Leitsatz (amtlich)

Zur Auslegung des Widerspruchs gegen einen Mahnbescheid, der zwar als Antragsgegner eine Einzelperson aufführt, dieser aber unter der Geschäftsanschrift einer namensgleichen GmbH oder KG zugestellt worden ist.

 

Normenkette

ZPO § 694

 

Verfahrensgang

LG Karlsruhe

OLG Karlsruhe

 

Tenor

Auf die Rechtsmittel des Beklagten werden die Urteile des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 14. Juli 1988 und der 10. Zivilkammer des Landgerichts Karlsruhe vom 7. Dezember 1987 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Gegen den Beklagten (B. Z.) erging auf Antrag der Kläger am 14. November 1986 ein Mahnbescheid über eine Hauptforderung von 177.761,56 DM zuzüglich Zinsen. Der Mahnbescheid wurde am 24. November 1986 unter der Anschrift M. Straße 21 in P., das ist die Geschäftsanschrift einer von dem Beklagten beherrschten GmbH, bzw. GmbH & Co. KG, einer Frau Ba. übergeben. Am 8. Dezember 1986 ging beim Amtsgericht eine auf den „Vordruck für den Widerspruch” angebrachte Erklärung ein. Als Anschrift des Antragsgegners und als Antragsgegner ist auf diesem Schreiben das Unternehmen B. Z. GmbH + Co. KG, M. Straße 21 in P. genannt. Durch entsprechendes Ankreuzen enthielt der vorgedruckte Text die folgende Erklärung:

„Gegen den Mahnbescheid erhebe ich Widerspruch als gesetzlicher Vertreter des Antragsgegners. Der Widerspruch richtet sich gegen den Anspruch insgesamt”.

Angefügt ist ferner folgende Erklärung:

„Unser Unternehmen hatte zu keiner Zeit Geschäftsverbindung mit der Firma S. und D. … (Kläger).

Hinweis: Es ist unklar, wer mit dem uns zugestellten Mahnbescheid angesprochen werden sollte. Herr B. Z. hatte privat keine Geschäftsverbindung mit der Firma S. und D. …”.

Das Widerspruchsschreiben trägt die über den Firmenstempel der GmbH & Co. KG gesetzte Unterschrift des Beklagten B. Z., der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH ist.

Am 30. Januar 1987 erging, nachdem das Amtsgericht die Antragsteller (Kläger) zu dem Widerspruchsschreiben gehört. hatte, gegen den Beklagten der Vollstreckungsbescheid zum Mahnbescheid vom 14. November 1986. Dieser wurde am 25. Februar 1987 an den Beklagten persönlich zugestellt, und zwar ebenfalls unter der Geschäftsanschrift der Kommanditgesellschaft.

Am 2. März 1987 ging beim Amtsgericht K. ein auf den Briefbogen der B. Z. GmbH + Co. KG gesetztes Schreiben ein, das folgenden Wortlaut hat:

„Geschäfts-Nummer B 6865/86 Mahnsache S. und D…. (= Kläger), K. gegen B. Z. GmbH & Co. KG, P.

bezugnehmend auf obige Geschäfts-Nummer fragen wir an, wie es zu diesem Vollstreckungsbescheid zum Mahnbescheid vom 14.11.1986 kommen konnte?

Auf den uns zugestellten Mahnbescheid haben wir fristgemäß am 4.12.1986 gegen den Anspruch insgesamt Widerspruch erhoben (siehe beiliegende Kopie vom 4.12.1986).

Bei diesem Widerspruch haben wir Ihnen außerdem mitgeteilt, daß es unklar ist, wer mit dem zugestellten Mahnbescheid angesprochen werden sollte, da der Mahnbescheid, sowie auch die jetzt zugestellte Vollstreckung auf „B. Z., M. Straße 21, P.” ausgestellt war und ist. Diese Firmenbezeichnung gibt es nicht.

Da Herr B. Z. privat auch keine Geschäftsverbindung mit der Firma S. und D., K., hat, wurde der Widerspruch von unserem Unternehmen ordnungsgemäß und rechtzeitig eingereicht.

Wir bitten um kurzfristige Überprüfung und Benachrichtigung.

Mit freundlichen Grüßen

B. Z. GmbH + Co. KG, Bauunternehmen, P.

gez. B. Z. – nach Diktat verreist –

i. A. Ba.”.

Mit Schreiben vom 13. März 1987, das am 16. März 1987 beim Amtsgericht K. einging, legte der Beklagte Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid ein und beantragte vorsorglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Das Landgericht hat lediglich das Schreiben vom 13. März 1987 als einen Einspruch des Beklagten gewertet und diesen unter Versagung der vorsorglich beantragten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unzulässig verworfen.

Die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die – angenommene – Revision des Beklagten, die die Kläger zurückzuweisen bitten.

 

Entscheidungsgründe

Das Berufungsgericht meint, der mit Schreiben vom 13. März 1987 erklärte Einspruch des Beklagten gegen den Vollstreckungsbescheid sei wegen Versäumung der durch Zustellung am 25. Februar 1987 in Gang gesetzten Einspruchsfrist verspätet und deshalb als unzulässig zu verwerfen, da dem Beklagten die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden könne. Innerhalb der Einspruchsfrist sei beim Amtsgericht kein wirksamer Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid eingegangen. Durch die vom Beklagten behaupteten Telefongespräche vom 25. und 27. Februar 1987 habe ein wirksamer Einspruch nicht eingelegt werden können. Auch könne das am 2. März 1987 eingegangene Schreiben nicht als Einspruch gewertet werden. Einmal sei das nicht sein Inhalt, zum andern handle es sich nicht um eine Erklärung des Beklagten, vielmehr um eine solche der Kommanditgesellschaft. Diese Auslegung werde durch das am 8. Dezember 1986 eingegangene Widerspruchsschreiben bestätigt, das ebenfalls lediglich eine Erklärung der Kommanditgesellschaft enthalte.

Hiergegen wendet sich die Revision des Beklagten mit Erfolg.

1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist schon das am 8. Dezember 1986 eingegangene Widerspruchsschreiben, das der Senat als Prozeßhandlung selbst auslegen kann, zweifelsfrei auch und gerade als Prozeßerklärung des Beklagten persönlich zu werten.

Aus dem Schreiben ergibt sich eindeutig und für jedermann erkennbar der Wille, sich unter jedem denkbaren Gesichtspunkt gegen die erhobenen Forderungen wehren zu wollen. Daß dabei auch für die Kommanditgesellschaft Widerspruch eingelegt werden sollte, war durchaus sachgerecht. Nach den Umständen war die Lage nämlich „unklar”, wie auch in dem Widerspruchsschreiben geltend gemacht worden ist. Nach der Zahl der erhobenen Einzelforderungen und nach dem Gesamtbetrag war zu vermuten, daß es sich um Geschäftsforderungen handelte. Auch legte die Zustellung unter einer Geschäftsanschrift nahe, daß die Forderungen gegen das dort betriebene Unternehmen gerichtet sein sollten.

In der Tat handelte es sich um geschäftliche Forderungen; daß die Kläger, wie sie später geltend gemacht haben, den Beklagten persönlich für diese aus einer Haftungsübernahme in Anspruch nehmen wollten, war aus dem Mahnbescheid gerade nicht ersichtlich. Wie etwa der Fall zeigt, der dem Senatsurteil NJW 1987, 1946 zugrundeliegt, hätten die Kläger bei dieser Sachlage durchaus noch im Laufe des Rechtsstreits verdeutlichen können, daß in Wahrheit die Kommanditgesellschaft die beklagte Partei sein solle. Dann aber muß das Widerspruchsschreiben, vor allem weil es – wie ausgeführt zu Recht – die Person des Betroffenen als „unklar” bezeichnet, als vorsorgliche Erklärung aller in diesem Zusammenhang möglicherweise Betroffenen (GmbH, KG und B. Z. persönlich) verstanden werden.

Dieser bereits vor Erteilung des Vollstreckungsbefehls beim Amtsgericht vorliegende Widerspruch des Beklagten ist in entsprechender Anwendung von § 694 Abs. 2 ZPO in einen Einspruch umzudeuten (BGHZ 85, 361, 364). Als solcher war er jedenfalls formgerecht und rechtzeitig.

2. Im übrigen hätte der Rechtspfleger, wenn er schon, wie seine Rückfrage bei den Antragstellern zeigt, Zweifel hatte, was mit dem Widerspruchsschreiben gemeint war, beim Beklagten zurückfragen müssen, ob das Schreiben als seine Erklärung oder als die prozessual unbeachtliche eines vom Verfahren (noch) nicht betroffenen Dritten zu verstehen sein solle. Eine solche Rückfrage wäre im Zweifelsfalle auch im Mahnverfahren geboten gewesen (vgl. BGHZ 85, 361, 366; vgl. zur Überprüfungspflicht des Rechtspflegers ganz allgemein Senatsurteil NJW 1984, 242). § 702 Abs. 2 ZPO steht dem nicht entgegen. Die Vorschrift betrifft nur den Antrag auf Erlaß des Mahnbescheids.

3. Da bereits das Widerspruchsschreiben gemäß § 694 Abs. 2 ZPO als Einspruch zu werten ist, kommt es nicht mehr darauf an, daß auch das am 2. März 1987 eingegangene Schreiben als Einspruch des Beklagten auszulegen gewesen wäre. Dahingestellt bleiben kann ferner die vom Berufungsgericht eingehend erörterte Frage, ob ein Einspruch auch fernmündlich hätte eingelegt, oder – was das Berufungsgericht nicht erwogen hat – hinsichtlich der Person des Einspruchsführers hätte verdeutlicht werden können. Da der zu Unrecht unbeachtet gebliebene Widerspruch jedenfalls ein wirksamer Einspruch war, kommt es schließlich auch auf die Frage der Wiedereinsetzung nicht mehr an.

4. Nach alledem kann das Berufungsurteil nicht bestehen bleiben. Es ist aufzuheben. Auf die Berufung des Beklagten ist die Sache gemäß §§ 565 Abs. 1, 538 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an das Landgericht zurückzuverweisen, das auch über die Kosten der Revision zu entscheiden haben wird.

 

Fundstellen

Haufe-Index 609636

NJW 1990, 191

NJW-RR 1989, 1403

ZIP 1989, 1260

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