedenfalls nichts dafür, daß Patienten, eine derart mangelhafte Narkoseüberwachung, wie sie im Falle des Klägers stattgefunden hat, erwarten und hinnehmen mußten. Um ihren vertraglichen Pflichten nachzukommen und zum Schutze der Patienten, die sich in ihre Universitätsklinik begaben, hätte der Krankenhausträger dafür Sorge tragen müssen, daß in seiner Klinik nur Operationen ausgeführt wurden, die anästhesiologisch ordnungsgemäß betreut werden konnten. Solange er nicht genügend Anästhesisten für seine Klinik bekommen konnte, hätte er notfalls auf eine Ausweitung der chirurgischen Abteilung verzichten und weiter anordnen müssen, daß nach Erschöpfung der jeweils vorhandenen Kapazität die Patienten an andere Krankenhäuser zu verweisen seien. Jedenfalls aber bedurfte es klarer Anweisungen an die Ärzte, wie bei einem plötzlichen Engpass zu verfahren war. Es hätte etwa klargestellt werden müssen, daß und welche Operationen zurückzustellen seien, vor allem aber, welche noch in der Ausbildung befindlichen Ärzte oder welches Pflegepersonal bei der Anästhesie eingesetzt werden durfte und wie es dann wirksam angeleitet und überwacht werden konnte. Keinesfalls durfte die Streithelferin als Krankenhausträger vor den ihr bekannten Zuständen mit der Gefahr „illegaler Praktiken” und sogenannter „Umimprovisationen” die Augen schließen und darauf vertrauen, die in der Klinik tätigen Ärzte würden mit der jeweiligen Situation schon irgendwie fertig werden und sie würden sich nach Kräften bemühen, die Patienten trotz allem vor Schäden zu bewahren.

2. Die Streithelferin als Krankenhausträger schuldet dem Kläger auch Ersatz des immateriellen Schadens nach §§ 823 Abs. 1, 847 BGB wegen der von ihr und dem Erstbeklagten als ihrem Organ zu verantwortenden fehlerhaften Organisation der Anästhesie in der Universitätsklinik, die für den Schaden des Klägers mitursächlich geworden ist. Sie betreibt das Krankenhaus und stellt dessen Personal und Einrichtungen denjenigen Bürgern, die als Patienten eine klinische Behandlung benötigen, zur Verfügung. Das hat zur Folge, daß sie zur Garantin für den Schutz der Patienten vor vermeidbaren Schädigungen bei der Benutzung ihres Krankenhauses und bei der Behandlung und Pflege wird. Sie ist damit nicht nur vertraglich, sondern auch deliktisch verpflichtet, alles in ihren Kräften stehende Zumutbare zu tun, um mögliche Gefahren für die Patienten abzuwehren. Gegen diese ihre Verkehrssicherungspflicht haben die zuständigen Beamten der Streithelferin, wie oben ausgeführt, schuldhaft verstoßen. Das löst ihre Schadensersatzpflicht aus unerlaubter Handlung aus.

III.

Ist mithin die Streithelferin als Trägerin der Universitätsklinik den Klägern zum Ersatz des geltend gemachten materiellen und immateriellen Schadens verpflichtet, dann entfällt die Haftung der beiden Beklagten. Beide sind Beamte im haftungsrechtlichen Sinn, wie der Senat in seinem ersten Revisionsurteil näher ausgeführt hat. Sie können nach § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB die Kläger auf die anderweitige Ersatzmöglichkeit durch Inanspruchnahme des Krankenhausträgers verweisen. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist das den Klägern auch zuzumuten. Im Streitfall ergeben sich aus der Inanspruchnahme des Krankenhausträgers keine zusätzlichen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten, soweit es um das unter A erörterte ärztliche Fehlverhalten in der Klinik geht.

Aber auch der zum Organisationsverschulden erhebliche Sachverhalt bot hinsichtlich der erforderlichen Aufklärungsmöglichkeiten und der rechtlichen Beurteilung keine Besonderheiten, die es den Klägern unzumutbar hätten machen können, gegen den Krankenhausträger vorzugehen.

Das führt unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und in Abänderung des erstinstanzlichen Urteils zur Abweisung der gegen den Erstbeklagten gerichteten Klage auf Zahlung eines Schmerzensgeldes und zur Abweisung der Klage gegen den nur aus unerlaubter Handlung, nicht aber vertraglich haftenden Zweitbeklagten. Dementsprechend hat der Senat den Urteilstenor neu gefaßt, wobei zur Klarstellung auch die begehrte Feststellung der Haftung des Erstbeklagten für materielle Zukunftsschäden hinzugefügt worden ist. Die Verteilung der Kosten folgt aus dem Verhältnis, in dem die Parteien im Ergebnis obsiegt haben oder unterlegen sind (§§ 92, 97, 100 ZPO).

 

Unterschriften

Dr. Steffen, Dr. Ankermann, Dr. Lepa, Bischoff, Dr. Schmitz

 

Fundstellen

Haufe-Index 892342

BGHZ

BGHZ, 63

NJW 1985, 2189

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