Entscheidungsstichwort (Thema)

Erbteilsveräußerung

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Miterbe, der seinen Erbteil an einen Dritten veräußert hat, zählt damit nicht mehr zu den übrigen Miterben i. S. von § 2034 I BGB (Änderung der Rechtsprechung).

 

Normenkette

BGB § 2034 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um einen 1/4-Erbteil nach dem am 28. März 1935 verstorbenen Karl B.. Der Erblasser wurde von seinen vier Kindern Maria, Hans, Friedrich und Alice zu je einem Viertel beerbt.

Einziger Nachlaßgegenstand ist ein 1.387 qm großes

Grundstück in H., dessen Wert zum Zweck der Teilungsversteigerung aufgrund Gutachtens vom 9. Juni 1990 auf 7 Mio. DM festgesetzt worden ist. An diesem Grundstück ist der Beklagte seit langem interessiert. Er erwarb zunächst den 1/4-Erbteil Alice und von dem 1/4-Erbteil Hans die Hälfte (1/8). Danach verkauften und übertrugen die Erben der am 28. Februar 1983 nachverstorbenen Miterbin Maria deren Erbteil durch Vertrag vom 20. Dezember 1988 zum Preise von 880.000 DM an den Beklagten und ließen der Klägerin davon am 30. Dezember 1988 Mitteilung machen.

Die Klägerin ist die Witwe des am 14. Mai 1982 nachverstorbenen Miterben Friedrich und erlangte dessen 1/4-Erbteil als seine alleinige Vorerbin durch Erbfolge. Wegen des Erbteilsverkaufs vom 20. Dezember 1988 nimmt sie für sich ein Vorkaufsrecht gemäß § 2034 BGB in Anspruch. Dieses Vorkaufsrecht hat sie durch notarielle Erklärung gegenüber dem Beklagten vom 24. Februar 1989, zugegangen am 27. Februar 1989, im Ganzen für sich ausgeübt.

Der Beklagte meint, der Klägerin habe ein Vorkaufsrecht nicht zugestanden; ebensowenig habe der Verkauf vom 20. Dezember 1988 ein Vorkaufsrecht ausgelöst. Ein etwaiges Vorkaufsrecht habe die Klägerin auch nicht allein ausüben können. Außerdem habe sie ihr Vorkaufsrecht verwirkt.

Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt, den ihm übertragenen Erbteil an die Klägerin zu übertragen. Die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen mit der Maßgabe, daß der Beklagte nur zu leisten habe Zug um Zug gegen Zahlung von 880.000 DM Kaufpreis und gegen Erstattung von 5.603,09 DM Kosten. Mit der Revision erstrebt der Beklagte weiterhin die Klageabweisung.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1.

Verkauft ein Miterbe seinen Erbteil an einen Dritten, dann sind die übrigen Miterben gemäß § 2034 Abs. 1 BGB zum Vorkauf berechtigt. Ist ein Miterbe bereits verstorben, dann treten dessen Erben an seine Stelle (§ 1922 Abs. 1 BGB); als Erbeserben rücken sie in seine Erbenstellung ein. Deshalb greift § 2034 Abs. 1 BGB auch dann ein, wenn - wie hier - die Erben des bereits verstorbenen Miterben dessen Erbteil an einen Dritten verkaufen (BGH Urteil vom 13. 6. 1966 - III ZR 198/64 - NJW 1966, 2207 = LM 4 zu § 2034 BGB). Dritter in diesem Sinne ist grundsätzlich auch ein Erbteilserwerber, der noch weitere Erbteile aufkauft (BGHZ 56, 115, 116; BGH Urteil vom 27. 10. 1971 - IV ZR 223/69 - WM 1972, 503 = LM 8 zu § 2034 BGB). Das Berufungsgericht hat das zutreffend gesehen und hat der Klägerin mit Recht das geltend gemachte Vorkaufsrecht zugebilligt. Auch die Revision hat dagegen nichts zu erinnern.

2.

Das Berufungsgericht ist ferner der Meinung, die Klägerin habe das Vorkaufsrecht allein ausüben können. Zwar stehe das Vorkaufsrecht gemäß § 513 BGB allen Miterben gemeinschaftlich zu und könne im allgemeinen von ihnen auch nur gemeinschaftlich ausgeübt werden. Als einzige Mitberechtigte für die Ausübung des Vorkaufsrechts komme hier aber unstreitig nur die Zeugin Sophie B., Witwe des verstorbenen Miterben Hans B., in Betracht. Diese Zeugin sei gemäß § 5 10 Abs. 1 BGB unterrichtet worden, sei aber an dem Erwerb nicht interessiert gewesen und habe die Frist des § 2034 Abs. 2 Satz 1 BGB verstreichen lassen.

Dabei ist stillschweigend vorausgesetzt, daß Miterben (oder Erbeserben) ein Vorkaufsrecht gemäß § 2034 BGB nicht mehr erlangen können, wenn sie ihren Erbteil bereits früher vollständig veräußert haben, wie das hier durch mehrere Übertragungen an den Beklagten und an den Sohn Rudolf der Klägerin geschehen ist. Mit dieser Rechtsmeinung steht das Berufungsurteil in Widerspruch zu einem unveröffentlichten Urteil des Bundesgerichtshofs vom 19. Oktober 1955 (IV ZR 89/55 S. 10f.; vgl. Johannsen, WM 1970, 738, 746; Kregel in BGB RGRK 12. Aufl. § 2034 Rdn. 5). Dort hat der frühere IV. Zivilsenat die gegenteilige Auffassung vertreten. Der erkennende Senat hat diese Auffassung für zwei Sonderfälle eingeschränkt (BGHZ 86, 379 mit Anm. Hoegen, LM 12 zu § 2034 BGB und Urteil vom 13. 6. 1990 - IV ZR 87/89 - FamRZ 1990, 1110 = LM 13 zu § 2034 BGB) und hat dabei offengelassen, ob an ihr im übrigen festzuhalten ist (LM 13 zu § 2034 BGB unter II 1 a.E.). Nach erneuter Überprüfung gibt der Senat die gegenteilige Auffassung ausdrücklich auf.

Der Senat hat bereits früher hervorgehoben, daß das Vorkaufsrecht des § 2034 BGB dem Zweck dient, die übrigen Miterben vor dem Eindringen unerwünschter Nichterben in die Erbengemeinschaft und auch vor der Verstärkung der Beteiligung bereits eingedrungener Dritter zu schützen (LM 13 zu § 2034 BGB). Vor diesem begrenzten Zweck wird deutlich, daß und warum kein Vorkaufsrecht entsteht, wenn ein Miterbe seinen Erbteil an einen anderen Miterben verkauft (BGH Urteil vom 27. 10. 1971 - IV ZR 223/69 - WM 1972, 503 = LM 8 zu § 2034 BGB Bl. 1R und vom 31. 5. 1965 - III ZR 1/64 - WarnR 1965, 323 = LM 3 zu § 2034 BGB unter II 2 b Bl. 2R), und zwar möglicherweise selbst dann nicht, wenn der Erwerber bereits vollständig aus der Erbengemeinschaft ausgeschieden war. Dementsprechend erscheint es dem Senat von vornherein fragwürdig, einen Miterben, der seinen Erbteil an einen Dritten verkauft, dennoch zu den geschützten "übrigen Miterben" zu rechnen und ihn dadurch vor dem Erbteilsverkauf eines anderen Miterben gleichzeitig durch ein und dieselbe Bestimmung in Schutz zu nehmen. Aber auch wenn beide Erbteilskäufe nicht zugleich, sondern nacheinander zustande kommen und abgewickelt werden, leuchtet ein solches Vorgehen nicht ein. Mit einem derartigen Verständnis der Norm werden, wie die bisher entschiedenen Fälle zeigen, wenig sinnvolle Wettläufe von Interessenten und wechselseitige Blockaden von Vorkaufsrechten begünstigt, ohne daß sich dies aus Sinn und Zweck des Gesetzes rechtfertigen ließe.

Da ein Miterbe auch dann Miterbe bleibt, wenn er seinen Erbteil vollständig veräußert hat (BGHZ 86, 379, 380; 56, 115, 117), könnte zwar der Wortlaut für die frühere Auslegung durch den Bundesgerichtshof sprechen. In der Tat hat sich der frühere IV. Zivilsenat auf diesen Gesichtspunkt gestützt (a.M. bereits Meyer in Gruch Beitr 51 (1907), 785, 789) und daraus abgeleitet, das Vorkaufsrecht "hafte nicht an" dem ererbten Vermögensanteil, sondern an der Miterbenstellung als solcher. Daran ist richtig, daß der Schutz, den § 2034 BGB den Miterben bietet, bei der Erbteilsübertragung grundsätzlich nicht mit dem Erbteil auf dessen neuen Inhaber übergeht und diesem daher nicht zugute kommt (BGHZ 56, 115, 118). Das besagt aber nichts Entscheidendes darüber, ob der Miterbe selbst nach der Veräußerung seines Erbteils für einen anderen Verkaufsfall noch zu den in § 2034 BGB geschützten "übrigen Miterben" gehört. Diese Frage kann entgegen der Auffassung des früheren IV. Zivilsenats nicht allein nach dem Wort "Miterben", nämlich danach entschieden werden, daß der Veräußerer Miterbe geblieben sei.

Maßgebend muß hier vielmehr sein, daß der vollständig aus der Erbengemeinschaft ausgeschiedene Miterbe keines Schutzes vor dem Eindringen Dritter oder einer Verstärkung ihrer Beteiligung daran mehr bedarf. Schutzbedürftig im Sinne von § 2034 BGB vor Überfremdung sind vielmehr nur diejenigen Miterben und Erbeserben, die in der Erbengemeinschaft verblieben sind. Wenn man den Anwendungsbereich des § 2034 BGB auch auf die bereits ausgeschiedenen Erben erstreckte und ihnen gewissermaßen ein "Recht auf Rückkehr" in die Erbengemeinschaft zubilligen wollte, dann ginge das zugleich zu Lasten der "treuen" (übrigen) Miterben und würde deren Rechte aus § 2034 BGB auf weitere verkaufte Erbteile entsprechend vermindern. Das kann nicht Sinn des Gesetzes sein. Die jetzige Auffassung des Senats wird im neueren Schrifttum weitgehend geteilt (vgl. z.B. Staudinger/Werner, BGB 12. Aufl. § 2034 Rdn. 9; MK/Dütz, BGB 2. Aufl. § 2034 Rdn. 22; Soergel/Wolf, BGB 12. Aufl. § 2034 Rdn. 8 bei Fn. 42; Erman/Schlüter, BGB 8. Aufl. § 2034 Rdn. 4; Palandt/Edenhofer, BGB 51. Aufl. § 2034 Rdn. 3; von Lübtow, Erbrecht Bd. II S. 825; Leipold, Erbrecht 9. Aufl. Rdn. 525 Fn. 6; unklar AK-Pardey, § 2034 BGB Rdn. 7).

3.

Mit Recht rügt die Revision allerdings, daß es sich bei der Frage, welche Personen neben der Klägerin als die übrigen Miterben im Sinne von § 2034 Abs. 1 BGB anzusehen sind, um eine Rechtsfrage handelt, die die Parteien nicht unstreitig stellen können. Weder die Feststellungen des Berufungsgerichts noch der Vortrag der Parteien lassen hinreichend deutlich erkennen, aufgrund welcher Rechtsgrundlagen und von wem der Schwager Hans der Klägerin beerbt worden ist. Der sogenannte Stammbaum (Bl. 153) und die Kopien aus dem Grundbuch (K 3 und Anlage zur Revisionsbegründung) weisen insoweit unterschiedliche Quoten und teilweise sogar andere Personen aus. Die fehlende Prüfung wird nachzuholen sein. Soweit das Berufungsgericht feststellt, das Vorkaufsrecht der Zeugin Sophie B. sei erloschen, ist das allerdings aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

4.

Unbegründet ist die Revision dagegen, soweit sie rügt, die Klägerin habe ihr Vorkaufsrecht nicht wirksam ausgeübt, weil sie es zugleich mit ihrer Vorkaufserklärung abgelehnt habe, die mit der Erklärung verbundenen Pflichten zu erfüllen. Das Berufungsgericht hat den Inhalt der Vorkaufserklärung der Klägerin geprüft und hervorgehoben, daß die Klägerin einen Anspruch auf Abschluß des von ihr gleichzeitig angebotenen Übertragungsvertrages nicht gehabt habe. Es hat darin aber keine Erklärung gefunden, durch die sie die Erfüllung ihrer Pflichten aus dem Erbteilsvorkauf abgelehnt oder sonst gegen Treu und Glauben verstoßen habe. Das ist rechtlich nicht zu beanstanden.

5.

Ferner beruft die Revision sich darauf, daß die Klägerin ihren Erbteil auf ihre Söhne Rudolf und Carl-Günther übertragen habe. Auch wenn dieser neue Prozeßvortrag trotz § 561 Abs. 1 ZPO in der Revisionsinstanz noch berücksichtigt werden könnte, was der Senat nicht zu entscheiden braucht, stünde dies dem Klageanspruch nicht im Wege. Entgegen der Auffassung der Revision geht ein etwaiger Anspruch, den die Klägerin durch die Ausübung ihres Vorkaufsrechts erlangt hat, ihr infolge nachträglicher Veräußerung ihres Erbteils nicht ohne weiteres wieder verloren. Rechte aus der Vorkaufserklärung sind zwar, anders als das Vorkaufsrecht selbst (§ 514 BGB), aber ebenso wie in den Fällen der §§ 504ff. BGB, frei übertragbar (RGZ 163, 142, 154). Eine derartige Übertragung kann zwar mit einer Erbteilsübertragung verbunden werden. Davon kann jedoch, wenn im Einzelfall nichts anderes bestimmt ist, im allgemeinen nicht ausgegangen werden. Inwiefern die Weiterverfolgung des Klageanspruchs durch die Klägerin rechtsmißbräuchlich sein soll, ist nicht ersichtlich.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1456312

BGHZ, 47

NJW 1993, 726

DNotZ 1993, 536

JuS 1993, 694

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