Leitsatz (amtlich)

Zur Frage des Zustandekommens eines stillschweigenden Auskunftsvertrages, wenn sich ein Landrat im Rahmen einer gesellschaftlichen Veranstaltung bei dem Vorstandssprecher einer Bank erkundigt, ob die Finanzierung eines privaten Bauprojekts gesichert sei.

 

Normenkette

BGB § 676

 

Verfahrensgang

OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 26.10.1988)

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 26.03.1987)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 26. Oktober 1988 aufgehoben.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 26. März 1987 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die beklagte Bank auf Schadensersatz wegen falscher Auskunft in Anspruch.

Die Klägerin lieferte in den Jahren 1983 und 1984 aufgrund eines mit der Grundstücksgesellschaft Ha. GmbH und der C. Wo.- und G. GmbH abgeschlossenen Werkvertrages Bauteile für den Umbau eines im Landkreis D. gelegenen ehemaligen Lungensanatoriums in ein Krankenhaus. Am 3. Oktober 1983 wurde der bereits fertiggestellte Teil des Klinikums im Rahmen eines Erntedankfestes der Öffentlichkeit vorgestellt. Bei dieser Veranstaltung kam es zwischen dem Vorstandssprecher der Beklagten F. und dem Landrat des Landkreises Deggendorf Dr. Karl zu einem Gespräch, über dessen Inhalt die Parteien streiten. Die Klägerin hat behauptet, F. habe auf Befragen erklärt, daß die Gesamtfinanzierung des Bauvorhabens gesichert sei und sich mit der Weitergabe der Auskunft an die beteiligten Handwerker einverstanden erklärt. Nachdem sie Kenntnis von dieser Äußerung erhalten habe, habe sie für den Weiterbau Leistungen erbracht, für die sie 805.438,20 DM beanspruchen könne. Sie hat mit der Klage einen erstrangigen Teilbetrag von 500.000 DM geltend gemacht. Die Beklagte hat Klagabweisung und im Wege der Widerklage die Feststellung beantragt, daß der Klägerin über den geltend gemachten Teilbetrag keine weiteren Ansprüche gegen sie zustünden.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht der Klägerin einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe des negativen Interesses dem Grunde nach zuerkannt. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

I.

Das Berufungsgericht hat die Schadensersatzansprüche auf der Grundlage eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter für begründet erachtet und dazu unter anderem ausgeführt: Durch die Erklärung des Vorstandssprechers der Beklagten F. gegenüber dem Landrat Dr. K., die Gesamtfinanzierung des Vorhabens sei sichergestellt, sei ein stillschweigender Auskunftsvertrag mit Schutzwirkung zugunsten der Klägerin zustande gekommen. Für F. als Vertreter der Beklagten sei klar gewesen, daß die Auskunft nicht Dr. K. persönlich sondern den Vertragspartnern der Bauherren hätte dienen sollen. Damit seien diese in den Schutzbereich des Vertrages einbezogen worden.

II.

Diese Ausführungen greift die Revision mit Erfolg an.

Die Beklagte haftet der Klägerin nicht aus einem stillschweigend abgeschlossenen Auskunftsvertrag auf Schadensersatz.

1. Ein solcher Vertrag kommt nach gefestigter Rechtsprechung zustande, wenn die Auskunft der Bank für den Antragenden erkennbar von erheblicher Bedeutung ist und er sie zur Grundlage wesentlicher Vermögensverfügungen machen will (BGH, Urteil vom 30. März 1976 – VI ZR 21/74, WM 1976, 498; BGH, Urteil vom 12. Februar 1979 – II ZR 177/77, WM 1979, 548; BGH, Urteil vom 17. September 1985 – VI ZR 73/84, WM 1985, 1531, 1532; Senatsurteile vom 11. Oktober 1988 – XI ZR 1/88, WM 1988, 1828, 1829 und vom 27. Juni 1989 – XI ZR 52/88, WM 1989, 1409, 1411). Anfragender und Empfänger der Auskunft war hier jedoch nicht die Klägerin sondern Dr. Karl. Daß dieser die Auskunft zur Grundlage irgendwelcher Vermögensdispositionen machen wollte, schied nach den Gesamtumständen ersichtlich aus.

Allerdings ist darüber hinaus anerkannt, daß eine Haftung des Auskunftgebers gegenüber dem auf die Auskunft Vertrauenden ausnahmsweise auch dann begründet sein kann, wenn die Auskunft einem Dritten erteilt worden ist. Bei dieser Sachlage ist aber erforderlich, daß die Auskunft für jenen bestimmt und der Auskunftgeber sich bewußt war, daß sie für diesen in der erwähnten Weise bedeutsam und als Grundlage entscheidender Vermögensdispositionen dienen werde (vgl. BGH, Urteil vom 30. März 1976 a.a.O. m.w.Nachw.; Steffen in BGB-RGRK 12. Aufl. § 676 Rdn. 42). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

a) Das Berufungsgericht nimmt an, Dr. K. habe sich, für F. erkennbar, zugunsten der am Bau tätigen Handwerker einschalten wollen. Aus der von ihm gewählten Eröffnung des Gesprächs, „er sei angesprochen worden, man habe Sorgen”, und der daran anknüpfenden Frage, „ob man beruhigtsein könne”, ergebe sich, daß ein Vertrag mit Schutzwirkung auch zugunsten der Klägerin gewollt war. Dem kann nicht gefolgt werden.

b) Ansprüche der Klägerin unter dem Gesichtspunkt des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter kommen schon deshalb nicht in Betracht, weil das Berufungsgericht nicht fest gestellt hat und auch keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, daß Dr. Karl im eigenen Namen mit der Beklagten einen Auskunftsvertrag geschlossen hätte, in dessen Schutzbereich die Klägerin hätte einbezogen werden können.

aa) Dr. Karl war dem Zeugen F. bei einem zufälligen Zusammentreffen während einer Festveranstaltung als Landrat des Kreises vorgestellt worden und hatte sich nach dem Inhalt seiner Zeugenaussage – für den Zeugen F. erkennbar – in dieser Eigenschaft nach dem Stand der Finanzierung erkundigt. Für ihn stand nach seiner Darstellung im Vordergrund, „Erkenntnisse über das Vorhaben zu sammeln”, um informiert zu sein, „falls politisch jemand in die Verantwortung genommen” würde. Anders konnte die Motivation für seine allgemein gehaltene Frage von dem Zeugen Flachmann auch kaum verstanden werden. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Gesprächspartner hätten die Erkundigungen des Landrats Dr. K. als Antrag auf Abschluß eines Auskunftsvertrages aufgefaßt, der Zeuge F. habe eine solche Auskunft im Rahmen dieses privaten Gesprächs mit einem Politiker geben wollen, findet deshalb im Beweisergebnis keine Stütze.

bb) Die Frage nach der Schutzwirkung eines solchen Vertrages stellt sich damit nicht. Die erforderliche vertragliche Grundlage läßt sich auch nicht aus der von dem Zeugen Dr. K. bei seiner Vernehmung geäußerten Auffassung herleiten, für ihn sei klar gewesen, daß er den Inhalt des Gesprächs in seiner Funktion als Landrat verwerten dürfe, da Vertraulichkeit nicht vereinbart worden sei. War eine Bankauskunft von keinem der Gesprächspartner gewollt, so entfaltet der Inhalt des Gesprächs auch bei einer Weitergabe an Dritte keine rechtsgeschäftlichen Wirkungen. Die Annahme eines Auskunftsvertrages mit dem, den es angeht (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juli 1970 – II ZR 85/68, NJW 1970, 1737; Steffen a.a.O. Rdn. 41), setzt voraus, daß wenigstens im Verhältnis zu diesem Dritten die Grundlagen für eine vertragliche oder vertragsähnliche Bindung gegeben sind, insbesondere also nach dem Willen der Gesprächspartner der Inhalt der Antwort die Grundlage für wesentliche Vermögensdispositionen desjenigen bilden soll, für den die Auskunft bestimmt ist. Davon kann allenfalls dann ausgegangen werden, wenn nicht nur die Absicht der Übermittlung, sondern auch die von ihr abhängenden Entscheidungen des oder der Empfänger unmißverständlich zum Ausdruck kommen. Etwas derartiges konnte den allgemein gehaltenen, nach seiner eigenen Einschätzung vorwiegend politisch motivierten Fragen des Zeugen Dr. Karl nicht entnommen werden. Ein Hinweis darauf, daß Handwerker die Erbringung weiterer Leistungen für das Bauvorhaben von dem Inhalt der Antwort des Zeugen Flachmann abhängig machen könnten, ist nicht erfolgt. Nach der Schilderung seiner Motivation erscheint sogar zweifelhaft, daß der Zeuge Dr. Karl damals an eile derartige Möglichkeit gedacht hat.

cc) Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Haftung für Gutachten oder Testate von Personen, die über eine besondere, vom Staat anerkannte Sachkunde verfügen (vgl. Senatsurteil vom 11. Oktober 1988 a.a.O.), besagt nichts anderes. Selbst diese Personen haften nicht für den Inhalt von irgendwelchen privaten Einschätzungen, sondern nur für sachverständige Äußerungen, denen nach Form und Inhalt besondere Beweiskraft auch Dritten gegenüber zukommen soll. Im übrigen gehört der Zeuge F. nicht zu diesem Personenkreis.

2. Es kann unter diesen Umständen offen bleiben, ob die Bedeutung, die das Berufungsgericht dem Inhalt der von dem Zeigen Dr. K. im einzelnen geschilderten Äußerungen des Zeigen F. beigelegt hat, einer rechtlichen Überprüfung standhalten würde.

III.

Das Berufungsgericht hat – von seinem Standpunkt aus zu Recht – ungeprüft gelassen, ob sich eine Schadensersatzpflicht der Beklagten aus einer von dem Zeugen Flachmann dem Geschäftsführer der Klägerin am 3. Oktober 1983 erteilten Bankauskunft herleiten ließe. Die Voraussetzungen dafür liegen nicht vor. Einer weiteren Aufklärung und Beweiserhebung bedarf es insoweit nicht.

Das Landgericht ist davon ausgegangen, daß der Zeuge F. im weiteren Verlauf der Festveranstaltung gegenüber den Handwerkern erklärt hat, die Finanzierung sei gesichert, die Handwerker bekamen ihr Geld. Der beantragten weiteren Beweiserhebung zu der Behauptung der Klägerin, der Zeuge F. habe das am 25. Januar 1985 selbst eingeräumt, bedurfte es daher nicht. Die Auffassung des Landgerichts, eine Bankauskunft sei nach den Gesamtumständen in dieser Äußerung nicht zu sehen, ist rechtsfehlerfrei. Das Landgericht hat darauf abgestellt, daß das Gespräch mit den Handwerkern in der „euphorischen Stimmung” des Erntedankfestes stattgefunden habe, die Fragen der Handwerker angesichts des nach den Zeugenaussagen fehlenden konkreten Anlasses für Bedenken hinsichtlich der Zahlungsfähigkeit des Bauherren lediglich auf allgemeinem Interesse der Handwerker beruhten und deshalb für den Zeugen Flachmann nicht deutlich gewesen sei, daß die Handwerker die weitere Ausführung von Arbeiten von seiner Antwort abhängig machen würden. Diese Würdigung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Der dagegen von der Klägerin in der Berufungsinstanz im wesentlichen erhobene Einwand, das Landgericht habe übersehen, daß der Zeuge Flachmann jedenfalls von dem Zeugen Dr. Karl über die unter den Handwerkern bestehende Unruhe, die sogar die politischen Gremien erreicht habe, informiert worden sei, ist nicht begründet. Aus dem Gespräch mit dem Zeugen Dr. Karl, der nach seiner Bekundung damals keine konkreten Anzeichen für eine Besorgnis hatte, konnte der Zeuge Flachmann – wir dargelegt – gerade nicht entnehmen, daß die Handwerker eine verbindliche Bankauskunft erwarteten.

IV.

Der Schadensersatzanspruch der Klägerin erweist sich damit als unbegründet. Das Berufungsurteil mußte daher aufgehoben werden. Da die Sache zur Endentscheidung reif ist, war gemäß § 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO in der Sache selbst zu entscheiden.

 

Unterschriften

Schimansky, Dr. Halstenberg, Dr. Schramm, Dr. Siol, Nobbe

 

Fundstellen

Haufe-Index 1392089

BB 1990, 2291

NJW 1991, 352

BGHR

Nachschlagewerk BGH

ZBB 1991, 43

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