Entscheidungsstichwort (Thema)

Vermögensverwalter

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Vorschrift des § 1 IV Fallgruppe 2 VermG ist so auszulegen, daß hierin die Aufhebung aller bei Inkrafttreten des VermG noch bestehenden vorläufigen staatlichen Verwaltungen erfaßt und die damit in Zusammenhang stehenden Ansprüche der Eigentümer und Berechtigten geregelt werden, soweit ein Tatbestand vorliegt, der als Teilungsunrecht zu werten ist.

2. Die dem Eigentümer nach § 13 VermG gegen den bisherigen staatlichen Verwalter zustehenden Ansprüche sind vor den ordentlichen Gerichten geltend zu machen.

 

Normenkette

VermG § 1 Abs. 4; GVG § 13; VermG § 13

 

Gründe

I. Die Kläger kauften durch Vertrag vom 17. Dezember 1991 das den Verkäufern G. B. (Miterbin zu A), E. B. (Miterbin zu B) und H. H. (Miterbe zu C) in ungeteilter Erbengemeinschaft gehörende, im früheren Ostberlin belegene Grundstück D.-Straße 32/Z.-Straße 14 in Berlin Prenzlauer Berg. Die Erbengemeinschaft hatte bereits im Jahre 1962 bestanden, statt der Miterbin zu A war zunächst die später von dieser beerbte E. H. Miterbin neben den Erben zu B und C. Die Miterben zu B und C lebten seinerzeit in Westberlin, E. H. wie auch die spätere Miterbin zu A in Ostberlin. Mit Schreiben vom 21. Februar 1962 hatte der Rat des Stadtbezirks Prenzlauer Berg - Abteilung Finanzen - dem VEB Kommunale Wohnungsverwaltung Berlin P. B. (VEB KWV) in bezug auf das Grundstück unter anderem mitgeteilt:

"Das obere Grundstück ... - Miteigentum - ... der Westberliner Bürger H. H. ... E. B. ... steht aufgrund der Anweisung des Magistrats von Groß-Berlin, Abt. Finanzen, vom 18.11.1961 unter Schutz und vorläufiger Verwaltung. Gemäß Abschnitt IV Ziffer 1 a der genannten Anweisung bestellen wir Sie mit sofortiger Wirkung zum vorläufiger Verwalter dieses ... - Grundstücksanteils.

Während der Dauer der vorläufigen Verwaltung ruhen die Besitz-, Nutzungs- und Verfügungsbefugnisse ... /der Eigentümer. Jeglicher Schriftwechsel mit ... /den westberliner Eigentümern hat zu unterbleiben (vgl. Abschnitt VII der Anweisung). ...

Der vorläufige Verwalter ist berechtigt und verpflichtet, alle Maßnahmen zu treffen, die zur ordnungsgemäßen Verwaltung und planmäßigen Nutzung des Vermögens erforderlich sind. ...

Der bisherige Verwalter Frau E. H. ... wurde von uns beauftragt, bis zum 10.04.1962 bei Ihnen vorstellig zu werden."

Durch Vereinbarung vom 14. Oktober 1963 mit der späteren Miterbin zu A, G. B., die bereits von E. H. mit der Verwaltung ihres Anteils beauftragt worden war, übertrug der VEB KWV dieser auch die Ausübung der Verwaltung der "Miteigentumsanteile" der Miterben zu B und C. Zum 3. Dezember 1976 kündigte die Verwalterin G. B. ihre "Verwaltertätigkeit bei der Erbengemeinschaft". Die Miterbin E. H. erteilte dem VEB KWV Vollmacht, ihren Anteil an der Erbengemeinschaft ab 1. Januar 1977 mitzuverwalten.

Durch Bescheid des Amtes zur Regelung offener Vermögensfragen vom 28. Juli 1992 wurde "die staatliche Verwaltung der Erbanteile H. H. und E. B." an dem Grundstück unter Bezugnahme auf § 11 Abs. 1 des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen (VermG) in der Fassung vom 18. April 1991 (BGBl. I S. 957) aufgehoben. Die Beklagte als Rechtsnachfolgerin des VEB KWV übergab das Grundstück gemäß Protokoll vom 21. September 1992 an den von der Erbengemeinschaft inzwischen beauftragten Hausverwalter.

Die Kläger, die unterdessen als Eigentümer des Grundstücks eingetragen sind, machen aus dem abgetretenen Recht der Miterben zu A - C, ihrer Verkäufer, Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte geltend mit der Begründung, deren Rechtsvorgängerin bzw. sie, die Beklagte, selbst habe unter Verletzung ihrer Verwalterpflichten Teile des auf dem Grundstück stehenden Mietshauses verwahrlosen lassen. Das Landgericht hat den Zivilrechtsweg für unzulässig erklärt. Das Beschwerdegericht hat diesen Beschluß abgeändert und den von den Klägern beschrittenen Rechtsweg für zulässig erklärt. Hiergegen richtet sich die von dem Beschwerdegericht zugelassene weitere Beschwerde der Beklagten.

II. Die nach § 17 a Abs. 4 Satz 4 GVG zulässige weitere Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Zu Recht hat das Berufungsgericht die Zulässigkeit des Rechtsweges zu den Zivilgerichten bejaht.

1. Für die Entscheidung der Frage, ob eine Streitigkeit dem bürgerlichen oder dem öffentlichen Recht zuzuordnen ist, ist dann, wenn - wie hier - eine ausdrückliche Rechtswegzuweisung des Gesetzgebers fehlt, auf die Natur des Rechtsverhältnisses abzustellen, aus dem der Klageanspruch abgeleitet wird (st.Rspr.: GmS-OGB BGHZ 97, 312, 313 ff). Dabei kommt es nicht auf die Bewertung durch die klagende Partei, sondern darauf an, ob sich das Klagebegehren nach den zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachen aus einem Sachverhalt herleitet, der nach bürgerlichem Recht zu beurteilen ist (Senat BGHZ 114, 1, 5 und BGHZ 121, 367, 372/373, jeweils m.w.N.).

Unter Anwendung dieser Grundsätze ist das Beschwerdegericht zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, daß die von den Klägern geltend gemachten Schadensersatzansprüche, soweit es den Miterbenanteil der früheren Miterbin zu A an dem von den Klägern erworbenen Grundstück anbetrifft, der Entscheidung durch die ordentliche Gerichtsbarkeit unterliegen. Die von der Miterbin zu A abgeleiteten Ansprüche finden ihre Grundlage in dem dem Privatrecht zugeordneten Vertrag, durch den die Rechtsvorgängerin der Miterbin zu A, die Erblasserin E. H., den VEB Kommunale Wohnungsverwaltung für die Zeit ab 1. Januar 1977 mit der Verwaltung ihres Miterbenanteils beauftragt hat. Gegen diese Auffassung als solche erhebt die Beschwerde auch keine Bedenken.

2. Hinsichtlich der Ansprüche der Miterben zu B und C leitet das Beschwerdegericht die Zulässigkeit der Klage vor den ordentlichen Gerichten aus § 40 Abs. 2 Satz 1 VwGO her. Es führt aus, als Grundlage für die Rechtsbeziehungen dieser Miterben zu dem VEB KWV sei allein das Schreiben des Rates des Stadtbezirkes Prenzlauer Berg an den VEB K vom 21. Februar 1962 in Verbindung mit der dort zitierten Anweisung des Magistrats von Groß-Berlin vom 18. November 1961 anzusehen. Die Einsetzung des VEB KWV als vorläufigen Verwalter nach Abschnitt IV Nr. 1 a der Anweisung stelle sich bei Zugrundelegung rechtsstaatlicher Kategorien als Verwaltungsakt, nicht als Ergebnis eines öffentlich-rechtlichen Vertrages dar. Ein Rechtsstreit über Schadensersatzansprüche der Miterben zu B und C wegen Verletzung der Verwalterpflichten gehöre daher vor die ordentlichen Gerichte. Eine Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte nach § 37 VermG sei nicht gegeben, da das Vermögensgesetz zur Entscheidung über die Ansprüche der Miterben zu B und C nicht heranzuziehen sei.

3. Gegen diese Erwägungen wendet sich die Beschwerde zwar insofern zu Recht, als sie die Nichtanwendung des Vermögensgesetzes rügt. Doch bleibt die Beschwerde ohne Erfolg, weil auch die an die Kläger abgetretenen Schadensersatzansprüche der Miteigentümer zu B und C aus § 13 VermG und den sonst in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen vor den ordentlichen Gerichten zu verfolgen sind.

a) Zutreffend ist der Ausgangspunkt des Beschwerdegerichts, daß die angeordnete vorläufige Verwaltung der Anteile der Miterben zu B und C eine (einseitige) hoheitliche Maßnahme darstellt. In der Anweisung vom 18. November 1961 wurde dem Eigentümer nicht das Recht zur Bestimmung eines geeigneten Bevollmächtigten eingeräumt (vgl. Nr. IV 1), vielmehr waren sogar bereits von ihm eingesetzte Verwalter aufzufordern, ihre Tätigkeit einzustellen und die Unterlagen dem nunmehrigen Verwalter zu übergeben (Nr. II). Ein Schriftwechsel des Verwalters mit dem Eigentümer hatte zu unterbleiben (Nr. VII 1). Die VEB KWV war eine staatliche Stelle im Sinne des § 1 Abs. 4 2. Fallgruppe VermG, der eine staatliche Verwaltung übertragen werden konnte (vgl. Brettholle/Köhler-Apel in Rädler/Raupach/Bezzenberger, Vermögen in der ehemaligen DDR Bd. I § 1 Rn. 102). Richtig ist auch die Auffassung des Beschwerdegerichts, der Vertrag vom 14. Oktober 1963 zwischen dem VEB KWV und der späteren Miterbin zu A über die Verwaltung der Anteile der Miterben zu B und C habe eine weitere (privatrechtliche) Rechtsbeziehung zwischen dem VEB und diesen Miterben nicht begründet.

b) Das Beschwerdegericht führt weiter aus, die Vorschrift des § 13 VermG, die die Haftung des staatlichen Verwalters regele, finde keine Anwendung, weil die Anweisung vom 18. November 1961 nicht als Anordnung einer vorläufigen Verwaltung durch "Rechtsvorschrift" im Sinne des § 1 Abs. 4 2. Fallgruppe VermG anzusehen sei. Dem kann nicht gefolgt werden.

Wie der amtlichen Begründung der Bundesregierung zum Entwurf des Vermögensgesetzes zu entnehmen ist (Erläuterung zu den Anlagen zum Einigungsvertrag, hier: Zu Anlage II Kapitel III Sachgebiet B Abschnitt I Nr. 1 und 2 ("Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen"), BT-Drucks. 11/7831 II zu § 1), war allerdings daran gedacht, mit der 2. Fallgruppe des § 1 Abs. 4 VermG die Anordnungen zu erfassen, die aufgrund § 6 der Verordnung zur Sicherung von Vermögenswerten (VermSichVO) vom 17. Juli 1952 (GBl. I S. 615, abgedruckt in: Fieberg/Reichenbach, RWS-Dokumentation 7 2. Aufl. Bd. 2 Nr. 3.5) und § 2 der Verordnung zur Sicherung von Vermögenswerten vom 4. September 1952 (VOBl. für Groß-Berlin I S. 458) nebst der ersten Durchführungsanweisung hierzu vom 8. September 1952 (VOBl. für Groß-Berlin I S. 459, abgedruckt in: Fieberg/Reichenbach, RWS-Dokumentation aaO. Nr. 3.6 und 3.6.1) ergangen waren (Petter in Kimme, Offene Vermögensfragen Bd. I 1993 § 1 VermG Rn. 116; Schwarz in Kimme aaO. § 11 Rn. 7; Fieberg/Reichenbach, Vermögensgesetz 1993 § 11 Rn. 10). Da die Vermögenssicherungsverordnung vom 17. Juli 1952 am 11. Juni 1953 (§ 2 der Verordnung über die in das Gebiet der DDR und den demokratischen Sektor von Groß-Berlin zurückkehrenden Personen, GBl. I S. 805, abgedruckt in: Fieberg/Reichenbach, RWS-Dokumentation aaO. Nr. 3.7) und die Verordnung vom 4. September 1952 nebst der ersten Durchführungsanweisung am 24. Juni 1953 (§ 1 der Verordnung über die Aufhebung der Verordnung zur Sicherung von Vermögenswerten und der zu dieser Verordnung ergangenen Durchführungsanweisung, VOBl. für Groß-Berlin I S. 214, abgedruckt in: Fieberg/Reichenbach, RWS-Dokumentation aaO. Nr. 3.5.6) außer Kraft gesetzt worden waren, handelt es sich um sogenannten "alten Westbesitz" von deutschen Staatsangehörigen, die bereits bei Kriegsende (8. Mai 1945) in den späteren westlichen Besatzungszonen Deutschlands oder in den Westsektoren von Berlin ihren Wohnsitz hatten, sowie über Vermögenswerte von Bürgern, die das Gebiet der ehemaligen DDR bis zum 10. Juni 1953 mit Genehmigung verlassen hatten.

Die Begründung des Gesetzentwurfs nimmt, soweit es die Anordnung einer vorläufigen Verwaltung (§ 1 Abs. 4 2. Fallgruppe VermG) anbetrifft, des weiteren auf die "Anordnung Nr. 2 über die Behandlung des Vermögens von Personen, die die DDR nach dem 10. Juni 1953 verlassen", vom 20. August 1958 (GBl. I S. 664, abgedruckt in: Fieberg/Reichenbach, RWS-Dokumentation aaO. Nr. 3.15) Bezug. Hierdurch wurde das Vermögen von Bürgern, die die ehemalige DDR nach dem 10. Juni 1953 ohne die erforderliche Genehmigung verlassen hatten bzw. noch verlassen würden, der Verwaltung durch einen staatlichen Treuhänder unterstellt.

c) Auch wenn die Anweisung vom 18. November 1961 nicht auf einer der genannten Vorschriften beruht, sind für die staatliche Inverwahrungnahme der Miterbenanteile die Vorschriften des Vermögensgesetzes heranzuziehen.

Aus dem Umstand, daß der Gesetzgeber bei der Abfassung des § 1 Abs. 4 2. Fallgruppe VermG nur die genannten Vorschriften der ehemaligen DDR und die hierzu erlassenen Anweisungen im Blickfeld hatte (Erläuterung aaO.), ergibt sich nicht die Notwendigkeit, die Anwendung des Vermögensgesetzes hierauf zu beschränken. Anders als in § 1 Abs. 1 der Verordnung über die Anmeldung vermögensrechtlicher Ansprüche vom 11. Juli 1990 - AnmV - (veröffentlicht und in Kraft getreten am 27. Juli 1990 - GBl. I S. 718, abgedruckt in: NJW 1990, 2240) sind in § 1 Abs. 4 2. Fallgruppe VermG die Bestimmungen nicht aufgeführt, die nach Meinung des Gesetzgebers als Grundlage für die Anordnung einer vorläufigen staatlichen Verwaltung in Betracht kamen. In der Zeit nach Erlaß des Vermögensgesetzes sind zahlreiche Dokumente aufgefunden worden, die weder dem Betroffenen noch der Öffentlichkeit zugänglich waren. Es handelt sich vor allem um bisher geheimgehaltene Beschlüsse des Ministerrates, um Anordnungen, Anweisungen und Hinweise aus dem Innen- und dem Finanzministerium der DDR, die die Behandlung von Flüchtlingsvermögen, altem Westbesitz und ausländischem Eigentum teilweise bis ins kleinste Detail regelten. Die politischen Absichten traten dabei offen zutage. Die Dokumente stellen eine notwendige Ergänzung der Rechtsvorschriften dar, die die Enteignungen, Zwangsverwaltungen und sonstigen Eingriffe in Vermögenswerte zum Inhalt hatten (Fieberg/Reichenbach, RWS-Dokumentation aaO. Vorwort zur 2. Aufl.).

Es erscheint ausgeschlossen, daß der Gesetzgeber die auf solchen Dokumenten beruhenden staatlichen Zwangsverwaltungen von der Anwendbarkeit des Vermögensgesetzes ausgenommen hätte, wenn ihm die entsprechenden Vorschriften schon rechtzeitig zur Kenntnis gelangt wären. Auch ist nicht davon auszugehen, daß die Anordnung einer staatlichen Verwaltung nur dann von § 1 Abs. 4 2. Fallgruppe VermG erfaßt sein sollte, wenn die hierfür aufgestellten Voraussetzungen der Vorschriften der ehemaligen DDR erfüllt waren. Dann würde eine Vielzahl derartiger Maßnahmen aus dem Anwendungsbereich des Vermögensgesetzes herausfallen. Beispielsweise wurde noch in den Jahren nach der Aufhebung der Verordnung vom 17. Juli 1952 durch die Verordnung vom 11. Juni 1953 die vorläufige Verwaltung über Vermögenswerte angeordnet, die nach der Vermögenssicherungsverordnung hätten in Verwaltung genommen werden können (vgl. "Richtlinie des Staatssekretariats für Innere Angelegenheiten betr. vorläufige Verwaltung von Vermögenswerten westberliner und westdeutscher Eigentümer durch die Räte der Städte und Gemeinden vom 5.8.1953" und "Richtlinie des Staatssekretariats für Innere Angelegenheiten für die Räte der Kreise, Referate Staatliches Eigentum, betr. Fragen der vorläufigen Verwaltung vom 10.8.1953", jeweils unveröffentlicht, abgedruckt in: Fieberg/Reichenbach, RWS-Dokumentation aaO. Nr. 3.5.6 und 3.5.7; vgl. Schwarz in Kimme aaO. vor §§ 11 - 15 Rn. 24). Es ist kein Grund dafür ersichtlich, das Vermögensgesetz auf diese Fälle deshalb nicht anzuwenden, weil die entsprechenden Maßnahmen der Behörden der DDR nicht mehr von den Rechtsvorschriften gedeckt waren.

Ähnlich muß es sich verhalten, wenn - wie hier - eine staatliche Verwaltung durch eine förmliche Anweisung angeordnet wurde, ohne daß dafür nach den bisherigen Erkenntnissen eine Rechtsgrundlage in Form einer noch weiter geltenden Verordnung des Magistrats von Groß-Berlin gegeben war oder auch nur in der Anweisung genannt wurde.

Von dem Vermögensgesetz sollten Enteignungen und enteignungsgleiche Eingriffe nicht erfaßt werden, die in der DDR auf der Grundlage des sozialistischen Verständnisses von Eigentum an Grund und Boden, Mietwohnungen und Produktionsmitteln sowie unter den Bedingungen der innen- und wirtschaftspolitischen Entwicklungen vorgenommen wurden und denen das Eigentum von Bürgern der DDR, Bundesbürgern und Ausländern gleichermaßen unterworfen war. Es läge außerhalb der Realität, den Versuch zu unternehmen, die vermögensrechtlichen Ergebnisse einer 40 Jahre andauernden verfehlten wirtschaftspolitischen Entwicklung rückgängig zu machen. Daher wurden von § 1 Abs. 4 VermG nur diejenigen Sachverhalte aufgegriffen, die als Teilungsunrecht definiert werden können (Fieberg/Reichenbach NJW 1991, 321 ff, 323, 326; Kimme aaO. vor §§ 1, 2 Rn. 33; vgl. OVG Berlin ZIP 1992, 278, 280/281; BezG Potsdam ZIP 1992, 1113, 1116). Zweck dieser Bestimmung ist es demnach, die speziellen Nachteile auszugleichen, die Bundesbürger und Ausländer aufgrund der Tatsache hinnehmen mußten, daß sie über ihr Eigentum - sei es, weil sie das Gebiet der DDR legal oder illegal verlassen haben, sei es, weil sie dort nie einen Wohnsitz hatten - bislang nicht oder nicht mehr selbst verfügen konnten (Erläuterung aaO.). Die Vorschrift des § 1 Abs. 4 2. Fallgruppe VermG ist demnach so auszulegen, daß hierin die Aufhebung aller bei Inkrafttreten des Vermögensgesetzes noch bestehenden vorläufigen staatlichen Verwaltungen erfaßt und die damit in Zusammenhang stehenden Ansprüche der Eigentümer und Berechtigten geregelt werden, soweit ein Tatbestand vorliegt, der als Teilungsunrecht zu werten ist.

Ein solcher Fall ist hier gegeben. Die Miterben zu B und C wurden nur deshalb von einer staatlichen Inverwahrungnahme durch die Anweisung vom 18. November 1961 getroffen, weil sie ihren Wohnsitz in Westberlin hatten. Es ist, insbesondere unter Berücksichtigung des Gleichheitsgrundsatzes, nicht einzusehen, daß der in Westberlin wohnende Eigentümer, dessen Grundstück aufgrund einer ohne Rechtsgrundlage ergangenen förmlichen Anweisung der staatlichen Verwaltung unterstellt wurde, schlechter dastehen soll als der Westberliner Bürger, dessen Inanspruchnahme auf einer formal rechtsgültigen Vorschrift beruht. Ein gerichtliches Vorgehen gegen eine ohne Rechtsgrundlage ergangene Maßnahme kam für die in Westberlin wohnenden Bürger ohnehin nicht in Betracht. Auch wenn die Anweisung nicht aufgrund einer Rechtsvorschrift im Sinne einer Regelung mit Rechtsnormcharakter ergangen ist, wie es dem Wortlaut nach in § 1 Abs. 4 2. Fallgruppe VermG vorausgesetzt wird, handelt es sich um eine hoheitliche Maßnahme, die für sich dieselbe Geltungskraft in Anspruch nahm (vgl. die Bezugnahme in der Anweisung auf einzelne Rechtsvorschriften, etwa in Nr. VIII, IX und X) und für den Betroffenen die gleichen nachteiligen Auswirkungen hatte. Die in Nr. V, 1 vorgesehene und im Falle der Miterben zu B und C auch durchgeführte Eintragung des Verwaltungsvermerks in das Grundbuch verstärkte den Anschein, daß die Anweisung auf einer Rechtsvorschrift beruhte. Aus dem Gesichtspunkt des Art. 3 GG wird unter der Voraussetzung, daß eine staatliche Verwaltung nach den entsprechenden Rechtsvorschriften hätte angeordnet werden können, sogar eine Anwendbarkeit des Vermögensgesetzes auf die sogenannte faktische staatliche Verwaltung bejaht, die ohne die formale Bestellung eines Verwalters durchgeführt worden ist (Brettholle/Köhler-Apel aaO. § 1 Rn. 104, 105). Die Anwendbarkeit des Vermögensgesetzes ermöglicht beispielsweise die Heranziehung der dem Eigentümer günstigen Vorschrift des § 16 Abs. 6 VermG, wenn der staatliche Verwalter - wie auch im vorliegenden Falle - das verwaltete Grundstück mit Aufbaugrundschulden und Aufbauhypotheken belastet hat (Brettholle/Köhler-Apel aaO. § 1 Rn. 105).

d) Wenn das Beschwerdegericht unter Bezugnahme auf Brettholle/Köhler-Apel (aaO. § 1 Rn. 103) die Anwendbarkeit des Vermögensgesetzes mit der Begründung verneint, § 1 Abs. 4 regele nicht Fälle einer vorläufigen Verwaltung aufgrund bloßer Magistratsbeschlüsse, kann dem nicht gefolgt werden. Von dem Vermögensgesetz nicht erfaßt wird die sogenannte Sicherungsverwaltung privater Grundstücke auf der Grundlage von Bewirtschaftungsvorschriften. Dabei geht es, und dies ist in der zitierten Anmerkung gemeint, um staatlich nicht verwaltete Grundstücke, insbesondere von in der DDR lebenden Eigentümern, die auf Antrag des Magistrats bzw. des jeweiligen Rats des Kreises mit Aufbaugrundschulden belastet und für die Zeit bis zur Tilgung der Aufbaugrundschulden auf der Grundlage von Magistratsbeschlüssen bzw. Ratsbeschlüssen unter vorläufige Verwaltung gestellt wurden. Vereinzelt wurde diese Verwaltungsform auch in Abteilung II des Grundbuchs eingetragen. Diese sogenannte Sicherungsverwaltung von privaten Grundstücken beruhte insbesondere auf der Anordnung über die Kreditgebung für die Wiederinstandsetzung bzw. den Wiederaufbau privater Wohnbauten vom 2. September 1949 (ZVOBl. 1949 I S. 714 ff) und der Verordnung vom 28. Oktober 1949 zur Förderung der Instandsetzung beschädigter oder des Wiederaufbaus zerstörter Wohn- und Arbeitsstätten (VOBl. für Groß-Berlin I S. 385), die am 28. April 1960 durch die Verordnung für die Finanzierung von Baumaßnahmen zur Schaffung und Erhaltung von privatem Wohnraum (GBl. I S. 351) aufgehoben wurden. Im Falle der Kläger handelt es sich aber nicht um eine derartige Sicherungsverwaltung, von der auch die Bürger der DDR betroffen waren, sondern um Teilungsunrecht, das nach dem gesetzgeberischen Willen Gegenstand des Vermögensgesetzes ist.

e) Von dem Vermögensgesetz gleichfalls ausgenommen sind treuhänderische Verwaltungen auf zivilrechtlicher Grundlage (vgl. die von Petter in Kimme aaO. § 1 Rn. 120, 121 dargestellten Fälle). Eine solche treuhänderische Verwaltung war beispielsweise in der "Anordnung über die Behandlung des Vermögens von Personen, die die Deutsche Demokratische Republik nach dem 10. Juni 1953 verlassen" vom 1. Dezember 1953 (GBl. I S. 1231, abgedruckt in: Fieberg/Reichenbach, RWS-Dokumentation aaO. Nr. 3.9) nebst der "Arbeitsanweisung" hierzu vom 5. Dezember 1953 (Zentralblatt Nr. 47 S. 576, abgedruckt in: Fieberg/Reichenbach, RWS-Dokumentation aaO. Nr. 3.9.1) und für Ostberlin in der "Anordnung über die Behandlung des Vermögens von Personen, die den demokratischen Sektor von Berlin nach dem 10. Juni 1953 verlassen" vom 8. April 1954 (VOBl. für Groß-Berlin I S. 164, abgedruckt in: Fieberg/Reichenbach, RWS-Dokumentation aaO. Nr. 3.10) vorgesehen (Schwarz in Kimme aaO. § 11 Rn. 8; Fieberg/Reichenbach, Vermögensgesetz 1993 § 11 Rn. 12 und 13). Die Verwaltung der Vermögenswerte erfolgte durch einen von dem Eigentümer eingesetzten Bevollmächtigten, einen vom staatlichen Notariat eingesetzten Abwesenheitspfleger oder in besonderen Fällen durch einen vom Rat des Kreises bzw. des Stadtbezirks eingesetzten Treuhänder (§ 1 der Anordnungen). Nach der zutreffenden Auffassung des Beschwerdegerichts lag hier aber eine treuhänderische Verwaltung auf privatrechtlicher Grundlage nicht vor.

4. Auch wenn nach alledem das Vermögensgesetz auf die sich aus der staatlichen Verwaltung der Erbanteile der Miterben zu B und C ergebenden Rechtsbeziehungen Anwendung findet, ist der Rechtsweg zu den Zivilgerichten eröffnet.

a) Nach § 13 Abs. 1 VermG haftet der Verwalter bei Verstößen gegen Pflichten, die sich aus einer ordnungsgemäßen Wirtschaftsführung ergeben, und bei Verletzung anderer ihm obliegender Pflichten, die sich bis zum Inkrafttreten des Vermögensgesetzes am 29. September 1990 auch aus einschlägigen Bestimmungen der DDR (vgl. Nr. VI 1 der Anweisung vom 18. November 1961) herleiten lassen (Fieberg/Reichenbach Vermögensgesetz 1993 § 13 Rn. 8; Barkam in Rädler/Raupach/Bezzenberger aaO. § 13 Rn. 9). Wie sich aus der amtlichen Begründung ergibt (BT-Drucks. 11/7831 Erläuterung zu § 13), gestaltet § 13 Abs. 2 VermG den Schadensersatzanspruch als Staatshaftungsanspruch aus, auf den die Bestimmungen des Staatshaftungsgesetzes (StHG) der Deutschen Demokratischen Republik vom 12. Mai 1969 (GBl. I S. 34), geändert durch das Gesetz zur Anpassung von Regelungen über Rechtsmittel der Bürger und zur Festlegung der gerichtlichen Zuständigkeit für die Nachprüfung von Verwaltungsentscheidungen vom 14. Dezember 1988 GBl. I S. 329), Anwendung finden, die gemäß Art. 9 Abs. 2 i.V.m. Anlage II Kapitel III des Einigungsvertrages mit den dort angeführten Maßgaben in den Ländern Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Thüringen als Landesrecht fortgelten. Der Anspruch richtet sich gegen den Entschädigungsfonds (§ 13 Abs. 2 VermG), dem gegenüber dem staatlichen Verwalter oder der diesem übergeordneten Kommunalverwaltung ein entsprechender Ausgleichsanspruch zusteht (§ 13 Abs. 3 VermG).

b) Da der Gesetzgeber den Anspruch nach § 13 VermG ausdrücklich in die Form eines Staatshaftungsanspruchs gekleidet hat, ist der ordentliche Rechtsweg (§ 6 a StHG) zulässig (Fieberg/Reichenbach, Vermögensgesetz 1993 § 13 Rn. 14; a.A. LG Berlin DtZ 1992, 334), sobald das Verwaltungsverfahren (§§ 5, 6 StHG) abgeschlossen ist (vgl. Senatsurteil vom 14. Juli 1994 - III ZR 174/92 - NJW 1994, 2684 ff, 2687, für BGHZ vorgesehen; vgl. BGH, Beschluß vom 19. November 1992 - V ZB 37/92 - NJW 1993, 332 ff, 333 zur verwaltungsgerichtlichen Klage wegen des öffentlich-rechtlichen Rückübertragungsanspruchs), das die Kläger mit ihrem Antrag vom 13. Juli 1993 (VA 141) ordnungsgemäß bei dem Amt zur Regelung offener Vermögensfragen (vgl. Barkam aaO. § 13 Rn. 19) eingeleitet haben (§§ 22. ff, § 32 Abs. 2 VermG).

Wenn der Gesetzgeber wie hier dem Anspruchsteller für sein Begehren eine Anspruchsgrundlage zur Verfügung gestellt hat, die vor den Zivilgerichten zu verfolgen ist, so hat er damit grundsätzlich mittelbar auch den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten begründet (vgl. Senatsbeschluß vom 30. Juni 1994 - III ZB 21/94 - NJW 1994, 2488, für BGHZ vorgesehen, für Ansprüche gegen den Verwalter nach § 11 a Abs. 3 VermG). Die Rechtswegregelung in § 37 VermG findet insoweit keine Anwendung.

c) Soweit den Klägern bei Inkrafttreten des Vermögensgesetzes am 29. September 1990 bereits Ersatzansprüche nach dem Staatshaftungsgesetz der ehemaligen DDR zugestanden haben, bestehen diese fort (Barkam aaO. § 13 Rn. 9 und 12) und sind gleichfalls vor den ordentlichen Gerichten geltend zu machen (§ 6 a StHG).

Für Ansprüche aus Amtshaftung nach Art. 34 GG, § 839 BGB, die sich bei schädigenden Handlungen des Verwalters seit Inkrafttreten des Einigungsvertrages am 3. Oktober 1990 bis zur Aufhebung der staatlichen Verwaltung über die Anteile der Miterben zu B und C durch Bescheid vom 28. Juli 1992 zusätzlich zu den Schadensersatzansprüchen aus § 13 VermG ergeben können (Fieberg/Reichenbach, Vermögensgesetz 1993 § 13 Rn. 15; Barkam aaO. § 13 Rn. 17), ist ohnehin der Rechtsweg zu den Zivilgerichten gegeben.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1456298

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