Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung des Kommanditisten in der Insolvenz

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die persönliche Haftung des Kommanditisten nach §§ 171, 172 Abs. 4, 161 Abs. 2, 128 HGB besteht bei Insolvenz der Gesellschaft jedenfalls für solche Gesellschaftsverbindlichkeiten, die bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet worden sind. Auf die insolvenzrechtliche Einordnung dieser Verbindlichkeiten kommt es dabei nicht an.

2. Ein Kommanditist haftet für die Gewerbesteuer der Gesellschaft, die durch die Gewinnzurechnung beim Wechsel von der Gewinnermittlung durch Vermögensvergleich zur Gewinnermittlung nach Tonnage (§ 5a Abs. 4 S. 3 Nr. 2 EStG) vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft entstand.

 

Normenkette

EGBGB Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 2; HGB §§ 128, 160, 171-172; EStG § 5a Abs. 4 S. 3 Nr. 2; GewStG § 5 Abs. 1; InsO §§ 38, 55

 

Verfahrensgang

LG Dortmund (Entscheidung vom 26.06.2018; Aktenzeichen 3 O 339/17)

OLG Hamm (Beschluss vom 30.04.2019; Aktenzeichen I-27 U 74/18)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird der Beschluss des 27. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 30. April 2019 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die auf die Haftung des Beklagten gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft gestützte Klage abgewiesen wurde.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerde- und Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 25.477,52 EUR festgesetzt.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem am 21. November 2013 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der D… GmbH & Co. Tankschiff KG, einer Publikumsfondsgesellschaft in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft (im Folgenden: Schuldnerin). Unternehmensgegenstand der Schuldnerin war der Erwerb, Betrieb und die Vercharterung eines Tankschiffs, welches der Kläger nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Jahr 2014 veräußerte. Bei der Festsetzung der Gewerbesteuer der Schuldnerin für das Jahr 2014 wurde ihrem Gewinn ein Unterschiedsbetrag gemäß § 5a Abs. 4 EStG hinzugerechnet, weil sie vor der Insolvenzeröffnung von der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich zur Gewinnermittlung nach Tonnage gewechselt hatte. Die Gewerbesteuerforderung in Höhe von rund 1,55 Mio. EUR wurde im Insolvenzverfahren als Masseverbindlichkeit geltend gemacht.

Rz. 2

Der Beklagte, der mit einer Einlage von 153.387,56 EUR als Kommanditist an der Schuldnerin beteiligt war, erhielt in den Jahren 1999 bis 2007 Ausschüttungen in Höhe von insgesamt 92.032,54 EUR, die er in Höhe von 66.555,02 EUR an die Schuldnerin zurückzahlte.

Rz. 3

Der Kläger hat den Beklagten aus der Außenhaftung als Kommanditist nach §§ 171, 172 Abs. 4 HGB sowie zur Durchführung des Innenausgleichs unter den Gesellschaftern auf Zahlung der noch offenen Differenz von 25.477,52 EUR und auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht durch Beschluss zurückgewiesen. Mit der vom Senat hinsichtlich der auf die Außenhaftung des Beklagten als Kommanditist gestützten Klage zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine diesbezüglichen Ansprüche weiter.

 

Entscheidungsgründe

Rz. 4

Die Revision des Klägers hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Rz. 5

I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung – soweit für das Revisionsverfahren von Interesse – im Wesentlichen ausgeführt:

Rz. 6

Der Kläger könne den Beklagten weder aufgrund seiner Außenhaftung nach §§ 171, 172 Abs. 4 HGB noch zum Zwecke des Innenausgleichs unter den Gesellschaftern in Anspruch nehmen.

Rz. 7

Ein Anspruch des Klägers gegen den Beklagten aus §§ 171, 172 Abs. 4 HGB scheitere daran, dass der mit der Klage geltend gemachte Betrag nicht zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger benötigt werde, weil die Forderungen, für die der Beklagte als Kommanditist hafte, bereits durch die von anderen Kommanditisten auf ihre Außenhaftung zurückgezahlten Beträge von rund 860.000 EUR gedeckt seien. Zwar sei hinsichtlich der zu befriedigenden Gläubiger grundsätzlich auf sämtliche angemeldeten, d.h. auch auf bestrittene Forderungen abzustellen. Auszunehmen seien aber Forderungen, für die der Kommanditist aus Rechtsgründen nicht hafte. Dies seien hier zum einen die Forderungen von Gesellschaftern auf Rückgewähr von ihnen bereits zurückgezahlter Ausschüttungen, die der Sache nach keine Drittforderungen seien. Zum anderen hafte der Beklagte nicht für die Gewerbesteuerforderung für das Jahr 2014. Diesbezüglich schließe sich der Senat den Ausführungen des 8. Zivilsenats des OLG Hamm in dessen Entscheidungen vom 21. Januar 2019 (8 U 59/18, 8 U 63/18, 8 U 64/18 und 8 U 67/18, jeweils veröffentlicht in juris) an. Danach handele es sich bei dieser Steuerforderung um eine Masseverbindlichkeit im Sinne von § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO, für die nach §§ 171, 172 Abs. 4 HGB eingezogene Beträge nicht verwendet werden dürften, da die Einziehungsbefugnis des Klägers nach § 171 Abs. 2 HGB bereits bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründete Verbindlichkeiten der Gesellschaft voraussetze. Die Gewerbesteuerforderung sei jedoch nicht bereits mit dem Wechsel der Gewinnermittlungsart durch die Schuldnerin vor der Insolvenzeröffnung begründet worden, sondern erst mit der gemäß § 5a Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 EStG steuerauslösenden Veräußerung des Fondsschiffs durch den Kläger. Auch eine dem Kläger oktroyierte Verbindlichkeit liege nicht vor. Danach reichten die von anderen Kommanditisten bereits auf ihre Außenhaftung zurückgezahlten Beträge aus, um die übrigen festgestellten und bestrittenen Forderungen sowie – sofern man die Haftung der Kommanditisten auch darauf ggf. anteilig erstrecken wolle – die Kosten des Insolvenzverfahrens zu befriedigen.

Rz. 8

II. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht in jeder Hinsicht stand. Mit der Begründung des Berufungsgerichts kann die Abweisung der Klage hinsichtlich einer Haftung des Beklagten nach §§ 171, 172 Abs. 4 HGB keinen Bestand haben.

Rz. 9

1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger eine etwaige Haftung des Beklagten wegen der an ihn erfolgten Ausschüttungen nach § 171 Abs. 1 Halbsatz 1, § 172 Abs. 2 HGB nur insoweit geltend machen kann, als die Inanspruchnahme des Beklagten zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger, denen der Beklagte nach §§ 171, 172 HGB haftet, erforderlich ist (vgl. BGH, Urteil vom 22. März 2011 – II ZR 271/08, BGHZ 189, 45 Rn. 18 mwN), und der Beklagte dagegen entsprechend § 422 Abs. 1 Satz 1, § 362 Abs. 1 BGB einwenden kann, dass der zur Befriedigung dieser Gläubiger erforderliche Betrag bereits durch Zahlungen anderer Kommanditisten aufgebracht wurde (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juli 2020 – II ZR 175/19, ZIP 2020, 1869 Rn. 25 ff.).

Rz. 10

2. Die weitere Feststellung des Berufungsgerichts, der von den Kommanditisten bereits aufgebrachte Betrag von rund 860.000 EUR reiche zur Befriedigung der zu berücksichtigenden Gläubigerforderungen aus, beruht jedoch auf einem Rechtsfehler.

Rz. 11

a) Insofern hat das Berufungsgericht noch zu Recht eine Haftung des Beklagten für die angemeldeten Forderungen anderer Kommanditisten auf Auszahlung ihrer Einlage oder Rückzahlung von vor der Insolvenz zurückgezahlter Ausschüttungen verneint. Diese Ansprüche sind entweder unmittelbar oder der Sache nach auf Rückzahlung der Kommanditeinlage gerichtet, die im Insolvenzfall jedoch zur Befriedigung der Gläubiger als Haftungsmasse zur Verfügung stehen muss. Die diesbezüglichen Forderungen sind daher keine Insolvenzforderungen im Sinne von § 38 InsO, sondern erst im Rahmen des sich an die Schlussverteilung anschließenden Innenausgleichs der Gesellschafter zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 10. Oktober 2017 – II ZR 353/15, ZIP 2018, 18 Rn. 24, 37 f., 43 ff.).

Rz. 12

Entsprechendes gilt – was das Berufungsgericht offengelassen hat – für die von Kommanditisten angemeldeten Schadensersatz- und Zinsforderungen aufgrund der Verfolgung ihrer Ansprüche auf Rückgewähr der geleisteten Einlage oder von ihnen zurückgezahlter Ausschüttungen, die ebenso wie die auf Rückzahlung der Einlage gerichteten Forderungen dem Innenverhältnis der Gesellschafter zuzuordnen sind (vgl. BGH, Urteil vom 15. Dezember 2020 – II ZR 108/19, ZIP 2021, 255 Rn. 23).

Rz. 13

b) Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht dagegen eine Haftung des Beklagten nach §§ 171, 172 Abs. 4, § 161 Abs. 2, § 128 HGB für die Gewerbesteuerforderung für das Jahr 2014 verneint. Der Beklagte haftet jedenfalls insoweit auch für diese Forderung, als sie auf der Hinzurechnung des Unterschiedsbetrags nach § 5a Abs. 4 EStG zum Gewinn der Schuldnerin beruht.

Rz. 14

Wie der Senat nach Erlass der angefochtenen Entscheidung mit Urteil vom 15. Dezember 2020 (II ZR 108/19, ZIP 2021, 255 Rn. 24 ff.) entschieden hat, haftet der Kommanditist nach §§ 171, 172 Abs. 4, § 161 Abs. 2, § 128 HGB in der Insolvenz der Gesellschaft jedenfalls für solche Gesellschaftsverbindlichkeiten, die bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet worden sind. Auf die insolvenzrechtliche Einordnung dieser Verbindlichkeiten kommt es nicht an. Für die Frage, ob eine bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründete Forderung vorliegt, können die für die Haftung des ausgeschiedenen Gesellschafters nach § 160 HGB entwickelten Abgrenzungskriterien herangezogen werden (vgl. BGH, Urteil vom 15. Dezember 2020 – II ZR 108/19, ZIP 2021, 255 Rn. 42 f.). Danach ist bei der hier zu beurteilenden Steuerforderung nicht auf die vollständige Verwirklichung des steuerauslösenden gesetzlichen Besteuerungstatbestands abzustellen, sondern darauf, ob der Grund der Besteuerung zu einem Zeitpunkt gelegt wurde, zu dem der Gesellschafter noch Einfluss nehmen konnte und die Führung der Gesellschaft auch zu seinem Nutzen erfolgte. Das ist hier jedenfalls insoweit der Fall, als die Gewerbesteuerforderung für das Jahr 2014 auf der Hinzurechnung des Unterschiedsbetrags nach § 5a Abs. 4 EStG beruht, da sie jedenfalls in diesem Umfang spätestens mit der Feststellung des Unterschiedsbetrags im Zuge des Wechsels der Gewinnermittlungsart und damit noch vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet wurde (vgl. BGH, Urteil vom 15. Dezember 2020 – II ZR 108/19, ZIP 2021, 255 Rn. 45 ff.; Beschluss vom 29. April 2021 – IX ZR 154/20, juris Rn. 14).

Rz. 15

III. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Insbesondere genügt die Klage den Bestimmtheitsanforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

Rz. 16

Dass der Kläger sich zur Begründung seiner Forderung auf zwei verschiedene prozessuale Streitgegenstände, nämlich sowohl auf eine Außenhaftung der Beklagten nach §§ 171, 172 HGB als auch auf eine Zahlungspflicht zum Zweck des Ausgleichs unter den Gesellschaftern, gestützt hat, steht der Bestimmtheit seiner Klage gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht entgegen. Der Kläger hat hinreichend deutlich gemacht, dass er die beiden Streitgegenstände in eventueller Klagehäufung geltend machen und sich lediglich hilfsweise auf eine Einziehung der Klageforderung zum Zwecke des Innenausgleichs berufen will (vgl. BGH, Beschluss vom 24. März 2011 – I ZR 108/09, BGHZ 189, 56 Rn. 9 f.; Urteil vom 15. Dezember 2020 – II ZR 108/19, ZIP 2021, 255 Rn. 11 ff.).

Rz. 17

Eine nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO unzulässige Teilklage liegt nicht vor. Einer Klarstellung, auf welche konkreten Gläubigerforderungen in welcher Reihenfolge bzw. zu welchem Anteil die von dem Beklagten gemäß § 171 Abs. 2 HGB eingeforderte Haftsumme angerechnet werden soll, bedurfte es nicht, da der Kläger die nach seiner Behauptung gesamte noch offene Haftsumme des Beklagten geltend macht und diese im Insolvenzverfahren nur zur gleichmäßigen (anteiligen) Befriedigung der berechtigten Gläubiger verwendet werden darf (BGH, Urteil vom 20. Februar 2018 – II ZR 272/16, BGHZ 217, 327 Rn. 17 mwN).

Rz. 18

Der Kläger hat die seinem Anspruch aus § 171 Abs. 1 und 2, § 172 Abs. 4 HGB zugrundeliegenden Forderungen von Gesellschaftsgläubigern in einer § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO genügenden Weise individualisiert, indem er eine Insolvenztabelle nach § 175 InsO mit den angemeldeten Gläubigerforderungen (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juli 2020 – II ZR 175/19, ZIP 2020, 1869 Rn. 5, 12) und den Gewerbesteuerbescheid vom 8. April 2016 nebst Schreiben vom 13. April 2016 über die Geltendmachung der Steuerforderung als Masseverbindlichkeit vorgelegt hat.

Rz. 19

IV. Der angefochtene Beschluss ist danach hinsichtlich der Inanspruchnahme des Beklagten aus seiner Außenhaftung als Kommanditist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil sie noch nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 1 Satz 1 und 3 ZPO).

Rz. 20

1. Das Berufungsgericht hat bereits keine Feststellungen zu der vom Beklagten bestrittenen Behauptung des Klägers getroffen, dass der Kapitalanteil des Beklagten zum Zeitpunkt der an ihn geleisteten Ausschüttungen durch Verluste unter den Betrag seiner Hafteinlage herabgemindert war und die Ausschüttung damit gemäß § 171 Abs. 1, § 172 Abs. 4 HGB haftungsschädlich waren.

Rz. 21

2. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

Rz. 22

Sollten die Ausschüttungen an den Beklagten haftungsschädlich gewesen sein und nach seinen Rückzahlungen ein noch offener Haftungsbetrag nach § 171 Abs. 1, § 172 Abs. 4 HGB bestehen, lässt sich die Erforderlichkeit der Inanspruchnahme des Beklagten nicht bereits damit begründen, dass die von anderen Kommanditisten bereits zurückgezahlten Beträge von rund 860.000 EUR bei Berücksichtigung der angemeldeten Gewerbesteuerforderung ersichtlich nicht ausreichen, um die Forderungen, für die der Beklagte nach §§ 171, 172, 161 Abs. 2, § 128 HGB haftet, zu decken. Denn der Beklagte kann sich nicht nur auf die von anderen Kommanditisten erbrachten Zahlungen berufen, sondern auch darauf, dass die im Übrigen zur Verfügung stehende Insolvenzmasse voraussichtlich genüge, einen danach verbleibenden Restbetrag zu decken (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juli 2020 – II ZR 175/19, ZIP 2020, 1869 Rn. 32). Hierzu bedarf es weiterer Feststellungen:

Rz. 23

Die Haftung des Beklagten nach §§ 171, 172, § 161 Abs. 1, § 128 HGB umfasst neben den in Höhe von 86.616,86 EUR festgestellten Forderungen zwar auch vom Kläger bestrittene Forderungsanmeldungen, allerdings unter der Voraussetzung, dass eine erfolgreiche Inanspruchnahme der Masse wegen dieser Forderungen noch ernsthaft in Betracht kommt (vgl. BGH, Urteil vom 9. Februar 2021 – II ZR 28/20, ZIP 2021, 473 Rn. 12 f.). Ob dies bei den hier angegebenen Forderungen aus einem Geschäftsbesorgungs- und Darlehensvertrag in Höhe von insgesamt 276.695,67 EUR der Fall ist, ist bislang nicht festgestellt. Des Weiteren ist hinsichtlich der Gewerbesteuerforderung für das Jahr 2014 zu klären, in welcher Höhe diese auf der Hinzurechnung des Unterschiedsbetrags nach § 5a Abs. 4 EStG oder auch auf anderem Gewinn der Gesellschaft beruht, und, sollte Letzteres der Fall sein, ob der Beklagte auch für den evtl. auf anderem Gewinn beruhenden Betrag haftet. Sollten sowohl die gesamte Gewerbesteuerforderung als auch beide bestrittenen Forderungen von der Haftung des Beklagten umfasst sein, ergäbe sich – ausgehend von einer nach den Angaben des Berufungsgerichts zur Verfügung stehenden Masse von 1.873.858,85 EUR (2,14 Mio. EUR abzgl. 266.141,15 EUR Verfahrenskosten) – eine Unterdeckung von 39.453,68 EUR.

Rz. 24

Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die Prüfung, ob die Inanspruchnahme des Beklagten unter Berücksichtigung der sonst zur Verfügung stehenden Insolvenzmasse erforderlich ist, von einer Prognose abhängig ist, die naturgemäß mit Unsicherheiten belastet ist. Angesichts dessen ist der Insolvenzverwalter berechtigt, den nach den Verhältnissen der Insolvenzmasse für die Gläubigerbefriedigung erforderlichen Betrag unter Berücksichtigung solcher Unsicherheiten zu schätzen (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juli 2020 – II ZR 175/19, ZIP 2020, 1869 Rn. 34 mwN). Vor diesem Hintergrund ist es ihm auch gestattet, Rückstellungen zu bilden, deren Berechtigung und Angemessenheit im Einzelfall zu prüfen sind.

 

Unterschriften

Drescher, Born, B. Grüneberg, V. Sander, von Selle

 

Fundstellen

Dokument-Index HI14711615

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