Leitsatz (amtlich)

Bei einem gegenseitigen Vertrag kann sich nach Treu und Glauben für den einen Vertragsteil die Rechtspflicht ergeben, eine bei ihm nach dem Vertragsschluß eingetretene Zahlungsunfähigkeit dem vorleistungspflichtigen Vertragsgegner zu offenbaren.

 

Verfahrensgang

LG Passau (Entscheidung vom 02.04.1953)

 

Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts in Passau vom 2. April 1953 wird verworfen mit der Maßgabe, daß der Angeklagte in dem unter Nr. I b der Urteilsformel behandelten Falle wegen Betrugs in Tateinheit mit fortgesetzter Urkundenfälschung verurteilt wird. Nr. III der Urteilsformel wird dahin berichtigt, daß der Beschwerdeführer von der Anklage wegen Unterschlagung und von der weitergehenden Anklage wegen Betrugs freigesprochen wird.

Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

 

Gründe

Auf die Sachbeschwerde des Angeklagten hat das Revisionsgericht geprüft, ob die Strafkammer auf den von ihr festgestellten Sachverhalt das Strafgesetz richtig angewandt hat. Dabei hat sich kein Rechtsfehler ergeben, durch den der Angeklagte beschwert sein könnte. Einer Erläuterung bedarf dies nur in folgendem Umfange:

1.

In einer Reihe von Fällen (insbesondere Nr. 9, 12, 13, 16) macht die Strafkammer dem Angeklagten zum Vorwurf, daß er entgegen dem Gebot von Treu und Glauben beim Abschluß von Verträgen dem anderen Vertragsteil seine ausweglos schlechte wirtschaftliche Lage verschwiegen habe; sie findet hier das betrügerische Verhalten des Angeklagten in einem reinen Unterlassen. Das trifft indes nicht zu; vielmehr hat der Angeklagte auch in diesen Fällen durch tätiges Handeln getäuscht, also falsche Tatsachen vorgespiegelt. Denn wer eine vertragliche Verpflichtung übernimmt, behauptet damit, selbst wenn er es nicht ausdrücklich erklärt, ohne weiteres, er sei ernstlich und unbedingt gewillt, sie zu erfüllen; wird ihm hierzu eine Frist gewährt, insbesondere Kredit eingeräumt, so liegt in dem Versprechen; den Vertrag zu erfüllen, zwar nicht immer die Behauptung gegenwärtiger Zahlungsfähigkeit, wohl aber die Erklärung, die gegenwärtigen Verhältnisse des Schuldners ständen der vereinbarten Erfüllung des Vertrages nicht im Wege. Dies ist in der Rechtsprechung anerkannt (vgl. u.a. RGSt 24, 405; 41, 27, 31; RG DStrR 1939, 170; DR 1943, 744; BGH 1 StR 171/51 vom 8. Mai 1951; 1 StR 179/51 vom 18. Mai 1951; vgl. ferner Wachinger, Gerichtssaal Bd. 102 S 376, 384). Solche schlüssigen Täuschungshandlungen des Angeklagten ergeben sich hier aus den Urteilsfeststellungen.

2.

In dem Falle 5 liegen der Verurteilung wegen Betrugs folgende Feststellungen zugrunde: Der Angeklagte übertrug am 19. Oktober 1948 der Firma L. Heizungs- und Apparatebau GmbH die Erstellung einer Heizungsanlage in seinem Neubau. Er versprach, während der Dauer der Arbeiten 1.000 DM und später die der Firma zustehende weitere Vergütung zu bezahlen. Seine Vermögensverhältnisse waren damals noch nicht so ungünstig, daß schon in der Erteilung der Bestellung eine Täuschungshandlung zu finden wäre; auch hatte er zu dieser Zeit noch nicht den Vorsatz, die Vertragsgegnerin zu schädigen. In der Folgezeit verschlechterten sich jedoch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten sehr; seine Schulden wuchsen, es fanden Vollstreckungsmaßnahmen und fruchtlose Vollstreckungsversuche gegen ihn statt; am 9. Februar 1949 gab er vor Gericht zur Abwendung des Offenbarungseids eine Versicherung über den Bestand seines Vermögens ab (§ 19 d der VO über Maßnahmen auf dem Gebiete der Zwangsvollstreckung vom 26. Mai 1933). Davon erfuhr indes die Firma I. nichts; sie führte im Vertrauen auf das Zahlungsversprechen des Angeklagten im April und Mai 1949 die ihr aufgetragenen Arbeiten durch. Auf ihre hierdurch fällig gewordene Forderung von über 3.300 DM hat der Angeklagte aus Mangel an Mitteln nichts bezahlt. Das Landgericht findet das betrügerische Verhalten des Angeklagten darin, daß er der Firma die Verschlechterung seiner wirtschaftlichen Lage verschwieg; infolgedessen habe die Firma, in dem Irrtum befangen, er sei weiterhin leistungsfähig und zahlungswillig, es unterlassen, von ihren in § 321 BGB bestimmten Rechten Gebrauch zu machen. Dem Angeklagten sei mindestens seit dem 9. Februar 1949 bewußt gewesen, daß er seine Verbindlichkeiten nicht mehr werde erfüllen können.

Diese Erwägungen sind frei von Rechtsirrtum.

Aus dem Urteil geht nicht hervor, daß der Angeklagte, als die Firma I. mit den Arbeiten begann und sie durchführte, ein auf Täuschung berechnetes tätiges Verhalten an den Tag gelegt hat. Dem steht jedoch das Verschweigen der Wahrheit gleich, wenn der Angeklagte zu ihrer Offenbarung verpflichtet war. Eine solche Pflicht kann zwar nicht aus § 321 BGB allein hergeleitet werden (RG JW 1934, 105211); das Landgericht entnimmt sie jedoch, wie sich aus der Anführung des § 242 BGB ergibt, dem Gebot von Treu und Glauben. Das ist umsoweniger rechtlich zu beanstanden, als hier nicht der Umfang der gegenseitigen Aufklärungspflicht von Personen in Frage steht, die erst in Vertragsunterhandlungen stehen, vielmehr ein dem Gesetz von Treu und Glauben unterstehender Vertrag schon zustande gekommen war. Daß Treu und Glauben die Pflicht begründen können, den Vertragsgegner über Umstände aufzuklären, die für seine weiteren Entschliessungen erkennbar von Bedeutung sind, ist allgemein anerkannt; ebenso steht in der neueren Rechtsprechung fest, daß auf solcher Grundlage echte Rechtspflichten entstehen (vgl. u.a. RGSt 70, 151, 155 ff). Der Angeklagte hat also durch ein pflichtwidriges Unterlassen wahre Tatsachen unterdrückt.

Die sonstigen Voraussetzungen für die Verurteilung wegen Betrugs ergeben sich ebenfalls hinreichend aus dem Urteil.

3.

In dem Falle 24 begegnet zwar die Verurteilung wegen fortgesetzter Urkundenfälschung keinen rechtlichen Bedenken. Jedoch liegt ersichtlich kein fortgesetzter, sondern nur ein einmaliger Betrug vor. Dieser besteht darin, daß der Angeklagte die Kreissparkasse durch die Begebung des gefälschten Wechsels vom 31. August 1950 veranlaßte, ihm dessen vermeintlichen Gegenwert auszuzahlen. Durch die vier gefälschten Verlängerungswechsel kann der Sparkasse kein weiterer Schaden mehr zugefügt worden sein, wenngleich sie dadurch zur Verlängerung des Kredits bewogen wurde; denn sie hätte zu dieser Zeit ihre Forderung ohnedies nicht mehr beitreiben können, weil der Angeklagte völlig vermögenslos geworden war und den Offenbarungseid nach § 807 ZPO geleistet hatte. Ein Betrug ist deshalb insoweit zu verneinen (BGHSt 1, 262). Der Schuldspruch ist dementsprechend richtigzustellen. Auf den Strafausspruch ist dies ohne Einfluß. Da der Unrechtsgehalt des Verhaltens des Angeklagten im wesentlichen derselbe bleibt, würde das Landgericht nach der Überzeugung des Senats die Strafe von vier Monaten Gefängnis auch bei zutreffender rechtlicher Betrachtung ausgesprochen haben.

Weitere Fälle, in denen das Landgericht die Grundsätze über den Stundungsbetrug (vgl. BGHSt 1, 262) verkannt hätte, sind nicht ersichtlich.

4.

Die in dem angefochtenen Urteil unter 5, 6, 9 und 10 behandelten Straftaten sind vor dem 15. September 1949 begangen worden. Das Straffreiheitsgesetz vom 31. Dezember 1949 kann dem Angeklagten gleichwohl nicht zustatten kommen. Allerdings wird die Strafverfolgung nicht durch die Erwägung des Landgerichts gerechtfertigt, der Angeklagte habe in den auf den Stichtag folgenden drei Jahren weitere strafbare Handlungen begangen; das ist nur für die Frage des bedingten Straferlasses nach § 2 Abs. 2 StFG von Bedeutung. Daß die vor dem Stichtag begangenen Taten verfolgt werden durften, ergibt sich jedoch daraus, daß der Angeklagte schon für sie eine sechs Monate Gefängnis übersteigende Gesamtstrafe verwirkt hat (§ 4 Abs. 1, 4, § 3 Abs. 1 StFG; BGH 3 StR 65/51 vom 5. April 1951; BGHSt 5, 136); dies wiederum folgt notwendig daraus, daß das Landgericht allein wegen des Betrugsfalls 5 eine Einzelstrafe von sechs Monaten Gefängnis für schuldangemessen gehalten hat (§ 74 StGB).

5.

Die Strafkammer hat, soweit die Einzelstrafen drei Monate Gefängnis nicht übersteigen, zur Anwendbarkeit des § 27 b StGB nicht ausdrücklich Stellung genommen. Daß sie jedoch auch insoweit den Strafzweck nicht durch Geldstrafen für erreichbar hielt, und zwar im Hinblick auf die in anderen Fällen verhängten höheren Freiheitsstrafen, ergibt sich hinreichend aus den Ausführungen des Urteils zu der Frage der mildernden Umstände (vgl. auch BGH 4 StR 491/51 vom 29. Mai 1952).

6.

Soweit der Angeklagte des Betrugs (§ 263 StGB) in Tateinheit mit Urkundenfälschung schuldig ist (Fälle 15, 24), hat das Landgericht die Strafe dem § 267 StGB entnommen. Dies verstößt gegen den § 73 StGB; denn wenn, wie hier, weder mildernde Umstände vorliegen noch ein besonders schwerer Fall gegeben ist, droht § 263 StGB die strengere Strafe an (Gefängnis und Geldstrafe; vgl. RGSt 75, 14; 75, 19). Es gereicht dem Angeklagten aber nicht zum Nachteil, daß das Landgericht dem Strafausspruch zu Unrecht das mildere Gesetz zugrunde gelegt hat.

7.

Den § 79 StGB hat das Landgericht richtig angewandt. Allerdings war dem Angeklagten der Teil der Strafe, den er auf Grund des Urteils des Amtsgerichts Neuwied vom 20. Februar 1951 schon verbüßt hatte, nicht nach richterlichem Ermessen auf Grund des § 60 StGB auf die Gesamtstrafe anzurechnen, vielmehr war diese Anrechnung gesetzlich geboten (RGSt 46, 179, 183; 77, 151 f). Der Angeklagte ist jedoch auch durch diese Entscheidung des Landgerichts nicht beschwert.

8.

Der Angeklagte hätte nicht, wie unter III der Formel des angefochtenen Urteils geschehen, von der Anschuldigung des Betrugs in sieben selbständigen Fällen freigesprochen werden dürfen: denn es war ihm unter B des Eröffnungsbeschlusses nur ein fortgesetzter Betrug zur Last gelegt worden. Ausserdem hat das Landgericht den Angeklagten nicht nur in sieben Einzelfällen dieser fortgesetzten Tat für nicht überführt erachtet, sondern auch sonst in Abweichung von dem Eröffnungsbeschluß verschiedentlich ein strafbares Verhalten verneint (vgl. die Fälle 5, 6, 17, 21 der Urteilsgründe). Das Urteil ist daher insoweit richtigzustellen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 3018515

BGHSt 6, 198 - 199

BGHSt, 198

DB 1954, 741-742 (amtl. Leitsatz)

NJW 1954, 1414-1415 (Volltext mit amtl. LS)

MDR 1954, 656

MDR 1954, 692-693 (Volltext mit amtl. LS)

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