Orientierungssatz

Erklärt sich eine Vertragspartei bei Vertragsverhandlungen mit einer durch ihren alleinigen Gesellschafter vertretenen GmbH nur deswegen zur Vorlage von bestimmten Kosten, die nach dem Vertrage die GmbH zu tragen hat, bereit, weil sich der vertragsschließende Gesellschafter bereit erklärt, für diese Kosten einzustehen, so drängt sich die Frage auf, ob der vertragsschließende Gesellschafter nicht gegen Treu und Glauben verstößt, wenn er sich gegen die Inanspruchnahme aus der als Bürgschaft zu wertenden Haftungserklärung unter Berufung auf den Formmangel entzieht. Dies jedenfalls dann, wenn der Gesellschafter wußte, daß die Vertragspartei die Kosten nur im Vertrauen auf seine Bürgschaftserklärung vorgelegt hat und wenn er als Gesellschafter der vertragsschließenden GmbH selbst dadurch Vorteile erlangt hat, daß die andere Vertragspartei die Kosten für die GmbH vorgelegt hat (Vergleiche BGH, 1957-11-28, VII ZR 42/57, BGHZ 26, 142).

 

Tatbestand

Die Klägerin traf im Mai 1980 mit der verklagten GmbH (Beklagte zu 1) eine Vereinbarung, wonach die Klägerin die Befrachtung der Schiffe „D.” und „L.” übernahm und einen Tagessatz je Schiff von 1.100 DM abzüglich eventueller die Reederei betreffender Kosten garantierte; ein über diesen Betrag hinausgehender Einnahmeüberschuß sollte zu gleichen Teilen geteilt werden. Nach der Behauptung der Klägerin hat die Beklagte zu 1 die Vereinbarung im eigenen Namen geschlossen, während diese geltend macht, sie sei nur als Agentin für Dritte aufgetreten. Für die Beklagte zu 1 wurden die Verhandlungen vom Beklagten zu 2 – Geschäftsführer und Gesellschafter der Beklagten zu 1 – geführt.

Die Klägerin hat vorgetragen, daß im Zusammenhang mit dem Einsatz der beiden Schiffe Kosten von 108.920,78 DM entstanden seien, die sie verauslagt habe, die jedoch nach der getroffenen Vereinbarung die Beklagte zu 1 zu tragen habe. Der Beklagte zu 2 hafte neben der Beklagten zu 1, weil er wiederholt erklärt habe, er komme für den Verlust auf und stehe für ihn persönlich ein.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung des genannten Betrages nebst Zinsen zu verurteilen.

Während des ersten Rechtszugs ist durch Beschluß des Amtsgerichts Bremen vom 28. Mai 1982 die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Beklagten zu 1 mangels Masse abgelehnt worden.

Das Landgericht hat durch Teilurteil die Klage abgewiesen, soweit sie sich gegen den Beklagten zu 2 richtet. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag gegen den Beklagten zu 2 weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Beklagte zu 2 bei den Vertragsverhandlungen erklärt, er hafte persönlich dafür, wenn irgendetwas nicht klar gehe; im gleichen Sinne hat er sich auch noch später einmal gegenüber der Klägerin geäußert. Das Berufungsgericht hat diese Äußerungen als Bürgschaftserklärungen aufgefaßt und sie als solche wegen Nichteinhaltung der Schriftform nach § 766 BGB für unverbindlich erachtet. Den Nachweis weitergehender Äußerungen des Beklagten zu 2, aus denen ein (formlos wirksamer) Schuldbeitritt des Beklagten zu 2 entnommen werden könnte, hat das Berufungsgericht nicht für erbracht angesehen.

2. Gegen diese Beurteilung wendet sich die Revision mit einer Reihe von Angriffen, die nicht durchgreifen.

a) Die Revision macht geltend, der Beklagte zu 2 sei Alleingesellschafter der Beklagten zu 1 und damit selbst Unternehmer und Kaufmann gewesen. Außerdem sei er Eigner von Schiffen gewesen, mit denen er Handel betrieben habe. Die Bürgschaft sei deshalb „gemäß § 344 Abs. 1 HGB” (richtig: § 350 HGB) rechtswirksam.

Dem kann nicht gefolgt werden. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob im Revisionsverfahren davon ausgegangen werden könnte, daß der Beklagte zu 2 Alleingesellschafter der Beklagten zu 1 war. Die Kaufmannseigenschaft kommt allein dem Rechtssubjekt zu, in dessen Namen das Unternehmen betrieben wird. Der Alleingesellschafter und -geschäftsführer einer GmbH ist danach nicht selbst Kaufmann (BGHZ 5, 133, 134). Aus dem Vortrag der Parteien ergibt sich auch nicht, daß der Beklagte zu 2 unabhängig von seiner Stellung in der Beklagten zu 1 Schiffseigner war und in dieser Eigenschaft ein Handelsgewerbe betrieb, dem die Bürgschaft zuzurechnen gewesen wäre. Der Beklagte soll zwar davon gesprochen haben, die beiden hier in Frage stehenden Schiffe gehörten ihm. Die Klägerin hat aber nicht behauptet, daß der Beklagte persönlich Eigentümer der Schiffe war oder auch nur seine Äußerung so zu verstehen gewesen sei. Sie hat vielmehr vorgetragen, der Beklagte zu 2 habe immer wieder geäußert, die Beklagte zu 1 sei Eigentümerin der Schiffe (Schriftsatz vom 27.4.1982 S. 1/2). Nach dem Vorbringen der Beklagten gehörte der Beklagten zu 1 das eine der beiden Schiffe (MS D.) und war von dieser für zwei Jahre verchartert; das zweite (MS L.) soll einer panamesischen Gesellschaft gehört haben (Schriftsatz vom 1.3.1982 S. 1/2). Die Klägerin hat diese Eigentumsverhältnisse ausdrücklich zugestanden (Schriftsatz vom 18.10.1982 S. 1/2) und lediglich geltend gemacht, daß der Beklagte zu 1 über beide Schiffe habe verfügen können, weil er auch der Direktor der panamesischen Gesellschaft gewesen sei. Daraus ergibt sich keine Kaufmannseigenschaft des Beklagten zu 2. Dem Prozeßvortrag ist auch nicht zu entnehmen, daß der Beklagte zu 2 anderweit – etwa mit einem weiteren Schiff – im eigenen Namen ein Handelsgewerbe betrieben hat.

b) Die Revision wendet sich ferner gegen die Auslegung des vom Berufungsgericht festgestellten Inhalts der Erklärung als Bürgschaft statt als Schuldbeitritt und beanstandet die Beweiswürdigung, soweit das Berufungsgericht einzelnen Wendungen in den Zeugenaussagen nicht gefolgt ist. Die Auslegung der festgestellten Erklärung ist jedoch ebenso wie die Beweiswürdigung Sache der tatrichterlichen Beurteilung. Die Revision vermag einen Rechtsfehler insoweit nicht aufzuzeigen, sondern setzt nur ihre eigene Beurteilung an die Stelle derjenigen des Tatrichters.

c) Die Revision meint schließlich, es seien die Voraussetzungen eines Haftungsdurchgriffs gegen den Beklagten zu 2 gegeben. Nach der Begründung des Beschlusses über die Ablehnung der Konkurseröffnung hätten bei der Beklagten zu 1 den Verbindlichkeiten von über 9 Mio DM lediglich dubiose Aktiva von etwa 330.000 DM gegenübergestanden. Daraus ergebe sich, daß der Beklagte zu 2, der dieses Defizit verschuldet habe, die Rechtsform der juristischen Person mißbraucht habe.

Auch damit dringt die Revision nicht durch. Die bloße Behauptung, der Gesellschafter habe ein (erhebliches) Defizit zu verantworten, ergibt für sich allein noch nicht schlüssig, daß die Rechtsform der GmbH mißbraucht worden ist. Besondere Umstände, aus denen sich ein solcher Mißbrauch ergeben könnte, sind weder festgestellt noch von der Klägerin dargelegt worden.

Die Revision macht als weiteren Durchgriffsgrund noch geltend, daß der Beklagte zu 1 den Anschein persönlicher Haftung hervorgerufen habe. Die Rechtsprechung, auf die sie sich insoweit beruft (BGH, LM BGB § 831 Nr. 47 sowie die in diesem Urteil zitierte Entscheidung des RFH JW 1926, 1483), betrifft jedoch letztlich Fälle der Rechtsscheinhaftung, die hier nicht eingreifen kann. Der Beklagte zu 1 ist nicht persönlich als Träger des Unternehmens aufgetreten, das Vertragspartei war. Es geht vielmehr darum, ob er neben der Beklagten zu 1, die als die Vertragspartnerin bezeichnet war, für seine Person eine Verpflichtung eingegangen ist.

3. Die festgestellten und darüber hinaus von der Klägerin behaupteten Umstände machen jedoch eine Prüfung erforderlich, ob die Berufung auf den Formmangel der Bürgschaftserklärung nicht eine unzulässige Rechtsausübung des Beklagten zu 2 darstellt. Nach der Behauptung der Klägerin wollte der Beklagte zu 2 schon zu Beginn der Vertragsverhandlungen, daß die Klägerin mit Kosten, die nach dem Vertrag die Beklagte zu 1 zu tragen hatte, in Vorlage trete; sie – die Klägerin – sei hierzu unter der Bedingung bereit gewesen, daß der Beklagte zu 2 für diese Kosten einstehe. Dadurch sei es zu der Haftungserklärung des Beklagten zu 2 gekommen (Schriftsätze vom 8.9.1982 S. 1/2 und vom 20.5.1985 S. 5). Wenn dies zutrifft (und Gegenteiliges hat das Berufungsgericht nicht festgestellt), wußte der Beklagte, daß die Klägerin die Kosten, deren Erstattung sie mit der Klage verlangt, nur im Vertrauen auf seine Bürgschaftserklärung verauslagt hat. Der Beklagte zu 2 kann als Gesellschafter der Beklagten zu 1 mittelbar selbst dadurch Vorteile erlangt haben, daß die Klägerin die Kosten für die Beklagte zu 1 vorgestreckt hat. Danach drängt sich die Frage auf, ob der Beklagte nicht gegen Treu und Glauben verstößt, wenn er sich der Inanspruchnahme aus der Bürgschaft unter Berufung auf den Formmangel entzieht (BGHZ 26, 142, 151 f.).

Der Senat ist nicht in der Lage, diese Frage selbst schon endgültig zu entscheiden. Zum einschlägigen Vortrag der Klägerin liegen bisher keine hinreichenden tatrichterlichen Feststellungen vor. Im übrigen bedarf es für die Beurteilung, ob ein formnichtiges Geschäft ausnahmsweise nach dem Grundsatz von Treu und Glauben wie ein gültiges zu behandeln ist, einer Würdigung aller Umstände des Einzelfalles, die dem Tatrichter vorbehalten ist.

4. Das Berufungsurteil kann auch nicht aus anderen Gründen aufrechterhalten bleiben.

a) Der Beklagte zu 2 hat sich in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gegen die Feststellung des Berufungsgerichts gewandt, daß er schon bei den Vertragsverhandlungen erklärt habe, er hafte persönlich dafür, wenn irgendetwas nicht klar gehe. Er hat jedoch insoweit keinen Rechtsfehler des Berufungsgerichts aufzeigen können, sondern nur eine anderweite Beweiswürdigung vorgenommen. Damit kann er in der Revisionsinstanz nicht durchdringen.

b) Das Bestehen der Hauptforderung, zu der das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen hat, ist im Ansatz schlüssig dargetan. Es bestehen allerdings Zweifel, ob die Klägerin die Auslagen, die sie aufgrund der Vereinbarung erstattet verlangt, bisher im einzelnen schon ausreichend substantiiert hat. Sie hat sich bisher nur auf ein Schreiben vom 10. April 1981 bezogen, das die Einzelposten nicht hinreichend detailliert aufführt. Das Landgericht hat die Klägerin jedoch darauf in einem Auflagenbeschluß hingewiesen und ihr Gelegenheit zur Ergänzung ihres Vortrags gegeben. Dazu ist es bisher nicht gekommen, weil die Akten an die Rechtsmittelinstanzen versandt worden sind und das noch bei dem Landgericht anhängige Verfahren nicht weiter betrieben worden ist. Im Revisionsverfahren muß danach davon ausgegangen werden, daß die Hauptforderung substantiiert dargelegt wird.

 

Fundstellen

Haufe-Index 649001

ZIP 1986, 1457

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge