Leitsatz (amtlich)

Bestimmt das Statut, daß Einzahlungen schon vor der Eintragung der Genossenschaft ins Genossenschaftsregister zu leisten sind, so wird der Genosse, der dieser Verpflichtung nachkommt, seiner Einzahlungspflicht frei.

Die Einzahlungspflicht lebt nicht dadurch wieder auf, daß die Einzahlungen im Einverständnis aller Gründer schon vor der Eintragung zur Aufnahme des Geschäftsbetriebes der Genossenschaft verwendet werden.

 

Verfahrensgang

OLG Nürnberg (Entscheidung vom 12.06.1953)

LG Nürnberg-Fürth (Entscheidung vom 23.04.1952)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Nürnberg vom 12. Juni 1953 aufgehoben.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts in Nürnberg-Fürth vom 23. April 1952 abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Am 8. Dezember 1949 wurde über das Vermögen der am 22. Mai 1948 mit beschränkter Haftpflicht errichteten und am 7. April 1949 in das Genossenschaftsregister eingetragenen Hu. N. das Konkursverfahren eröffnet. Geschäftsanteile und Haftsummen betrugen je 100 RM. Durch Beschluß vom 12. Februar 1949 wurden Geschäftsanteile und Haftsummen auf 6,50 DM festgesetzt. Der Kläger machte als Konkursverwalter zunächst die Haftpflicht geltend. Im Vorprozeß verlangte er dann von einem der Gründer, dem Schulrat O., in Höhe eines Teilbetrages von 400 DM Erfüllung der Einlageschuld. Ott hatte 276 Geschäftsanteile übernommen und am 16. Juni 1948 den gesamten Betrag von 27.600 RM eingezahlt. Der Kläger will diese Zahlung nicht als Erfüllung gelten lassen, weil die Genossenschaft alsbald nach ihrer Gründung ihre Tätigkeit aufgenommen habe und bis zu ihrer Eintragung im Genossenschaftsregister überschuldet gewesen sei. Durch Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 4. Juli 1951 - 5 S. 184/51 - (Zeitschrift für das gesamte Genossenschaftswesen Bd 2, 66) wurde O. antragsgemäß verurteilt. Im vorliegenden Rechtsstreit verlangt der Kläger von O. Zahlung des Restbetrages von 1.394 DM. O. ist im Laufe des Rechtsstreits verstorben und von den Beklagten beerbt worden.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Mit der Revision verfolgen sie den Klageabweisungsantrag weiter, während der Kläger um Zurückweisung der Revision bittet.

 

Entscheidungsgründe

Nach § 43 Abs. 2 des Statuts der Gemeinschuldnerin ist "jeder Genosse berechtigt und verpflichtet, den Geschäftsanteil sofort voll einzuzahlen". Dies bedeutet nicht, daß die Einlageschuld erst mit der Entstehung der Genossenschaft, also erst mit ihrer Eintragung in das Genossenschaftsregister (§ 13 GenG) fällig wurde. Die Einlageschuld wurde vielmehr mit sofortiger Fälligkeit, also schon gegenüber der Gründervereinigung, begründet, wobei es nicht darauf ankommt, wie dieser Zusammenschluß rechtlich zu würdigen ist. Von der sofortigen Fälligkeit gehen auch die Vorentscheidungen und der Kläger aus.

Rechtliche Bedenken bestehen weder gegen die Begründung, sofortiger Fälligkeit noch gegen die Verpflichtung zu voller Einzahlung. Im Gegensatz zu den §§ 7 Abs. 2, 8 Abs. 2 GmbHG; §§ 28 Abs. 2, 49 Abs. 3 AktG besteht bei der Genossenschaft von Gesetzes wegen keine Pflicht, einen Teil der Einlage vor der Eintragung einzuzahlen, wie auch in der Registeranmeldung nicht versichert zu werden braucht, daß bestimmte Einzahlungen geleistet sind. Nach § 7 Ziff 2 GenG muß das Statut die Höhe des Geschäftsanteils, den Gesamtbetrag der Pflichteinzahlungen und für mindestens ein Zehntel des Geschäftsanteils Betrag und Höhe der Pflichteinzahlungen bestimmen. Das Statut ist dagegen darin frei, die Genossen über den gesetzlichen Mindestbetrag hinaus zu Einzahlungen zu verpflichten und ihnen die sofortige Einzahlung aufzuerlegen.

O. leistete daher zur Erfüllung einer fälligen Schuld. Da seine Verpflichtung gegenüber dem Gründerzusammenschluß bestand, war die Gründervereinigung auch berechtigt und verpflichtet, seine Leistung anzunehmen.

Nach § 9 GenG muß die Genossenschaft einen Vorstand haben, die Mitglieder des Vorstands sind in das Genossenschaftsregister einzutragen (§ 10 GenG), und die Anmeldung der Gründung liegt dem Vorstande ob (§ 11 GenG). Daraus folgt, daß die Genossenschaft schon im Gründungsstadium einen Vorstand haben muß. Das Gesetz geht davon aus, daß in der Zeit zwischen der Errichtung des Statuts und der Eintragung gehandelt werden muß, und erkennt dies an. Wenn das Statut Einzahlungen zur Pflicht macht, die noch vor der Eintragung der Genossenschaft ins Register zu leisten sind, so hat der Vorstand das Recht und die Pflicht, sie auch entgegenzunehmen. Der Geschäftsführer einer GmbH und der Vorstand einer Aktiengesellschaft sind berechtigt, Geldeinlagen auch schon vor der Entstehung der Gesellschaft (oder vor Eintragung einer Kapitalerhöhung ins Handelsregister) einzuziehen und mit befreiender Wirkung in Empfang zu nehmen (RGZ 58, 55), soweit es sich um Beträge handelt, die von Gesetzes wegen bei der Anmeldung der Gesellschaft (oder der Kapitalerhöhung) oder satzungsgemäß vor Eintragung der Gesellschaft (oder der Kapitalerhöhung) eingezahlt werden müssen (RGZ 149, 293 [303/4]; 83, 370; JW 1924, 94). Für die Genossenschaft kann nichts anderes gelten. Bestimmt das Statut, daß Einzahlungen schon vor der Eintragung der Genossenschaft ins Genossenschaftsregister zu leisten sind, so wird der Genosse, der dieser Verpflichtung nachkommt, von seiner Einzahlungspflicht frei.

Das Berufungsgericht und die landgerichtlichen Vorentscheidungen stellen das zu Unrecht in Zweifel und meinen, die Einzahlungspflicht O. sei dadurch wieder aufgelebt, daß er sich als Vorstandsmitglied nicht auf Maßnahmen beschränkt habe, die der Entstehung der Genossenschaft dienten, sondern schon vor der Eintragung Geschäfte für die Genossenschaft besorgt und zu diesem Zweck über die Einzahlungen verfügt habe; die Gründergenossen seien nicht befugt, die Einzahlungen zur Aufnahme des Geschäftsbetriebes der Genossenschaft zu verwenden; geschehe das doch, so läge darin eine Änderung der Zweckbestimmung der Einzahlungen; die Verwendung von Einzahlungen zu anderen als reinen Gründungszwecken komme der Rücknahme der Einzahlungen gleich und habe das Wiederaufleben der Einzahlungspflicht zur Folge.

Diese Auffassung kann nicht gebilligt werden. Gewiß können Scheinzahlungen oder Zahlungen, die unter der Vereinbarung alsbaldiger Rückzahlung geleistet werden, oder Leistungen, die dem Vorstand nicht die freie Verfügung über den eingezahlten Betrag verschaffen, die Einlage- oder Einzahlungsschuld nicht tilgen (Gadow in Großkomm AktG § 28 Anm. 13 m.w.Nachw.; Schlegelberger-Quassowski AktG § 49 Anm. 5 bis 8; Baumbach-Hueck AktG § 49 Anm. 4; vgl. auch RGZ 157, 213 [225]). Wirklich geleistete Einzahlungen können aber, ohne daß es zu einer Rückzahlung kommt, nicht schon deshalb als Rückzahlungen behandelt werden, weil der Vorstand vor Eintragung den Geschäftsbetrieb aufnimmt oder auch nur einzelne Geschäfte abschließt, die über den Rahmen bloßer Vorbereitungsmaßnahmen hinausgehen. Das ist für den Fall klar, daß der Vorstand ohne Einverständnis aller Gründer handelt und, wie dies beim Vorstand der Aktiengesellschaft und den Geschäftsführern der Gesellschaft mbH möglich ist, nicht zu den Gründern gehört. Das kann aber auch nicht anders sein, wenn einzelne oder gar alle Gründer mit der Verwendung ihrer Einzahlungen zu Zwecken einverstanden sind, die mit der in § 28 Abs. 2 AktG ausdrücklich gegebenen Verzahlungsbefugnis unvereinbar sind und über reine Vorbereitungshandlungen hinausgehen, sich aber im Rahmen des satzungsmäßigen Zwecks der gegründeten Gesellschaft oder Genossenschaft halten. Nach § 707 BGB, der eine Hauptregel des Gesellschaftsrechts enthält (RGRK z BGB § 707 Arm 1) und auch für die Genossenschaft schlechthin, nicht etwa bloß in ihrem Gründungsstadium, gilt (RGZ 106, 403; 68, 93), ist ein Gesellschafter zur Erhöhung des vereinbarten Beitrags oder zur Ergänzung der durch Verlust verminderten Einlage nicht verpflichtet. Dieses Prinzip kann nicht dadurch ausgehöhlt werden, daß man Einlagen als wieder zurückgezahlt behandelt, wenn Gesellschaftsmittel mit dem Einverständnis von einzelnen oder allen Beteiligten anders als für den Zweck der Gründervereinigung verwendet werden. Gewiß kann sich in einer anderen als der vorgesehenen Verwendung der Gesellschaftsmittel, auch eine Änderung des Gesellschaftsvertrages, insbesondere des Gesellschaftszwecks, ausdrücken. Eine Gründervereinigung bleibt aber auf die Errichtung einer Gesellschaft oder Genossenschaft gerichtet, auch wenn die vorhandenen Mittel im Einverständnis aller Beteiligten nicht bloß für Geschäfte verwendet werden, die die Eintragung und Ingangsetzung der gegründeten Gesellschaft oder Genossenschaft vorbereitend herbeiführen sollen, sondern bereits der volle Geschäftsbetrieb aufgenommen wird. Es würde zu weit gehen, wollte man aus einer derartigen Verwendung der Mittel der Gründergesellschaft die Berechtigung entnehmen, die Gründer von Kapitalgesellschaften oder Genossenschaften trotz erfüllter Einlageschuld in Höhe ihrer Einzahlungen mit der Haftung für Geschäfte zu belasten, die über den Gründungszweck hinausgehen, aber dem Zweck der gegründeten Gesellschaft oder Genossenschaft dienen sollen und im Einverständnis einzelner oder aller Gründer vorgenommen werden. Eine solche Haftung der Gründer wäre eine reine Erfolgshaftung, sie wäre vom Eintritt eines Schadens und vom Verschulden unabhängig und ginge über die Verantwortlichkeit der Gründer so, wie sie § 39 AktG bestimmt, hinaus, da die Gründer einer Aktiengesellschaft nach dieser Vorschrift nur für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Gründungsangaben und nicht dafür haften, daß die Einzahlungen nicht zu anderen als den in § 28 Abs. 2 AktG genannten Zwecken verwendet werden. Der Sinn dieser aktienrechtlichen Bestimmung besteht in der Sicherung des Grundkapitals, das die Grundlage für die Befriedigung der Gläubiger bildet. Dieselbe Bedeutung haben die Einzahlungen der Genossen nicht; sie dienen in erster Linie dazu, die Genossenschaft mit Mitteln auszustatten; der Einzahlungsanspruch ist schlechthin unpfändbar (RGZ 135, 55; 149, 297); erst nach Konkurseröffnung fällig werdende Einzahlungen auf den Geschäftsanteil sind nicht mehr zu leisten (RGZ 73, 410; 117, 120); die Sicherung der Gläubiger ist nur Nebenzweck der Einzahlungen; diese Funktion hat die Haftsumme. Angesichts dieses Unterschiedes zur Aktiengesellschaft besteht bei der Genossenschaft kein Anlaß, über das Wiederaufleben einmal erfüllter Einlageschuld zu einer vom Genossenschaftsrecht nicht vorgesehenen Gründerhaftung und noch dazu zu einer weitergehenden als im Aktienrecht zu kommen.

Gewiß hat der Vorstand der im Werden befindlichen Genossenschaft die Pflicht, dafür zu sorgen, daß die von ihm in Empfang genommenen Einzahlungen in die freie Verfügung der Genossenschaft nach deren Entstehung gelangen. Die Verletzung dieser Pflicht kann zu einer Schadensersatzpflicht des Vorstandes führen. Damit ist ein genügender Schutz vorhanden. Ein Bedürfnis nach weitergehender Sicherung, insbesondere durch Wiederauflebenlassen erfüllter Einzahlungspflicht, kann nicht anerkannt werden. Der Standpunkt des Berufungsurteils läuft letztlich, darauf hinaus, den Genossen, der eine bestimmte Einzahlungspflicht und eine beschränkte Haftung übernommen hat, stärker als von ihm gewollt, heranzuziehen. Der Grundsatz, daß Genossen zu anderen Geldleistungen als den Einzahlungen auf den übernommenen oder den erhöhten Geschäftsanteil oder auf die übernommenen mehreren Geschäftsanteile ohne Satzungsänderung nicht angehalten werden können, hat allgemeine Bedeutung (RGZ 62, 303 [312]) und kann nicht für die Zeit zwischen der Errichtung des Statuts und der Eintragung der Genossenschaft beiseite geschoben werden.

Es kann unentschieden bleiben, ob § 34 GenG ausreicht oder § 41 AktG heranzuziehen ist, um eine Verantwortlichkeit des Vorstandes für Pflichtverletzungen im Gründungsstadium zu begründen. Denn ein Schadensersatzanspruch wird vom Kläger nicht geltend gemacht; dazu fehlt es auch an der Darlegung des Verschuldens und des Schadens.

Die Beklagten sind daher zu Unrecht verurteilt worden.

Auf ihre Revision mußte daher die Klage abgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 3018517

BGHZ 15, 66 - 71

BGHZ, 66

DB 1954, 927-928 (amtl. Leitsatz)

NJW 1954, 1844-1845 (Volltext mit amtl. LS)

NJW 1966, 480-484 (Urteilsbesprechung von Senatspräsident beim BGH Dr. Robert Fischer)

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