Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an die eindeutige Bezeichnung des Berufungsklägers

 

Leitsatz (amtlich)

Die fehlerhafte Bezeichnung einer Partei als „Berufungsbeklagte” allein rechtfertigt es nicht, die Berufung als unzulässig zu behandeln, wenn die Auslegung der Berufungsschrift ergibt, für wen und gegen wen die Berufung eingelegt wird.

 

Normenkette

ZPO § 518 Abs. 2 Nr. 2; EGZPO § 26 Nr. 5

 

Verfahrensgang

OLG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 11.09.2001)

LG Hanau

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 11. September 2001 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Abrechnung eines Werkvertrages. Die Klägerin hat im ersten Rechtszug eine Forderung von insgesamt 308.761,59 DM geltend gemacht.

Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 23.991,99 DM entsprochen und sie im übrigen abgewiesen. Dem Eingang des landgerichtlichen Urteils ist zu entnehmen, daß die Beklagte durch die Rechtsanwälte Kl. und Kollegen vertreten war. Die Entscheidung ist den Prozeßbevollmächtigten der Parteien am 4. Februar 2000 zugestellt worden.

Gegen dieses Urteil haben die Streithelfer der Beklagten mit am 1. März 2000 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Der Berufungsschrift war eine vollständige Fotokopie des angefochtenen Urteils beigefügt.

Der von der Klägerin beauftragte Rechtsanwalt W. legte am 6. März 2000 (Montag) Berufung ein. In dem Schriftsatz heißt es u.a.:

„BERUFUNG

der ……….AG…………,

Berufungsklägerin und Klägerin

- Prozeßbevollmächtigter: RA W.

gegen

die ………………GmbH & Co. KG,

Berufungsbeklagte und Beklagte

- Prozeßbevollmächtigter I. Instanz:

RAe Kl. und Kollegen

Namens und auftrags der Beklagten und Berufungsklägerin wird gegen das

……………………….Urteil des Landgerichts ………………………………….

BERUFUNG

eingelegt.”

In der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht hat die Beklagte die Berufung vor Antragstellung zurückgenommen. Ihre Streithelfer haben sich der Rücknahmeerklärung angeschlossen. Das Berufungsgericht hat sodann die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen. Mit ihrer Revision erstrebt die Klägerin die Aufhebung des Berufungsurteils und die Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

 

Entscheidungsgründe

Enscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht meint, die Berufung der Klägerin sei unzulässig. Eingang und weiterer Text der Berufungsschrift widersprächen sich. Daher sei nicht zu erkennen gewesen, für welche Partei die Berufung habe eingelegt werden sollen. Die Tatsache, daß dem Berufungsgericht das landgerichtliche Urteil vorgelegen habe, habe daran nichts geändert. Aus ihm habe sich ergeben, daß beide Parteien als Berufungsklägerinnen in Betracht gekommen seien.

II.

1. Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, daß an die eindeutige Bezeichnung des Rechtsmittelklägers strenge Anforderungen zu stellen sind. Das bedeutet jedoch nicht, daß die erforderliche Klarheit über die Person des Rechtsmittelklägers nur durch dessen ausdrückliche Benennung zu erzielen wäre. Sie kann auch durch Auslegung der Berufungsschrift und der etwa sonst vorliegenden Unterlagen gewonnen werden (vgl. BGH, Urteil vom 15. Dezember 1998 – VI ZR 316/97, BGHR ZPO § 518 Abs. 2 – Parteibezeichnung 16 m.w.N., Urteil vom 8. November 2001 – VII ZR 65/01, EBE/BGH 2002-Ls 25/02). Dabei sind sämtliche Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, die dem Gericht bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist bekannt und dem Rechtsmittelgegner zugänglich sind. Daher ist auch das angefochtene Urteil einzubeziehen, wenn es dem Berufungsgericht bis zum Ablauf der Berufungsfrist vorliegt.

2. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft nicht erkannt, daß die Berufungsschrift der Klägerin jedenfalls in Verbindung mit der ihm vorliegenden Fotokopie des angefochtenen Urteils den genannten Voraussetzungen genügte. Bei Würdigung dieser Schriftstücke ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit, daß die Berufung für die Klägerin eingelegt ist.

Die Berufungsschrift bezeichnet im Eingang die Klägerin als Berufungsklägerin. Im weiteren Text jedoch ist ausgeführt, die Berufung werde „namens und auftrags der Beklagten und Berufungsklägerin” eingelegt.

Anders als das Berufungsgericht meint, ist im vorliegenden Fall auch dem Eingangssatz der Berufungsschrift – in Verbindung mit dem landgerichtlichen Urteil – entscheidende Bedeutung beizumessen (vgl. BGH, Beschluß vom 15. Juli 1999 – IX ZB 33/99, NJW-RR 1999, 1587). Diese wird mit den Worten „BERUFUNG der …… AG ….” eingeleitet. Diese Partei wird als Klägerin und Berufungsklägerin benannt, vertreten durch den Unterzeichner der Berufungsschrift Rechtsanwalt W.. Die Beklagte wird mit Nennung ihrer Prozeßbevollmächtigten I. Instanz Rechtsanwälte Kl. und Koll. zugleich als Berufungsbeklagte bezeichnet. Auch dem vorliegenden Urteil des Landgerichts ist zu entnehmen, daß die Beklagte im ersten Rechtszug durch die Rechtsanwälte Kl. und Kollegen vertreten worden ist. Damit wird deutlich, daß sich an der Prozeßvertretung dieser Partei bis dahin nichts geändert hat. Rechtsanwalt W. hingegen hat sich in der Berufungsschrift als neuer zweitinstanzlicher Prozeßbevollmächtigter der Klägerin benannt. Die von ihm eingereichte und unterzeichnete Berufungsschrift läßt somit ohne durchgreifende Zweifel erkennen, daß die Berufung im Namen der Klägerin gegen die Beklagte gerichtet ist.

 

Unterschriften

Ullmann, Hausmann, Wiebel, Kuffer, Kniffka

 

Fundstellen

Haufe-Index 726015

BGHR 2002, 653

BauR 2002, 1119

NJW-RR 2002, 1074

Nachschlagewerk BGH

MDR 2002, 714

SGb 2002, 500

ZfBR 2002, 427

ZfBR 2002, 555

KammerForum 2002, 297

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