Verfahrensgang

OLG Hamm

 

Tatbestand

Der Kläger fuhr am 10. August 1958 gegen 14o30 Uhr mit seinem Personenkraftwagen (Mercedes) über die Bundesstraße 1 aus Richtung S. kommend in Richtung P. Er war im Begriff, den Beklagten zu überholen, der vor ihm auf einem Kraftrad (DKW 122 ccm) fuhr. Der Beklagte wollte nach links in einen Feldweg abbiegen und fuhr deshalb zur Straßenmitte. Um einen Zusammenstoß zu vermeiden, bremste der Kläger seinen Wagen ab und riss ihn nach links. Nach einer Bremsspur von 22 m geriet der Wagen gegen einen am linken Fahrbahnrand stehenden Baum. Der Wagen wurde schwer beschädigt, der Kläger wurde verletzt. Er erlitt u.a. eine Schädelprellung, eine Prellung der rechten Schulter und eine Luxation des 5. und 6. Halswirbels. Nach der klinischen und röntgenologischen Untersuchung in P. wurde er noch am Unfalltage aus dem Krankenhaus entlassen.

Am 20. August 1956, also 10 Tage nach dem Unfall, erlitt der Kläger einen Herzanfall. Er wurde wegen Herzinfarkts behandelt.

Der Kläger hat auf dem Gebiet des permanentmagnetischen Maschinen- und Apparatebaues grundlegende Erfindungen gemacht und industriell verwertet. Er stellt seine Erfindungen aufgrund des Lizenzvertrags vom 22. Februar 1950 der Firma C.-GmbH zur Verfügung, deren Mitbegründer, Mitgesellschafter, Geschäftsführer und technischer Leiter er ist. An Lizenzgebühren erhält er 6 % des Umsatzes.

Der Kläger hat vorgetragen:

Den Unfall habe allein der Beklagte verschuldet. Dieser sei plötzlich nach links abgebogen, als er ihn beim Überholen schon fast erreicht gehabt habe. Für ihn selbst sei der Unfall unabwendbar gewesen, denn er hätte den Beklagten überfahren müssen, wenn er nicht gebremst hätte und ausgewichen wäre.

Bei dem Herzanfall handele es sich um einen unfallbedingten schweren Herzinfarkt. Er sei bis 14. Januar 1959 arbeitsunfähig und anschließend beschränkt arbeitsfähig gewesen. Seine Tätigkeit habe er erst am 9. März 1959 wieder voll aufnehmen können. Durch den Herzinfarkt sei seine Erfindertätigkeit zum Erliegen gekommen. Seit August 1958 sei nur sein damals schon vorhandenes Ideengut weiter entwickelt worden, neue Erfindungen seien aber nicht hinzugekommen. Dadurch seien Lizenzgebühren für Erfindungen, die er ohne den Unfall gemacht hätte, fortgefallen und eine Wertminderung seines in den Schutzrechten bestehenden Vermögens eingetreten. Das mache jährlich 50.000 DM in den nächsten 8 Jahren aus. Seine Schutzrechte drohten nun von Jahr zu Jahr technisch zu veralten und überholt zu werden.

Mit der Klage hat der Kläger von dem Beklagten Ersatz der Heilungskosten und des Erwerbsauefalls sowie ein angemessenes Schmerzensgeld verlangt. Er hat im ersten Rechtszug zuletzt beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an ihn 76.676,07 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 1. August 1960 sowie weitere 23.323,93 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 1. Januar 1964 zu zahlen.

Der Beklagte hat gebeten, die Klage abzuweisen. Er hat erwidert:

Der Kläger allein habe den Unfall verschuldet, denn er habe nicht die gebotene Sorgfalt beobachtet und sei mit überhöhter Geschwindigkeit sowie mit einem nicht verkehrssicheren Wagen gefahren. Für den Kläger habe kein Anlass bestanden, zu bremsen und auszuweichen, denn der Beklagte habe sich von der Mitte seiner rechten Fahrbahnhälfte zur Straßenmitte hin eingeordnet, um zu gegebener Zeit ohne Gefährdung des Verkehrs nach links in den Feldweg einbiegen zu können.

Durch den Unfall sei weder der Herzanfall des Klägers verursacht noch dessen Erfindertätigkeit beeinträchtigt worden.

Das Landgericht hat dem Kläger 10.094,13 DM nebst Zinsen zugesprochen und im Übrigen die Klage abgewiesen.

Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt: Der Kläger mit dem Antrag, den Beklagten zur Zahlung weiterer 89.905,87 DM nebst Zinsen zu verurteilen, der Beklagte mit der Bitte, die Klage abzuweisen, soweit er zur Zahlung von mehr als 3.447,27 DM verurteilt worden ist. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen und auf die Berufung des Klägers den vom Beklagten zu zahlenden Betrag auf 11.251,07 DM nebst Zinsen erhöht.

Mit der Revision beantragt der Kläger

1. das Berufungsurteil insoweit aufzuheben, als die Klage hinsichtlich eines Betrags von 50.000 DM nebst Zinsen abgewiesen worden ist,

2. Im Umfange der Aufhebung die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Der Beklagte hat sich der Revision angeschlossen. Er verfolgt mit dem Rechtsmittel seinen Antrag aus dem Berufungsrechtszug weiter.

 

Entscheidungsgründe

A. Zur Anschlussrevision des Beklagten

I. Die Anschlussrevision beanstandet in erster Linie, dass das Berufungsverfahren an einem Mangel leide, weil das Oberlandesgericht sein Urteil nicht ordnungsgemäß begründet habe. Diese Rüge kann keinen Erfolg haben. Das Berufungsgericht hat zu der Frage, ob den Beklagten ein Verschulden und den Kläger ein Mitverschulden trifft, das Ergebnis der Beweisaufnahme des Landgerichts nicht nochmals ausdrücklich gewürdigt, sondern sich insoweit die Feststellungen des Landgerichts zu eigen gemacht und auf dessen Ausführungen verwiesen. Dagegen ist jedenfalls dann nichts einzuwenden, wenn sich zu der Frage, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten ist, keine neuen Gesichtspunkte ergeben haben. Es wäre eine überflüssige Wiederholung, wenn man in einem solchen Falle vom Berufungsgericht verlangen wollte, dass es die von ihm gebilligten Gründe des Landgerichts, auf die es seine Überzeugung stützt, nochmals darlegt. Die Ausführungen des Berufungsgerichts genügen daher insoweit den an die Begründung eines Urteils zu stellenden Anforderungen (§§ 286 Abs. 1 Satz 2 und 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO).

II. Mit Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die vom Beklagten erhobene Einrede der Verjährung nicht durchgreift.

Für die Ansprüche des Klägers gilt die dreijährige Verjährungsfrist des § 852 BGB. Da sich der Unfall am 10. August 1958 ereignet hat, hätte die Verjährung frühestens am 11. August 1961 eintreten können. Sie ist entgegen der Meinung der Revision schon durch die am 1. August 1960 zugestellte Feststellungsklage unterbrochen worden. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Kläger sogleich auf Leistung klagen konnte und deshalb kein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung hatte, denn auch eine Feststellungsklage, die insoweit den Erfordernissen des § 256 ZPO nicht entspricht, ist geeignet, die Verjährung zu unterbrechen. Dazu genügt der eindeutig geäußerte Wille, den Anspruch gerichtlich geltend zu machen (vgl. BGHZ 39, 287, 291 und Urteil des BGH vom 9. Juli 1964 - VII ZR 51/63, VersR 1964, 1050). Die Unterbrechung hat fortgewirkt, als der Kläger bald darauf zur Leistungsklage überging.

III. In der Sache selbst hat das Berufungsgericht übereinstimmend mit dem Landgericht festgestellt, dass der Beklagte plötzlich nach links abgebogen ist, als der Kläger schon im überholen begriffen war. Es hat ihm als grobes Verschulden angerechnet, dass er die beabsichtigte Änderung seiner Fahrtrichtung nicht angezeigt hat, obwohl er außerhalb der geschlossenen Ortschaft von der geraden und dort stark befahrenen Bundesstraße 1 in einen nur sehr spät zu erkennenden unbedeutenden Feldweg abbiegen wollte. Dagegen hält das Berufungsgericht nicht für bewiesen, dass den Kläger ein eigenes Verschulden an dem Unfall trifft. Es hat offengelassen, ob der Unfall für ihn ein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 7 Abs. 2 StVG war. Auch wenn das nicht der Fall sei, müsse eine Mithaftung des Klägers nach § 17 StVG ausscheiden, weil das ihn treffende Betriebsrisiko seines Wagens gegenüber dem groben Verschulden des Beklagten und dem Betriebsrisiko des Motorrades nicht so sehr ins Gewicht falle, dass ihm ein Teil seines Schadens anzulasten wäre.

Diese Beurteilung ist rechtlich nicht zu beanstanden.

1. Soweit die Anschlussrevision darzulegen versucht, dass der Beklagte nicht plötzlich abgebogen sei, entfernt sie sich von den Feststellungen des Berufungsurteile, die allein für die Beurteilung des Revisionsgerichts maßgebend sind. Die Anschlussrevision verkennt die Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils, wenn sie meint, das Landgericht habe das plötzliche Abbiegen nur damit begründet, dass der Beklagte die Änderung der Fahrtrichtung nicht angezeigt habe. Das Landgericht hat seine Feststellung vor allem auf die Aussage gestützt, die der Zeuge K. im Strafverfahren gemacht hat. Er hat dort erklärt, der Motorradfahrer sei ohne ein Zeichen zu geben, plötzlich nach links herübergebogen. Das hält rechtsirrtumsfrei auch das Berufungsgericht für bewiesen.

2. Geht man hiervon aus, so kann nicht zweifelhaft sein, dass der Beklagte nach § 823 BGB verpflichtet ist, für den Schaden des Klägers einzustehen.

3. Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler ein Mitverschulden des Klägers verneint. Dem Kläger kann vor allem kein Vorwurf daraus gemacht werden, dass er kein Warnzeichen gegeben hat. Es ist nichts dafür dargetan, dass in der plötzlichen Gefahrenlage hierzu noch Zeit verblieben wäre.

4. Landgericht und Berufungsgericht halten nicht für bewiesen, dass die Bremsen des vom Kläger gefahrenen Wagens nicht in Ordnung waren. Auch das bekämpft die Revision vergebens. Die Zeugen H. und K., die der Beklagte hierfür benannt hat, haben bei der Reparatur des Wagens nicht feststellen können, dass die Bremsen Mängel aufwiesen. Bei dem plötzlichen Ausweichen und der hohen Geschwindigkeit des Wagens (über 100 km/h) kann, wie das Landgericht rechtsirrtumsfrei dargelegt hat, allein daraus, dass sich auf der Fahrbahn zunächst nur die rechte Bremsspur abzeichnete, nicht gefolgert werden, dass die Bremsen nicht in Ordnung waren. Das hat auch der Sachverständige Dipl.-Ing. S. bestätigt, dessen Privatgutachten das Berufungsgericht herangezogen hat. Er hat ebenfalls keine Anhaltspunkte für eine Fehlerhaftigkeit der Bremsen gefunden. Bei diesem Ergebnis der Beweisaufnahme konnte das Berufungsgericht von der Zuziehung eines weiteren Sachverständigen absehen, ohne hierdurch gegen das Verfahrensrecht zu verstoßen.

5. Zu Unrecht rügt die Anschlussrevision, das Berufungsgericht habe sich nicht mit der Behauptung des Beklagten über die mangelhafte Lenkung des Personenwagens auseinandergesetzt. Ersichtlich hat es sich in dieser Frage den Standpunkt des Landgerichts zu Eigen gemacht. Da der Beklagte in der Berufungsinstanz hiergegen nichts Stichhaltiges vorgebracht und auch keine weiteren Beweise angeboten hat, ist nichts dagegen einzuwenden, dass das Berufungsgericht diese Frage nicht nochmals ausdrücklich behandelt hat.

IV. Das Berufungsgericht hat das vom Beklagten zu zahlende Schmerzensgeld ebenso wie das Landgericht auf 5.000 DM bemessen. Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

Die Anschlussrevision rügt in diesem Zusammenhang nur, das Berufungsgericht habe den Sachverständigen Prof. Dr. B. zu einem schriftlichen Gutachten vernehmen müssen. Diese Rüge kann keinen Erfolg haben. Für die Bemessung des Schmerzensgeldes war es unerheblich, ob der unfallbedingte Herzanfall des Klägers auf einem Herzinfarkt beruhte, wie die Ärzte zunächst angenommen hatten, oder ob er auf eine Lungenembolie zurückzuführen war, wie der Sachverständige Prof. Dr. B. in seinem Gutachten dargelegt hat. Darüber, dass der Herzanfall in jedem Falle mit dem Unfall des Klägers ursächlich zusammenhing, waren sich alle Ärzte und Sachverständige einig. Das allein war aber für die Bemessung des Schmerzensgeldes maßgebend. Daher war es im Rahmen dieser Entscheidung nicht erforderlich, den Sachverständigen zu seinem Gutachten mündlich zu hören.

V. Das Berufungsgericht hat dem Kläger die Kosten für zwei Kuren in Bad R. zugesprochen. Dass diese Kuren zur Heilung unfallbedingter Erkrankungen notwendig waren, ergibt sich einmal aus den Gutachten des Sachverständigen Dr. T. und Prof. Dr. B. und ist zudem auch vom Beklagten nicht bestritten worden.

Er hat geltend gemacht: Der Kläger habe bei den Kuraufenthalten in Bad R. auch sein Asthma und eine spastische Bronchitis, also nicht unfallbedingte Leiden kuriert. Daher könne der Kläger nur die Hälfte der gesamten Kurkosten ersetzt verlangen. Das Berufungsgericht hat gleichwohl angenommen, dass der Beklagte die Kurkosten voll zu ersetzen habe. Zur Begründung hat es ausgeführt: Es seien keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass der Kläger nicht nur gelegentlich des unfallbedingten Kuraufenthalts von Heilungsmöglichkeiten für die anderen Erkrankungen Gebrauch gemacht habe. Der Kläger verlange auch keine Kosten ersetzt, die durch die angeführten Leiden (Asthma und spastische Bronchitis) verursacht worden seien.

Diese Erwägungen sind rechtlich nicht zu beanstanden. Die Anschlussrevision irrt, wenn sie meint, der Kläger hätte beweisen müssen, dass er sein Asthma und die spastische Bronchitis ohne Inanspruchnahme einer Kur zu Hause auskuriert hätte. Da feststeht, dass die beiden Kuren in Bad R. notwendig waren, um unfallbedingte Gesundheitsschäden zu beheben, war es Sache des Beklagten, zu beweisen, dass der Kläger auch ohne den Unfall einen Kurort aufgesucht hätte oder hätte aufsuchen müssen, um die anderen Leiden zu heilen. Das aber hat der Beklagte nicht einmal behauptet. Wenn der Kläger, wie nach dem Berufungsurteil anzunehmen ist, den zur Ausheilung von Unfallfolgen erforderlichen Kuraufenthalt in Bad R. dazu benutzt hat, auch andere Leiden behandeln zu lassen, so kann das dem Beklagten nicht zugute kommen.

VI. Mit ihrer letzten Rüge wendet sich die Anschlussrevision dagegen, dass das Berufungsgericht dem Kläger die beanspruchten Fahrtkosten nach Bad R. und zurück voll zugebilligt hat. Auch in diesem Punkte sind ihre Bedenken gegen das Berufungsurteil unberechtigt.

Der Kläger ist zur ersten Kur von seinem Wohnort B. nach D. mit dem Wagen gefahren, hat dann von D. nach M. die Bundesbahn benutzt und ist in M. zur Fahrt nach Bad R. wieder in einen Personenkraftwagen umgestiegen. Der Kläger hatte vorgetragen, das Abholen durch seinen Wagen vom Bahnhof M. und die direkte Beförderung zu seinem Hotel in Bad R. habe ihm in seinem schwerkranken Zustand ein Umsteigen erspart, weil er anderenfalls in M. in einen anderen Zug hätte umsteigen und zusätzlich in Bad R. zur Fahrt ins Hotel in den Wagen hätte transportiert werden müssen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war der Kläger bei Antritt der ersten Kur so krank, dass ihm sogar die Fahrtkosten für eine Begleitperson zuzubilligen waren. Wenn das Berufungsgericht ihm hiernach neben den Kosten der Bahnfahrt für die Autofahrt ein Kilometergeld von 0,30 DM gewährt hat, so kann diese Entscheidung, da sie keinen Verstoß gegen § 287 ZPO enthält, mit der Revision nicht angegriffen werden.

VII. Zusammenfassend ergibt sich, dass die Anschlussrevision des Beklagten in keinem Punkte Erfolg haben kann.

B. Zur Revision des Klägers

I. Das Berufungsgericht hält nicht für bewiesen, dass der Kläger durch Lahmlegung seiner Erfindertätigkeit einen Verdienstausfall erlitten hat. Es entnimmt den Gutachten der Sachverständigen, dass der Kläger ab März 1959 wieder voll arbeitsfähig war, und meint, es seien keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass er nach dieser Zeit noch irgendwelche gesundheitliche Störungen gehabt habe, die ihn bei seiner Erfindertätigkeit behindert hätten. Das Berufungsgericht ist vielmehr überzeugt, dass der Kläger ab März 1959 wieder voll und ganz seiner bisherigen Tätigkeit nachgehen konnte. Wenn gleichwohl der "Erfinderstrom" des Klägers "nachgelassen" habe und zu "versiegen" drohe, so könne das nicht auf unfallbedingte Gesundheitsschäden zurückgeführt werden.

Diese Erwägungen des Berufungsgerichts liegen auf tatsächlichem Gebiet. Sie sind rechtlich nicht zu beanstanden.

II. Bedenken bestehen indes gegen die Gründe, aus denen das Berufungsgericht dem Kläger auch für die vorhergehende Zeit (10. August 1958 bis 9. März 1959) Ansprüche auf Ersatz eines Verdienstausfalls versagt hat.

1. Nach den ärztlichen Gutachten, die das Berufungsgericht heranzieht, war der Kläger nach dem Unfall vom 10. August 1958 bis zum 14. Januar 1959, also fünf Monate völlig arbeitsunfähig und anschließend etwa zwei Monate lang nur in beschränktem Maße in der Lage zu arbeiten. Davon geht ersichtlich auch das Berufungsgericht aus. Es hat gleichwohl für diese Zeit Ersatzansprüche versagt, weil nicht hinreichend wahrscheinlich dargetan sei, dass der Kläger in der Zeit seiner Arbeitsunfähigkeit oder der beschränkten Arbeitsfähigkeit neue Erfindungen oder Zusatzerfindungen zu schon bestehenden gemacht hätte. Er habe zwar vorher im Laufe der Jahre auf dem Gebiet des permanent-magnetischen Maschinen- und Apparatebaues zahlreiche Erfindungen gemacht. Diese seien aber in unregelmäßigen Zeitabständen zum Patent angemeldet worden. Zudem seien die Erfindungen, an denen der Kläger vor dem Unfall gearbeitet habe, nach seinem eigenen Vorbringen patentreif gemacht worden. Hiernach seien "in einem, für die Schätzung gemäß § 287 ZPO hinreichenden Maße keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, ob und gegebenenfalls welche Erfindungen der Kläger in der Zeit seiner Arbeitsunfähigkeit oder der beschränkten Arbeitsfähigkeit hätte machen können". Eine Schätzung sei nicht möglich, solange nicht vorgetragen werde, welche Erfindungen der Kläger in dieser Zeit hätte machen können. Das aber sei nicht geschehen, obwohl der Kläger auf diesen Gesichtspunkt hingewiesen worden sei.

2. Mit diesen Anforderungen überspannt das Berufungsgericht das Maß dessen, was von einem Verletzten zu verlangen ist, der wie der Kläger entgangenen Gewinn beansprucht (§§ 252 BGB, 287 ZPO). Nach § 252 Satz 2 BGB kommt es darauf an, welcher Gewinn nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, im Besonderen nach den getroffenen Vorkehrungen und Anstalten, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte. Diese Regelung bedeutet eine Beweiserleichterung für den Geschädigten. Er braucht nicht zur vollen Gewissheit darzutun, dass der Gewinn erzielt worden wäre; vielmehr genügt anstelle des positiven Nachweises eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Gewinnentgangs (BGHZ 29, 393, 397 f. und Urteil des BGH vom 17. Dezember 1963 - VI ZR 186/61, VersR 1964, 244).

Konnte der Gewinn nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge mit Wahrscheinlichkeit erwartet Werden, dann wird vermutet, dass er auch gemacht worden wäre (BGHZ 29, 393, 398). Dabei war der Kläger nicht verpflichtet, seinen Schaden konkret zu berechnen. Er brauchte also entgegen der Meinung des Berufungsgerichts nicht zu behaupten, und zu beweisen, dass er ohne den Unfall in den fraglichen sieben Monaten bestimmte und genau bezeichnete Erfindungen gemacht hätte. Der Kläger durfte vielmehr die Methode der abstrakten Schadensberechnung wählen, die von dem regelmäßigen Verlauf im Wirtschaftsleben ausgeht, dass ebenso wie ein Kaufmann, der im Rahmen seines Gewerbes gewisse Geschäfte macht und daraus Gewinne erzielt, auch ein Erfinder seiner jahrelang ausgeübten Tätigkeit weiter nachgeht und daraus Gewinn zieht. Das Berufungsgericht hat den angeblichen Gewinnentgang unter diesem Gesichtspunkt der abstrakten Schadensberechnung bisher nicht hinreichend geprüft.

Freilich müssen für die hiernach erforderliche Wahrscheinlichkeitsprüfung gewisse Unterlagen vorhanden sein, da sich nur an Hand eines bestimmten Sachverhalts sagen lässt, wie sich die Dinge nach menschlicher Erfahrung weiterentwickelt hätten, wenn es nicht zu dem Unfall und dem Schaden an der Gesundheit des Klägers gekommen wäre. Das Berufungsgericht irrt aber, wenn es meint, der Kläger habe diese tatsächlichen Grundlagen für die Beurteilung nicht beigebracht. Es genügte, dass er den Tatsachenstoff darlegte, aus dem er nach dem gewöhnlichen Verlauf und den besonderen Umständen des Falls seine Gewinnerwartung herleitet. Das aber hat der Kläger getan, indem er seinen Vertrag mit der C.-GmbH vorgelegt, im Einzelnen seine langjährige Erfindertätigkeit geschildert, einzelne Patente genau angeführt und schließlich unter Beweis gestellt hat, dass bis zum Ende des Jahres 1958 etwa 400 Schutzrechte erteilt oder angemeldet waren. Dieses Material reichte aus, um notfalls mit Hilfe eines Sachverständigen beurteilen zu können, wie sich die Sache nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und nach den getroffenen Vorkehrungen in etwa weiterentwickelt hätte und ob es hiernach wahrscheinlich ist, dass ein Ausfall des Klägers für einen Zeitraum von fünf bzw. sieben Monaten einen Einfluss auf seinen Gewinn hatte.

Führt diese Wahrscheinlichkeitsprüfung zu einem dem Kläger günstigen Ergebnis, dann darf der Richter von der Zubilligung jeden Ersatzes nicht mit der Begründung absehen, dass es an ausreichenden Anhaltspunkten für eine Bemessung des Schadens fehle. Gerade für solche Fälle will § 287 ZPO dem Geschädigten den Nachweis seines Schadens erleichtern, indem er an die Stelle der sonst erforderlichen Einzelbegründung die freie Überzeugung des Gerichts treten lässt. Dabei muss das Gericht nötigenfalls die Höhe des Schadens schätzen und unter Berücksichtigung aller Umstände nach freiem Ermessen entscheiden. Auch dann, wenn sich ein Tatbestand nicht voll aufklären lässt, ist der Schaden zu schätzen, soweit der festgestellte Sachverhalt hierfür eine genügende Grundlage gibt. Das Gericht darf nur dann von einer Schätzung absehen, wenn beim Fehlen greifbarer Anhaltspunkte keinerlei Grundlage für das Urteil zu gewinnen wäre und das richterliche Ermessen deshalb völlig in der Luft hängen würde (BGHZ 29, 393, 400 und Urteil des BGH vom 16. Dezember 1963 - III ZR 47/63, NJW 1964, 569). Davon kann hier keine Rede sein, denn der festgestellte Sachverhalt und das Vorbringen des Klägers geben einem Sachverständigen eine ausreichende Grundlage für die Ermittlung (Schätzung) des Schadens, jedenfalls eines gewissen Mindestschadens (vgl. das o.g. Urteil des BGH vom 16. Dezember 1963, aaO.).

Hiernach kann das Berufungsurteil, soweit die Klage auf Ersatz entgangenen Gewinns abgewiesen wurde, nicht bestehen bleiben. Es war vielmehr im Rahmen des Revisionsantrags (50.000 DM nebst Zinsen) aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Soweit der Senat über die Kosten des Rechtsstreits entschieden hat, beruht die Entscheidung auf den §§ 97, 91 ZPO. Die Entscheidung über die weiteren Kosten hängt von dem endgültigen Ausgang der Sache ab; sie war daher dem Berufungsgericht vorzubehalten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2992669

VersR 1967, 903

ES Kfz-Schaden I-1/7

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